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GLEICHHEIT/3047: Allparteienkoalition peitscht Griechenlandkredit durchs Parlament


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Allparteienkoalition peitscht Griechenlandkredit durchs Parlament

Von Marius Heuser
6. Mai 2010


Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am gestrigen Mittwoch mit einer Regierungserklärung die erste Lesung des Euro-Stabilisierungsgesetzes einleitete, war das der bildliche Höhepunkt einer großen Inszenierung. Immer wieder musste sich die Kanzlerin gegen Zwischenrufe der Opposition Gehör verschaffen. Es wirkte fast so, als stünden sich zwei Lager kompromisslos gegenüber. Dabei haben ausnahmslos alle Fraktionen dem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren zugestimmt, das eine Ratifizierung des Rettungspaketes noch in dieser Woche ermöglicht.

Merkel betonte in ihrer Rede, dass es mit dem Rettungskredit für Griechenland um nichts weniger als "um die Zukunft Deutschlands in Europa" gehe. Die Finanzhilfen bezeichnete sie als "alternativlos", auch wenn für "diese Kredite in letzter Konsequenz der Steuerzahler" bürgt. Gleichzeitig erklärte sie, dass es keine Unterstützung aus Deutschland gäbe, sollte sich die griechische Regierung nicht zu "maximalen Eigenanstrengungen" verpflichten, um die "exorbitante Staatsverschuldung abzubauen", also heftige soziale Angriffe auf die eigene Bevölkerung führen.

Auch wenn es einige Differenzen über die europapolitische Ausrichtung Deutschlands gibt, sind sich in diesem Punkt doch alle Fraktionen im Bundestag einig. Nicht eine - auch nicht die der Linkspartei - kritisierte die drastischen Sparmaßnahmen, die für große Teile der griechischen Bevölkerung bittere Armut und Massenarbeitslosigkeit bedeuten. Bei der Abstimmung am Freitag wird deshalb auch eine deutliche Mehrheit für das Stabilisierungsgesetz erwartet.

Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte schon in der letzten Woche erklärt, dass Hilfen für Griechenland alternativlos seien: "Der Euro darf unter keinen Umständen zur Disposition gestellt werden", sagte er. Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Rede sogar, dass er Merkel nicht vorwerfe, dass sie jetzt handle, "sondern dass Sie erst jetzt handeln". Auch sein Grüner Amtskollege Jürgen Trittin kritisierte die Regierung für ihr "Zögern und Zaudern".

Stünden in NRW am kommenden Sonntag keine Wahlen an, hätte das Gesetz wahrscheinlich ebenso lautlos den Bundestag passiert wie das Bankenrettungspaket im Oktober 2008. Damals hatten ebenfalls alle Parteien einer beschleunigten Gesetzgebung zugestimmt und damit die Verabschiedung dieses folgenreichen Gesetzes in Wochenfrist ermöglicht. Den Banken wurden dadurch 480 Mrd. Euro staatlichen Geldes zur Verfügung gestellt.

Doch angesichts der Wahlen verknüpfen auf der einen Seite CDU-Abgeordnete wie Norbert Lammert ihre Zustimmung zu dem Gesetz mit der Forderung nach stärkeren Sanktionen gegen Griechenland, und stellen andererseits Oppositionspolitiker die Bewilligung des Rettungspaketes in Frage. So erklärte Steinmeier, dass es eine "reine Kreditermächtigung" mit seiner Fraktion nicht geben werde. Man müsse auch über eine Finanztransaktionssteuer nachdenken. Die Grünen forderten eine Beteiligung der Banken an den staatlichen Krediten für Griechenland und sprachen sich für eine bessere Koordinierung der europäischen Finanzpolitik aus.

Eingedenk der Zustimmung dieser Parteien zu der beschleunigten Gesetzgebung und ihrer wahrscheinlichen Zustimmung zum Gesetzt selbst, braucht man schon viel Phantasie, um diese Schmierenkomödie als parlamentarischen Gesetzgebungsprozess zu bezeichnen. In Wirklichkeit wird hier nur abgenickt, was die Finanzmärkte zuvor diktiert haben.

Doch die Inszenierung dieses Diktats begann nicht erst mit Merkels Regierungserklärung. Schon die allgegenwärtige Darstellung in den Medien, es ginge mit dem Gesetz um die "Rettung" Griechenlands oder gar der griechischen Bevölkerung, ist eine dreiste Verdrehung. Von dem Rettungspaket profitieren vor allem die Gläubiger, also die Banken, die im Falle eines Bankrotts oder einer Umschuldung erhebliche Teile ihrer Kredite abschreiben müssten. Alleine deutsche Banken sollen etwa 45 Mrd. Euro in griechische Staatsanleihen investiert haben. Die griechische Bevölkerung hat hingegen gar nichts von dem Milliardentransfer. Sie bekommt stattdessen von den gleichen Banken Sozialkürzungen, sinkende Löhne und Arbeitslosigkeit diktiert.

Das Gesetz sieht vor, Griechenland im laufenden Jahr bis zu 8,4 Milliarden Euro Kredit zu ermöglichen. In den nächsten drei Jahren kann der Finanzminister bis 22,4 Milliarden Euro für diesen Zweck bereit stellen. Die Kredite sollen von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Verfügung gestellt werden. Der Bund bürgt für diese Summen. Mit dem Gesetz beteiligt sich Deutschland an dem Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU), das sich auf insgesamt 110 Milliarden Euro beläuft. Davon übernimmt die EU 80 und der IWF voraussichtlich 30 Milliarden Euro. Ob die griechische Regierung mit diesem Geld tatsächlich rechnen kann, hängt davon ab, ob sie eine rigide Haushaltskonsolidierung gegen die eigene Bevölkerung durchsetzt. An diese Bedingung sind die Kredite geknüpft.

Mit den 110 Milliarden Euro werden die Kredite abgesichert, die an Griechenland vergeben wurden. Für diese Kredite haben Banken und Spekulanten zuletzt horrende Zinsen kassiert, weil griechische Staatsanleihen als riskante Investitionen eingestuft wurden. Nun ist der Risikofall eingetreten, die Banken müssten Teile ihrer Kredite abschreiben, doch die EU und der IWF springen für sie ein und garantieren ihnen die satten Gewinne.

Umso frecher erscheint die wohl groteskeste Szene dieser Aufführung. Regie und Hauptdarsteller: Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank. Am vergangenen Dienstag stellte sich dieser zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinen Kollegen aus den Bank-Vorständen vor die Kameras und verkündete einen unabhängigen Beitrag der Banken zur Rettung Griechenlands.

Die beteiligten Geldhäuser, die allesamt in griechische Staatsanleihen investiert haben, boten an, diese Anleihen "nach aller Möglichkeit" bis 2012 zu halten, also genau so lange, wie das EU/IWF-Rettungspaket in Kraft ist und ihre Kredite damit ziemlich sicher sind. Unklar bleibt derweil völlig, zu welchen Konditionen die Banken ihre Kredite verlängern wollen.

Außerdem haben die Bankchefs angekündigt, KfW-Anleihen zu kaufen und damit deren Kredite zu stützen. Da diese Anleihen aber durch die staatliche Bürgschaft ohnehin völlig abgesichert sind, bedeutet das lediglich ein lukratives Geschäft für die Banken, weil sie kein eigenes Risiko haben, aber den Gewinn einstreichen.

Gleichzeitig haben sich die Banken weder zum Kauf neuer griechischer Staatsanleihen verpflichtet noch auf Teile ihrer Kredite verzichtet. Und selbst die gemachten Angebote, die völlig im Eigeninteresse der Banken liegen, sind nicht verpflichtend. DZ-Bank-Chef Kirsch nannte die Vereinbarung ein "sehr strenges und starkes Gentlemen's Agreement".

Eine besonders zynische Rolle spielt die Linkspartei in diesem Stück. Gregor Gysi hat im Bundestag zwar erklärt, dass das Hilfspaket Geld in die Hände der Spekulanten spüle und der Staat für Kredite bürge, für die Privatinvestoren die Zinsen einstreichen. Aber auch die Linkspartei hat dem Schnellverfahren zugestimmt, damit eine ausführliche Debatte über diese Fragen im Bundestag verhindert und dem Spardiktat der griechischen Regierung stillschweigend ihren Segen erteilt. Auch wenn die Partei am Freitag gegen das Gesetz stimmen sollte, hat sie es doch wie schon das erste Bankenrettungspaket von 2008 ermöglicht.

Die beiden Kandidaten für den Vorsitz der Linkspartei, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, waren noch am Montag bei Angela Merkel, um über Details des Rettungspakets zu sprechen. Zuvor hatten sie sich geweigert, sich eindeutig auf das Abstimmungsverhalten der Linksfraktion festzulegen. Erst als Noch-Parteichef Oskar Lafontaine im Frühstücksfernsehen verkündete, dass die Fraktion der Linkspartei dem Gesetz nicht zustimmen könne, übernahmen auch Lötzsch und Ernst diese Position.

Bei den Auseinandersetzungen dieser Partei geht es nicht um prinzipielle Fragen, sondern darum, wie man die Opposition der Bevölkerung am besten kanalisieren kann, um eine ernsthafte Bewegung gegen die Milliardengeschenke an die Reichen zu verhindern. Sie spielt eine entscheidende Rolle dabei, das wirkliche Ausmaß der Krise herunterzuspielen und jeden Widerstand im Keim zu ersticken.

Dabei ist die Verabschiedung des Rettungspaketes nur die Generalprobe für die heftigen Angriffe, die auch die deutschen Arbeiter erwarten. Hatte die Bundesregierung vor zwei Jahren auf die Bankenkrise noch mit Konjunkturprogrammen wie der Abwrackprämie reagiert, nicht zuletzt, um die Empörung über die Banken zu dämpfen, ist jetzt Sparen angesagt. Auch Deutschland hat durch die Bankenrettung riesige Defizite aufgetürmt, die jetzt aus der Bevölkerung wieder herausgepresst werden müssen. Finanzminister Schäuble hat schon angekündigt, die ersten Pläne hierzu nach den Wahlen in NRW zu präsentieren.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.05.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2010