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GLEICHHEIT/3342: Nach der Niederlage der Demokraten


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nach der Niederlage der Demokraten
Obama und Republikaner bereiten gemeinsam Angriff auf amerikanische Arbeiter vor

Von Patrick Martin
5. November 2010


Am Mittwoch, dem Tag nach dem durchschlagenden Wahlerfolg der Republikaner bei den Kongresswahlen 2010, taten die Führer der siegreichen Republikaner und der Demokratische Präsident Barack Obama in parallel abgehaltenen Pressekonferenzen die ersten, zögernden Schritte in Richtung auf eine offene politische Partnerschaft. Diese wird sich gegen die amerikanische Arbeiterklasse richten.

Der neue Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, Republikaner aus Ohio, trat auf dem Capitol Hill auf, begleitet vom Minderheitsführer Senats, Mitch McConnell, und Gouverneur Haley Barbour aus Mississippi, der die Vereinigung Republikanischer Gouverneure leitet.

Alle drei ließen sich darüber aus, dass man auf das amerikanische Volk hören und seiner Führung folgen müsse, obwohl sich gerade ihre Politik im Wesentlichen gegen die Bevölkerung richtet - fordern sie doch die Kürzung der Renten, der Krankenversicherung, der Bildung und des Arbeitslosengelds, sowie Steuersenkungen für die Reichen.

Boehner schlug einen versöhnlichen Ton an. Er appellierte an Obama im Weißen Haus und an die Kongressdemokraten, die im Senat immer noch die Mehrheit haben, mit der neuen Republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus zusammenzuarbeiten. So werde eine "schlankere, kostengünstigere und verantwortungsvollere Regierung in Washington, DC" erreicht.

McConnell trat streitlustiger auf und erklärte: "Wir werden mit der Regierung zusammenarbeiten, wenn wir mit ihr übereinstimmen, und wenn nicht, werden wir gegen sie vorgehen." Aber im Zusammenhang mit Haushaltskürzungen sagte er: "Es ist klar, dass wir zu einer Art überparteilicher Übereinkunft kommen müssen." Er fügte hinzu: "Wir gehen davon aus, dass genug Demokraten dies unterstützen, damit wir vorankommen können."

Barbour vertrat die Forderung nach pauschalen Ausgabenkürzungen am deutlichsten. Er sagte: "Wir haben in den Staatsregierungen gelernt, wie man richtige Kürzungen durchsetzt, und wir hoffen, dass der neue Kongress dies als Beispiel nehmen wird."

Der Appell an Ausgabendisziplin und einen "schlankeren Staat" betrifft immer nur die Sparten, die der Arbeiterklasse, den Kranken und Senioren zugute kommen. Kein Republikanischer Kongressführer würde Kürzungen am Militär oder an den gewaltigen Steuerbegünstigungen für die Wall Street und die Reichen befürworten.

Im Gegenteil: Boehner und McConnell sprachen sich beide erneut dafür aus, die Steuersenkungen der Bush-Regierung für die Reichen, die eigentlich am 31. Dezember auslaufen, weiterzuführen. Eine Verlängerung wurde bisher nicht beschlossen, weil sich das Weiße Haus nicht mit den Republikanern im Kongress einigen kann. Obama will die Steuersenkungen auf Einkommen von 250.000 Dollar und weniger beschränken. Die Republikaner wollen die Steuersenkungen ohne Einkommensdeckelung beibehalten, worin sie auch von mehreren Demokratischen Abgeordneten unterstützt werden.

Präsident Obama erklärte in seiner Pressekonferenz eine Stunde später, er sei für die Vorschläge der Republikaner offen, und versprach eine Zusammenarbeit beider Parteien in Fragen der Ausgabenkürzung. Wiederholt sprach er über Themen mit "gemeinsamer Grundlage", wie der Energiepolitik, der Bildung und der Steuersenkung für Investitionen.

Obama sagte, schuld an der Wahlschlappe der Demokraten sei der klägliche Zustand der US-Wirtschaft, besonders die weitverbreitete Sorge über die hohe Arbeitslosigkeit. Doch außer weiteren Steuersenkungen für Unternehmer schlug er absolut nichts vor, um Arbeitsplätze zu schaffen. Er versprach, er werde sich alle Maßnahmen, welche die Republikaner vorschlagen, aufmerksam anhören.

An einer Stelle erinnerten Obamas Worte an die Erklärung seines Vorgängers Bill Clinton, als die Demokraten 1994 die Mehrheit im Kongress verloren hatten. Er bekräftigte seine Bereitschaft zum Weitermachen und sagte: "Keine Partei wird in der Lage sein, zu diktieren, wohin wir jetzt gehen." Er drückte seinen Wunsch aus, sich mit Boehner und McConnell zu treffen.

Da Obama vor einer langen Reise nach Asien steht und am G-20-Wirtschaftsgipfel in Südkorea teilnehmen wird, waren folgende Worte besonders bemerkenswert: "Der wichtigste Wettkampf ist für uns nicht der zwischen Demokraten und Republikanern. In diesem Jahrhundert ist der wichtigste Wettbewerb für uns der zwischen Amerika und unseren Wirtschaftsrivalen auf der ganzen Welt."

Das kommt einem Appell an die Republikaner gleich, gemeinsam ein aggressives Programm des Wirtschaftsnationalismus zu entwickeln, um die Interessen der amerikanischen Konzerne gegen ihre internationalen Rivalen durchzusetzen. Ein Schlüsselelement bei der Kampagne der Obama-Regierung für ein "exportorientiertes" Wachstum ist die Senkung des Lohnniveaus amerikanischer Arbeiter, damit amerikanische Konzerne auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger werden.

Auf wiederholte Fragen, ob die Wahl eine Zurückweisung der Regierungspolitik sei, räumte Obama höchstens ein, dass es die US-Wirtschaft bisher nicht geschafft habe, genug Arbeitsplätze für die rasch steigende Zahl der Arbeitslosen bereitzustellen, obwohl er, wie er behauptete, "das Land stabilisiert" und "ein Stellenwachstum im privaten Sektor" geschaffen habe. Er fügte hinzu: "Aber die Menschen in ganz Amerika nehmen den Fortschritt nicht wahr. Sie sehen ihn nicht."

Im Bemühen, seinen Gegnern im rechten Lager einen Olivenzweig zu reichen, übernahm Obama deren Argumente gegen einen "aufgeblähten Staat". Er sagte, im Verlauf seiner ersten zwei Jahre im Amt sei es zu Kriseninterventionen im Bankensektor, der Autoindustrie und dem Gesundheitswesen gekommen. "Ich glaube, den Menschen kam es so vor, als würde der Staat viel stärker in das Leben der Menschen eingreifen, als sie es bisher gewohnt waren."

Bezeichnenderweise betrachten weder Obama noch seine Republikanischen Gegenspieler eine Regierung, die Gespräche abhört, Geheimgefängnisse unterhält oder Tötungen befiehlt, als Kennzeichen eines "aufgeblähten Staats". Die Republikaner können nur nicht akzeptieren, wenn der Staat im Geringsten die Machenschaften großer Konzerne oder reicher Personen einschränkt, welche die Arbeiter ausplündern und ausbeuten.

Obama wies auf die gemeinsame Defizit-Kommission der beiden Parteien hin, die er im März eingesetzt hatte. Sie muss nächsten Monat Vorschläge unterbreiten, wie die Leistungen der Krankenversicherung und der Rente gekürzt und möglicherweise Konsumsteuern eingeführt werden könnten, die hauptsächlich die Arbeiterklasse treffen.

Er strich außerdem heraus, dass er auf beschleunigte Abschreibungsregeln für Unternehmen setze, damit die Konzerne "nächstes Jahr eine große Steuererleichterung erhalten". Dies nannte er "eine Vorstellung, die, wie ich glaube, von Wirtschaftsgruppen und Republikanern seit langer Zeit unterstützt wird".

Obama schloss mit einem Loblieb auf den kapitalistischen Markt, das genauso gut auch vom neu gewählten Republikanischen (Tea Party) Senator Rand Paul stammen könnte: "Wir haben einen in der Geschichte weltweit beispiellosen Lebensstandard erreicht, weil wir eine freie Markwirtschaft haben, die dynamisch und unternehmerisch ist. Deshalb muss der freie Markt gepflegt und gefördert werden."

Über welchen "beispiellosen Lebensstandard" spricht Obama? Amerikanische Arbeiter, die gerade die höchste Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Verelendung seit einem dreiviertel Jahrhundert erleben, könnten mit einer unhöflichen Geste darauf reagieren.

In erster Linie will der Präsident dem kapitalistischen Amerika versichern, dass er seine Lektion aus den Wahlen gelernt hat und die Wall Street nie wieder schlechtmachen wird, mögen Banker und Vorstandsvorsitzende auch noch so viele Verbrechen verüben. Als er über den Börsenkrach, den Skandal mit den hohen Managerboni und den Ölteppich im Golf von Mexiko sprach, sagte er: "Ich glaube, die Wirtschaft hat verstanden, dass, nun gut, dass wir scheinbar immer als Übeltäter hingestellt werden."

Diese ungewöhnliche Entschuldigung bei denen, welche die amerikanische und Weltwirtschaft zugrunde gerichtet, die Umwelt zerstört und die Lebensgrundlage vieler Millionen arbeitender Menschen vernichtet haben, beweist, dass beide Parteien und das gesamte offizielle Washington sich der herrschenden Finanzaristokratie vollkommen unterwerfen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.11.2010
Nach der Niederlage der Demokraten
Obama und Republikaner bereiten gemeinsam Angriff auf amerikanische Arbeiter vor
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2010