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GLEICHHEIT/3402: Studenten-Proteste in Großbritannien prangern Gebührenerhöhung und Polizeigewalt an


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Studenten-Proteste in Großbritannien prangern Gebührenerhöhung und Polizeigewalt an

Von unseren Reportern
14. Dezember 2010


Becky Gardner studiert an der Universität von Portsmouth. Sie sagte: "Sie behandeln uns als ob wir nicht verstehen würden, gegen was wir protestieren. Sie wiederholen immer wieder, 'Es ist in Ordnung, weil man die Gebühren nicht zurückzahlen muss, wenn man 15.000 Pfund verdient (18.000 Euro), sondern erst, wenn man 21.000 Pfund (25.000 Euro) verdient.

Aber die Gebühren werden zu kommerziellen Zinssätzen verzinst, was bedeutet, je später man mit der Rückzahlung des Darlehens beginnt, desto mehr wird man zurückzahlen müssen. Deshalb muss man, wenn man arm ist und dies alles durchsteht und alle Darlehen zurückbezahlt, schließlich mehr bezahlen, als wenn man reich ist.

Bei der Wahl haben sie uns geschrieben, dass sie an unserer Meinung wirklich interessiert wären. Jetzt behaupten sie, dass wir dumm sind. Aber wir wissen, was sie machen. Heute haben wir normal protestiert, und plötzlich wurden wir eingekesselt. Die Gewalt begann, nachdem wir eingekesselt wurden. Wir zogen hier durch und plötzlich stoppten alle. Etwa fünfzehn Minuten später erkannten wir, dass wir eingekesselt waren und jetzt sind wir seit mehreren Stunden hier."

"Unsere Stimme wird nicht beachtet", sagte sie. "Sie sollten uns vertreten, doch das machen sie nicht. In fünf Jahren, wenn sie angeblich den Finanzhaushalt wieder ausgeglichen haben, wird dann von diesem Land noch etwas übrig geblieben sein, was die Leute lebenswert finden? Wenn es keine Ausbildung, keine Gesundheitsfürsorge mehr gibt, wenn alles privatisiert ist, glaube ich nicht, dass noch etwas übrigbleibt.

Ich denke, die NUS [National Union of Students, Nationale Studentenvereinigung] hat uns wirklich im Stich gelassen. Es ist klar, dass NUS-Präsident Aaron Porter ein Politiker wird. Ich bin für die Vereinigung mit allen Arbeitern. Mein Vater wird womöglich seine Arbeitsstelle verlieren. Er arbeitet beim staatlichen Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) und meine Schwester wird wohl auch Ihre Stelle bei der NHS verlieren.

Ich bin nicht nur eine Studentin, die für die Bildung kämpft. Mich begeistert der Kampf für die Gesellschaft. Mich ärgert am meisten, dass sie sagen, wir hätten diese Staatsschulden wegen übermäßiger Staatsausgaben. Aber dieses Haushaltsdefizit war weitgehend durch die Rettungsaktionen für die Banken verursacht. Jetzt holen sie sich das ganze Geld bei den öffentlichen Dienstleistungen zurück. Es geht darum Geld zu sparen, aber sie wollen gleichzeitig auch alles 'reformieren' und privatisieren."

Alan ist Informatikstudent an der University of Portsmouth. Er sagte: "Die Medien versuchen es so hinzustellen, dass die Studenten randalieren und gewalttätig sind. Aber tatsächlich kommt die Polizei und wird gewalttätig. Wenn sie ihre Kriege für einen Tag unterbrechen würden, dann könnten sie problemlos das Bildungssystem finanzieren. Und wenn die Reichen die Steuern zahlen würden, die sie zahlen müssten, gäbe es keine Notwendigkeit beim Bildungssystem zu sparen. "

Anya ist aus Deutschland. Sie sagte: "Ich studiere Fotografie am "College of Communication" in London und ich hatte geplant, einen Master-Studiengang zu besuchen. Ich kam hierher nach England, und nach zwei Jahren Studienzeit bemerke ich, dass die Ausbildung nicht das bietet, wofür ich bezahle. Wir haben keine Gastreferenten. Wir verbringen weniger Zeit mit den Lehrern und die Verschlechterungen haben noch nicht einmal wirklich begonnen. Ich möchte mich nicht für einen Master-Studiengang anmelden, für den ich 9.000 Pfund (10.750 Euro) bezahlen muss, weil es mir dabei nicht möglich wäre, richtig zu lernen. Ich würde nur arbeiten."

Stephen studiert an der "Goldsmiths University" in London. Er sagte: "Hier sind Hunderte von der Goldsmiths Universität. Wir haben in den letzten paar Tagen unsere Bibliothek besetzt und die ganze Zeit zusammen diskutiert. Das Problem mit den Gebühren ist für mich sehr wichtig, aber ich sehe es eher als einen Angriff auf den Sozialstaat. Ein großer Teil der Medien sagt, die Studenten würden nur für ihre eigenen Interessen protestieren, aber dies ist nicht wahr. Ich habe meine Studiengebühren bereits vollständig bezahlt und ich schließe mein Studium im nächsten Jahr ab, wie auch viele andere hier.

Dies geschieht überall in Europa. Wir hatten ein Spruchband auf griechisch bei unserer Besetzung mit der Aufschrift "Solidarität mit unseren griechischen Kameraden". Was der Präsident der NUS tat, war widerlich. Er sollte die Ansichten der Studierenden repräsentieren doch stattdessen läuft er herum und verurteilt die Studenten, um seine eigene politische Karriere bei der New Labour Partei zu sichern. Ich denke, wir müssen diese Demonstrationen gegen alle Sparmaßnahmen erweitern. Die Goldsmiths Universität liegt im Londoner Stadtteil Lewisham und es gibt dort einen Labour-Stadtrat, der diese Kürzungen durchsetzt. Dies zeigt, dass man der Labour-Partei nicht trauen kann."

Joseph, ebenfalls von der Goldsmiths Universität, sagte: "In New Cross, kürzt der Stadtrat die öffentlichen Dienstleistungen. Dies zeigt, wie die wirkliche Agenda aussieht. Sie kürzen die Kinderkrippen und sie kürzen alle möglichen Dienstleistungen, was völlig ungerecht ist. Deshalb bin ich hier. Ich glaube keiner einzigen Partei mehr. Die Labour-Partei vertritt die Arbeiter nicht mehr.

In vielen Diskussionen hört man, dass die Menschen sagen, es sei nicht hinnehmbar, wenn es zu heftigen Ausbrüchen kommen sollte. Aber wenn man den Lauf der Geschichte betrachtet, sieht man, dass es selbstverständlich ist, dass die Menschen gewalttätig werden, wenn der Staat nicht zuhört. Ich denke die Argumentation läuft so, dass die Regierung die Banken retten musste, damit diese nicht zusammenbrechen, doch ich bin mir da nicht sicher. Soll dies auf Kosten der einfachen Leute geschehen? Es ist völlig inakzeptabel, dass mit diesen Rettungsgeldern die Banker-Boni bezahlt werden.

Ich weiß nicht, was die Lösung ist. Unter dem Kapitalismus gibt es keine. Die Arbeiter bezahlen, so funktioniert doch der Kapitalismus, oder nicht? Aufschwung gefolgt von Wirtschaftskrise! Der Kapitalismus ist völlig fehlerhaft. Kapitalismus und Demokratie passen nicht zusammen, es ist ein Widerspruch. Das Wichtigste ist, Bündnisse mit dem Rest der arbeitenden Bevölkerung aufzubauen. "

Mohamedeen von der Middlesex University sagte: "Wir müssen unsere Zukunft retten. Wir können echt nicht 9.000 Pfund (10.750 Euro) bezahlen. Sie sagen es entspricht einem Zinssatz von 9 Prozent, um es zurückzuzahlen, aber es wird eine lange Zeit dauern. Alle diese Politiker, einschließlich Nick Clegg und David Cameron, haben dies mit den Banken ausgehandelt, damit Millionen und Milliarden auf ihren Konten landen und wir müssen dafür leiden.

Ich denke, wie du gesagt hast, dass eine neue sozialistische Partei geschaffen werden sollte. Ich denke, diese Bewegung sollte sich mit der Arbeiterklasse vereinigen und die Regierung stürzen. Es beginnt immer mit kleinen Gruppen, und die Studenten haben begonnen."

Eine Studentin von der Camden School für Mädchen sagte: "Ich bin heute hier, weil ich mich von den Liberaldemokraten völlig verraten fühle. Sie widersprechen völlig ihrem Wahlprogramm. Und ich bin hier, weil auf der anderen Seite meines Spruchbandes steht: "Es ist alles die Schuld der Banker." Sie haben mit unserem Geld gespielt und uns in diesen Schlamassel geritten, und jetzt müssen wir dafür bezahlen.

Wir müssen ein genaueres Auge auf die Wirtschaftsführer und die Banken werfen, da sie oft Steuern hinterziehen. Wir verlieren dadurch eine Menge Geld - unser Geld - und das Geld sollte nicht ausschließlich von der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschicht eingefordert werden. Die Leute haben vielleicht genug Geld für ein Haus, doch sie haben bestimmt nicht genug Geld, um diese Gebühren zu bezahlen."

Noran wurde von einem Polizisten angegriffen. Sie sagte: "Ich lief lediglich mit und er riss mir den Schal vom Kopf und zog zusätzlich an meinen Haaren. Er hat mich nicht gebeten, den Schal zu entfernen, er nahm ihn einfach und schleuderte mich herum. Dann las er mir das Aufstandsgesetz vor, ich glaube Abschnitt 60AA. Er sagte, es sei nicht kalt genug, um einen Schal zu tragen. Ich hätte ihm die Uniform ausziehen sollen, um ihm zu zeigen, wie kalt es ist."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 14.12.2010
Studenten-Proteste in Großbritannien prangern Gebührenerhöhung und Polizeigewalt an
http://www.wsws.org/de/2010/dez2010/bri2-d14.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2010