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GLEICHHEIT/3717: Zwanzig Jahre nach der Auflösung Jugoslawiens - Sloweniens Regierung in der Krise


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zwanzig Jahre nach der Auflösung Jugoslawiens: Sloweniens Regierung in der Krise

Von Markus Salzmann
25. Juni 2011


Mit einem großen Staatsakt, einer feierlichen Parlamentssitzung und einem Festgottesdienst feiert in Slowenien die reiche Elite gemeinsam mit der Regierung an diesem Wochenende den zwanzigsten Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung von Jugoslawien. Neben dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer haben sich hohe staatliche Würdenträger aus anderen EU-Ländern angesagt.

Doch der Bevölkerung ist alles andere als zum Feiern zu Mute. In dem kleinen Land zwischen Italien, Österreich, Ungarn und Kroatien herrscht zwanzig Jahre nach der Einführung kapitalistischer Marktwirtschaft für viele Menschen bittere Armut und Not. Anfang des Monats sprach sich eine große Mehrheit gegen die geplante Rentenreform der Regierung aus.

Nach dem verlorenen Referendum und internen Konflikten steht die slowenische Minderheitsregierung von Premier Borut Pahor vor dem Aus. Angesichtes der wirtschaftlichen Krise in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik üben die Europäische Union und der Internationale Währungsfond (IWF) starken Druck aus. Sie verlangen radikale Sparmaßnahmen nach griechischem Vorbild.

Nach der zweitgrößten Regierungspartei Zares kündigten auch die Liberaldemokraten (LDS) den Ausstieg aus der Mitte-Links-Koalition an, die von Pahors Sozialdemokraten (SD) angeführt wird. Zuvor war bereits die Rentnerpartei DeSUS ausgetreten.

Um die Liberaldemokraten zu halten, müsste Premier Pahor das gesamte Kabinett umbilden. Diese Forderung nach einer umfassenden Regierungsumbildung lehnte Pahor allerdings kategorisch ab. Vielmehr will er bis zur Wahl im Herbst 2012 mit einer Minderheitsregierung weiterregieren.

Trotz der gescheiterten Rentenreform strebt die SD weitere drastische Sozialkürzungen in Form von Arbeitsmarkt- und Gesundheitsreformen an. Die Rentenreform wurde am 5. Juni von einer überwältigenden Mehrheit von 72,2 Prozent abgelehnt. Doch Pahor will die hohe Zahl der Nein-Stimmen keinesfalls akzeptieren. Um diesen Widerstand der Bevölkerung zu brechen, kündigte er an, ein weiteres drakonisches Sparpaket im Parlament durchzusetzen und in diesem Zusammenhang die Vertrauensfrage zu stellen.

Durch die Anhebung des Rentenalters auf 65 Jahre (derzeit 61 Jahre für Frauen und 63 Jahre für Männer) sollte das Budget um Milliardenbeträge entlastet werden. Pahor, sowie Vertreter der EU hatten nach dem Scheitern des Referendums härtere Maßnahmen und ein ähnliches Spardiktat wie in Griechenland angekündigt.

Enttäuscht erklärte Pahor nach dem Referendum, mit dem Scheitern der Pensionsreform habe Slowenien eine Gelegenheit verpasst, sich in der EU dem "deutsch-französischen Zug" anzuschließen. Er sagte vor Journalisten: "Möglicherweise können wir in der nächsten Station zusteigen; viele Gelegenheiten gibt es nicht mehr."

Um den Forderungen aus Brüssel nun nachzukommen, will der Sozialdemokrat ein massives Sparpaket schnüren. Es soll Sozialkürzungen in einem Volumen von 300 Millionen Euro jährlich umfassen und eine fünfprozentige Lohnkürzung für die 160.000 Staatsbediensteten beinhalten.

Das slowenische Referendum war von der EU aufmerksam verfolgt worden. Zuvor hatte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy Slowenien besucht, um die Werbetrommel für die Rentenreform zu rühren. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Reform in einem offenen Brief als "unausweichlich". Auch die Merkel-Regierung sprach von einem "sinnvollen Schritt zur nachhaltigen Finanzierung der Sozialversicherung".

In den vergangenen drei Jahren war der Schuldenstand Sloweniens von 22,5 auf 43,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Verdoppelt hat sich seit der Finanzkrise auch die Arbeitslosenrate auf über zwölf Prozent. Zahlreiche Vorzeigeunternehmen gerieten in finanzielle Schieflage, und den staatlichen Banken drohen Kreditausfälle in Milliardenhöhe.

Bis zur Finanzkrise galt Slowenien als Musterland. Im Jahr 2007 führte es als erstes EU-Neumitglied die europäische Gemeinschaftswährung ein. Doch die weltweite Wirtschaftskrise hat Sloweniens exportorientierte Wirtschaft empfindlich getroffen. 2009 sank das Bruttoinlandsprodukt um 8,1 Prozent.

Seit dem gescheiterten Referendum fordern Wirtschaftsvertreter die Auswechslung der Regierung, um die Sparmaßnahmen ohne Wenn und Aber durchzusetzen. "Die Regierung hat das Budgetdefizit nicht im Griff. Vor ein paar Jahren war das noch kein Problem", erläutert Hermine Vidovic, Slowenien-Expertin des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). "Beim Referendum war offensichtlich, dass die Bürger nicht nur gegen die drei Gesetze, sondern auch gegen die Regierung gestimmt haben", erklärte Zoran Potic, Redakteur bei der größten slowenischen Zeitung Delo, gegenüber dem Schweizer Wirtschafts-Blatt.

"Slowenien spielt am Kapitalmarkt derzeit keine Rolle. Die Börse ist zu klein und nicht liquide", sagte Alexander Dimitrov, Osteuropafonds-Chef der Espa. "Versprechen sind schön, und Slowenien ist gut darin. Aber jetzt wollen die Investoren Fakten sehen. Die Regierung in Slowenien muss jetzt endlich liefern. Dann sind Titel wie Gorenje und Mercator wieder interessant", forderte Dimitrov.

Die Regierung von Borut Pahor versucht jetzt, der EU zu bedeuten, er habe die Lage unter Kontrolle, indem er neue Verhandlungsrunden mit den Gewerkschaften durchführt. Das Referendum über die Pensionsreform war von den Gewerkschaften mit 50.000 Unterschriften erzwungen worden.

Bereits Anfang des Jahres machte die Pahor-Regierung klar, wohin die der Bevölkerung abgepressten Gelder fließen werden. So wurde die größte Bank des Landes, die Nova Ljubljanska Banka, mit Millionenbeträgen vor dem Bankrott gerettet. Darüber hinaus unterstützte die Regierung weitere private und halbstaatliche Unternehmen, wie die slowenische Eisenbahn, die nach dem Willen der SD baldmöglichst privatisiert werden soll.

Durch die jüngsten Ereignisse nimmt die Wahrscheinlichkeit vorgezogener Neuwahlen zu. Der konservative Oppositionsführer Janez Jansa forderte als Konsequenz aus dieser Niederlagenserie umgehende Neuwahlen. Dieser Forderung von Jansas Demokratischer Partei (SDS) schlossen sich auch die Rentnerpartei DeSUS und die rechts-konservative Slowenische Volkspartei (SLS) an.

Jansa war bereits von 2004 bis 2008 Premierminister. Seine Mitte-Rechts-Regierung zog sich in dieser Zeit den Zorn breiter Bevölkerungsschichten zu, weil er im Zuge der Euroeinführung massive Kürzungsprogramme durchsetzte. Beobachter sind sich einig, dass auch er kaum eine stabile Regierung zustande bringen würde.

Jansa machte sich in den 1990er Jahren als Verteidigungsminister der slowenischen Kommunistischen Partei einen Namen. Er organisierte im so genannten Zehntagekrieg die slowenische Bürgerwehr gegen die jugoslawischen Bundestruppen, die sich bereits nach wenigen Tagen zurückzogen.

Doch schon bald trennte sich Jansa von der alten KP und übernahm 1993 die SDS, die sich damals noch sozialdemokratisch nannte. Er setzte einen scharfen Rechtsruck durch. Mit einer Mischung aus nationalem Chauvinismus, Antikommunismus und sozialer Demagogie, die ihm den Beinamen "slowenischer Haider" einbrachte, versuchte er in den vergangenen Jahren bereits zweimal erfolglos, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Wie schon 2004 profitiert seine Partei ausschließlich von der Ablehnung der SD und der LDS.

Auch die Gewerkschaften haben den Angriffen nichts entgegenzusetzen. Nach dem erfolgreichen Referendum gegen die Regierung traten sie umgehend wieder in Verhandlungen mit der Pahor-Regierung ein, um über weitere Sparmaßnahmen zu verhandeln. Zahlreiche Gewerkschaftsführer stehen offen hinter Pahors Reformpolitik.

In Slowenien arbeiten Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften bereits seit der Unabhängigkeit eng zusammen. Dies spielte Anfang der 1990er Jahre eine entscheidende Rolle bei der Privatisierung der Betriebe. Sie unterdrückten jeden Widerstand der Arbeiter gegen den Ausverkauf der slowenischen Wirtschaft. Der größte Gewerkschaftsbund ZSSS bezeichnet sich selbst als "aktiven Partner im Privatisierungsprozess". Es ist kein Zufall, dass nahezu sämtliche Gewerkschaften in Slowenien uneingeschränkt den Beitritt zur EU und zur Eurozone unterstützten, obwohl dies so gravierende soziale Folgen für die Bevölkerung hatte.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.06.2011
Zwanzig Jahre nach der Auflösung Jugoslawiens:
Sloweniens Regierung in der Krise
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2011