World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale
Kein Schuldenschnitt für Griechenland
Von Peter Schwarz
28. November 2012
Die Finanzminister der Eurozone haben sich am frühen Dienstag auf die Auszahlung der seit Sommer überfälligen Kredittranche an Griechenland geeinigt. Einen Schuldenschnitt für das hoch verschuldete Land, wie ihn unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) gefordert hatte, lehnten sie aber ab.
Es war bereits der dritte Anlauf der Euro-Finanzminister, sich auf ein gemeinsames Vorgehen in Bezug auf Griechenland zu einigen. In den vorangegangenen beiden Wochen waren stundenlange Nachtsitzungen an den heftigen Differenzen unter den Euroländern und zwischen den Euroländern und dem IWF gescheitert.
Vor allem die deutsche Regierung hatte darauf beharrt, maximalen Druck auf die griechische Regierung auszuüben, damit diese ihre Sparprogramme trotz der verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen unvermindert fortsetzt. Sie hatte sich außerdem strikt geweigert, irgendwelchen Maßnahmen zuzustimmen, die den deutschen Haushalt belasten könnten.
Der IWF hatte dagegen verlangt, dass Griechenland ein Teil seiner Schulden erlassen wird, weil dies selbst bei vollständiger Einhaltung aller Sparvorgaben die einzige Möglichkeit sei, die Gesamtverschuldung des Landes bis 2020 auf 120 Prozent des BIP zu senken. Da mittlerweile der Großteil der griechischen Staatsschulden von europäischen Regierungen, staatlichen Banken und der Europäischen Zentralbank (EZB) gehalten werden, wäre ein solcher Schuldenschnitt mit erheblichen Verlusten für die öffentlichen Haushalte verbunden.
IWF-Chefin Christine Lagarde vertrat mit ihrer Forderung nach einem Schuldenschnitt die Interessen der internationalen Finanzmärkte, die im Falle eines Bankrotts Griechenlands erhebliche Turbulenzen befürchten und darauf pochen, dass auch andere europäische Länder einen Beitrag zur Abtragung der griechischen Schulden leisten, ein Beitrag, der letztlich direkt auf ihren Konten landet.
Nun haben sich die Finanzminister und der IWF auf ein Vorgehen geeinigt, das beiden Seiten entgegenkommt - zu Lasten der griechischen Bevölkerung.
Die überfälligen Tranchen des längst beschlossenen Rettungspakets sollen nun ab dem 13. Dezember ausbezahlt werden, sobald die nationalen Regierungen und Parlamente zugestimmt haben. Die Auszahlung erfolgt allerdings nur schrittweise, abhängig von der Erfüllung der jeweiligen Sparauflagen. Im Dezember sollen 10,6 Millionen Euro zur Entschuldung des griechischen Haushalts und 23,8 Milliarden zur Rekapitalisierung der griechischen Banken fließen. Bis März 2013 werden dann weitere 9,3 Milliarden in drei Schritten ausbezahlt, abhängig von der Erfüllung der Sparvorgaben.
Um die Verschuldung des Landes von 190 Prozent im Jahr 2013 auf 124 Prozent im Jahr 1920 und 110 Prozent im Jahr 1922 zu senken, haben die Finanzminister außerdem ein ganzes Bündel weiterer Maßnahmen beschlossen. Deren Realisierbarkeit wird allerdings von Experten angezweifelt. Allen gemeinsam ist, dass sie Griechenland kein zusätzliches Geld zur Verfügung stellen, sondern bestenfalls auf einen Teil der Milliardensummen verzichten, die die EZB und die Regierungen bisher an der "Rettung" Griechenlands verdient haben.
Es gibt allerdings große Zweifel, ob dieser Rückkauf von Schulden gelingt, da Spekulanten die Kurse sofort in die Höhe treiben werden, wenn die griechische Regierung mit dem Aufkauf beginnt. Christine Lagarde will deshalb alle Kredite des IWF zurückhalten, bis feststeht, ob Griechenland seine Schulden tatsächlich auf diese Weise reduzieren kann.
Für die griechische Bevölkerung bedeuten alle jetzt beschlossenen Maßnahmen, dass die verheerenden Kürzungspolitik mindestens zehn Jahre lang fortgesetzt wird. Alle Gelder, die aus dem Euro-Rettungsschirm überwiesen oder durch Zinssenkungen eingespart werden, fließen direkt auf die Konten der Gläubiger.
Dasselbe gilt für die Erlöse aus der Privatsierung lebenswichtiger staatlicher Unternehmen und Dienstleistungen. Die griechische Regierung hat im Rahmen der jetzt getroffenen Vereinbarungen zugesagt, alle Privatisierungserlöse in einen Fonds zu stecken, der ausschließlich der Rückzahlung von Schulden dient. Dasselbe gilt für die Primärüberschüsse im Haushalt und die Mittel aus den EZB-Gewinnen.
Die griechische Bevölkerung wird also von den Milliarden, über die die Finanzminister in der Nacht zum Dienstag entschieden haben, nie einen Cent zu sehen bekommen. Sie dienen ausschließlich der Absicherung und Bereicherung der Gläubiger und werden nur dann fließen, wenn die griechische Regierung die Kürzung von Sozialleistungen und Einkommen, die Entlassung öffentlicher Angestellter, die Schließung von Schulen und Krankenhäusern und die Plünderung öffentlicher Unternehmen unvermindert fortsetzt.
Trotzdem zweifelt selbst die Wirtschaftspresse daran, dass die jetzt gefundene Vereinbarung lange Bestand haben wird. So kommentierte das deutsche Handelsblatt, Griechenland sei "zwar wieder einmal gerettet - aber nur vorläufig. ... Das griechische Problem wird bald auf die europapolitische Tagesordnung zurückkehren - spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst."
Die Finanzmärkte geben keine Ruhe, bis der Lebensstandard der Arbeiterklasse auf das Niveau eines Dritte-Welt-Landes gesunken ist und sie Ausbeutungsbedingungen vorfinden wie in China, Vietnam oder Bangladesch - und zwar nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa, für das Griechenland als Vorbild dient.
*
Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: psg[at]gleichheit.de
Copyright 2012 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten
*
Quelle:
World Socialist Web Site, 28.11.2012
Kein Schuldenschnitt für Griechenland
http://www.wsws.org/de/2012/nov2012/fina-n28.shtml
Partei für Soziale Gleichheit,
Sektion der Vierten Internationale (PSG)
Postfach 040 144, 10061 Berlin
Telefon: (030) 30 87 27 86, Telefax: (032) 121 31 85 83
E-Mail: psg[at]gleichheit.de
Internet: www.wsws.org
veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012