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GLEICHHEIT/4946: Spanische Regierung geht rigoros gegen öffentliche Proteste vor


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Spanische Regierung geht rigoros gegen öffentliche Proteste vor

Von Alejandro López
7. Dezember 2013



Die Regierung der Spanischen Volkspartei (PP) bereitet Gesetze vor, die das Recht zu protestieren und die Redefreiheit mittels der Verhängung von hohen Geld- und Gefängnisstrafen drastisch beschneiden.

Letzte Woche stellte Innenminister Jorge Fernández Díaz einen Gesetzesentwurf vor, der das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit von 1992 ersetzen soll und Sanktionen für eine Reihe von Verstößen gegen die "öffentliche Ordnung" vorsieht.

Schwere Geldstrafen zwischen 30.000 EUR und 600.000 EUR können für Ordnungswidrigkeiten verhängt werden, unter anderem für das Fotographieren von Sicherheitskräften bei der Durchführung ihrer Arbeit und das Verbreiten dieser Bilder; für Störungen bei öffentlichen, religiösen, sportlichen und anderen Protesten; für Demonstrationen vor dem Parlament, den regionalen Parlamenten, dem Senat und den hohen Gerichte ohne offizielle Genehmigung; für nicht genehmigte Proteste vor wichtigen Gebäuden wie Kernkraftwerken oder Flughafen Landebahnen; und für "Escraches" - Proteste vor den Häusern von Politikern.

"Escraches" wurden erstmals in diesem Jahr vor allem von Anti-Räumungsorganisationen bei Protesten gegen den enormen Anstieg der Zwangsversteigerungen von Häusern durchgeführt. Das neue Gesetz ermöglicht es der Polizei auch, eine "Sicherheitszone" um einen Bereich zu errichten, die Demonstranten nicht durchqueren dürfen. Das Filmen und Fotographieren von Sicherheitskräften ist nach wiederholten Fällen von Polizeigewalt gegen Demonstranten, die auf Handykameras festgehalten wurde, in die Liste der Straftaten aufgenommen worden.

Die neuen Vorschläge beinhalten auch Geldstrafen von bis zu 30.000 EUR für die Störung der öffentlichen Ordnung; für alles, was die Identifizierung zur Strafverfolgung erschwert, inklusive dem Tragen von Kapuzen; für Bedrohen, Belästigen und Beleidigen der Sicherheitskräfte; für das Anzünden von Müllcontainern; für das Blockieren von Straßen mit Reifen oder anderen Gegenständen, die den normalen Verkehr von Fahrzeugen und Personen behindern können; und für Klettern auf öffentliche Gebäude als Protestaktion.

Das Anti-Protest Gesetz ist ein unverblümter Versuch, politischen Dissens zu kriminalisieren.

Es wurde in der gleichen Zeit entworfen wie die Reform des Strafgesetzbuches, die eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren für diejenigen vorsieht, die der Anstiftung zu und der Durchführung von Gewalttaten auf Demonstrationen für schuldig befunden wurden.

Der Generaldirektor der Polizei, Ignacio Cosío, lobte den Gesetzentwurf, und erkläre: "Aus der Sicht der Polizei ist es ein notwendiges Gesetz und das Ministerium hat großes Verständnis für die tagtäglichen Anforderungen der Polizei gezeigt."

Der Staat bereitet sich auf große Zusammenstöße mit der Arbeiterklasse vor.

Die Arbeitslosigkeit betrifft mittlerweile siebenundzwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Ein Bericht der Caritas zeigt, dass es in Spanien gegenwärtig drei Millionen in extremer Armut lebende Menschen gibt, die weniger als dreihundert Euro im Monat zum Leben haben, doppelt so viele wie 2008. Im Bericht wird auch festgestellt, dass die oberen zwanzig Prozent der spanischen Gesellschaft jetzt siebeneinhalb Mal reicher sind als das untere Fünftel. Das ist die größte Kluft innerhalb Europas. Eine separate Studie der Credit Suisse stellt fest, dass die Zahl der Millionäre in Spanien im vergangenen Jahr auf 402.000 gestiegen ist, ein Plus von dreizehn Prozent gegenüber 2011.

Arbeiter und Jugendliche haben immer wieder mit Massenprotesten und Streiks reagiert. Im Jahr 2011 gab es 18.000 Proteste, von denen die meisten gegen die Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen und die Arbeitslosigkeit gerichtet waren. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Zahl auf 36.000, darunter zwei Generalstreiks im März und November. Fast vier Millionen Arbeiter streikten, ein Anstieg um 540 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was den Verlust von über 40 Millionen Arbeitsstunden verursachte. In den ersten neun Monaten dieses Jahres (ohne zwei Generalstreiks wie in 2012) beliefen sich die durch Streiks verlorenen Stunden, an denen 415.000 Arbeiter beteiligt waren, auf fast elf Millionen.

In Spanien - wie in der ganzen Welt - reagiert die herrschende Klasse auf die wachsende Opposition mit verstärkten Polizeistaatsmaßnahmen.

In Spanien kommt jetzt ein/e Polizist/in auf 190 Personen und ist damit nach Zypern das Land in der Europäischen Union mit dem zweitgrößten Polizei-Bürger-Verhältnis, obwohl die Rate der Vergehen und Verbrechen in Spanien eine der niedrigsten in Europa ist. Die Unified-Polizeigewerkschaft prahlte in einem ihrer Berichte: "Spanien hat mit die höchste Anzahl an Polizeibeamten in Europa und weltweit, auch wenn das manchmal schwer zu vergleichen ist."

Im vergangenen Jahr kündigte die PP-Regierung erhöhte Ausgaben für das bei Demonstrationen eingesetzte Personal und seine Ausrüstung an, darunter 20.000 kugelsichere Westen, Gummigeschosse, Schilde, Tränengas und Schlagstöcke. Sie rief eine neue Sondereinheit ins Leben, die einige der Aufgaben der Bereitschaftspolizei übernehmen soll, darunter die Überwachung und Begleitung von Demonstrationen und andere "schwarzer Flecken", die von den örtlichen Polizeidienststellen identifiziert werden.

Bei diesen Veranstaltungen haben die Bereitschaftspolizisten Sturmhauben getragen und ihre Abzeichen und andere Identifikationsmerkmale abgenommen, so dass es schwierig wurde, gewalttätige Angriffe auf Demonstranten anzuzeigen. Videos auf YouTube zeigen den Einsatz von Polizeiprovokateuren, die zu Unruhen anstiften [1].

Massenverhaftungen und der brutale Einsatz von Gummigeschossen und Schlagstöcken sind zur Routine geworden.

Gummigeschosse können bleibende Behinderungen hinterlassen, und können sogar tödlich wirken. Letztes Jahr wurde ein 28-jähriger Jugendlicher getötet, als die baskische Polizei bei Störungen im Verlauf eines Fußballspiels auf ihn schoss.

Auch während der Auflösung der friedlichen "indignados" Camps im Jahr 2011, dem Streik von 16-18-jährigen Schülern in Valencia sowie den Madrider Protesten von streikenden asturischen Bergarbeitern und ihrer Unterstützer im Jahr 2012 ist es zu hunderten von Verletzten gekommen. In diesem Jahr hat sich das Ganze im Februar mit mehr Festnahmen und Verletzungen während der F23 Demonstrationen gegen die Sparmaßnahmen fortgesetzt, an denen Hunderttausende Menschen teilnahmen, und im Juli bei den Protesten gegen den Bárcenas Korruptionsskandal, bei dem es um die illegale Finanzierung der PP über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg und die Verwicklung des jetzigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ging.

Der Einsatz von Gummigeschossen bei Protesten hat die volle Unterstützung der Gewerkschaften erhalten. Als im katalanischen Parlament über einen Vorschlag debattiert wurde, den Einsatz dieser Waffen zu verbieten, veröffentlichte der größte Gewerkschaftsverband, die Comisiones Obreras (CCOO-Arbeiterkommissionen), mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei Spaniens, einen Bericht, in dem der Gebrauch von Gummigeschossen gegen Demonstrationen verteidigt wird, um zu verhindern, dass es zu "griechischen Verhältnissen" komme.


Anmerkung:
[1] http://www.youtube.com/watch?v=zrO_t3vHovQ

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.12.2013
Spanische Regierung geht rigoros gegen öffentliche Proteste vor
http://www.wsws.org/de/articles/2013/12/07/spai-d07.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013