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GLEICHHEIT/5054: Europäische Union bereitet sich im Namen des "Friedens" auf Krieg vor


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Europäische Union bereitet sich im Namen des "Friedens" auf Krieg vor

Von Jean Shaoul
7. März 2014



Eine Reihe von Diskussionspapieren und Zusammenkünfte der Europäischen Union (EU) zeigen klar, dass die europäischen Mächte auf eine entschlossenere Militärpolitik drängen. Diese aggressive imperialistische Außenpolitik ist von der Sorge getrieben, dass die EU-Mächte im Gerangel um Energieresourcen und Märkte in Asien and Afrika als Folge der globalen Finanzkrise an Einfluss verlieren.

Ein kürzlich vom Europäischen Rat für Auswärtige Angelegenheiten vorgelegter Policy Brief mit dem Titel, "Warum Europa eine neue globale Strategie braucht" legt die militärischen Ambitionen der europäischen Mächte dar, die sie nicht nur in ihren früheren Kolonien, sondern auch in weiter entfernten Regionen haben. Dies gilt u.a. für die eurasische Landmasse, wo sich die EU zum einen in Osteuropa im geopolitischen Wettbewerb mit Russland befindet, wie der Kampf um die Kontrolle über die Ukraine schlaglichtartig verdeutlicht, und zum anderen mit China in Asien.

Der Policy Brief bedauert den fehlenden Einfluss Europas im Nahen Osten. Die EU habe auf die Aufforderung Washingtons reagiert, Sanktionen gegen Syrien zu verhängen. Sie musste aber feststellen, dass Russland und der Iran sie umgehen können, während die Stärkung der von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei gestützten islamistischen Kräfte langjährige Interessen in der Region durchkreuzt haben.

Der Autor bemerkt, die Möglichkeit Europas, sich Einfluss durch "Hilfen" bei der Förderung des Handels und der Sicherheit zu erkaufen, sei begrenzt, teilweise durch das Vorhandensein von Konkurrenten mit größerer Geldbörse, wie die Ölstaaten am Golf im Falle der Unterstützung Ägyptens. Auch gegenüber China habe man den Kürzeren gezogen, obwohl man über mehr als zehn Jahre hinweg Geld in die Demokratische Republik Kongo gesteckt habe.

Das Papier fordert eine gemeinsame Verteidigungsplanung, um vorhandene Ressourcen besser koordinieren zu können, die gemeinsame Überwachung des europäischen Luftraums, die Verwendung von Drohnen und die Entwicklung der Fähigkeit Europas, Krisen im eigenen Hinterhof der EU ohne die Hilfe Washingtons lösen zu können.

Er bemerkt, die europäischen Mächte hätten durch die Vereinten Nationen als Geldgeber und regionale Erfüllungsgehilfen für UN-Missionen gewirkt. Die EU steuere 37 Prozent des Budgets für die Friedensmissionen der UN bei, die den Einsatz von "Peacekeeping"-Truppen der UN und internationale Militäroperationen ermöglichen. Derzeit sind fünfzehn solcher Missionen im Gange. Der Beitrag der USA betrage im Vergleich nur 28 Prozent, und dennoch sei die UN von den USA dominiert.

Sowohl Großbritannien als auch Frankreich haben zwar einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat, verfolgen aber ihre nationalen Interesse, die häufig voneinander und von denjenigen der EU abweichen, was den Verlust von europäischem Einfluss in der Weltarena zur Folge hat. So lehnten Frankreich und Deutschland 2003 die von den USA und Großbritannien angeführte Invasion im Irak ab, während Deutschland gegen die Intervention der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Libyen war.

Der Aufstieg von Brasilien, Russland, China, Indien und anderer sogenannter Schwellenländer hat Europa weiter zurückgedrängt.

Nachdem dieser "traditionelle Multilateralismus" keine verlässliche Handhabe mehr bietet, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen voranzubringen, haben sich die europäischen Mächte anderen Organisationen zugewandt, wobei sie unterschiedliche Finanzierungsarten benutzen. Darunter sind die African Peace Facility, ATHENA, und das Instrument for Stability (IfS), um "Friedensmissionen" der Afrikanischen Union (AU) und der Economic Community of West African States (ECOWAS) zu finanzieren.

Unter den Missionen der AU waren Operationen in Burundi, Darfur, den Komoren und Somalia, wie auch gemischte Missionen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, während die ECOWAS Truppen nach Liberia, Sierra Leone, Guinea Bissau, die Elfenbeinküste und Mali entsandte. In fortgeschrittenem Stadium werden diese Operationen für gewöhnlich an die UNO übergeben. Im September 2011 bildete die EU eine von Großbritannien und Frankreich geführte Ad-hoc-Koalition, die "Freunde Libyens", um den ölreichen nordafrikanischen Staat zu zerstückeln.

Das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (IEUSS) vertritt in seinem Strategiepapier in der Vorbereitung auf den Verteidigungsgipfel die Ansicht, Europa brauche "eine starke Sicherheits- und Verteidigungspolitik, gestützt auf robuste und jederzeit verfügbare gemeinsame militärische Fähigkeiten", um in der Lage zu sein, sich "in allen fünf Umgebungen (Land, Luft, See, Weltraum und Cyberspace)" zu engagieren. Es legt dar, dass der einzige Weg, dem Abschmelzen der nationalen Verteidigungsetats - von EUR251 Milliarden 2001 auf EUR194 Milliarden 2013 - zu begegnen, in einem gemeinsamen Vorgehen bestehe, da es sich keine europäische Regierung leisten könne, größere neue Initiativen zu ergreifen.

Ein vordringliches Problem stellen die wirtschaftlichen Beziehungen zu Asien dar. Die EU ist Chinas größter Handelspartner, der zweitgrößte von Indien und den ASEAN-Staaten, Japans drittgrößter und Indonesien viertgrößter. Während sich die EU mit einigen asiatischen Staaten in Gesprächen über die Schaffung von Freihandelszonen befindet, liegt sie weit hinter den 73 bilateralen Vereinbarungen entsprechenden Inhalts zurück, die Andere seit 2000 mit der Region geschlossen haben.

Ein neues Papier des European Council of Foreign Relations (ECFR), mit dem Titel "Divided Asia: the implications for Europe", warnt, dass die EU, anders als die USA, den Zug verpasst habe, die gesamte Region einzubeziehen. Dies bezieht sich auf Freihandelsabkommen wie das Asian Pacific Economic Cooperation forum (APEC) oder die Verhandlungen über die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), die darauf abzielen, 45 Prozent der Weltbevölkerung und ein Drittel des betreffenden BIPs abzudecken. Washington startete das Vorhaben der Trans Pacific Partnership (TPP) und der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) als regionale Initiativen für Handel und Investitionen, von denen Europa jeweils ausgeschlossen ist.

Der "Thinktank" geht davon aus, dass es Dreh- und Angelpunkt der US-Politik ist, China militärisch zu schwächen und warnt: "Europa kann die Sicherheit Asiens nicht den USA überlassen" und den USA erlauben, die asiatisch-pazifische Region zu dominieren. Und weiter: "Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik in Asien der amerikanischen Politik unterzuordnen, wäre fehlgeleitet. Die US-Diplomatie ist eng mit den wirtschaftlichen Zielen der USA in der Region verbunden."

Er fügt hinzu: "Während sich die Interessen der USA und der EU oftmals decken, liegen sie in vielen Bereichen, wie Luftfahrt, Transportmittel, öffentlichem Auftragswesen, Medien und Unterhaltung sowie Telekommunikation, miteinander in Konkurrenz."

Das Papier führt aus, Europa solle darauf vorbereitet sein, nötigenfalls alleine vorzugehen und seine Interessen zu verfolgen, etwa eine Trans-Eurasische Partnerschaft im Bereich Handel und Investitionen und insbesondere bei Dienstleistungen zu begründen. Es solle Energiesanktionen und Boykotte im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika beenden, d.h. in Regionen, auf die sowohl Europa als auch Asien angewiesen seien. Diese Politik wird von einem weiteren ECFR-Papier mit dem Titel "Shooting in the dark? EU sanctions policies" angegriffen.

Dieses Papier ruft nach einer Förderung von Waffenverkäufen nach Asien, die "fast immer Ausbildung, Wartung oder fortgesetzte Upgrades einschließen."

Es behauptet: "Europa kann sich nicht leisten, den Fokus weiter nur auf einen weichen Ansatz zu legen". Während die europäischen Waffenverkäufe an einige asiatische Länder den Verkäufen der USA gleichkommen, seien die Waffenlieferungen an China wegen des Fehlens einer einheitlichen Politik zur Aufhebung des Waffenembargos, das 1989 nach der brutalen Unterdrückung des Aufstands auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängt worden war, zu vernachlässigen.

Die Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, teilte diese Ansichten auf einem europäischen Gipfeltreffen Ende letzten Jahres. Sie sagte: "Wenn Europa im 21. Jahrhundert ein Global Player bleiben soll, werden die Europäer noch enger zusammenarbeiten müssen. Die Ratio für eine stärkere europäische Verteidigungspolitik ist eine dreifache: politisch sicherzustellen, dass die EU ihren globalen Ambitionen gerecht wird; operativ Europa die Fähigkeit zu verleihen, handlungsfähig zu sein; und wirschaftlich Arbeitsplätze zu sichern und in den Zeiten von Austerität Innovationen voranzutreiben."

Ashton wurde von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen unterstützt, der eingeladen war, auf dem Gipfel eine Rede zu halten, was selbst ein Novum war. Er appellierte an Europa, seine militärischen Fähigkeiten zu stärken. Andernfalls werde es eine Sicherheitskrise an seinen Grenzen erleben und international marginalisiert werden. Er wies darauf hin, dass "unsere europäischen Verbündeten wichtige Fähigkeiten vermissen lassen."

Die Operationen in Libyen und Mali hätten die Grenzen der militärischen Kraft der EU aufgedeckt, obwohl es sich um relativ kleine Operationen in der Nähe von Europa gehandelt habe. Im Falle der 2011 von der NATO geführten und überwiegend von europäischen Kräften ausgeführten Operation zum Sturz des Gaddafi-Regimes habe der Mangel an europäischen Fähigkeiten dazu geführt, dass US-amerikanische Tankflugzeuge mindestens 80 Prozent der europäischen Kampfjets hätten wiederauftanken müssen.

Die europäischen Mächte waren jedenfalls wieder einmal nicht in der Lage, eine substanzielle Vereinbarung zu treffen. Der britische Premierminister David Cameron war entschlossen, jeden Versuch zu blockieren, der EU, d.h. Deutschland im Verbund mit Frankreich, eine größere Rolle in der Festlegung der Verteidigungspolitik zu geben, und unterstrich den Vorrang der Nato und ihrer Mitgliedsstaaten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.03.2014
Europäische Union bereitet sich im Namen des "Friedens" auf Krieg vor
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2014