Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ICARUS/017: Zeitschrift für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur 4/2010


ICARUS Heft 4/2010 - 16. Jahrgang

Zeitschrift für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur



INHALT
Autor
Titel

Kolumne
Wolfgang Richter
­20 Jahre Einbahnstraße

Fakten und Meinungen
Lorenz Knorr
Peter Steglich
Harald Nestler/
Helmut Semmelmann
Horst Schneider
Velko Valkanov
Bernd Gutte
Zukunft und Atomkriegsgefahr
NATO bleibt NATO

­80. l'Humanité-Pressefest
Adieu UNO!
Hitler und seine bulgarischen Erben
Zu Karl und Rosa

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"
Fritz Böhme
Peter Michel
Klaus Georg Przyklenk
Monolog mit Walter Womacka am 7. Oktober 2010
Eine reiche, eine wunderbare Welt
Christopherus - zu unserem Titelbild

Personalia
Georg Grasnick
Hanna Behrend
Klaus Georg
Für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen
Meine Befreiungsgeschichte
Angelalegende

Rezensionen
Rolf Sieber
Peter Arlt
Gerlind Jäkel
Maria Michel
Joseph Stiglitz - Im freien Fall
Hierbleiben oder weggehen?
Unser sechster Streich
Wahrheiten gegen Mythomanie

Marginalien
Adolf Edard Krista


Ralf-Alex Fichtner
Nur eine Fabel
Echo
Aphorismen
Karikatur

*


Kolumne

Wolfgang Richter

20 Jahre Einbahnstraße Transfer der westlichen Werte

Transfer der westlichen Werte

20 Jahre Einheit. Die Fest-, Lob- und Beschwichtigungsreden sind gehalten. Für die Ostdeutschen gab es ein paar anerkennende Trostworte der Pfarrerstochter und Kanzlerin. Das Leben der DDR-Bürger sei, so sagte sie, nicht mit dem Staat gleichzusetzen und "ihre Lebensleistung, wie der tägliche Kampf um die Versorgung der Familie mit Essen und Kleidung" solle "ausreichend anerkannt" werden. Es fehlte bei diesem Zugeständnis allerdings, dass sie als Nachfolgerin von Erich Honecker und Helmut Kohl in Personalunion auch den sich heute um eine menschenwürdige Existenz ringenden Armen und Arbeitslosen, dem Prekariat, Teilzeitjobbern, Hartz IV-Empfängern und Aufstockern, Niedrigrentnern, Gesundheitsunterversicherten und Obdachlosen, Migranten und anderen verbalen Sarrazindiskriminierten, der christlich-jüdischen Tradition fremden Andersgläubigen und Atheisten, unter denen gewiss auch nicht wenige Ostdeutsche sind, auch ihre Reverenz erwiesen hätte. Ausreichend anerkannt wird ihre Lebensleistung jedenfalls auch nicht. Komisch auch die Vorstellung, sie nicht mit der Bundesrepublik oder gar mit sich selbst gleichsetzen zu wollen. Doch machen nicht gerade sie auch deutlich, dass die Bundesrepublik mit der Einheit wichtige Seiten der sozialen Existenz und Beziehungen der Menschen, wie die DDR sie verkörperte, nicht besser auch weiterhin garantiert hätte, mit allen Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft. Das Recht auf Arbeit, Fortschritte in der Annäherung der Massen und Schichten, in der Gleichstellung der Frau durch hohe Beteiligung am Erwerbsleben, ein beispielhaftes Bildungswesen mit längerem gemeinsamen Lernen und polytechnischem Unterricht, ein patientennahes Gesundheitswesen, das Fehlen von Obdachlosigkeit, die breite Entwicklung sozialer Beziehungen, die nicht vom Geld dominiert werden. Frieden, soziale Sicherheit und Solidarität standen hoch im Kurs der Menschen. Die "Haste-was-Biste-was"-Ideologie war mit dem Wertesystem der Menschen nicht mehr vereinbar. Und überdies könnte Frau Merkel auch ruhig zugegeben haben, dass die DDR-BürgerInnen sich nicht mühevoll um ihr Essen sorgen mussten sondern, international einen hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Butter und Fleisch hatten. Auch an Brot und Kartoffeln, nicht zu vergessen den Weißkohl und die Äpfel, gab es keinen Mangel. Sie ist ja selbst der BRD nicht als Hungerharke beigetreten. So eine Versorgungslage sei er auch von seiner Heimat Schottland nur allzu gewöhnt, sagte mein Englischlehrer, der in die DDR kam, um Arbeit zu finden. Und wer redet denn von einer sozial prekären Lage in Schottland vor einem viertel Jahrhundert? Und was den "Kampf um Kleidung" in der DDR betrifft, so hielt er sich doch in engen Grenzen, wenn es nicht gerade um die Unterschiedlichkeit von selbstgefertigten und importierten Jeans ging. Bleibt Merkels letzter Trumpf: Es gab keine Bretter! Nun, ja. Das Wohnungsbauprogramm brauchte eben auch das seine, inklusive der Möbelindustrie. Auch vergisst sie ganz die hochentwickelte Kulturlandschaft. An Brettern die die Welt bedeuten, hatte die DDR schließlich keinen Mangel.

Doch auch die Bretter waren die größte Sorge der Ostdeutschen nicht.

Das war eher die im Spätsommer 1990 aufkommende oder auflebende Furcht, sie könnten mit der Einheit viel verlieren - zu viel. Nicht nur ihr Land, sondern auch alles, was an ihm heimatlich war, ihre Selbstachtung und ihre Genugtuung über das Geschaffene.

Es kam ganz plötzlich über sie: Die Furcht, man könne mit dem Beitritt weiterhin Deutscher zweiter Klasse sein, bleiben oder werden. Das ergab eine Emnid-Studie im Spätherbst 1990, als die Währungsunion bereits eine Tatsache war und der Beitrittstermin längst bekannt. Denn obwohl im Frühjahr schon über 80 Prozent der DDR-Bürger für die Einheit waren (im November 89 erst 48 Prozent), äußerten gleichzeitig 78 Prozent die Sorge, sie könnten im vereinten Deutschland "auf längere Zeit Bürger zweiter Klasse" bleiben. Heute, zwanzig Jahre danach, bestätigt sich ihre Befürchtung als äußerst hellsichtig, denn nur jeder vierte Bürger der "NBL" fühlt sich als "richtiger Bundesbürger". Lassen wir es dabei, ob das nun anstrebenswert sein sollte oder nicht. Es drückt die Furcht vor einem sozialen Absturz und einem Identitäts- und Werteverlust bei durchaus möglichem gleichzeitigen Konsumgewinn aus.

Heute sagen nur 5 Prozent der Bürger Ost bzw. lediglich 14 Prozent West, dass beide bereits zusammengewachsen sind bzw. nur noch unwesentliche Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Die Zahl derjenigen Ostdeutschen, die mit ihrem Leben "alles in allem" zufrieden sind, was ja schon etliche Abstriche enthält, beträgt nur 44 Prozent und sinkt seit Jahren stetig.

Wie kam es denn zu dieser Sorge, BürgerInnen zweiter Klasse sein? Sie war ja so neu nicht und dennoch anders. Noch Mitte der 80er Jahre - erinnere ich mich - wollten die meisten Insassen unseres bulgarischen Busses bei einer Rundreise die Weiterfahrt bestreiken, weil es über Nacht auf eine Sitzreihe hineingeregnet hatte. So einen Bus würde man westdeutschen Touristen nie und nimmer anbieten. Wir hätten genauso hart für unser Geld gearbeitet. Man wolle als DDR-Bürger ebenso anerkannt werden wie die Westdeutschen, wenn man auch "hart" für "weicheres" Geld gearbeitet hatte. Damals sahen sie sich als DDR-Bürger gekränkt, heute als Bundesbürger - auf unabsehbare Zeiten. Was aber war vor dem Spätherbst 90 geschehen, was so heftige Befürchtungen auslöste?

Die Wochen des Sommers 1990, konstatierte damals der Züricher "Tages-Anzeiger", boten das Schauspiel einer totalen Kapitulation der DDR im Einigungsprozess. Mittlerweile wüssten nicht nur die DDR-Bürger, wie sich die Bundesdeutschen die Einheit vorstellen. "In der BRD soll alles beim alten bleiben, während die DDR ihre Identität an der Garderobe des gesamtdeutschen Hauses abgeben muss." Bundesdeutsche Politiker und Medien verlangten von der DDR "jene gnadenlose Abrechnung mit dem Sozialismus, die in Westdeutschland nach dem Ende des Faschismus nicht stattgefunden hat". Der Bannstrahl treffe vor allem PDS-Mitglieder, Herbstrevolutionäre, Kulturschaffende und andere Intellektuelle, die im nachhinein als SED-Komplizen beschimpft würden. Dieser rüde Umgang mit großen Teilen der ehemaligen DDR-Elite stimme noch bedenklicher als die Behandlung der DDR als Ganzes. Denn nach Vollzug der staatlichen Einheit habe die bundesdeutsche Mehrheit freie Hand. Dann gebe es keine Möglichkeit mehr, Hexenjagden zu verhindern. (zit. ND, 9.7.90) Es wurde damit auch der Bevölkerung die Möglichkeit geraubt, sich bei einem so gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch über ihre Eliten mit sich selbst und über sich selbst sowie über die gegenseitige Achtung ihrer Biographien und ihrer Geschichte zu verständigen.

Briefe, die Menschen an Zeitungen oder später an die GBM schrieben, haben in diesen Zeiten oft einen völlig verzweifelten Ton. Einige Beispiele, wovon wir zahlreiche in den sieben Weissbüchern der GBM veröffentlichten:

Ein ehemaliger Anlagenfahrer im Getränkekombinat Berlin, 34 Jahre, schrieb nach langer vergeblicher Arbeitssuche: "Tja, wie's weitergehen soll weiß ich auch nicht, wenn ich mir das alles so ansehe. Manchmal könnte ich schon 'ne Bombe schmeißen. Auf alle Fälle werde ich weiter versuchen, Arbeit zu finden um nicht abzugleiten in Alkohol, Drogen usw. Aber das sagt sich so leicht. Von besser gehen als zu DDR-Zeiten kann bei mir jedenfalls keine Rede sein. Wir sind regelrecht überfahren und beschissen worden."

Eine Frau, Fabrikarbeiterin kurz vor der Rente, schrieb: "Nun kam die Wende und mit ihr die Angst. Noch bin ich nicht arbeitslos, aber ich arbeite in einem unrentablen Betrieb. Wie lange noch? Was wird, wenn ich gehen muss, wenn die Subventionen wegfallen? Zur Zeit bin ich ratlos, unruhig, mutlos und ohne jegliches Interesse. Hat das Leben für mich noch einen Sinn? Haben wir das verdient, so viele Jahre nur Arbeit und Hoffnung auf ein besseres, ruhiges Leben."

Eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern, die mit dem Termin der Währungsunion arbeitslos wurde, schrieb im September 1990: "Bekomme eine wöchentliche Arbeitslosenunterstützung von 135,90 DM netto und bin so gezwungen, am Rande des Existenzminimums zu leben. Wir als Arbeitslose bleiben auf der Strecke und sind doppelt gestraft. Ich war in einem Betrieb beschäftigt, der der IG Metall angehört und würde jetzt auch mehr Geld verdienen, statt dessen muss ich jetzt 68 Prozent der Arbeitslosenunterstützung von einem längst überholten Gehalt in Kauf nehmen und den enorm gestiegenen Lebensunterhalt bestreiten. Das ist doch fast unter der Würde eines Menschen." (alle Briefe zit. in Weissbuch der GBM 1, S. 17 f.)

All das kam recht plötzlich. So ist vielleicht auch erklärlich, warum im Mai 1990, wo unter dem Motto "Quo vadis Deutschland?" ein internationaler Kongress über die Zukunft Deutschlands und der Deutschen im Reichtagsgebäude stattfand, den die Herbert Quandt Stiftung von BMW ausrichtete, eine soziologische Materialsammlung über "Die Entwicklung der öffentlichen Meinungen in der Bundesrepublik und in der DDR" verteilt wurde, die eine Frage nach Befürchtung der Zweitklassigkeit der Ostdeutschen, die mit dem Beitritt verbunden ist, gar nicht als Frage enthält. Sie wurde also nicht gestellt? Warum wohl? Die westliche Soziologie war zu ihrer eigenständigen Artikulation in selbstherrlicher Weise unfähig. Nicht die Ostdeutschen sondern die Westdeutschen müssten aus ihrer Sicht Befürchtungen haben. Schliesslich müssten sie eine bankrotte Volkswirtschaft schultern. Das war die Lebenslüge der politischen Klasse der BRD, mit der sie sich ihre Lorbeeren wand. Es ging und geht ihr nicht um die ostdeutschen Bürger. Ihr Schicksal war höchstens mitgeschichtlich und zu vernachlässigen. Es ging ihr darum, als Teil jener Soft-Power zu wirken, die in großangelegtem Stil an der Seite der USA die Weltgeschichte verändert, ihr eine neue alte Richtung gibt. Was die USA gegenüber Russland betrieben, wollte die Bundesrepublik musterschülerhaft gegen die DDR tun.

"Das Ziel der amerikanischen Strategie war und ist der Transfer der westlichen Werte auf die russische Gesellschaft. Der russische Staat soll entideologisiert werden. In der Verfassung von 1993 wurde die staatliche Ideologie als Kennzeichen des Totalitarismus desavouiert und im Art. 13 verboten." Es ging den USA also nicht um friedliche Koexistenz sondern um die totale Demontage des sowjetischen Systems durch einen umfassend geplanten und geführten "psychologischen" oder "kulturellen Krieg". Dieser Krieg ist gegenüber allen sozialistischen oder ehemals sozialistischen Ländern gerichtet auf die Erzeugung von Angst, Unsicherheit, Verlust an Orientierung sowohl bei der Nomenklatura wie bei der Bevölkerung. Direkt heißt es bei Zbigniew Brzezinski: "Wir haben die UdSSR zerstört, wir werden auch Russland zerstören ... Russland ist überhaupt ein überflüssiger Staat. Russland ist ein besiegtes Land. Es wird aufgeteilt und unter Vormundschaft gestellt werden." "Es geht darum, die russische Mentalität zu zerstören." (zitiert nach Peter Bachmeier, Zeitfragen, 19.10.10, S. 7)

Es geht auch nicht darum, den Ostdeutschen die Furcht zu nehmen, sondern mit Hilfe dieser willkommenen Angst und der ihr tatsächlich zugrundeliegenden Diskriminierung alle ihre Bestrebungen, diese Gesellschaft zu revolutionieren und sozialistische Perspektiven zu verfolgen, in Dauerschach zu stellen.

Raute

Fakten und Meinungen

Lorenz Knorr

Zukunft und Atomkriegsgefahr

Die herrschende Minderheit kümmerte sich nie um die unsozialen Folgen ihrer skrupellosen Ausbeutungs- und Herrschaftspraxis. War der Profit angemessen, Zusatzgewinne realisierbar und tastete niemand ihre Privilegien an, fand sie alles in Ordnung. Mochten auch Millionen Menschen darben oder verhungern: Was scherte sie deren Los. Das einfache Volk war eben nicht zur Gestaltung des eigenen Schicksals fähig. So las und hörte man es. Es bedurfte der Autorität der von Gott (angeblich) begnadeten und durch ihre Tüchtigkeit bevorzugten Minderheit. Raubbau an der Natur, der Lebensgrundlage der Menschheit, berührte die Macher von Superprofiten nicht.

Seit jedoch die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus immer stärker ins öffentliche Bewusstsein tritt, Kritik an der Skrupellosigkeit der Mächtigen und an privatwirtschaftlicher Dominanz wächst - auch wegen ihrer ökologischen Verantwortungslosigkeit -, entfaltet sich auch deren Interesse an Zukunftsfragen. Wie könnte Machtstabilisierung unter veränderten Bedingungen funktionieren? Bedürfte es nicht einer Vorwarnung, falls ihre Macht in Frage gestellt würde? Müsste man nicht vorsorglich unüberwindliche Barrieren aufstellen, bevor es zu spät ist?

Auch die gegenwärtige, keineswegs überwundene kapitalistische Krise sowie rasante Veränderungen der globalen Kräfteverhältnisse zu Lasten der NATO führen die herrschende Minderheit dazu, Prognosen erarbeiten zu lassen, um rechtzeitig reagieren zu können.

Der Auslandsgeheimdienst der BRD ließ kürzlich eine Studie erarbeiten. Nur der die Bundesregierung betreffende Teil blieb unveröffentlicht. Bei aller Fragwürdigkeit kapitalistischer Prognosen: auch die Linke sollte wissen, worauf sich die herrschenden einstellen.


Welche Perspektive ist die realistischere?

1. Eine Möglichkeit wäre die weiter andauernde Vormachtstellung der USA. Die Krisenfolgen würden langsameres wirtschaftliches Wachstum bei unaufhaltsamem Aufstieg Chinas mit sich bringen. Eine langsame Machtverschiebung von der NATO nach Ostasien sei wahrscheinlich. Ein geringeres globales Wirtschaftswachstum könnte mit höheren Rohstoffpreisen einhergehen. Bei rohstoffreichen Staaten würde Geldkapital akkumuliert sein bei geringeren finanziellen Spielräumen der NATO-Staaten, was deren globale Aktivität reduzieren müsste.

2. Dieses Szenario geht von der Dominanz Chinas aus. Die erschütterte kapitalistische Finanzwelt, die nicht mehr konkurrenzfähige US-Wirtschaft sowie die überdimensionale Außenverschuldung der USA begünstigen die globale Machtverschiebung. Die an Finanzmitteln knappen westlichen Staaten liehen sich in größerem Ausmaß Geld und gerieten in Abhängigkeit von Staaten mit großen Währungsreserven, wie z. B. China, aber auch von rohstoffreichen Ländern. Diese könnten dadurch Einfluss auf die Innenpolitik der NATO-Staaten nehmen. Die USA wären eine "Großmacht von Chinas Gnaden". US-Dollar und Euro verlören Potenzen zugunsten des chinesischen Yuan. Rohstoffströme gerieten in den Sog Asiens. Ob sich dann Russland nach Westen orientiere oder als Juniorpartner Chinas agiere, sei offen, aber wesentlich für die weitere Entwicklung. China, bislang militärisch drittrangig, steigerte seine militärische Potenz und verfügte über globale Stützpunkte.

3. "Das Abgleiten in eine instabile Welt" wäre die dritte, "düstere" Variante mit der Herausbildung eines Weltkriegspotentials. Entglobalisierung und Re-Nationalisierung würden zugleich wachsende soziale Spannungen und allgemeine Unsicherheit fördern. Eine anhaltende Rezession könnte diese Tendenz verstärken. Manche Staaten verlören ihre Regierungsfähigkeit.

Szenario 2 werten Experten als das wahrscheinlichste. Eine solche Situation stellte die US-Führung vor die alternative: friedlicher Abstieg oder Kampf um die Weltmachtgeltung durch einen Atomkrieg gegen China. Weltbekannte Wissenschaftler wie E. Hobsbawm und M. Chossudowski warnten wiederholt vor einem US-Atomkrieg gegen China! Letzteres verfügt zur Zeit über keine abschreckende Zweitschlagskapazität. Nur im Bündnis mit Russland hätte China diese Zweitschlagskapazität. Eine Weltkatastrophe drohe, falls in den USA abenteuerliche Politiker dominierten. Das Nachuns-die-Sintflut-Denken mancher Kapitalherren könnte ihren Überlebenswillen aushebeln! "Wenn wir untergehen, dann die Welt mit uns" aus der Zeit der schrankenlosen Konfrontation ist in Erinnerung.

Selbst wenn das Armageddon, der in einer Katastrophe endende letzte Großkrieg, ausbleibt, werden die westlichen Finanz- und Kapitalherren versuchen, den Aufstieg Chinas zu blockieren, Russland auf ihre Seite zuziehen und die eigene Herrschaft zu sichern: rücksichtslos zulasten der unterdrückten Klassen. Die Skrupellosigkeit ihrer Machtbehauptung dürfte zunehmen.

Jedoch hat alles in der Geschichte, vor allem der Menschheit, einen Anfang und ein Ende. Selbst beim Kapitalismus ist das so, auch wenn dessen Transformation voraussichtlich auf sich warten lässt. Aber auch hier gibt es Überraschungen. Ob die Kapitalherren gewaltlos abtreten? Kaum zu erwarten! Das hat Konsequenzen für die antikapitalistische Politik.


Das geplante NATO-Strategiekonzept

Es ist ein Entwurf, keine beschlossene Strategie. Die Schwerpunkte von "NATO 2020" zeichnen sich jedoch bereits ab. Weil die Zukunft "unsicher und unvorhersehbar" sei, ist die Bedrohungsanalyse umfassend. Es ist das alte "Worse-Case-Denken", die Annahme des schlechtest zu denkenden Falls, das diese Planung charakterisiert. "Der Zugang zu einer ausreichenden Versorgung mit Energie ist eine notwendige Bedingung für jeden Staat" heißt es. Das Rohstoffproblem steht an erster Stelle. Es ist an die Sicherheits-Gewährleistung gekoppelt.

Zu den bisher schon fixierten Risiken wie "Gefährdung der Rohstoffzufuhr, Störung zentraler Meeresversorgungsrouten, Sabotage an Energie-Pipelines und Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln" gesellen sich "Cyberattacken" hinzu, die man China und Russland unterstellt.

Neu und höchst risikosteigernd ist, dass man all diese "Bedrohungen" mit dem Artikel 5 der NATO-Charta beantworten will. D. h., dass es sich in solchen Fällen um einen "bewaffneten Angriff" auf einen oder mehrere NATO-Staaten handele, die den Bündnisfall auslösen!

Die NATO-Staaten müssen sich schon sehr in der historischen Defensive sehen, wenn sie bei Vorfällen, die mit Verhandlungen zu klären sind, den Art. 5 der NATO-Charta bemühen. Die Euphorie der Jahre 1989 bis 1991 ist dahin. Ein Lieferstopp der OPEC oder eine Rohstoffblockade durch Russland, die u. U. gar nicht geplant, sondern wegen polnischer oder weißrussischer Durchgangssperren ausgelöst, sollen der casus belli, der kriegsauslösende Fall, sein? Das ist Hasardspiel. Der Schutz der globalen Lebensadern wird exzessiv interpretiert.

Trotz gegenteiliger Bekundungen und im Widerspruch zu diesen hält man am out-of-area-Konzept fest. Also weltweiter Einsatzradius. "Zu diesem Zweck müssen die Verbündeten eine Umstrukturierung ihrer Kräfte weg von traditionellen Verteidigungsmissionen vornehmen". Kein "Sollen", ein "Müssen". "Die Schlacht zum Feinde tragen" ist das Motto, also präventive Schläge auf Verdacht. Als Vorbild gilt Afghanistan, eine völkerrechtswidrige Aggression zur Erringung einer strategisch wichtigen Ausgangsposition im rohstoffreichen Nah-Ost-Gebiet. Stärker als bisher wird die Einbeziehung ziviler Akteure geplant. Ein "umfassender zivil-militärischer Einsatz" soll das Vertrauen und die Loyalität der Bevölkerung im Krisengebiet sichern. Allerdings untergräbt man damit die Effektivität zivil-humaner Hilfe. Wenn zivile Hilfe als Funktion des Militärischen erscheint, geraten zivile Helfer in Gefahr, als Teil des Militärs identifiziert und bekämpft zu werden.

NATO 2020 plant "zivile Kapazitäten" an der Seite der Kampftruppen für erste "Stabilisierungsoperationen" nach Militäreinsätzen zu stationieren. Kämpfende Soldaten, die Besatzungsaufgaben übernehmen müssten, würden dann durch zivile Kräfte ersetzt. Das gilt als "Comprehensiv Approach", als umfassender Ansatz - mit Verwischung des speziellen Kombattantenstatus von zivilen Helfern.

Diese CIMIC (zivil-militärische Kooperation) soll die Sicherheit der Soldaten in einem instabilen Umfeld gewährleisten. Dabei bleiben die zivilen Komponenten der CIMIC dem Militärischen untergeordnet. Das ist schleichende Militarisierung, also keineswegs die behauptete "Zivilisierung militärischer Gewalt". Tatsächlich ist das eine Verschleierung des militärischen Primats. Die Verschränkung ziviler Konfliktlösung mit robusten militärischen Mitteln soll die Effizienz des militärischen Einsatzes fördern. Konfliktlösung setzt Vertrauen voraus. Militäreinsätze zerstören Vertrauen. Die Finanzierung von CIMIC besorgen zivile Ministerien, der Rüstungsetat ist entlastet.

Das zeitraubende Konsensprinzip, die konsultierte Zustimmung aller NATO-Partner zu einer Militäraktion, d. h. zu einem Krieg, soll zur Beschleunigung aller Entscheidungsvorgänge gestrafft werden. Verzögerungen will man ausschalten. Notfalls Krieg ohne Konsultationen!

Die transatlantische Kooperation soll zur "Einheit des Westens" führen - trotz verschiedener Interessendivergenzen. Eine "gerechte Lastenverteilung" ist anvisiert. Im Klartext: die militärischen Kapazitäten der europäischen NATO-Staaten sind zu verstärken. Der prozentuale Aufwand der USA an den Weitrüstungsausgaben entspricht etwa 50 Prozent, die von Großbritannien, Frankreich und Deutschland zusammen etwa 15 Prozent (alle NATO-Ausgaben ca. 70 Prozent).

"Die volle Komplementarität zwischen NATO und EU ist essentiell", wenn die Sicherheit in der NATO verbessert werden soll. (Wessen Sicherheit in der NATO verbessert werden soll, bleibt unbeantwortet. Sicherheit der Herrschenden ist stets Unsicherheit für die Beherrschten. Deren Sicherheit ist Unsicherheit für die Herrschenden.)

USA und NATO erhöhen ständig ihre Militärausgaben. Das nötigt andere, ebenfalls die Militärausgaben zu steigern. Das geht zu Lasten sozialer Investitionen, was innenpolitische Probleme auslöst. Das Missverhältnis zwischen Militär- und Bildungsausgaben ist skandalös. Pro Soldat gibt man ein Vielfaches aus im Vergleich zu den Pro-Kopf-Aufwendungen für SchülerInnen, StudentInnen und Lehrkräften. Die Verteilung der Gewichte im Staatshaushalt ist nicht nur ein finanzielles, sondern ein konzeptionelles Problem. Mehr Demokratie oder mehr Militär, mehr Emanzipation oder mehr Befehl-Gehorsam-Strukturen. Das hat etwas mit dem Charakter der jeweiligen Gesellschaft zu tun.

Die USA-Atombomben in Europa sollen nach diesem Entwurf bleiben. Die übergeordnete Kompetenz der UNO und ihrer Charta sind nicht erwähnt, also ignoriert. Die NATO agiert "selbstmandatiert"!


Obamas aufschlussreiche Dialektik

Zweifellos war es auch eine erfolgreiche gesellschaftliche Basisbewegung, die Obama ins Präsidentenamt brachte. Sein Ansehen wuchs zunächst relativ rasch, vor allem, als er sein Streben nach einer atomwaffenfreien Welt bekundete. Selbst wenn die ersten nuklearen Abrüstungsschritte von USA und Russland der damals bevorstehenden Nonprofilerations-Konferenz, der Überprüfung von Vertragserfüllung bei untersagter Weitergabe von Atomwaffen und nuklearem know how, geschuldet blieben, war es ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings verfügen beide Staaten immer noch über ein mehrfaches overkill.

Eine einmalige Fehlleistung produzierte Obama, als er bei der Verleihung des Nobelfriedenspreises zugleich US-Raubkriege rechtfertigte, als Präsident eines kriegsführenden Staates. Es sind völkerrechtswidrige Aggressionskriege zunächst gegen Irak, danach gegen Afghanistan. Globalstrategisch-wichtige Rohstoffregionen waren im Visier. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn Obama den Nobelfriedenspreis annimmt und zugleich US-Raubkriege rechtfertigt.

Das war nicht der einzige Fauxpas in Obamas Rede vom 10.12.2009 in Oslo. Es ist falsch, wenn er sagte: "Krieg trat mit dem ersten Menschen in Erscheinung". Krieg setzt die Existenz von Soldaten voraus, sowie längerfristige materielle und mentale Vorbereitung, bzw. Angriffsplanung. Beides existierte in der Urgesellschaft nicht. Auch mit seiner These, es würde "immer Kriege geben" verkannte er, dass Kriege erst mit dem Privateigentum relevant wurden, mit dessen Expansionskraft und dass eine Gesellschaft mit demokratisierter Wirtschaft nicht mehr benötigt.

Obama erwähnte die Existenz des "Bösen" und lenkte damit von realen Besitz- und Expansionsinteressen ab. Dem "Krieg gegen das Böse" (bei dem die USA "das Gute" verkörpern) wies er eine moralische Funktion zu, womit er das Geschäft derer betrieb, die an Rüstung und Krieg profitieren. Obama erklärte: "Regimes, die alle Regeln brechen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden". Gilt das nicht für die USA, die permanent die Regeln der UNO-Charta verletzen? Wieder Obama: "Wir können anerkennen, dass es Unterdrückung immer geben wird!" Er leugnet also sozialen Fortschritt und unterstellt wie Nietzsche die ewige Wiederkehr des Gleichen. Verweist er damit indirekt emanzipatorische Fortschritte in den Bereich des Terrorismus?

Obama ist mitverantwortlich auf das US-Drängen auf verschärfte Sanktionen gegen Iran sowie die Bereitstellung von Kriegsschiffen vor der Küste Irans. Damit hilft er jenen, die an der Verschärfung der internationalen Beziehungen profitieren. Ein Krieg gegen den Iran - von Obama nicht ausgeschlossen - könnte zu einem Flächenbrand in Nah-Ost führen. Die Reaktion arabischer Fundamentalisten wäre zu bedenken. Warum propagiert Obama keine atomwaffenfreie Zone in Nahost? Das wäre für einen Nobelfriedenspreisträger die Option. Auch Obamas Verhältnis zu Kuba folgt alten Praktiken.

Obamas bekundeter Wille zu normalisierten Staatsbeziehungen im allgemeinen ist das eine.

Sein Eingebundensein in überkommene Strukturen ist das andere. Es ist nicht mehr der Militär-Industrie-Komplex (MIK), der heute strategische Positionen vorgibt. Gegenwärtig wirkt der Finanz-Militär-Komplex (FMK). Dieser diktiert nicht nur die Global Player. Auch der Generalität wird vorgegeben, in welche Richtung zu marschieren ist. Zwar ist der US-Präsident Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte, faktisch jedoch hat das Finanzkapital via FMK die längeren Arme.

Insofern wächst das Atomkriegsrisiko in dem Maße, in dem die Finanzherren durch Krise und veränderte globale Machtrelationen zu Gunsten Chinas in die historische Defensive gedrängt sind. Sind sie dann alles zu riskieren bereit - auch das Armageddon? Das Atomkriegsrisiko wächst auch dann, wenn es an gezielten Aktionen der Weltfriedenskräfte fehlt.

Gegenwärtig ist die soziale Problematik im Vordergrund des Interesses. Aber die Friedenskräfte sollten nicht nur, obwohl dies das Nächste ist, die Kriegspolitik Berlins attackieren. Die Atomkriegsgefahr droht von den USA, auch unter Obama.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der große Knüppel, den US-Präsident Harry S. Truman 1945 in die Hand nahm und dann sagte: "Das 20. Jahrhundert wird ein amerikanisches Jahrhundert." Sie haben den Knüppel handlicher gemacht, aus der Hand legen wollen sie ihn aber nicht.

Raute

Fakten und Meinungen

Peter Steglich
für den "Arbeitskreis Frieden" in der GBM

NATO bleibt NATO

Die Hauptstadt Portugals war auserkoren, Anfang November eine Botschaft der Staats- und Regierungschefs aller 28 NATO-Staaten in alle Welt zu senden.

Dieses Gipfeltreffen in Lissabon sollte keine der üblichen Routine folgende Zusammenkunft der politischen und militärischen Spitzen des atlantischen Bündnisses, sondern mehr sein. Dessen Mitglieds-Staaten und alle die es hören sollten, erhielten Kunde von einer neuen strategischen Konzeption der NATO. Die vorbereitende Denkarbeit dafür übernahm im Auftrage des Generalsekretärs der NATO eine repräsentative Expertengruppe ehemals verantwortlicher Politiker des Bündnisses. Geleitet wurde sie von der allseits bekannten und vor allem in diplomatischen Kreisen oft gefürchteten ehemaligen Außenministerin der USA, M. Albright. Zweifeln konnte kaum unterliegen, dass die im neuen Strategiedokument von Lissabon verkündeten Ideen nicht unwesentlich von den Überlegungen dieser bemerkenswerten Gruppe von Kennern der internationalen Politik und Diplomatie beeinflusst worden sind, die unter dem Titel "NATO 2020" dargelegt wurden. Sie dürften sozusagen als "geistiger Klebstoff" des Gipfelpapiers keine geringe Rolle gespielt haben.

So steht die Frage, was dieses Militärbündnis dazu veranlasst hat, strategisch Neues zu verkünden. Was ist dessen Inhalt und erwächst daraus möglicherweise die Hoffnung, den Gang der internationalen Politik und dem Weltengeschehen mit größerer Ruhe und etwas mehr Optimismus entgegensehen zu können? Schlüssige positive Antworten vom Denken und Lenken der NATO-Mitgliedsstaaten in dieser Hinsicht dürften bei kritischem Hinterfragen schwerlich zu erwarten sein. Im sicheren Wissen darum verbleibt dem Leser nur der schwierige Weg einer Deutung des in Portugal Verkündeten.

Die Rede ist da von neuen Herausforderungen unterschiedlichster Erscheinungsformen, die dem Bündnis abverlangt werden. Dabei dominieren nicht, wie von der internationalen Öffentlichkeit mit Ungeduld erwartet, konkrete und weitreichende Vorschläge für unbedingt notwendige und umfassende Maßnahmen internationalere Entspannung, sondern im Wesentlichen Szenarien der Unsicherheit und Unruhe. Gefahren atomarer Bedrohung, nationaler und Grenzen übergreifender Formen von Terrorismus, Piraterie, neue Probleme im Bereich moderner Technik für die allgemeine Sicherheit, Auswirkungen negativer Art auf die Umwelt, hervorgerufen durch Klimaveränderungen und manches andere mehr können nicht mehr als verunsichern. Alles das wird in den Rahmen des international üblichen Zauber- und Erklärungsbegriffes "Globalisierung" gestellt und gewissermaßen zum Leitgedanken des Lissabon-Dokuments erhoben. Missverständnissen soll hier sofort vorgebeugt werden. Keinem Zweifel darf und kann unterliegen, dass die Welt sowohl von unterschiedlichsten Erscheinungsformen terroristischer Aktivitäten, fanatisch-fundamentalistischen Auswüchsen oder völlig unberechenbaren und unerwarteten militärischen Angriffen oder anderen Eventualitäten konfrontiert und heimgesucht werden kann. Allerdings sollte dabei nicht vergessen werden: Dass Druck Gegendruck erzeugt, ist keine neue allgemeine Erkenntnis. Wer übersehen will, dass Gewalt mit Gegengewalt beantwortet wird, zeigt zum einen den bemerkenswerten Unwillen, Geschichte in ihrer dramatischen Vielfalt zu verstehen und dringende Schlüsse für eine Abkehr von Gewaltpolitik jeglicher Art zu ziehen. Lissabon verdeutlicht diesbezüglich erneut ein enormes Defizit in den Reihen der transatlantischen Ideengeber. Bedrückend und alarmierend muss aber zur Kenntnis genommen werden, dass die Antworten auf dringende Fragen unserer Zeit vornehmlich in militärischer Art und Weise, im Gewande des Strebens nach Überlegenheit, deren Erhalt und Ausbau - mithin in alter Manier des Kalten Krieges, der Spannung oder anderen Arten destruktiven Agierens gesucht werden.

Diese wenig erfreuliche Erkenntnis wirft die Frage nach dem Warum für eine solche Gipfelbotschaft der NATO auf. Ein Motiv dürfte die allgemeine Lage sein, in der sich die NATO zur Zeit sehen muss und sie andere sehen. Deren Befindlichkeit nach innen und nach außen ist schlecht. In einer Zeit der Suche nach Möglichkeiten und Wegen für eine bessere internationale Lage, ob regional, global oder rein national, repräsentiert sie sich als Kraft der Aggression, des Krieges, der Drohung und Spannung. Nach dem Wegfall des nach allen Regeln der Politik, Diplomatie, Propaganda unter Anwendung von Halbwahrheit, Verdacht und Furcht beschworenen Gegners einer total gefährlichen Militärkoalition sozialistischer Prägung ist dem westlichen Bündnis in Gestalt der NATO der Hauptgegner abhanden gekommen. Es brauchte neuer Gefahren. - Sie zu finden, das ist eine bittere Wahrheit, war nicht schwer. Politik der NATO aber war immer, sich die Gegner auszusuchen und sich im Weltgeschehen entsprechend zu verhalten. Der Beispiele dafür gibt es mehr als genug - und leider bestätigt der Lissabon-Gipfel, dass ein Umdenken wie eine Änderung dieser Politik nicht erfolgt, weil einfach nicht gewollt. Betrachten wir das neue Leitpapier kurz etwas näher in seinen Aussagen, die als verbindlich für alle Mitgliedsstaaten angesehen werden dürften.

Afghanistan, so erfahren wir, ist und bleibt für die NATO das zentrale Element seiner Außen- und Verteidigungspolitik. Dieser mit großem Einsatz, vielfältigsten Mitteln und Methoden geführte brutale Krieg erbringt zwingend den Beweis sowohl für den Charakter dieses Militärbündnisses als auch das Dilemma, in dem sich die NATO befindet. Der unbedingte Wille, mit geballter militärischer Kraft den erneut beschworenen Sieg in diesem Lande zu erzwingen und damit weltweit zu beweisen, dass Kriege zum Arsenal internationaler Politik in diesem Jahrhundert gehören, wird durch das Dilemma, in dem sich die NATO dort befindet, total ad absurdum geführt. Dieser Krieg ist bereits zum Menetekel der NATO geworden. Die Bevölkerung ihrer Mitgliedsländer lehnt ihn mehrheitlich ab. Proteste der Menschen dort beweisen das nachdrücklich.

Die NATO ist Kriegspakt geblieben - und hier liegt ihr großes Problem. Die auch in der "neuen Strategie" der NATO bekundete und erneut festgeschriebene "Kollektive Verteidigung" ist am Beispiel Afghanistan zu einem Feldzug brutaler Machtpolitik geworden. Damit zugleich zu einem schwerwiegenden Faktor innen- und außenpolitischer Belastung. Der breiten Welle einer Ablehnung dieses Krieges und der letztendlich dafür verantwortlich zeichnenden Politik können sich die Regierungen, in welchem Land der NATO auch immer, nicht verschließen. Unsicherheit, Missmut, Misstrauen in den eigenen Reihen machen die Runde. Rückzugsszenarien werden offiziell und inoffiziell debattiert. Allergrößte Zweifel am Ausgang dieser großen Fehlleistung atlantischer Politik werden immer stärker. Es knirscht im Gebälk des Hauses NATO. Lissabon beweist das nachdrücklich.

Beinah beschwörend wird gewarnt, dass die Gefahren für die Interessen des Nordatlantischen Bündnisses zwar von außen kommen, aber die Stärke der Organisation leicht von innen, untergraben werden könnte. Die Angst vor dieser Erosion geht um. Einmütigkeit wird beschworen, der Aufruf zur Treue und Bereitschaft, sich stärker zu engagieren, klingt wie das Pfeifen im Walde. Nicht zu übersehen ist die dringende Aufforderung, allseits die Verteidigungsanstrengungen zu intensivieren und effektiver zu gestalten. Hier ist nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen sondern klar zu erkennen, dass der Erfolg eigener Politik äußerst gefährdet sein könnte und wohl schon ist. Wenn nicht Feuer unter dem Dach der NATO - dicker Qualm ist allemal da!

Auch das makabre Beispiel Afghanistan führt allen, die Zeugen einer derartig katastrophalen Politik sind, vor Augen, dass der NATO gebricht, Geschichte zu lesen und zu verstehen. Jeder Versuch, mit welchen Argumenten auch immer, Ländern mit Gewalt zu begegnen und mittels dieser die eigenen Interessen bedingungslos zu verfolgen und durchzusetzen, muss früher oder später desaströs für jene enden, die sich einer solchen Art Politik zu betreiben verschrieben haben. Die Kolonialmacht NATO, wo immer sie zu handeln gedenkt, wird das auch künftig zu spüren bekommen. Hier hilft auch eine per Doktrin verkündete Absicht nicht, die Rolle als globale Ordnungsmacht nicht übernehmen zu wollen, aber als Interventionskraft zu handeln, wenn die Interessen ihrer Staaten vermeintlich in Gefahr sind. Dass hierzu bereits erprobte und auch künftig energisch betriebene Aktionen wie der Schutz natürlicher Ressourcen oder wichtiger Handelswege gehören, kann nicht verwundern. Weltweites Agieren schreibt die NATO auch hier auf ihre Fahnen.

Nichts Neues bietet Lissabon an, wenn es um eines der Kardinalprobleme unserer Zeit, die Abrüstung allgemein und besonders die atomare angeht. Atomwaffen als absolute Notwendigkeit einer Politik der Abschreckung sind und bleiben ein zentrales Element transatlantischer Politik.

Das gilt auch für Europa und die Vorstellungen vom möglichen Abzug dieser Massenvernichtungsmittel. Eine Forderung übrigens, die in der Öffentlichkeit unseres Kontinents immer stärker und mit gehörigem Druck erhoben wird und auch künftig vertreten werden muss. Dass dazu auch gehört, sich gegen einen so genannten Raketenschirm für Europa zu wenden, da schon laut Albright-Papier nur so ein Konzept nationaler Abschreckung zu realisieren sei, muss im Selbstverständnis der entschiedenen Ablehnung jeder atomaren Machtpolitik liegen. Im Übrigen wird dieses Thema wohl noch geraume Zeit Diskussionsstoff jener in der NATO regierungsamtlich damit befassten Institutionen sein. Einmütigkeit in allen Punkten zu erzielen, dürfte ihnen nicht leicht fallen. Grund genug, nicht nachzulassen, auf diese Gefahr und die Sinnlosigkeit atomarer Rüstung immer wieder warnend zu verweisen. Möglichkeiten einer allgemeinen Entspannung auf diesem hochsensiblen Gebiet internationaler Politik im Sinne einer allgemeinen Entspannung sollten dabei nicht vergessen werden.

Die unmittelbare Nähe neuer NATO-Mitgliedsstaaten und damit die Verschiebung ihrer Grenzen nach Osten, in eine unmittelbare Nachbarschaft zu Russland zwingt die neue transatlantische Strategie dazu, einige ihrer Elemente zu modifizieren. Die in russisch-amerikanischen Verhandlungen erreichten vorläufigen Ergebnisse über die beiderseitige Reduzierung der Atomwaffenarsenale und mehr Transparenz auf diesem Gebiet gehören zweifelsfrei in dieses Bild. Das aber hat zwei Seiten. Die Angebote atomarer Entspannung gehen aber einher mit der Versicherung, die bereits angebahnten Wege der so genannten Raketenabwehr nicht zu verlassen und als besonders effektiv zu deklarieren, wenn sie gemeinsam verwirklicht wird. Die Adressaten in Osteuropa haben das zu verstehen! Die Debatten darüber dürften ihre Fortsetzung finden. Daneben schreibt die NATO an einer beileibe nicht neuen aber für sie wichtigen Seite ihrer Strategie mit starker Handschrift fort. Für die NATO wird im gegenwärtigen Moment als grundlegende militärische Aufgabe die Verteidigung vor der Möglichkeit des Angriffs ballistischer Raketen durch den Iran benannt. Sollten nicht hier alle des Alarms fähigen Instrumente und Geräte klingeln! Das Inferno des Krieges im Irak mit einer am Ende eingestandener Lüge über die Ursachen seines Beginns sollten ausreichen, um jene zu mäßigen, die heute an Gewalt denken. Notwendig ist und bleibt, schwierige internationale Probleme und seien sie noch so kompliziert, auf anderem Wege als dem kriegerischer Mittel zu klären und letztlich zu beseitigen. Die transatlantischen Ideen des November 2010 lassen hier viel, sehr viel vermissen. Wenden wir uns noch einmal jenem Europa zu, das die NATO im Blick hat.

Hier kann es nur um ein Europa der EU gehen. Ausbleiben kann nicht, dass es bereits im Expertenpapier eine klare Verbindung zu jener, schon im Lissabon Vertrag der EU herausgestellten Rolle einer verstärkten militärischen Bedeutung zu ersehen ist. Absichten, perspektivisch die Militärpolitik der EU-Staaten enger und, wie es nicht selten formuliert wird, effizienter zu koordinieren, werden klar formuliert. Initiativen von auf EU-Ebene dafür zuständigen Dienststellen, solches in die Tat umzusetzen gibt es bereits.

Das "neue Konzept" von Lissabon spricht dem NATO-Bündnis und dessen künftigem Handeln im politischen und militärischen Bereich globales Handeln nicht nur zu, sondern verpflichtet seine Mitglieder gleichsam, in diesem Sinne vereint zu handeln. Verwoben wird solches allerdings mit Angeboten zur Zusammenarbeit an regionale oder überregionale Institutionen. Neue Partnerschaften innerhalb und außerhalb Europas werden nicht ausgeschlossen. Das Dokument von Lissabon schließt politische wie diplomatische Wege nicht aus um, wo es für nötig gehalten wird, Einflussnahme oder Einmischung zu gewährleisten. Schließlich geht es ja auch darum, um jene Staaten zu werben oder sie zu beeinflussen, deren politisches Gewicht, geographische Lage, innere Struktur oder sympathische Zuneigung für die NATO kurz-, mittel- oder langfristig bedeutungsvoll sein könnte. Hinweise dafür finden sich in den Gedanken für eine neue Strategie nicht wenig. Krisenregionen werden dabei bedacht. Geht es um solche, sucht man allerdings vergeblich nach Appellen zur Mäßigung und Vernunft an jene Adressen, die es verdienen. Dahinter verbirgt sich für den aufmerksamen Betrachter eigentlich nichts anderes, als die eigenen Interessen beinhart voranzustellen und überall dort zu verteidigen, wo das für richtig gehalten wird, mag es kosten, was es will. Versuchen wir noch einmal, die nun mit der Strategie in Portugals Hauptstadt verkündeten Gedanken auf den Prüfstand einer vernünftigen Kritik zu stellen: Geht von dort ein Ruf an die Völker aus, die der Kriege, der Drohungen, der echten oder fiktiven Gefahren wo auch immer müde sind, die Blicke auch umfassende Entspannung, Frieden, Vertrauen internationaler Dimension zu richten und konkrete Vorschläge dafür zu unterbreiten? Die Antwort bleibt Enttäuschung und sie muss eine Bestätigung dafür sein, den Zusammenhalt, die Energie, Ideen und Kraft breiter Massen zu fördern, denen die Lissaboner NATO-Strategie zuwider ist und für die eine in den Fugen knirschende Organisation der Gewalt, des Misstrauens und der Verachtung humanen Handels Anlass ist, im Kampf dagegen nicht nachzulassen. Der internationalen Friedensbewegung bleibt die Aufgabe, jene die in diesem Sinne bereits aktiv sind, in gemeinsamen Aktionen zusammenzuschließen und andere zu überzeugen, im Sinne der Vernunft zu handeln. Die NATO hat nicht nur sich selbst überlebt und bleibt deshalb ein Hindernis für eine im Sinne des Globabisierungsgedankens weltumspannende Form friedlicher Zusammenarbeit. Sie ist überflüssig.

Raute

Fakten und Meinungen

Harald Nestler/Helmut Semmelmann

80. l'Humanité-Pressefest

Am 10., 11. und 12. September 2010 feierte die traditionsreiche Zeitung der französischen Kommunisten, "l'Humanité", ihr 80. Pressefest. Die ARAC (Association Républicaine des Anciens Combattants), die aktiv an der Organisation des Festes beteiligt war, hatte zwei Vertreter der GBM und des Europäischen Friedensforums zu politischen Gesprächen und zur Teilnahme am Fest eingeladen. Beides gestaltete sich zu einem von politischer Übereinstimmung und freundschaftlichem Geist getragenen Erlebnis.

Dieses Pressefest war ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis, weit über den Rahmen der KPF und den Leserkreis der l'Humanité hinaus, mit vielen Gesprächsrunden und Diskussionen zu aktuellen politischen und sozialen Problemen in Frankreich und in Europa. Dabei kamen verschiedenste Organisationen aus dem linken Spektrum zu Wort und präsentierten sich mit ihren Informationsständen. Spitzenkünstler des Landes sorgten mit ihrem Auftreten für Höhepunkte bei Kultur und Unterhaltung.

Im Ausstellungsbereich "Dorf der Welt" waren Teilnehmer aus vielen Ländern vertreten, darunter die Partei DIE LINKE und das ND mit ihren Ständen, die viel Aufmerksamkeit fanden.

Ehrengast des Festes war in diesem Jahr Vietnam. Auf dem Fest kamen Internationalismus und Solidarität der französischen Kommunisten und anderer linker Gruppen anschaulich zum Ausdruck. In der Gesamtgestaltung sowie bei den Ständen der Regionen waren die aktuellen politischen Themen mit Aussagen zur Geschichte und zur revolutionären Tradition verbunden; es wurde eine wirkliche Kultur der Erinnerung und des Gedenkens spürbar.

Die Parteiorganisationen der KPF aus den Départments präsentierten an ihren Ständen zusätzlich noch die für ihre Region spezifischen politischen und sozialen Forderungen. Natürlich fehlten im Angebot nicht die jeweiligen kulinarischen Besonderheiten - ein unverzichtbarer Bestandteil des Pressefestes der l'Humanité, das ja auch als das größte Volksfest Frankreichs gilt. In diesem Jahr wurden an den drei Tagen 600.000 Besucher gezählt. Auffällig war der große Anteil von jugendlichen Besuchern. Oft mit Schlafsäcken, teilweise auch mit kleinen Zelten ausgerüstet, zogen sie auf das Festgelände und bestimmten bei vielen Veranstaltungen das Bild.

In der politischen Gestaltung des Festes, in den Losungen und den Veranstaltungen, waren die aktuellen Themen - soziale Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit, wie auch historische Wahrhaftigkeit sowie Visionen für eine bessere Gesellschaft, präsent.

Dabei nahm das politische Ringen der KPF, gemeinsam mit den anderen vier linken Parteien und den Gewerkschaften eine breite Bürgerfront gegen Sarkozy und seine unsoziale, undemokratische Politik zu schaffen, einen zentralen Platz ein. Die sechs großen Gewerkschaftsverbände hatten sich in einer gemeinsamen Erklärung dazu bekannt. Ohne Zweifel ist die Schaffung einer solchen Front auch in Frankreich ein komplizierter politischer Prozess, aber die Massenaktionen der französischen Werktätigen am 23. September, deren Vorbereitung auf dem Fest debattiert wurde, waren beredter Ausdruck dieser konsequenten, offensiven Politik. Diese Aktionen hatten auch Ausstrahlung auf andere europäische Länder, nicht zuletzt auf den gesamteuropäischen Aktionstag am 29.9.2010 in Brüssel.

Auffallend war, dass auf dem Fest in den Diskussionen, auf den mit viel Phantasie gestalteten Plakaten und Transparenten die Protest-Slogans gegen Sozialabbau immer mit der Forderung nach einer gerechteren Verteilung der finanziellen Mittel verbunden wurden. Die Worte "Die Mittel dafür sind da" waren in Wort und Schrift allgegenwärtig.

In Gesprächen mit französischen Genossen wurde Sarkozy als ein Politiker charakterisiert, der auf Konfrontationskurs geht, der nicht bereit ist, in der zugespitzten sozialen Auseinandersetzung einen Konsens zu suchen. Das entspricht seinem politischen Auftrag, unterscheidet ihn aber von früheren Präsidenten z. B. Pompidou oder Chirac, die zwar den gleichen Auftrag hatten, aber bei Zuspitzungen in gewissen Maße auch zu Konsensgesprächen bereit waren.

Es wurde auf die Versuche europäischer Regierungen aufmerksam gemacht, mit dem Verweis auf niedrigere Sozialstandards in anderen Ländern die Senkung der Sozialstandards im eigenen Lande zu rechtfertigen,wie es besonders Merkel und Sarkozy praktizieren. Das muss stärker von den linken Kräften in allen Ländern solidarisch zurückgewiesen werden.

Die französischen Kommunisten haben das Ziel, in dem angestrebten breiten Bündnis auch die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte, der progressiven Traditionen der französischen Gesellschaft, in den Mittelpunkt zu stellen. Das wurde in mehreren Veranstaltungen und Foren thematisiert und betrifft auch die konsequente Ablehnung der Sarkozy-Politik gegenüber den Sinti und Roma.

Der neue Generalsekretär der FKP Pierre Laurent und andere führende Funktionäre der Partei betonten bei verschiedenen Anlässen, dass die Politik der FKP auf die Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems gerichtet bleibt. Die sollte das strategische Ziel einer breiten linken Front sein. In diesem Sinne unterstützt die Partei national und international die Sozialbewegungen (Porto Allegre) und ihre Ziele.

In einem Podiumsgespräch legte Jacques Fath, Mitglied des Nationalrates der KPF, zuständig für internationale Beziehungen, Frieden und Abrüstung dar, dass mit dem Umbruch am Ende des vergangenen Jahrhunderts eine Veränderung innerhalb der in der Welt handelnden Kräfte vor sich gegangen ist. Die Welt sei differenzierter geworden und die Veränderungen hätten komplizierte Prozesse eingeleitet. Die sozialen Bewegungen so Jacques Fath - verlangen objektiv Orientierung und eine Kraft, der sie vertrauen können - eben eine prinzipienfeste linke Partei.

Der Kampf um Frieden und Sicherheit in Europa und in der Welt ist und bleibt auch zukünftig fester Bestandteil der außenpolitischen Konzeption der FKP und ihrer Bündnispartner. Gegenwärtig herrscht in der Welt eine Kultur des Krieges - dem muss eine Kultur des Friedens entgegen gesetzt werden. Die Mehrheit der Menschen ist für Frieden und sozialen Fortschritt - beides muss in der Politik enger verbunden werden.

Die Aktivitäten der Friedensbewegung gegen die NATO und den Krieg in Afghanistan werden voll unterstützt. Die Partei fordert den Rückzug der Truppen aus Afghanistan und die Auflösung der NATO.

Frankreichs Linke, auch das wurde auf dem Fest deutlich, bekräftigt die Ablehnung einer EU, die durch die Verträge von Lissabon geprägt wird. Ein vereintes Europa darf nicht durch Neoliberalismus, Abbau der Demokratie und Militarisierung gekennzeichnet sein.

Die französische Friedensbewegung, die auf dem Fest stark vertreten war, wird sich in diesem Sinne auch aktiv an den Aktionen gegen den NATO-Gipfel in Lissabon Anfang November beteiligen.

In verschiedenen Diskussionsrunden, an denen Vertreter der Friedensbewegungen des In- und des Auslandes teilnahmen, stand die Abschaffung der Atomwaffen im Mittelpunkt.Als ein erster Schritt wurden der Stopp der atomaren Rüstung und die konsequente Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages gefordert.

Die französischen Medien - Presse, Funk und Fernsehen - verfolgten mit großer Aufmerksamkeit und starker Präsenz das Auftreten des neuen Generalsekretärs der FKP Pierre Laurent. In einem Diskussionsforum, an dem auch Vertreter der vier anderen linken Parteien und der Gewerkschaften teilnahmen, legte er überzeugend die Notwendigkeit der Schaffung einer linken Front gegen Sarkozy dar. Er verwies auch auf Probleme und Schwierigkeiten, die dabei noch zu überwinden sind, zeigte sich aber optimistisch, da von der Mehrheit der Menschen eine solche Gemeinsamkeit erwartet würde. Die FKP, so Laurent, verteidige das Recht und die historischen Werte der französischen Gesellschaft. Als Vorsitzender der Partei wird er sich für die Einheit der Partei und die Stärkung ihrer Kampfkraft einsetzen.

Pierre Laurent besuchte auch den Stand der Partei DIE LINKE und des Neuen Deutschland, wo er ein freundschaftliches Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel und anderen Vertretern der Linkspartei führte.

Wir können - so betonte er dabei - mit den Ausstellungen, mit der Teilnahme und mit dem Geist des Festes der l'Humanité zufrieden sein. Allen ist klar, dass die Regierung Sarkozy zur Rücknahme der unsozialen Gesetze zu zwingen ist. Hinsichtlich der Absprachen über die Schaffung einer gemeinsamen linken Front (Front gauche commun) und ihrer nächsten Aktionen wurde - nach seiner Meinung - auf dem Pressefest ein großer Schritt nach vorn getan.

Das Pressefest der l'Humanité hat in seiner Gesamtheit Optimismus und Kampfgeist für die zukünftigen politischen und sozialen Auseinandersetzungen demonstriert.

Die A.R.A.C., (Association Républicaine des Anciens Combattants) ist seit mehreren Jahren mit der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde und dem Europäischen Friedensforum freundschaftlich verbunden. Auf dem Fest der Humanité war sie mit einem eigenen Stand vertreten. Sie ist in ganz Frankreich gut bekannt und fest verankert. Sie zählt heute etwa 25.000 Mitglieder und gibt die Monatszeitschrift "Le Réveil des Combattants" (Weckruf der Kämpfer) heraus.

Die A.R.A.C. wurde 1917 unter maßgeblicher Beteiligung von Henri Barbusse, dem Verfasser des international bekannten Anti-Kriegsromans "Das Feuer", gegründet. Sie stellte eine Reaktion auf die Gräuel des Ersten Weltkrieges dar und hatte von Anfang an zwei Ziele: für die Rechte der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen zu kämpfen (auch für Opfer späterer Kriege und kolonialer Feldzüge) und das Entstehen neuer Kriege zu verhindern. Die Gründer der ARAC hatten erkannt, dass die Wurzeln von Krieg, Faschismus, Rassismus und Kolonialismus in der ungleichen Verteilung der Güter im kapitalistischen System zu suchen sind.

Dieser Erkenntnis entsprach die Losung der ARAC bei ihrer Gründung: "Menschlichkeit - Pazifismus - Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit", und dieser Erkenntnis entsprechen die den heutigen Verhältnissen angepassten Schwerpunkte der Organisation: "Verteidigung der Menschenrechte - Krieg dem Kriege (Schaffung einer Kultur des Friedens) - Verteidigung der antifaschistischen und republikanischen Werte - Aktionseinheit - Kultur des Erinnerns und Gedenkens (gegen Geschichtsklitterung)".

Der Begriff der Menschenrechte, ursprünglich abgeleitet von den Rechten der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen, wurde im Laufe der fast 100jährigen Geschichte der ARAC weiterentwickelt und umfasst heute alle zivilen und sozialen Menschenrechte. Aber von Anfang an hat die Verteidigung der Rechte der genannten Personengruppe eine besondere Rolle gespielt (so wurde gleichzeitig mit der ARAC unter ihrem Dach eine Organisation der gegenseitigen Hilfe, Mutuelle, gegründet, die auch heute noch aktiv ist).

So ist die Geschichte der ARAC ein kontinuierlicher Kampf gegen Krieg und Faschismus, für gesellschaftlichen Fortschritt.

Neben den politischen Aktivitäten steht im Mittelpunkt der Arbeit von ARAC der ständige Kampf mit den französischen Regierungen gegen die Beschneidung der Rechte der Veteranen. Es ist selbstverständlich, dass die Mitglieder der Organisation aktiv an der Vorbereitung von Aktionen gegen Sozialabbau und die Verletzung der Menschenrechte mitwirken bzw. an ihnen teilnehmen - so wie bei den Massendemonstrationen am 7. und 23. September 2010.

Seit einigen Jahren nehmen Vertreter von ARAC an der Arbeit des Europäischen Friedensforums und seines Präsidiums teil. Das wurde und wird maßgeblich durch die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde, als der deutschen Sektion des Europäischen Friedensforums, befördert. Bei unseren französischen Freunden ergab sich der Wunsch, die Kontakte mit osteuropäischen Organisationen gleicher Zielstellung weiter zu vertiefen bzw. neue aufzunehmen. Das hat in den politischen Gesprächen am 12. und 13. September 2010 eine wichtige Rolle gespielt. Es wurde festgestellt, dass es in der Beurteilung der politischen Entwicklung in Europa, der Krise und der Gefahren, die von Militarisierung und Rechtsentwicklung ausgehen, Übereinstimmung gibt. Das ist die Grundlage für ein engeres solidarisches Zusammenwirken, das mit der Beratung des Entwurfs einer Kooperationsvereinbarung seinen Ausdruck fand.

Vorgesehen sind u. a. die gegenseitige Unterstützung bei der Herstellung weiterer Kontakten mit Organisationen, die sich in Ost- und Westeuropa für Frieden, Abrüstung und Verteidigung der sozialen Rechte engagieren, ein verstärkter Informations- und Erfahrungsaustausch über die aktuellen politischen Auseinandersetzungen mit dem neoliberalen Kurs der Regierungen, mit dem aufkommenden Neofaschismus und den Versuchen der Verfälschung der Geschichte sowie die Unterstützung bei der Gestaltung von Solidaritätsreisen, die dem Gedenken an den gemeinsamen antifaschistischen Kampf gewidmet sind.

Mit der Paraphierung dieser Vereinbarung fand der Aufenthalt bei unseren französischen Freunden, den sie mit großer und freundschaftlicher Aufmerksamkeit organisiert hatten, einen guten Abschluss.


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung der Originalpublikation:
Bildeindrücke der beiden Autoren vom 80. Pressefest der l'Humanité

Raute

Fakten und Meinungen

Horst Schneider

Adieu UNO!

Das völkerrechtliche Ableben eines geachteten UNO-Mitglieds

Als Günter Schabowski um 18.53 Uhr des 9. November 1989 auf einer internationalen Pressekonferenz irrtümlich bekannt gab, dass die neue Reiseregelung der DDR sofort, unverzüglich gelte, dürfte kaum jemand daran gedacht haben, dass damit auch die geachtete Stellung der DDR in der Organisation der Vereinten Nationen zu Ende gehen könnte. Der Weg zur UNO-Mitgliedschaft war für die DDR lang und beschwerlich gewesen.(1)

Die Vereinten Nationen sind ein Kind der Antihitlerkoalition. Sie haben ihre Vorgeschichte von der Konferenz in San Francisco im Dezember 1941 bis zum 26. Juni 1945, dem Tag, an dem 51 Gründungsmitglieder die Geburtsurkunde unterzeichneten.(2)

Aus dem Kampf und Leid der Völker der Antihitlerkoalition geboren, sollte sie nach 1945 die Aufgabe lösen, die Menschheit künftig vor der Geißel des Krieges zu bewahren. Zu diesem Zweck nahm die UNO eine Charta an, die verbindliche Völkerrechtsnormen für jeden Staat festlegt, und schuf eine Struktur, die diesem Ziel dienen sollte. Der Sicherheitsrat, der neben gewählten Mitgliedern fünf ständige VETO-Mächte umfasst, sollte das geeignete Instrument zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit weltweit werden. Auf die widersprüchliche und konfliktreiche, nur partiell erfolgreiche Geschichte der UNO wird hier nicht eingegangen.(3) Deutschland war anfangs weder an der Gründung beteiligt, noch war seine baldige Mitgliedschaft vorgesehen.

Der Artikel 107 der UNO-Charta, die "Feindstaatenklausel", stellte Deutschland de facto außerhalb der Rechtsnormen, die für die übrigen Staaten galten. Als 1949 die beiden Staaten mit gegensätzlicher politischer Orientierung entstanden, war an eine Aufnahme in die UNO nicht zu denken. Die BRD praktizierte die "Hallstein-Doktrin" (genannt nach Adenauers Staatssekretär), die darauf abzielte, die DDR international zu isolieren. Die BRD ging außerdem von der Doktrin aus, dass alle Fragen, die Deutschland als Ganzes berühren, zur Verantwortung der alliierten Sieger gehören.

Erst Anfang der sechziger Jahre änderte sich allmählich die internationale Situation und die Politik der UNO gegenüber den beiden deutschen Staaten. Walter Ulbricht beantragte 1963 die Aufnahme der DDR in die UNO, wohl wissend, dass das Überkreuz-Veto nur überwunden werden konnte, wenn auch die BRD den Aufnahmeantrag stellte. Das geschah erst 1972 durch Willy Brandt.

Die Aufnahme beider deutscher Staaten erfolgte im gleichen Verfahren (mit je einer Gegenstimme) und mit der gleichen feierlichen Prozedur, an der Außenminister Otto Winzer für die DDR, Bundeskanzler Willy Brandt für die BRD teilnahmen, am 18. September 1973 als 133. und 134. Staat. Von nun an waren beide deutsche Staaten in der UNO Konkurrenten, deren Handeln international große Aufmerksamkeit fand. Wilhelm Bruns hat für das jeweilige Jahr die Zustimmungsquote bei allen wichtigen Abstimmungen registriert, die DDR hat ihre Bilanzen jährlich veröffentlicht.(4)

Zur Bilanz gehört:

- Die deutsch-deutschen "Querelen" sind nie vor die UNO getragen worden.

- Außenminister Genscher, der jeweils traditionell im September auftrat (Oskar Fischer sprach nach ihm), hat nie versucht, die DDR als "Unrechtsstaat" zu verleumden.

- Die Haltung der DDR und das Auftreten ihrer Repräsentanten, vor allem Peter Florins, fand hohen Respekt.

Wilhelm Bruns analysierte die Politik der beiden deutschen Staaten in der UNO seit ihrer Aufnahme in die UNO im September 1973. Er gelangte rückblickend 1992 zu dem Schluss: "Seit dem Tag der Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die UNO hatte die deutsche Frage in der Weltorganisation keine Rolle mehr gespielt. Das heißt, sie war weder Gegenstand von Debatten, noch war sie Tagesordnungspunkt. Sie war lediglich ein Thema zwischen den Repräsentanten beider deutscher Staaten, insbesondere im Plenum der Generalversammlung. Die beiden deutschen Außenminister hatten einmal jährlich in der so genannten Generaldebatte in der Generalversammlung ihren unterschiedlichen Standpunkt in der deutschen Frage weltweit notifiziert. Für die Bundesrepublik Deutschland galt der Satz des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, der am 26.9.1973 vor der Generalversammlung erklärt hatte: Wir sind nicht hierher gekommen, um die Vereinten Nationen als Klagemauer für die deutschen Probleme zu betrachten oder um Forderungen zu stellen, die hier ohnehin nicht erfüllt werden können. An dieses Leitmotiv bundesdeutscher UNO-Politik hat sich die Bundesregierung auch unter Helmut Kohl gehalten. Da die DDR erklärte, dass es eine offene deutsche Frage nicht gebe, sondern spätestens mit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO erledigt sei, war nicht damit zu rechnen, dass die DDR die deutsche Frage vor ein Organ der UNO bringen würde."(5)

In der Tat: Die "deutsche Frage" als Gebot der "Wiedervereinigung" stand für die DDR nicht auf der Tagesordnung. Und beim jährlichen Schlagabtausch im September in New York zwischen Oskar Fischer und Hans-Dietrich Genscher gab es eine Regel: Fischer sprach nach Genscher, der damit die Schärfe der Replik selbst festlegte. Die "deutsche Frage" war auch 1989/90 kein Thema für die UNO, weil offensichtlich keine Regierung die Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten als eine Bedrohung für die Sicherheit und den Frieden sah. Somit steht fest: Bei ihrem Auftreten mussten die BRD-Vertreter Rücksicht auf Normen nehmen, von denen ich eine hier zitiere:

"Die 36. Vollversammlung der Vereinten Nationen gab mit dem Beschluss 36/102 vom 9. Dezember 1981 zur Festigung der internationalen Sicherheit eine feierliche Erklärung ab, die in den Punkten 1 und 2 bestimmte:

1. Kein Staat und keine Staatengruppe hat das Recht zur Intervention oder Einmischung in die inneren oder äußeren Angelegenheiten anderer Staaten, auf welche Weise oder mit welcher Begründung dies auch immer geschehen möge.

2. Das Grundprinzip der Nichtintervention und Nichteinmischung in die inneren und äußeren Angelegenheiten von Staaten umfasst die folgenden Rechte und Pflichten:

- Die Souveränität, politische Unabhängigkeit, territoriale Integrität, nationale Einheit und Sicherheit aller Staaten sowie die nationale Identität und das kulturelle Erbe ihrer Völker:

- Das souveräne und unveräußerliche Recht eines Staates, gemäß dem Willen seines Volkes unbehindert und ohne Intervention, Einmischung, Subvention, Zwang oder Bedrohung irgendwelcher Art von außen sein politisches, wirtschaftliches, kulturelles und soziales System selbst zu bestimmen, seine internationalen Beziehungen zu entwickeln und ständige Souveränität über seine natürlichen Ressourcen auszuüben ­..."(6)

Der Beschluss 39/159, den die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 17. Dezember 1984 annahm, erklärte alle Handlungen von Staaten für unzulässig, "die auf die Untergrabung der gesellschaftspolitischen Ordnung in anderen souveränen Staaten gerichtet sind."

Im Punkt 3 des Beschlusses werden alle Staaten verpflichtet, "das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung zu achten und ihr Recht, ihre gesellschaftspolitische Ordnung frei und ohne Einmischung und Intervention zu wählen ... zu respektieren und strikt zu achten."(7)

Das UNO-Mitglied DDR wäre also nach diesem Beschluss für das UNO-Mitglied BRD unantastbar gewesen. Die UNO-Charta und Beschlüsse beinhalteten Festlegungen, die die Achtung der Souveränität und Integrität von Staaten verlangen, aber keinen Artikel, der den Mord an oder den Selbstmord von Staaten regelt.

Das Ausscheiden der DDR ist ein Präzedenzfall in der Geschichte der UNO. Ein Tod eines Staates durch "Anschluss" an einen anderen, stärkeren war nicht vorgesehen.

Im UNO-Beschluss 80/31 vom 22. August 1978 wurde die Wiener Konvention in Staatennachfolge in Verträgen völkerrechtlich geregelt.(8)

Nichts von den Regeln lässt sich auf den Prozess anwenden, den die BRD gegenüber der DDR durchsetzte. Die jämmerliche und für viele DDR-Bürger entwürdigende Haltung ihres Ministerpräsidenten lässt sich an zwei Dokumenten beweisen.

Das Schreiben Lothar de Maizieres an den UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar lautete:

"Sehr geehrter Herr Generalsekretär!
Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes erklärt hat, um auf diese Weise die staatliche Einheit Deutschlands herbeizuführen. Mit diesem Beitritt entfallen die völkerrechtlichen Voraussetzungen für ein Fortbestehen der Mitgliedschaft der Deutschen Demokratischen Republik in der Organisation der Vereinten Nationen und in anderen zwischenstaatlichen Organisationen. Das vereinte Deutschland wird dementsprechend künftig allein als Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen den Bestimmungen der Charta im Sinne der am 12. Juni 1973 abgegebenen feierlichen Erklärungen beider deutscher Staaten verpflichtet bleiben."
(9)

Und die Fernsehansprache Lothar de Maizières anlässlich des Ablebens der DDR am 2. Oktober 1990 hatte folgenden Wortlaut:

"Es ist ungewöhnlich, dass sich ein Staat freiwillig aus der Geschichte verabschiedet. Ebenso ungewöhnlich und widernatürlich war aber auch seine Teilung unseres Landes.

In wenigen Stunden tritt die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland bei. Wir Deutschen erreichen die Einheit in Freiheit.

Ich glaube, wir alle haben Grund, uns zu freuen und dankbar zu sein. Wir lassen ein System hinter uns, das sich demokratisch nannte, ohne es zu sein. Sein Kainzzeichen waren die Unfreiheit des Geistes und das verordnete Denken, Mauer und Stacheldraht, der Ruin der Wirtschaft und Zerstörung der Umwelt, die ideologisch kalkulierte Gängelung und das geschürte Misstrauen. An die Stelle dieser Tyrannei sind Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde getreten.

Unser Weg in die Freiheit war nicht gefahrlos und war nicht unumstritten. Wir danken denjenigen, die unbeirrt ihren Weg gingen und ihren demokratischen Willen furchtlos zum Ausdruck brachten. Da sie sich von der Angst befreit hatten, konnten sie auch die Freiheit erzwingen."(10)

Da die Verantwortlichen der DDR-Führung (Lothar de Maizière als Ministerpräsident und Außenminister hatte keine Zeit nach New York zu fliegen, Minister Meyer vertrat ihn) über die Vorgänge eine Nebelwand verhängen, bleibt nur, einen längeren Text des bundesdeutschen UNO-Experten Ulrich Albrecht zu zitieren:

"Anfang Oktober 1990 standen die Vereinten Nationen vor einem Problem, welches für sie noch nie vorgekommen war. Wieder waren die Deutschen schuld. Ein Mitglied, die DDR, suchte seine Existenz zu beenden. Die Charta bot hierfür keine Vorkehrungen. Das vereinigte Deutschland sollte zudem seine vollständige Souveränität übertragen bekommen, die VN kennen aber nur souveräne Mitglieder. Die Juristen hatten erheblich zu tun, das Ergebnis der 2+4-Verhandlungen, des Vertrages der beiden deutschen Staaten mit den vier Hauptsiegermächten, auf Unesisch zu übersetzen, wie es mit verzweifeltem Humor in New York hieß.

Am 2. Oktober 1990 war es soweit. Die vier Hauptsiegermächte erklärten vor der Generalversammlung in komplizierten Wendungen, dass in Anbetracht des 2+4-Vertrages vom 12. September 1990 die Wirksamkeit ihrer Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes... ausgesetzt wird. Merkwürdige Reihenfolge, die Stadt Berlin kommt vor Deutschland als Ganzem. Vielleicht gibt es auch irritierte Deutsche, die Fragen, warum die Siegermächte lediglich ausgesetzt, nicht aber beendet wurden. Man ahnt die Abgründe, an denen am Wortlaut gefeilt wurde. Es wehte nochmals der Geist der Gründerväter der VN. Die vier Hauptsiegermächte schließen ihre Stellungnahme, erneut die Aussetzung betonend:

Als Ergebnis werden die Wirksamkeit der entsprechenden, damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken und die Tätigkeit aller entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte ab dem Zeitpunkt der Vereinigung Deutschlands ebenfalls ausgesetzt."(11)

Die Zeremonie gestaltete sich für das Protokoll schweißtreibend. Das Generalsekretariat und die Außenminister der vier Siegermächte gingen davon aus, dass die beiden deutschen Außenminister eine solche wichtige Aussage in Person anhören würden. Hans-Dietrich Genscher war für die Bundesrepublik selbstredend präsent. Anders sah es für die abtretende DDR aus. Der amtierende Außenminister und Ministerpräsident, Lothar de Maizière, hielt es mit Blick auf seine vermeintliche politische Zukunft für wichtiger, am gleichzeitig stattfindenden Vereinigungsparteitag der CDU teilzunehmen und hatte einen Staatssekretär des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten nach New York geschickt. Dieser, Helmut Domke, 1989 Repräsentant der dissidenten Bürgerbewegung "Demokratie jetzt", wäre in historischer Perspektive sicher berechtigt gewesen, die Abdankungsurkunde der Siegermächte entgegenzunehmen. Diese beharrten jedoch: ein Kabinettsmitglied müsse schon her. So baute die DDR eine letzte Scharade: Bildungsminister Meyer, nunmehr in gleicher Funktion im Kabinett des Freistaates Sachsen, wurde eilends nach New York geflogen. Die Protokollexperten der VN gingen zu Recht davon aus, dass niemand wissen würde, wie der letzte Außenminister der DDR wirklich hieß.

Der Austritt eines Mitgliedes muss von diesem selber vollzogen werden. So teilte DDR-Ministerpräsident de Maizière dem Generalsekretär am 27. September 1990 per Brief mit, dass "die völkerrechtlichen Voraussetzungen für ein Fortbestehen der DDR in der Organisation der Vereinten Nationen" entfielen.(12) Seither gibt es nur noch das Mitglied "Deutschland".

Über die Politik Deutschlands in den VN seither lässt sich nur wenig Konkretes sagen. Ob die von Rittberger thematisierte "Neubestimmung deutscher UN-Politik" tatsächlich eingetreten ist, welche "Herausforderungen und Optionen sich für die zukünftige deutsche UN-Politik ergeben"(13), muss derzeit offen bleiben. Die grundsätzliche Klärung der Beteiligung der Bundeswehr an Zwangsmaßnahmen der VN zieht sich dahin. Die Nominierung eines deutschen Generals als "Assistant Secretary-General" für die Koordinierung von Blauhelm-Einsätzen signalisiert einen Gewinn an Prestige, mehr nicht. An der Erstellung eines Waffenregisters der VN haben deutsche Diplomaten, worauf sie stolz hinweisen, sicher erheblichen Anteil gehabt. Nun füllt die Bundesregierung die Deutschland betreffenden Spalten nicht vollständig aus(14) und veröffentlicht zum Beispiel nicht regelmäßig Daten zum Deutschen Rüstungsexport. Allenfalls für die militärische Komponente eines künftigen deutschen VN-Engagements lassen sich amtliche Vorgaben von einiger Präzision anführen. Sie finden sich im Weißbuch des Verteidigungsministers von 1994 "Zur Lage und Zukunft der Bundeswehr", welches erstmals ein Kapitel "Deutschlands Rolle in den Vereinten Nationen" enthält: Das Weißbuch thematisiert künftige Aufgaben, die aus dieser Position erwachsen: "Um eine entsprechende Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen gewährleisten zu können, müssen militärische Fähigkeiten weiterentwickelt werden. In vielen Staaten ist die militärische Ausbildung allein auf die traditionellen Anforderungen an den Soldaten im Gefecht ausgerichtet. Die spezifischen Aufgaben der Friedenserhaltung erfordern jedoch auch andere Fähigkeiten. Die nationale Vorbereitung der Blauhelme auf ihren Einsatz sollte von den VN stärker koordiniert werden. Dazu bedarf es gemeinsamer Ausbildungsrichtlinien."(15)

Die einzelnen Studien in diesem Band haben zudem nicht ergeben, dass in den untersuchten Sachbereichen die Bundesrepublik eine prononcierte Rolle ausübt. Klaus Hüfner befindet, dass bezüglich der Zahlungsmoral die Bundesrepublik nicht zur ersten Klasse der Pflichtgetreuen zu zählen ist. Bernhard Graefrath äußerte sich skeptisch zu dem Projekt, die Bundesrepublik zum ständigen Mitglied des Sicherheitsrates zu machen, und konstatiert, "dass sowohl Deutschland als auch Japan über den Mechanismus der G 7 (der sieben führenden Wirtschaftsnationen) einen nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidungen der drei Mächte, den engeren Klub im Sicherheitsrat, haben."(16)

"Wie bei der Frage einer deutschen Beteiligung an Blauheim-Einsätzen engagiert sich die Bundesregierung mit der Forderung nach einem ständigen Mandat im Sicherheitsrat zwar medienwirksam, nicht aber in einer Weise, die für die Alltagsabläufe der VN-Organisation direkte Bedeutung hätte. Das Bild der Rolle des vereinigten Deutschland in den VN bleibt somit vorerst weitgehend unscharf."(17)

Das alles schrieb Albrecht 1994 und das sieht nicht nach Erfolgsbilanz aus. Zwanzig Jahre nach 1990, seit die DDR nicht mehr UNO-Mitglied ist, darf vermerkt werden:

- Die Tilgung der "Feindstaaten"-Klausel stand nie auf der Tagungsordnung eines UNO-Gremiums.
- Die Klausel steht nach wie vor in der UNO-Charta.
- Nichts deutet darauf hin, dass Deutschland ständiges Mitglied des Sicherheitsrates werden könnte.
- Das Ansehen der Vereinten Nationen im allgemeinen, der BRD im besonderen, ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Das war 1990 in Bonn gewollt?


Anmerkungen:

(1) Geschichte der Außenpolitik der DDR. Abriss, Berlin 1984, S. 285 f.; Wolfgang Spröte/Harry Wünsche: Die UNO und ihre Spezialorganisationen, Lehrbuch, Berlin 1975

(2) Peter Klein: Die UNO. Kleines Nachschlagewerk, Berlin 1966, S. 15 f.

(3) Günter Unser/Michael Wimmer: Die Vereinten Nationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Bonn 1995

(4) Von 1955 bis 1989 erschien jährlich in der DDR Deutsche Außenpolitik. UNO-Bilanz, Berlin.

(5) Wilhelm Bruns: UNO und die deutsche Einheit, in: Werner Weidenfeld und Karl-Rudolf Korte: Handwörterbuch zur deutschen Einheit, Frankfurt a. M. 1992, S. 686 f. Wilhelm Bruns: Die Uneinigen in den Vereinten Nationen, Köln 1980; Wilhelm Bruns: Die UNO-Politik der DDR. 2.Aufl. Stuttgart 1980; Über das Abstimmungsverhalten der beiden deutschen Staaten schrieb Bruns regelmäßig im Deutschland Archiv

(6) Deutsche Außenpolitik. UNO-Bilanz 1981/82, Berlin 1982, S. 90

(7) Deutsche Außenpolitik, a.a.O., 1984/85, Berlin 1985, S. 101/102

(8) DeutscheAußenpolitik, a.a.O., 1978/79, Berlin 1979,S. 148 f

(9) Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dokumente von 1949 bis 1994, Köln 1995, S. 717

(10) Ebenda S. 715

(11) Bundesgesetzblatt Teil II, Jg. 1990, S. 1331 f

(12) Das Schreiben befindet sich in Vereinte Nationen Oktober 1990, S. 157

(13) Volker Rittberger: Zur Politik Deutschlands in den Vereinten Nationen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B. 36/1991, S. 14

(14) Der Spiegel 23/1994 berichtete, dass Angaben zu den Raketen aus den Beständen der NVA der UNO nicht übermittelt werden dürfen, da kein entsprechendes Geheimschutzabkommen existiert.

(15) Bundesministerium für Verteidigung. Weißbuch 1994 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr, Bonn 1994, S. 69

(16) Nach Angaben von Bernhard Graefrath

(17) Klaus Hüfner (Hrsg.): Die Reform der Vereinten Nationen. Die Weltorganisation zwischen Reform und Erneuerung, Opladen 1994.


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung der Originalpublikation:
Das UNO-Hauptquartier am Hudson River, 1947 bis 1952 nach Plänen des Architekten Wallace K. Harrinton errichtet.

Raute

Fakten und Meinungen

Velko Valkanov

Hitler und seine bulgarischen Erben

In der Übersetzung von Janeta Mileva

Ich erinnere mich, dass, als im Jahr 2001 durch den Schar Ptiza-Verlag Hitlers Buch "Mein Kampf" herausgegeben wurde, ich und viele meiner Genossen darüber empört waren. "Wie ist das möglich?!" - fragten wir uns. Das ist doch ein Versuch, faschistische Literatur zu verbreiten, was in Bulgarien verfassungsrechtlich unzulässig und strafbar ist. (Artikel 108 des bulgarischen Strafgesetzbuch) Wir schrieben sogar einen Brief an den Generalstaatsanwalt, in dem wir ihn aufforderten Maßnahmen gegen die Verbreitung dieses Buches zu unternehmen. Aber das war ein Fehler von uns. Wenn auch etwas später, so ist uns doch bewusst geworden, dass die beste Aufklärung gegen Hitler ... Hitler selbst ist. Wenn man sein Buch liest, versteht man, dass es eigentlich das Plan-Programm darstellt, dessen Verwirklichung zu den schrecklichen Ereignissen vor und während des Zweiten Weltkriegs geführt hat.

Nach Hitlers Weltanschauung gibt es keineswegs eine Gleichheit der Rassen. Sondern sie "erkennt mit ihrer Verschiedenheit auch ihren höheren oder minderen Wert (an) und fühlt sich durch diese Erkenntnis verpflichtet, gemäß dem ewigen Wollen, das dieses Universum beherrscht, den Sieg des Besseren, Stärkeren zu fördern, die Unterordnung des Schlechteren und Schwächeren zu verlangen" (S. 421).

Eine höherwertige Rasse ist in dieser Anschauung die ansehe Rasse, in der die deutsche Nation eine führende Rolle wahrnimmt. Und hier handelt es sich "nicht um ein x-beliebiges Negervölkchen, sondern um die germanische Mutter all des Lebens, das der heutigen Welt ihr kulturelles Bild gegeben hat" (S. 741-742) Die Deutschen als Emanation der ansehen Rasse, brauchen neue Territorien. "Wollte man in Europa Grund und Boden, dann konnte dies im großen und ganzen nur auf Kosten Russlands geschehen, dann musste sich das neue Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, um mit dem deutschen Schwert dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu geben." (S. 154) Die deutsche Zukunft ist mehr als hell. Gerade Deutschland ist der Staat, der "sich der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet" und "eines Tages zum Herrn der Erde werden (muss)" (S. 782). Die Thesen von Hitler sind inhuman und erschreckend. Aber eine von ihnen ist unheimlich: "Am Ende siegt ewig nur die Sucht der Selbsterhaltung. Unter ihr schmilzt die sogenannte Humanität als Ausdruck einer Mischung von Dummheit, Feigheit und eingebildetem Besserwissen wie Schnee in der Märzensonne. Im ewigen Kampfe ist die Menschheit groß geworden - im ewigen Frieden geht sie zugrunde" (S. 148-149). Wie wir sehen, erhebt sich der Arier Hitler nicht nur gegen den Juden Marx, sondern auch gegen den Deutschen Kant, der die faszinierende Schrift "Zum ewigen Frieden" geschrieben hat.

Es ist wirklich notwendig, diese fast in Vergessenheit geratenen Zeugnisse des Hitlerismus in Erinnerung zu rufen. Es ist darüber hinaus notwendig, daran zu erinnern, dass für die Erfüllung der von Hitler gestellten Aufgaben nicht nur die deutschen Faschisten, sondern auch ihre Verbündeten aktiv gekämpft haben, zu denen auch einige bulgarische Regierungen in der Zeit von 1939-1944 zählten. Und sogar, wenn man annehmen würde, dass es keinen eigenen bulgarischen Faschismus gab - wie dies von einigen unserer Philosophen und Historiker behauptet wird, so gab es doch den deutschen Faschismus (Nationalsozialismus), für dessen Sieg auch der bulgarische Staat der damaligen Zeit im wortwörtlichen Sinne einen Krieg mit geführt hat. Das Verbot von "Mein Kampf" wäre darüber hinaus - von einem bestimmten Gesichtspunkt gesehen - auch völlig sinnlos. Wenn wir Hitlers "Mein Kampf" verbieten würden, würden wir dann auch Volen Siderovs Buch "Mein Kampf für Bulgarien" verbieten? Siderov kopiert nicht nur den Titel, sondern auch den Inhalt von "Mein Kampf". Sowohl "Mein Kampf für Bulgarien" als auch andere Schriften von Siderov haben ihre tiefen Wurzeln gerade in Hitlers Buch.

Zwei Formen von Tollwut beherrschen das Bewusstsein von Hitler und Volen Siderov: der Antisemitismus und der Antikommunismus.

Hitler fühlte wilden Hass auf die Juden. Er fragt "Gab es denn da einen Unrat, eine Schamlosigkeit in irgendeiner Form, vor allem des kulturellen Lebens, an der nicht wenigstens ein Jude beteiligt gewesen wäre? Sowie man nur vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet von plötzlichen Lichte, ein Jüdlein" (S. 61).

Nach Hitler sieht der Jude "die heutigen europäischen Staaten bereits als willenlose Werkzeuge in seiner Faust, sei es auf dem Umweg einer so genannten westlichen Demokratie oder in der Form der direkten Beherrschung durch russischen Bolschewismus. Aber nicht nur die Alte Welt hätte er so umgarnt, sondern auch der Neuen droht das gleiche Schicksal. Juden sind die Regenten der Börsenkräfte der amerikanischen Union." (S. 723)

Hitlers krankes Denken sieht keinen Unterschied zwischen den einzelnen Juden. Alle Juden - Männer und Frauen, Greise und Kinder, Reiche und Arme sind böse - weswegen gegen alle eine und dieselbe endgültige Lösung anzuwenden ist: ihre vollständige Vernichtung. Die Endlösung der Judenfrage begann in der Nacht vom 9. November 1938 - der so genannten Kristallnacht - und endet in den letzten Tagen des Dritten Reiches. Sechs Millionen ermordete Juden sind ihr Ausdruck in Zahlen.

Volen Siderov wiederholt die antisemitischen Thesen Hitlers. So behauptet er, dass die Juden "durch die Wucherei die ganze Welt nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch erobert hätten. Ihre ersten Opfer seien die europäischen Staaten. Und tatsächlich waren die europäischen Könige Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gegenüber ihren Geldgebern - wer weiß, warum fast alle von ihnen Juden waren - hoch verschuldet."(1) Nach Europa eroberten die Juden auch die USA. "Die Oligarchen jüdischer Herkunft mit den Rothschilds an der Spitze" haben die US Federal Reserve unter ihre Kontrolle gebracht und im Jahre 1913 wurden sie sogar zu ihrem Eigentümern.(2) Die Juden sind auch diejenigen, die hinter den verschiedenen Revolutionen in der Welt stehen. "Wir sehen wie ein und dieselben Menschen Bankenkrisen und kommunistische Revolutionen verursachen und den diktatorischen Regimes mit dem Geld beistehen, das sie der Weltbevölkerung rauben."(3)

In seiner antisemitischen Verblendung geht Siderov so weit, dass er den Holocaust, d. h. die systematische Massenvernichtung der Juden in Hitlers Konzentrationslagern leugnet. Er versichert, dass im Nürnberger Prozess die "große Legende - der so genannte Holocaust - geboren wurde - die Version, dass in Hitlers Konzentrationslagern sechs Millionen Juden vergast und verbrannt (worden) seien".(4) In vielen Ländern Europas - in Österreich, Belgien, in der Tschechischen Republik, in Deutschland, Frankreich, Italien, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Schweiz - gilt die Leugnung des Holocaust als ein Verbrechen, das mit vielen Jahren Gefängnis bestraft wird. Im "demokratischen" Bulgarien aber können Subjekte wie Volen Siderov völlig beruhigt sein. In diesem Staat haben nicht die Faschisten Probleme, sondern die Antifaschisten.

Hitler hat Marx und den Marxismus verachtet: "Ich begann", schrieb er, "wieder zu lernen und kam nun erst recht zum Verständnis des Inhaltes und Wollens der Lebensarbeit des Juden Karl Marx. Sein Kapital wurde mir jetzt erst recht verständlich, genau so wie der Kampf der Sozialdemokratie gegen die nationale Wirtschaft ...". Hitler betont, "dass die Frage der Zukunft der deutschen Nation die Frage der Vernichtung des Marxismus ist".

Siderov übernimmt - wie aus dem Stehgreif - die antimarxistische Staffette von Hitler In "Bumerang des Übels" schreibt er: "Niemand ist heute überrascht oder abgestoßen, beispielsweise, durch die große Toleranz (gegenüber dem) Marxismus im Westen." Während der Nazismus ein schlimmes Wort ist und seine Erscheinungsformen kriminalisiert werden, "wird die Pseudolehre von Marx studiert und von Kommentatoren, wie dem neomarxistischen Juden Erich Fromm bereichert ... "(5) Nach Siderov wäre Marx, "ohne die bolschewistische Revolution des Freimaurers Bronstein-Trotzki ein zweitklassiger Philosoph geworden".(6) Der Antikommunismus Siderov steigert sich in die unsinnigsten Gedanken "... in der Form der linken Ideen lebt in der Welt der Bazillus des Nihilismus, der zerstörerischen, antichristlichen Kraft, die auch Sozialismus, Kommunismus und Nihilismus genannt wird. Sie glüht und wartet auf den Atem des Prometheus (Luzifer), um erneut zum Feuer zu werden ... Grundsätzlich ist die Neigung nach links eine Neigung zum Tod."(7) In einigen Hinsichten übertrifft Siderov sogar seinen Mentor. Hitler schreibt, dass die bolschewistischen Juden 30 Millionen Russen getötet haben. Bei Volen Siderov ist eine andere Zahl zu finden: "Lenin und seine Genossen-Juden hätten ein riesiges Konzentrationslager errichtet, in dem während 70 Jahren jüdischen Kommunismus mehr als 100 Millionen orthodoxe Christen - Russen von den Bolschewiken ermordet wurden".(8) Man erschrickt. 100 Millionen Russen seien von den Bolschewiki ermordet worden, weitere 20 Millionen sind im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen. Das macht insgesamt 120 Millionen! Aber wie viele Russen lebten damals insgesamt? Volen Siderov selbst erklärt uns das auf Seite 123 des Buches: 150 Millionen. Folglich müssten am Ende des bolschewistischen Regimes in Russland nicht mehr als 30 Millionen Russen übriggeblieben sein. Aber (nach Google), sind die Russen heute rund 150 Millionen, was bedeuten würde, dass sich ihre Zahl in 20 Jahren um 120 Millionen vergrößert hat! Und dies bei einer sehr niedrigen Geburtenrate in Russland.

Ja, wäre der Verleumder und Schwätzer etwas intelligenter, hätte er sich einen Bleistift beschafft und durch einfache Addition und Subtraktion festgestellt, was für einen Unsinn er uns anbietet.

Aber Siderov ist natürlich nicht der einzige Nachfolger Hitlers in Bulgarien, auch wenn er zweifelsohne sein treuester (Nachfolger) ist. Er folgt Hitler auf Schritt uns Tritt. Und dennoch bleibt zwischen beiden ein wesentlicher Unterschied bestehen. Hitler ist ein abscheuliches Wesen während die Person Siderov lächerlich ist. Siderov bleibt eine Karikatur des Schrecklichen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß unter bestimmten Bedingungen Siderov nicht gefährlich werden könnte. Hätte er die Macht, würde er nicht nur der Theorie, sondern auch der Praxis seines Lehrers folgen. Daher muss dieser Herr unter politische Quarantäne gestellt werden. Keine politische Partei und keine Politiker dürfen mit ihm in Verbindung treten, sonst würden sie ihm damit Legitimität verleihen. (Das bezieht sich selbstverständlich nicht auf die Partei GERB. Ihr ist das Gefühl des politischen Ekels unbekannt). Siderov und die vielen anderen Siderovs, müssen als Träger eines gefährlichen politischen Virus aus dem politischen Leben des Landes ausgeschlossen werden.

Jedenfalls darf die Gefahr des Faschismus, beziehungsweise des Neofaschismus nicht unterschätzt werden. Gerade weil der Faschismus in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts unterschätzt wurde, hat er der Menschheit außerordentlich schweres und nicht überwundenes Leid zugefügt.


Anmerkungen

(1) Siderov, V.: Die Macht des Mammons, Sofia 2004, S. 159
(2) Ebenda, S. 164
(3) Ebenda, S. 164
(4) Siderov, V.: Bumerang des Übels, Sofia 2002, S. 169
(5) Ebenda, S. 110
(6) Ebenda, S. 99
(7) Ebenda, S. 110
(8) Ebenda, S. 115


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung der Originalpublikation:
Mieczyslaw Berman: Fotomontage aus dem Zyklus Blut und Eisen, 1944, "Im Frieden vertrocknet der Mensch, im Krieg blüht er jedoch auf" (Hitler)

Raute

Fakten und Meinungen

Bernd Gutte

Zu Karl und Rosa

Gedanken auf dem Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten

So viel Schnee lag damals nicht, am 25. Januar 1919, bei dem ersten Marsch nach Friedrichsfelde, denke ich beim Blick aus dem Fenster der S-Bahn, die mit mir zum Alex rumpelt. Das Bild der Beisetzung der Opfer des Spartakus-Aufstandes steht mir vor Augen, das einst in unseren Geschichtsbüchern zu finden war. Unter den Gefallenen der gemeuchelte Karl-Liebknecht. Die in Gangstermanier in die Spree versenkte Leiche von Rosa Luxemburg war noch nicht gefunden worden. Sie wurde am 13. Juni nachträglich auf dem "Sozialistenfriedhof" beerdigt. War schon die Massendemonstration im Januar, zu der KPD und USPD aufgerufen hatten, von gewaltiger Größe, so übertraf der Zustrom der Menschen, die in Zorn und trauerndem Gedenken Rosa Luxemburgs gedachten, den Januarmarsch noch. Man sagt, dass der Friedhof geschlossen werden musste, da er die Menschen nicht zu fassen vermochte.

"Sozialistenfriedhof" wurde die Gräberstädte zu der Zeit genannt, denn Wilhelm Liebknecht, der Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie, fand hier am 12. August 1900 seine letzte Ruhestätte. Mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hatte die Reaktion die vielleicht fähigsten, auf jeden Fall aber die populärsten Führer der jungen KPD erschlagen. Sie hatte mit Erschrecken den wachsenden Kampfeswillen der Arbeiterklasse und den sich stärkenden Einfluss der neuen revolutionären Partei erkannt. Die Erfüllungsgehilfen der Bourgeoisie konstatierten, dass zu ihrer "Niederwerfung Theorien nicht genügen". Man müsse den Kommunisten "Gewalt gegenüberstellen"(1) Mit 10.000 Freikorps-Leuten unter General von Lüttwitz und dem "Bluthund" Noske stand willige Soldateska bereit. Vor den anstehenden Wahlen zur Nationalversammlung sollten klare Fronten geschaffen werden. Mit der Absetzung des unabhängigen Sozialdemokraten Emil Eichhorn als Polizeipräsident "sollten die revolutionären Arbeiter und Soldaten Berlins zu vorzeitigen, unvorbereiteten bewaffneten Kämpfen provoziert werden"(2) und ihre Führung sollte enthauptet werden. Offen rief die Konterrevolution mit Riesenplakaten zum Mord auf: "Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht!"

Im schlingernden S-Bahnwagen grüble ich: hätte die Januarniederlage vermieden werden können? War der Provokation nicht auszuweichen? Nein, altkluge Gedanken des Nachgeborenen sind meine Sache nicht. Die KPD war ja kaum wenige Tage alt, es fehlte an Erfahrung und den an nötigen Verbindungen, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Aber eines ist klar: Vorstellungen der Reaktion, mit Gewalt die Flamme der Revolution auszutreten haben sich nicht erfüllt, nicht damals, nicht jetzt! Sonst wäre ich heute hier nicht unterwegs, und nicht die vielen anderen, auf die ich am Alexanderplatz treffe, und die mit roten Fahnen und Transparenten zur U-Bahn in Richtung Frankfurter Tor pilgern.

Jahr für Jahr im Januar kamen Arbeiter und fortschrittliche Intellektuelle, meist nach machtvollen Demonstrationen, an den Gräbern von Karl und Rosa und der vielen anderen revolutionären Kämpfer zusammen. Ab 1927 am eindrucksvollen Denkmal von Mies van der Rohe, das Ernst Thälmann im Juni 1926 vor zehntausend Menschen eingeweiht hatte, dem zwölf Meter langen und sechs Meter hohen Monument mit Hammer und Sichel, das die Faschisten 1936 geschleift haben.

Aber auch in den finsteren Zeiten faschistischer Diktatur, fanden sich mutige Leute, die heimlich Blumen an die Gräber legten. Nicht im machtvollem Zug, sondern in kleinen Gruppen; an illegalen Treffpunkten gedachte man jedes Jahr im Januar der Opfer der Reaktion. Aus dem Exil und von den Internationalen Brigaden in Spanien sprang der Gedanke hinüber nach Deutschland zu der letzten Ruhestätte der revolutionären Kampfgenossen.

Viele von denen wurden selbst zum Opfer, derer man nach der Befreiung vom Faschismus, am 9. Mai 1945, endlich wieder offen gedachte. "Mit Mitgliedern des Zentralkomitees der KPD und der Bezirksleitung Groß-Berlin an der Spitze marschierten die Massen an der Grabstätte von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und der anderen Opfer der revolutionären Kämpfe von 1919-1930 auf, deren Umgebung alle die vielen Zehntausende nicht fassen konnte. Das große Grabmal, das die Hitlerfaschisten am 13. Juni 1936 zerstört hatten, ist in getreuer vorläufiger Holznachbildung neu entstanden. Von seiner mit rotem Tuch umkleideten Wand leuchten feierlich, aufrüttelnd und zukunftsweisend die Worte Ich war, ich bin, ich werde sein ... Dann ergriff der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Genosse Wilhelm Pieck, das Wort zu einer Gedenkansprache. Aufmerksam und ergriffen folgten die Teilnehmer der Kundgebung den Worten des Mitkämpfers Karls und Rosas, der hier nach 13 Jahren zum ersten Male wieder an der Grabstätte der teuren Toten sprach."(3)

Als ich mit der Gruppe junger Fahnenträger am Frankfurter Tor die U-Bahn verlasse, empfängt mich schon ein roter Wall der Banner, die gegen den grauen Winterhimmel anstrahlen. Aus Lautsprecherwagen klingen alte und neuere Kampflieder, Hinweise werden durchgegeben. Ich suche bekannte Gesichter, Ulla Jelpke erkenne ich, die großartige Journalistin und innenpolitische Sprecherin der LINKEN, dann den "RotFuchs" mit dem ich gestern auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz gefachsimpelt hatte. Zwei Termine am Anfang des Jahres, die in Zukunft vielleicht für viele zusammengehören werden: die von der "jungen Welt" organisierte Konferenz zu Grundfragen sozialistischer/kommunistischer Bewegung und Tags darauf das kämpferische Gedenken an die, die nicht mehr in unseren Reihen stehen.

Die vielen Zehntausend demonstrieren heute, Liebknecht und Luxemburg ehrend, gegen Imperialistische Kriege, gegen jegliche direkte und indirekte Kriegsbeteiligung Deutschlands. Sie bekunden Solidarität mit den revolutionären Kräften Lateinamerikas und wenden sich gegen alle Formen neokolonialistischer Machenschaften. Immer deutlicher die Proteste gegen Sozialabbau und damit einhergehende Entwürdigung von Millionen Menschen. Alle Demonstranten eint Antifaschismus, Humanismus und internationale Solidarität.

Mit dem Fotoapparat unterwegs gehe ich von Gruppe zu Gruppe .Alte und Junge setzen sich mit dem Zug in Bewegung; türkisch wird hier gesprochen und dort sind "Nordlichter" unterwegs. Klar, überwiegend Berliner. Mit einem gehe ich die letzten Kilometer.

"Ich war jedes Jahr dabei", sagt er, "jedenfalls nach 1989."

"Und vorher? Wolltest wohl nicht an der Tribüne der Partei- und Staatsführung vorbeidefilieren?" frage ich provozierend.

"Dünnschiss! An welcher Tribüne denn, die sind doch mitgelaufen! Das war's nicht, aber ... " Das Aber erklärt er mir nicht näher Ich muss es nicht erfragen, auch ich hatte mein "Aber".

"Da hast du auch nicht die Festnahmen 1988 miterlebt?"

Er winkt ab. "Die sind doch im Kontext unserer Demo kaum eine Fußnote wert. Da haben einige Provokateure vor bestellten West-Journalisten ihre Ausreise erpresst, mit einem Spruch von Rosa, den sie weder verinnerlicht noch begriffen hatten. Ich habe aber", so sagt er sichtlich erregt, "Verbote und Repressionen nach der Wende erlebt. Davon war in der bürgerlichen Presse nicht viel zu finden. Rangeleien haben sie den Polizeiangriff 1996 genannt. Brutal und rücksichtslos hat die Polizei da auf uns, auch auf die vielen Veteranen, er zeigt auf grauhaarige Mitkämpfer in der Reihe neben uns, mit Knüppeln haben die auf uns eingedroschen."

Von geschäftstüchtigen Vietnamesen haben wir rote Nelken gekauft. Und bald ist sie erreicht, die Gedenkstätte der Sozialisten, die 1950/51 entstanden war Am Rondell um den beeindruckenden aber schlichten Porphyrstein mit der Aufschrift "Die Toten mahnen uns" lege ich eine meiner Nelken in das leuchtend rote Feld, dass schon jetzt ich lief in der Spitze des Zuges - glühend die Grabplatten von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Franz Mehring, John Schehr, Rudolf Breitseheid, Franz Künstler und Otto Grotewohl bedeckt.

Dann gehe ich die wenigen Schritte zum Urnenfeld am Pergolenweg, wo viele um Entstehung und Werden der DDR verdiente Frauen und Männer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur beigesetzt wurden. Eine Nelke stecke ich an die Gedenktafel für Werner Lamberz. Ich bin nicht der erste. Der Zustrom derer, die zum stillen Gedenken heranströmen, will nicht abreißen. Und die führt kein aktionistisches Strohfeuer heran. Jahr um Jahr im Januar sind Alte wie Junge auf der Straße. Nicht nur 2010, von da ich erzählte, auch 2011 und später, da bin ich sicher. Ich werde darunter sein, gewiss auch der oder jener Leser dieser Zeilen.


Anmerkungen:

(1) Deutsche Allgemeine Zeitung (Berlin) v. 30.12.1918
(2) Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Bd, 3, Berlin 1966, S. 183
(3) Deutsche Volkszeitung: Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands. 11(2), 15.1.1946


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:
- Das erste, von Mies van der Rohe geschaffene Denkmal für den Friedhof der Sozialisten
- Das erste Gedenken nach dem Krieg vor der bescheidenen Erinnerung an das von den Faschisten zerstörte Monument
- 2000 - über dem Zug die Staatsmacht
- Einer von den Alten. Er ließ sich von seiner Frau zu dem Ort führen.
- Arbeitertradition: Schalmeienkapelle

Raute

Was du innig liebst, ist beständig. Der Rest ist Schlacke.
Was du innig liebst, ist dein wahres Erbe.
Ezra Pound

Die Verirrungen der Jugend sind weder durch das Temperament noch
durch die Sinne, sondern durch vorgefasste Meinungen bedingt.
Jean-Jacques Rousseau

Raute

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"

Fritz Böhme

Monolog mit Walter Womacka am 7. Oktober 2010

- zur Beisetzung auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde

Lieber Walter,
als wir heute vor einem Jahr Deine Ausstellung "Berliner Bilder" im Palais Am Festungsgraben eröffneten, hätte keiner von uns gedacht, dass wir Dich ein Jahr später nicht mehr bei uns haben.

Dass wir heute mit Deiner lieben Hanny, mit Uta, Dimitry, Anna, Thomas, Matthias, Eleni und allen mit Inge Lichtenberg zur Familie Womacka Gehörenden aus Kleinmachnow begreifen müssen, dass wir ohne Dich weiterleben müssen, dass mit dem Abschied vom gemeinsamen Leben auch ein Stück unserer eigenen Lebensgeschichte verloren geht. Aber mit dem schmerzenden Verlust von Dir sind wir nicht ärmer geworden.

Die Jahre, Begegnungen, Gespräche und Erlebnisse mit Dir, in denen wir uns gegenseitig ergänzt, geistig bereichert und gegenseitig verändert haben, sind mehr als liebevolle Lebenserinnerungen. Da ist ein eigenes Stück Ich, das Du in uns hinterlassen hast. Die Spuren Deines Lebens bleiben in uns, in Deinen Bildern und Gedanken.

Dafür, lieber Walter, möchte ich Dir ganz herzlich danken und ich weiß, dass dieser tiefe Dank das Herz von Deiner lieben Hanny, von Uta und ihrer Familie und sehr vielen Menschen ausfüllt, die gemeinsam hier mit ihnen Dich zur letzten Ruhe begleiten oder nur in Gedanken daran teilhaben können.

Wir hatten uns alle gefreut, in wenigen Wochen mit Dir am 22. September Deinen 85. Geburtstag feiern zu können. Das ist uns leider nicht vergönnt. Es war nicht leicht, Dein Leben. Aber es war ein sehr von Deinem Willen, Elan, Ideen, Talent und rastlosem Fleiß ausgefülltes Leben. Dir brauche ich ja Deine Lebensdaten mit ihren Höhen und Tiefen, Deinen Schicksalsschlägen und Auszeichnungen nicht aufzuzählen. Deine Familie und Freunde kennen sie auch und hab vielen Dank,dass Du sie selbst in Deiner Autobiografie "Farbe bekennen - Erinnerungen eines Malers" aufgeschrieben hast.

Schon beim Lesen der ersten Entwürfe bin ich blass geworden, wie enorm Dein Erinnerungsvermögen und die Exaktheit Deiner Lebensdaten war. Das Buch wurde von vielen mit einer hohen Wertschätzung für Dich zur Kenntnis genommen. Kaum einer wollte in den Signierstunden nur Deine Unterschrift, sondern auch ein kurzes Gespräch. Bei manchen Fragen von Journalisten habe ich Deine Geduld bewundert und gedacht, warum sagt er nicht einfach, in meinem Buch habe ich mich dazu ausführlich geäußert. Aber ich habe dabei auch bewundert, wie schwer manchmal das Einfachste sein kann, z. B. eineinhalb Stunden und oft länger seinen Namen zu schreiben. Ich habe es einmal heimlich nachgemacht und nach zehn Minuten aufgegeben.

Dein Buch wurde und wird nicht nur geschätzt als eine bewegte Biografie, die man nicht aus der Hand legt, bis man nicht bei der letzten Seite ist. Es vermittelt vor allem das Mit- und Nacherleben eines sachkundigen, ehrlich und offenen Blickes auf die Kultur- und Kunstgeschichte der DDR. Biografien gibt es ja viele.

Was in Deinen Lebenserinnerungen nicht nur von denen geschätzt wird, die Dich, Deine Bilder und die DDR kennen, ist, dass du Dein Leben nicht schöngeschrieben hast.

Eigentlich hätte man heute hier nur die anderthalb Seiten Vorwort aus Deinem Buch lesen brauchen: "In meinem Alter, da die Jahre endlich sind und das weiße Haar einen schützt, muss man kein Blatt vor den Mund nehmen. Ich war in der Welt zu Hause, in der DDR aber war ich daheim. Und darum werde ich sie trotz ihrer Unzulänglichkeit und Fehler immer verteidigen. Das meiste, was ich tat, würde ich wieder tun."

Diese klare Haltung zu Deinen Idealen hat Dir aber nicht nur Freunde gebracht. Mit Andersdenkenden konntest Du leben, auch mit manchem, der seinen Neid in irgendeiner Theorie verpackte. Jenen aber, die Deinen Namen und Dein Lebenswerk zur Diskriminierung der sozialen Grundideale der DDR missbrauchen, hast Du deinen Optimismus entgegengesetzt, Deinen Glauben an die Veränderbarkeit der Welt, an die Lebenskraft Deiner Bilder.

Der Palast der Republik steht nicht mehr. Das 2,80 x 5,50 m große Wandbild ist mit den anderen Bildern des Palastes eingelagert, wie man so schön formuliert. Du hattest den Arbeitstitel, das Leninzitat "Dürfen Kommunisten Träumen?", konkretisiert und Dein Bild "Wenn Kommunisten träumen" genannt. Wie heißt es doch so schön im Text von Hoffmann von Fallersleben, den er zu einem alten Volkslied schrieb: "Die Gedanken sind frei ..."

Es wird auch der Tag kommen, wo man das Bild ohne Denkvorgabe wieder betrachten und in Deine Vision von einer besseren Welt schauen kann. Peter H. Feist, den Du wegen seiner auf hoher Sachkenntnis beruhenden präzisen Urteilskraft und seiner persönlichen Bescheidenheit sehr geschätzt hast, schrieb am 20. September im Neuen Deutschland: "Walter Womacka war der beliebteste Maler in der DDR." Und er sieht als eine grundlegende Ursache dafür, dass Deine Malerei mit ihrem üppigen, warmen Farbenklang und ihrer schwungvoll ausholenden Formgebung eine starke sinnliche Wirkung ausübt und in ihrer Gegenständlichkeit immer ganz nah an der Lebenswirklichkeit wie auch an den Sehnsüchten der Mehrheit seiner zeitgenössischen Landsleute blieb. Ja, und noch haben manche das Sagen, für die es in der DDR nichts Liebenswertes geben darf - und sei es ein Maler.

Leider konnte ich Dir den Artikel von Peter Feist nicht mehr zeigen und mit Dir darüber debattieren, so wie immer, wenn wir uns trafen. Zuletzt jeden Tag im Klinikum Buch. Und Deine erste Frage war: "Na Fritz, was gibt es Neues?"

Ja, lieber Walter, eigentlich fehlt zu Deinem Buch mit den Lebenserinnerungen ein zweites, ein Buch mit Erinnerungen, Gesprächen, Begegnungen, Reisen und Erlebnissen mit Dir, geschrieben von den 469 aus dem Namensregister Deines Buches, die noch leben.Von denen, die mit Dir in den 35 Jahren Deiner Tätigkeit an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee gelehrt oder bei Dir gelernt haben. Von denen, die Dein Wirken 29 Jahre als Vizepräsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR oder 22 Jahre als Mitglied der Akademie der Künste der DDR oder die bei anderen Gelegenheiten begegneten.

Hätte man mich gefragt, für ein solches Buch der Erinnerung an Dich einen Beitrag zu leisten, hätte ich Dein geliebtes Loddin ausgewählt. Dein Loddin, wo Du noch im Juli schöne Tage mit Deinen Urenkeln Olga und Uta verlebt hast, die jedes Mal mindestens einen Kopf größer geworden waren, wenn Du sie getroffen hast. Den Blick auf das Achterwasser oder auf die Malven, Sonnenblumen, Rosen, Äpfel und Kirschen in Deinem Garten hast Du besser gemalt, als ich sie je beschreiben könnte. Ich hätte geschildert, wie liebevoll Du Deine Blumen auswählst und pflegst, wie behutsam Du Deine Kartoffeln mit den Händen aus der Erde buddelst, damit sie nicht beschädigt werden, wie zart Du sie mit dem Messer sauber schabst und sie quasi direkt aus der Erde in den Kochtopf wandern. Oder wie schon zum Frühstück die frisch gepflückte Tomate, gezogenen Zwiebeln und reichlich geschnittenen verschiedensten Kräuter auf den Tisch kommen. Noch in Buch hast Du einen Apfel aus Deinem Garten in Loddin probiert, für wieder sehr gut befunden und nach Deiner Art mit allem, bis auf den Stiel, aufgegessen. So wie Du mit der Natur gelebt hast, glaube ich, sind die Wurzeln in Deiner Kindheit gelegt worden, im mehrmaligen Versuch Deines Vaters, mit einer Gärtnerei den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Darüber wollte ich eigentlich schon immer einmal mit Dir sprechen.

Ein drittes Buch war Dein großer Wunsch: Ein richtig schöner Katalog mit den Hauptwerken Deines Schaffens. Dafür gab es manche Ansätze und wir haben oft darüber gesprochen, aber die Lösung noch nicht gefunden. Wir waren uns einig, der Katalog muss einmal kommen, was nicht heißt, dass ohne ihn Dein Schaffen nicht bekannt ist. Wie kein anderer Berliner Künstler lebst Du in unserer Stadt und in unserem Land. Und das nicht nur am Alex, sondern auch in vielen Wohnungen, Schulen, öffentlichen Gebäuden und Büchern. Und das nicht nur mit Deinem Bild "Am Strand". Ja, in der Mitte Berlins sind Deine Werke in einer Zahl präsent, wie keines anderen Künstlers seit Schadow. Und nicht einmal der übertrifft Dich.

Also, der große Bildband von Dir ist noch zu schaffen. Das sind wir Dir einfach schuldig.Aber es ist eben nicht einfach bei Deinem großen Oeuvre. Bei den zehn Ausstellungen, die wir Seit 1996 im Palais am Festungsgraben gemacht haben, hatten wir ja immer nur zwei Probleme.

1. Was wählen wir aus Deinem großen Schaffen für die zwei kleinen Räume aus?

2. Mit welchem neuen Bild äußerst Du Dich zu Lebensfragen unserer Zeit, zu dem, was viele Menschen bewegt? Das gehörte zu Dir, das wurde von Dir als Künstler erwartet und das hat Dich jedes Jahr sehr viel Kraft gekostet. Aber es sind dabei, neben vielen neuen Bildern großartige Arbeiten entstanden, z. B. die drei Tafelbilder "Nachdenken", oder "Nach dem großen Schlachten", "Rückbau", "Bild ohne Worte", "Endlich frei", "Im Namen der Freiheit", oder all die Varianten mit dem kämpfenden, schreienden und sterbenden Stier, die sehr emotional das Weltgeschehen der letzten Jahre reflektieren. Hast Du eigentlich bei dem Stier manchmal auch an Dich gedacht? Schade, danach kann ich Dich nicht mehr fragen.

Dein letztes großes Ölbild "Mühlendammschleuse" war voriges Jahr noch nicht einmal trocken, als wir es in die Ausstellung holten. Du hast unermüdlich gemalt, noch bis in die Mitte des Jahres hinein.

Zum Glück hat sich aus der großen Schar Deiner Freunde und Freunde Deiner Kunst 2007 ein fester Kern zum Freundeskreis Walter Womacka e.V. zusammengeschlossen. Mit Andre Eckardt an der Spitze wurde ja schon viel erreicht. Über 1500 Arbeiten Deines künstlerischen Schaffens wurden bereits katalogisiert und die Internetseite des Freundeskreises hat einen großen Zuspruch. Allein seit dem 20. September gab es über 1000 Zugriffe auf diese Seite aus über einem Dutzend Ländern. Auffallend diesmal sind sehr viele Zugriffe aus Russland. Auch dort kennt man Dich nicht nur von den Stadtansichten Moskaus. Auch die Botschaft Deines Bildes von 1993, wo schwarze Vögel die Türme der Basilius-Kathedrale umkreisen und den Himmel verdunkeln, bleibt unvergessen.

Ja lieber Walter, aber viel ist noch, nun ohne Deinen Rat und Deine Hilfe, zu leisten. Dabei stehen dem Freundeskreis sicher auch weiterhin viele tatkräftig und mit mancher Spende zur Seite, wie Heinz-Hermann Meermann, Hans Wall, Werner Markert oder die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte GmbH. Du hattest Dich so gefreut, wie sich die Wohnungsbaugesellschaft um den Fries am Haus des Lehrers gekümmert hat und das Wandbild "Der Mensch - das Maß aller Dinge" vom Ministerium für Bauwesen der DDR durch sie gerettet wurde. Am Montag erfolgte im Beisein vieler Berliner die Demontage. Leider warst Du im dazugehörigen Rahmenprogramm nur in den gezeigten Filmen über Dich vertreten.

Das mit viel Liebe gestaltete Kondolenzbuch der Wohnungsbaugesellschaft, in das sich viele Menschen im Haus des Lehrers am Alex eintrugen, liegt auch hier aus, um allen dafür auch hier die Möglichkeit zu bieten. Heute Abend wird eine kleine Ausstellung mit Grafiken und Bildern von Dir in der Seniorenresidenz Augustinum in Kleinmachnow eröffnet. Auch darauf hattest Du Dich sehr gefreut, weil Dich mit Kleinmachnow ja viel durch Deine Brüder und ihre Familien verbindet. Es folgt eine Ausstellung in der "Hellen Panke", eine Veranstaltung, "ND in Club", im Januar nächsten Jahres die Ausstellung "Walter Womacka und seine Schüler" in Eisenhüttenstadt.

Heute übrigens, zum 7. Oktober hat Dein Brunnen "Völkerfreundschaft" auf dem Alexanderplatz seinen 40. Geburtstag. Und 2012 wird Dein Bild mit Eurer Tochter Uta und Deinem Bruder Rüdiger "Am Strand" schon 50 Jahre. Wie wir das feiern, auch dafür gibt es schon Ideen.

Du siehst, lieber Walter, Du bleibst mit Deiner Kunst in breiter Vielfalt unter uns. Aber Du wirst uns trotzdem unersetzbar fehlen. Uns, dem Freundeskreis - und das nicht nur auf die Mitgliederzahl beschränkt - und vielen, deren Arbeit Du unterstützt hast und zum Teil mit großzügigen Spenden gefördert hast, wie die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde und den Solidaritätsdienst SODI.

Reden war ja nicht Deine Sache. Du hast oft gesagt: "Ich bin Maler und kein Redner". Und Reden, die Anderer Weisheiten aufzählten, mit Bekanntem langweilten oder einer Begründung zur Auszeichnung mit dem Nationalpreis ähnelten, hast Du auch nicht geliebt. Deshalb wollte ich auch heute keine Rede über Dein Leben halten, sondern, wie immer, ein paar wichtige Punkte mit Dir besprechen. Sicher fehlt da manchem etwas, aber danach haben wir uns nie gerichtet.

Lieber Walter, die Finissage Deines Lebens hier in Friedrichsfelde, wo nicht wenige ihre letzte Ruhe fanden, die Du kanntest als Mitstreiter für eine bessere Welt, führt uns zu den Ruhestätten von Käthe Kollwitz, Otto Nagel, Robert Liebknecht, Ludwig Renn und anderen. Und Selbstgespräche mit Dir werden hier viele führen und nicht nur zur Demo für Karl und Rosa auch eine rote Nelke für Dich mitbringen.

Die Spuren Deines Lebens bleiben uns, unserer Stadt und unserem Land in Deinen Bildern und Gedanken erhalten. Dafür, lieber Walter, lass Dir noch einmal von ganzem Herzen danken.


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:
- Die Kränze vor dem Selbstbildnis Walter Womackas
- Egon Krenz unter den Trauergästen
- Der Weg zur Grabstätte
- Wolfgang Richter und Peter Michel vertraten den GBM-Vorstand

Raute

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"

Peter Michel

Eine reiche, eine wunderbare Welt

Gedanken zur Eröffnung der Ausstellung "Anke Besser-Güth, Siegfried Besser - Malerei und Plastik" in der GBM-Galerie

Es ist wie immer. Freundschaften, die uns vor 1989 verbanden, haben die so genannte Wende überstanden. Diese "Wende" hatte ja doch den Vorteil, genau zu erfahren, wer ein Freund oder eine wirkliche Freundin war und wer nicht. Und euer Weg, liebe Anke und lieber Siegfried, blieb wie der unsere geradlinig. Wir lernten eine Menge aus unseren Fehlern, aber wir gingen nicht den engen, krummen Hohlweg einer wie immer gearteten Anpassung, auch wenn wir uns im zurückgekehrten Zeitalter eines brutalen Sozialdarwinismus im Kampf ums Dasein neu orientieren mussten.

Ihr beide - hoch geachtete Künstler in Erfurt und über dessen Stadtgrenzen hinweg - erhieltet nach 1990 keine Aufträge mehr. Auch ihr musstet beim Arbeitsamt betteln. Und auch ihr bautet Euch um 1996 eine neue Existenz auf. Irgendwie ist dieser Lebensweg der letzten etwa 20 Jahre typisch für jene, die künstlerisch etwas zu sagen haben. Und wir sind froh, euch bei uns zu wissen und euch unsere Sympathie und unsere Solidarität zu zeigen. Man staunt immer wieder darüber, wie lange solche Freundschaften halten. Da muss also etwas gewesen sein, das stärker ist als die Egoismen und Kälteschauer der über uns hereingebrochenen neuen Altzeit mit ihren Lügen und Fälschungen - und das uns die Kraft gibt, angesichts von Zerstörungsakten und Gleichgültigkeiten gegenüber schöpferischen Leistungen die persönliche Freiheit und Würde zu wahren.

Von dir, liebe Anke, verschwanden z. B. die Reliefgestaltung für den Speisesaal des Schuhkombinats Erfurt und die Keramikreliefs und andere Ausstellungsstücke für die dortige Medizinische Akademie. Siegfrieds mobiles Wandbild wurde aus dem Erfurter Interhotel ebenso entfernt wie zwei seiner Wandbilder aus dem Foyer des Kreiskrankenhauses Nordhausen. So ging es euch wie vielen anderen Künstlerkollegen - und es bleibt unsere Aufgabe, solchen Vandalismus immer wieder anzuklagen, auch wenn man sich manchmal vorkommt wie Don Quichotte, der gegen Windmühlenflügel kämpft.

In sein Tagebuch notierte Thomas Mann 1933, als er sich im schweizerischen Exil aufhielt, es sei ein wunderliches Erlebnis, dass einem - während man gerade draußen ist - sein heimatliches Deutschland "irgendwie davonläuft, so dass man es nicht wiedergewinnen kann".(1) Dieses Land kann einem auch davonlaufen, wenn man es nicht verlässt. Man kann es aber doch auch wiedergewinnen, wenn man dazu - trotz aller Widrigkeiten - die innere Stärke besitzt. Keinen Ton, keine Farbe geb' ich euch ab, meinte einst Johannes R. Becher. Und so bleiben in unserer Erinnerung wichtige Werke von euch beiden, die uns solche Stärke vermittelten: Siegfrieds Ölgemälde "Stahlwerk" von 1975, Ankes Luxemburg-Denkmal von 1971 oder ihre bronzene Kleinplastik "Usbekische Eselreiterin" von 1973, Siegfrieds Gemälde "Singende Männer am Strand" von 1982 und schließlich Ankes noch 1994 aufgestelltes Eulenspiegel-Denkmal, das wir erst vor wenigen Jahren in Erfurt entdeckten und das handwerkliches Können und Selbstbewusstsein mit den besten Traditionen deutscher Bildhauerkunst vereint.

In einem Brief an Lea Grundig schrieb ihr Mann Hans am 30. September 1946, also 15 Monate nach dem Ende der braunen Diktatur, es gehe ihm darum, "zur Bejahung des Lebens, des Menschlichen überhaupt" zu kommen. "Freude, Schmerz, Trauer - Erscheinungen, alt wie die Menschen sind - werden bleiben, solange unsere Menschenwelt besteht. Zwischen diesen Spannungen und den gesellschaftlichen Notwendigkeiten liegt und bleibt das, was wir als bildende Künstler formen. Eine reiche, eine wunderbare Welt."(2)

Notwendig ist heute, menschliche Würde zu bewahren, den Menschen und die von ihm gestaltete, aber gefährdete Welt zu achten, der Entwertung der moralischen Werte entgegenzuwirken und Kunst - so es sich um solche handelt - als etwas Kostbares zu behüten und zu nutzen. Das hat nichts mit Flucht aus den Widerwärtigkeiten, aus den Plattheiten, Konsumzwängen, aus den Problemen der geistigen und für manchen auch materiellen Armut des Alltags zu tun, sondern mit der Behauptung von Humanität in einer geldregierten, inhumanen Gesellschaft, die sich hinter einer demokratischen Fassade verbirgt.

Und hier liegt der Wert dessen, was ihr, liebe Anke und lieber Siegfried, gestaltet. Ihr zeigt uns eine reiche und wunderbare Welt, wie sie Hans Grundig meinte - heute anders als damals, aber mit ähnlichem Ziel. Ihr müht euch um eine Kunst, die neben der wirklichen eine menschlichere Welt schafft. Das ist wie ein Aufatmen in stickiger Umgebung, wie ein Glücksmoment, der wieder Mut gibt, wie ein Licht- und Formenspektrum, das in ein Dunkel hineinwirkt. Um noch einmal mit Thomas Mann zu sprechen: Ihr glaubt "an die souveräne Heiterkeit der Kunst, dieses großen Lösungsmittels für Hass und Dummheit".(3)

Die Formate eurer Bilder und Plastiken sind kleiner und die Materialien bescheidener geworden. Das hat sicher materielle Ursachen. Doch euer Anspruch ist groß geblieben. In eurer Kunst vereint sich Spielerisches mit Ordnungssinn, Rhythmisches mit Statischem, Mythisches mit Alltäglichem, Impulsives mit sorgfältig Gebautem, Strenge mit Harmonie, Freundlichkeit mit warmherziger, gütiger Ironie. Es gibt ein Ineinander von Klein und Groß, von Realismus und Abstraktion. Ihr betont in den hier gezeigten Arbeiten den Wert des scheinbar Privaten und der Liebe. Ihr bewahrt den offenen, unverstellten Blick auf die Schönheiten der Natur, der Farb- und Formklänge, menschlicher Gesichter und Gestalten. Man kann an euren Arbeiten wunderbar demonstrieren, warum die originelle, manchmal ungewöhnliche gestalterische Idee so wichtig ist, damit Kunst uns veranlasst, Bekanntes neu zu sehen, eigene Phantasie einzusetzen, um bei uns selbst so noch nicht Gedachtes und Gefühltes zu entdecken.

Die Ausstellung kann nur einen kleinen Ausschnitt aus eurer Arbeit zeigen. Aber sie lässt auch spüren, wie ihr euch gegenseitig anregt und welch hohen Anspruch ihr an euch und damit auch an eure Betrachter stellt. So gehört ihr zu der gegenwärtig immer seltener werdenden Spezies, bei der künstlerische Freiheit nicht zur Maßstablosigkeit verkommen ist - auch nicht zur Freiheit der Ellenbogentechniker, der Verdränger anderer von den Fressnäpfen der Lobbys. Es wird für viele Maler, Bildhauer, Grafiker usw. immer schwieriger, in dieser Gesellschaft zu existieren, wenn sie nicht zum künstlerischen Establishment gehören. Ihr habt mit Mut durchgehalten und lasst euch nicht unterkriegen. Das tut ihr nicht nur für euch, sondern auch für uns und alle, die mit eurer Kunst Freude und ästhetischen Genuss erleben. Dafür danken wir euch!


Anmerkungen:

(1) Thomas Mann: Tagebücher 1933-1934, hrsg. von Peter de Mendelssohn, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1977, S. 93
(2) Zitiert aus dem Katalog der VIII. Kunstausstellung der DDR, Dresden 1977/78, S. 12
(3) Thomas Mann in einem Brief an R. J. Humm vom 21.11.1953, in: Briefe 1948-1953 und Nachlese, Berlin und Weimar 1968, S. 330


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:
- Anke Besser-Güth und Siegfried Besser mit ihren Gästen
- Siegfried Besser dankt
- Siegfried Besser signiert für Hans Modrow
- Anke Besser Güth: "Eitler Gockel", 2005, Terrakotta
- Siegfried Besser: "Toscana", 2007, Acryl/Papier

Raute

Personalia

Georg Grasnick

Für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen

Antifaschismus, Frieden, Aufklärung - Laudatio für Lorenz Knorr

Den Tag der Menschenrechte begehen wir in einem Land, in dem es üblich geworden ist, dass Regierungspolitik Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik verschweigt oder leugnet, Menschenrechtsverletzungen in anderen Staaten dagegen kritisiert, ja geißelt.

Nun kann allerdings hierzulande nicht davon gesprochen werden, dass der "Glaube an die Würde und den Wert der menschlichen Person", wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt, schon zur Realität geworden sei. Oder dass "sozialer Fortschritt" die Richtlinien und das Handeln der Politik bestimmten. Oder dass "innerstaatliche Maßnahmen jedermann" die Möglichkeit böten, "für die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit die unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte" in Anspruch zu nehmen. Vielmehr vollzieht sich im Ergebnis der globalen Krise wie der US-Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Christoph Stiglitz nicht nur für die USA befand, "eine der größten Umverteilungen von Vermögen innerhalb so kurzer Zeit, die es je in der Geschichte gab."

Armut allgemein und Altersarmut im besonderen nehmen ebenso zu, wie der Niedriglohnsektor oder die Zwei-Klassenmedizin. Sozialabbau geht mit Demokratieabbau einher. Die BRD führt seit über einem Jahrzehnt wieder Krieg und die Bundeswehr tritt bei Auslandseinsätzen das elementare Recht auf Leben mit Füßen.

Mit der heutigen Vergabe des Menschenrechtspreises der GBM erfolgt die Ehrung eines Menschen, der sein Leben dem Kampf um die Verwirklichung der Menschenrechte gewidmet hat.

Als Verehrer der Französischen Revolution betrachtet Lorenz Knorr als deren wichtigstes Gedankenerbe die "Volkssouveränität, volle Entfaltungsmöglichkeiten der Individuen und soziale Demokratie sowie Kontrolle des politischen Systems durch Staatsbürger und Kommunen."

Er schätzt dieses Gedankenerbe um so mehr, da im Gegensatz dazu die deutsche Entwicklung ernste demokratische und soziale Defizite aufweist und schließlich mit der faschistischen Barbarei die Welt mit einem Vernichtungskrieg überzogen hatte, der sich in einigen okkupierten Ländern unseres Kontinents zur "Technik der Entvölkerung" steigerte.

In seiner wissenschaftlichen Arbeit lässt sich Lorenz Knorr - ohne die Spätschriften und das Hauptwerk von Marx, dem "Kapital" etwa gering zu schätzen - vor allem von dessen in den Frühschriften dargelegten Lehren leiten. Sie vermitteln eine realistische Anthropologie und ein Menschenbild, das in enger Verbindung zum jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand steht. Eine Gesellschaft der Gleichen und Freien, ermöglicht durch - wie Marx sagte - die "Umwerfung aller Verhältnisse, die den Menschen erniedrigen, entwürdigen, unterdrücken" - das ist sein Leitbild. "Sozialer Fortschritt in eine friedlichen Welt" ist sein Streben. Der Mensch als ganzheitliches Wesen in einer ausbeutungs- und kriegsfreien solidarischen Weltgesellschaft, wie Marx sie vorzeichnete.

Lorenz Knorr kommt aus einer sozialistischen Arbeiterfamilie. Er wird als 14-Jähriger in seiner Heimatstadt Eger (Cheb) als Funktionär der Gewerkschaft der Buchdrucker gewählt. Als 16-Jähriger übernimmt er den 1. Vorsitz der Vereinigten Sozialistischen Jugend, der Gewerkschaftsjugend und der Arbeiter-Turn- und Sportorganisation in Eger.

Gemeinsam mit tschechischen Gleichgesinnten gewinnt er erste wichtige Erfahrungen im antifaschistischen Kampf gegen Hitlers "Fünfte Kolonne", die Sudetendeutsche Partei Henleins in der CSR. Ein Kampf, der gegen das Ziel der Naziführung, das "letzte bürgerlich-demokratische Bollwerk in Mitteleuropa" zu liquidieren, gerichtet ist. Das faschistische Deutschland will die Aufmarschbasis für die in Hitlers "Mein Kampf" verkündete "Eroberung neuen Lebensraumes in Osteuropa" verbreitern.

Auseinandersetzungen mit den Henlein-Horden bestimmen immer öfter seinen politischen Alltag, wie auch Transporte von illegalen antifaschistischen Materialien über die Grenze ins Fränkische zu SPD- und KPD-Mitgliedern.

Nach dem Anschluss deutsch besiedelter Gebiete der CSR gerät er in die Fänge der Gestapo und wird inhaftiert. In die Wehrmacht gepresst, setzt er seine antifaschistische Tätigkeit fort, gründet kleine Widerstandzellen und kooperiert mit polnischen Partisanen. Nach schwerer Verletzung als Funker eingesetzt, nimmt er über das neutrale Ausland Verbindung mit dem emigrierten Vorstand der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in London auf und übermittelt wichtige Informationen. Zwei Mal wird er wegen "Wehrkraftzersetzung" vor dem Kriegsgericht angeklagt.

Lorenz Knorr ist nach dem Krieg und nach Aussiedlung aus der CSR im Rahmen der so genannten Antifa-Transporte in der Sozialistischen Jugend in Bayern aktiv, wird in den geschäftsführenden Vorstand der Falken in Bayern gewählt, ist in den 1950er Jahren Bundessekretär der Sozialistischen Jugend - Die Falken, Büromitglied der Internationalen Falkenbewegung, die er auch bei der UNESCO vertritt. Er wird Mitglied des Jugendpolitischen und des Kulturpolitischen Ausschusses beim Parteivorstand der SPD.

In diesen Jahren sieht er seine Aufgabe darin, junge Menschen mit dem Ziel einer Gesellschaft der Freien und Gleichen vertraut zu machen. Federführend ist er an der Ausarbeitung eines Zentralen Bildungsplanes zur geistigen Erneuerung der SPD beteiligt. Diese Erneuerung verlangt die Besinnung auf die besten Traditionen und Werte der SPD und Schlussfolgerungen aus der Spaltung der Arbeiterbewegung und aus Faschismus und Krieg. Antifaschistische Aufklärungsarbeit ist Bestandteil des Bildungskonzepts. Verfolgt wird ein "konsequent sozialistisches Ziel", wobei Sozialismus als Fernziel begriffen wird, nicht als "Zuständereform der kapitalistischen Gesellschaft".

Sozialistische Bewusstseinsbildung, im Verein geleistet, verstand er als Lernen in der Aktion, verbunden mit gezielter Vermittlung. Um, wie ihm vorschwebte, "sozialistisch bestens gebildete junge Menschen in die SPD" zu geben. "Um politischen Einfluss zu erreichen" und mit Gleichgesinnten auf den Geschichtsverlauf, "gegen eine Wirtschaft und Gesellschaft" einwirken zu können, die den Menschen volle Entfaltungsmöglichkeiten vorenthält. Bei diesem Erneuerungsbemühen wurde von ihm besonders Wert auf das Gedankengut in Marxens Frühschriften zum Problem der Selbstentfaltung und zum bewusst handelnden Menschen in Sozialismus gelegt.

Andauernde Meinungsverschiedenheiten mit führenden Mitgliedern der SPD begleiten die Bildungsarbeit. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Wehner und nach Einschwenken der SPD-Führung auf den NATO-Kurs Adenauers verlässt er die Partei. 1961 wird er auf Betreiben des SPD-Parteivorstandes aus der Sozialistischen Jugend - Die Falken ausgeschlossen.

Lorenz Knorr hat sich beharrlich mit reaktionären Traditionen, die auf deutschem Boden in den vergangenen zwei Jahrhunderten gewachsen sind, auseinandergesetzt. Er bezeichnet diesen historischen Prozess als "Deutschen Sonderweg", dessen Kern der Sozialdarwinismus bildet. Entschiedene Ablehnung und Bekämpfung der Postulate und Praktiken der Französischen Revolution gehören zu seinen Wesenszügen. In deutschen Landen sind die Verheißungen der Französischen Revolution "Volkssouveränität. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" von einer Minderheit - Vertreter des Humanismus und des fortschrittlichen Bürgertums geschätzt, von der Feudalherrschaft aber verpönt und bekämpft. Autoritäre Herrschaftspraktiken gelten. Einerseits wird Untertanengeist anerzogen und gedrillt, andererseits ist der "Übermensch" und der "Zuchtmeister" gefragt. Die bürgerliche Revolution von 1848 sieht mehrheitlich ein Bürgertum, das sich vor dem heranwachsenden Proletariat in die Obhut feudaler Macht begibt und den Schlachtruf "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" gelten lässt. Die Reichsgründung erfolgt mit "Blut und Eisen" auf fremdem, okkupiertem Boden und setzt so die Eckpfeiler für neue "Ausfahrten". Autoritäre, rassistische und chauvinistische sowie vor allem militaristische Traditionen entstehen und werden gepflegt, Grundwerte, die Marx und Engels als "Erzeugnisse der sich herausbildenden Produktions- und Eigentumsverhältnisse" charakterisieren. Das "Sozialistengesetz" von 1878 ordnet Lorenz Knorr als "Teil der Besonderheiten der deutschen Entwicklung" ein: Wo sonst, in welchem anderen, von der Französischen Revolution geprägten Land wäre dies möglich gewesen.

Die wirtschaftliche und politische "Aufholjagd" des deutschen Imperialismus um "einen Platz an der Sonne" mündet im Ersten Weltkrieg. Die militärische Niederlage gebiert die "Dolchstoßlegende". Die "Neuordnung Europas" bleibt auf der politischen Tagesordnung. "Es sind nicht nur geschichtliche Vorgaben, die das Bündnis von Kapitalherren, Generalität und NS-Führungsclique ermöglichten", konstatiert Lorenz Knorr. Mit der faschistischen Barbarei erreicht der "Deutsche Sonderweg" seinen Tiefpunkt. Mit dem Ausrottungs- und Vernichtungskrieg des faschistischen Deutschland wird der Schlachtruf "bis alles in Scherben fällt" grausame Wirklichkeit.

In seinen Untersuchungen rechtsextremer Kontinuitäten vom deutschen Kaiserreich, wo sie als völkische Ideologie und Praxis erscheinen, bis in unsere Tage "deutscher Leitkultur", belegt er die ursächliche Verknüpfung mit der kapitalistischen Produktionsweise und Sozialstruktur. Er nennt zwei Hauptfaktoren, die rechtsextreme Kontinuitäten hervorbringen und die bruchlos bei unterschiedlichen Staatsformen weiterwirken.

Einmal sind das die ökonomischen Machtstrukturen bzw. Besitzverhältnisse, die Rechtsextremismus fortwährend neu produzieren. "Der Widerspruch zwischen dem technischen Zivilisationsschub und den offenen bzw. subtilen Gewaltverhältnissen als Wesen des Kapitalismus wirkt über die Geschichtsbrüche hinweg bis in unsere Zeit", so Knorr. Die materielle Basis ist umrissen und damit eine Funktion von Rechtsextremismus angedeutet.

Zum anderen betätigen sich generationsübergreifend "einflussreiche Minderheiten als politische Träger antidemokratischer Ideen und Praktiken" entsprechend den jeweils veränderten konkreten Bedingungen. Vertreter der Finanzwirtschaft, der Staatsbürokratie, der Generalität sowie manche Wissenschaftler betätigen sieh als "ideologische Konservatoren" und repräsentieren den "subjektiven Faktor im historischen Entfaltungsprozess".

In seinen Publikationen finden sich Analysen über den Zusammenhang von Faschismus und Krieg. "Sowohl praktisch-politische Erfahrungswerte als auch verifizierte theoretische Erkenntnisse belegen", so Knorr, "dass Faschismus und Krieg ein voneinander unlösbares Phänomen bilden." In seinen Arbeiten hat er bei diesem Phänomen stets dessen ökonomische Wurzel offengelegt. Entschieden wies er die Demagogie und die gezielte Irreführung der Nazi-Führung zurück, die mit dem Begriff "Nationalsozialismus" ihren Volksbetrug und ihr verbrecherisches Treiben tarnte. Ein Begriff, der bei seiner Verwendung durch die systemtragende Politik Assoziationen gegen die sozialistische Idee auslösen soll. "Nationalsozialismus ein contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich selbst", befindet Lorenz Knorr, "ein Widerspruch in sich selbst, weil Sozialismus von Anfang an von internationalistischem Inhalt charakterisiert war." Und er fügt hinzu, dass der Begriff "Nationalsozialismus" "teils unterschwellig, teils bewusst das unwissenschaftliche Totalitarismus-Theorem (befördert): Faschismus als totale Unterwerfung von Menschen und Sozialgruppen oder anderen Völkern wird gleichgesetzt mit einer von Ausbeutung, Unterwerfung und Krieg befreiten Gesellschaft der Freien und Gleichen".

Nach Bruch der USA mit der Anti-Hitler-Koalition und mit ihren Beschlüssen für ein einheitliches, demokratisches und friedliches Nachkriegsdeutschland nimmt die westliche Supermacht, unterstützt von westdeutschen Hilfswilligen, Kurs auf die Gründung des Bonner Separatstaates. Diese Gründung ist Bestandteil der Globalstrategie des US-Imperialismus, die auf ein "Roll back des Kommunismus" gerichtet ist. Der BRD wird, wie Lorenz Knorr in verschiedenen Schriften nachweist, die Rolle eines "Bollwerks gegen den Kommunismus" übertragen. Bald schon werden von den USA Hitlergenerale, sogenannte "Ostexperten", zusammengezogen, um ihre "Osterfahrungen" "aufzuarbeiten". Zügig wird die Bundeswehr aufgebaut und die BRD in die NATO integriert, was die Restauration der alten Macht- und Besitzverhältnisse einschließt.

Der Grundwiderspruch dieser Welt konzentrierte sich, wie Lorenz Knorr formulierte, mehr und mehr auf deutschem Territorium.

Die Remilitarisierung der BRD, der Beitritt in die NATO, die damit verbundene militärische Konfrontation auf deutschem Boden und vor allem das Bonner Streben nach atomarer Bewaffnung der Bundeswehr führten in den 1950er Jahren zu einem großen Aufschwung der Friedensbewegung.

Nach seinem Ausschluss aus der SPD und der Sozialistischen Jugend wird Lorenz Knorr gemeinsam mit Karl Graf von Westphalen und Renate Riemeck Mitbegründer der Deutschen Friedens-Union (DFU). Zweieinhalb Jahrzehnte ist er Mitglied des dreiköpfigen (später fünfköpfigen) Direktoriums der DFU.

Mit seinen Schriften und der unmittelbaren aktiven Teilnahme an Aktionen der Friedensbewegung unterstützt er deren Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands.

Lorenz Knorr vermerkt, wie SPD- und DGB-Führung nach und nach in ihrer Haltung zum Friedenserhalt einknicken und wie der aktivste Gegner der Remilitarisierung, die KPD, verboten und damit "vom legalen politischen Wirken ausgeschlossen" wird. Sie hatte als erste gefordert, die Remilitarisierung zu verhindern, "solange auch nur die geringste Möglichkeit einer Verständigung zwischen Ost und West bestand".

Das bereits 1951 erfolgte Verbot der FDJ und die Diskriminierung der antimilitaristischen Friedenskräfte als Staatsfeinde gehörte ebenso zum Arsenal des Antikommunismus, der zur Staatsdoktrin der BRD geworden war. Lorenz Knorr verdeutlicht, dass das "Schreckgespenst einer kommunistischen Bedrohung" sich als altbewährtes Mittel erwies, viele Menschen in der BRD "zur passiven oder aktiven Akzeptanz der eingeleiteten Remilitarisierung als angeblich unausweichlicher Verteidigung vor der roten Gefahr" zu veranlassen. Initiativen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit und für Abrüstung wurden als "Propagandaschau" diffamiert.

Auf großen Jugendkundgebungen klärt er als Funktionär der DFU darüber auf, dass am Massenmord während des Zweiten Weltkriegs unmittelbar beteiligte Hitler-Generale nunmehr an der Spitze der Bundeswehr dabei seien, die Deutschen erneut ins Verderben zu führen. Er erinnert an das Urteil des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals vom 1. Oktober 1946. Darin war über den deutschen Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht u. a. geurteilt worden: "Ohne ihre militärische Führung wären die Angriffsgelüste Hitlers und seiner Nazikumpane akademisch und ohne Folgen geblieben."

Lorenz Knorr dokumentiert, dass der erste Generalinspekteur der Bundeswehr, Heusinger, Hitlers Operationschef und für die Planung fast aller Überfälle auf die dann okkupierten Staaten war. Dass General Speidel nicht nur in Frankreich als "Geiselmörder" berüchtigt war. Bundeswehrminister Strauß erstattet Anzeige wegen "Beleidigung" der Bundeswehrgenerale Heusinger, Speidel, Foertsch, Kammhuber und Ruge.

1963 kommt es in Solingen zum Prozess, den ein Oberstaatsanwalt einleitet, der, wie nachgewiesen wird, 1945 auf die Kriegsverbrecherliste gesetzt worden war. Er hatte wegen Bagatellen in Prag Todesstrafen verhängt. Der Oberstaatsanwalt wurde versetzt und - befördert. Die Anklage gegen Lorenz Knorr zog nicht den Paragraphen 186 StGB heran, sondern den Paragraphen 185, den aus der Kaiserzeit stammenden Majestätsbeleidigungsparagraphen. Der Angeklagte, hieß es, habe die "Ehre der Bundeswehrgenerale verletzt".

Der Angeklagte wurde zum Ankläger. Er wies an Hand von 300 Dokumente nach, dass die Spitzenmilitärs der Bundeswehr an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führend beteiligt waren und damit für 55 Millionen Tote verantwortlich. Lorenz Knorr hatte bis dato die Generale des Massenmordes angeklagt. Er habe sie nicht als Massenmörder bezeichnet. Nun frage er sich, so führte er vor Gericht aus, "ob Massenmörder nicht eine Untertreibung ist. Denn die beteiligten Majestäten sind mitverantwortlich und mitschuldig am Genozid". Das Urteil des Gerichts: 300 D-Mark Geldstrafe, ersatzweise dreißig Tage Haft! Nach mehreren weiteren Verfahren wurde 1974 der Prozess eingestellt. Ein vor einer Sonderstrafkammer parallel angestrengtes Verfahren wegen "Staatsgefährdung" verlief im Sande.

Mit Sympathiebekundungen standen auf der Seite Lorenz Knorrs Prominente aus Wissenschaften, Kultur, Politik und Kirchen wie die Nobelpreisträger Bertrand Russel und Linus Pauling, Palmiro Togliatto und Pietro Nenni, Martin Niemöller, Wolfgang Abendroth und Arnold Zweig sowie der stellvertretende Chefankläger des Nürnberger Tribunals Robert Kempner. Übrigens: Lorenz Knorr beendete in diesen Tagen die Arbeit an seinem 26. Buch, betitelt: "Generalsprozess, Geballte Staatsmacht contra Wahrheit".

Als in den 1970er Jahren den Friedenskräften der Welt der Durchbruch zu einer Entspannungsphase gelingt, bilden Fragen der Abrüstung und der friedlichen Koexistenz einen Schwerpunkt in der publizistischen Arbeit und im politischen Wirken Knorrs. Er orientiert darauf, dass sich mit der Kanzlerschaft Brandts für die Friedensbewegung ein neues Aktionsfeld erschließt. Die Versprechungen der Bundesregierung, "mehr Sicherheit durch weniger Rüstung" und die Hinwendung zu den Erfordernissen einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz müssten durch Taten realisiert werden. Das friedenspolitische Wirken der Bewegung verlagere sich vom bisherigen Contra zum Pro.

Wiederholt ist Lorenz Knorr mit DFU-Delegationen in Genf und in Wien bei den staatlichen Verhandlungen über gesamteuropäische Sicherheit und konventionelle Abrüstung präsent, um "Öffentlichkeit für Fortschritte zu schaffen sowie konkrete Vorschläge gesellschaftlicher Kräfte einzubringen". In Schriften und Reden wertet er die Perspektiven der friedlichen Koexistenz als Perspektiven des Überlebens der Menschheit. Er hebt hervor, dass im atomar-kosmischen Zeitalter die von Lenin begründete und von der jungen Sowjetunion eingeleitete Politik der friedlichen Koexistenz systemverschiedener Staaten in ihrer Substanz die einzig realistische Überlebenschance ist und dass der historisch unvermeidliche Systemwettstreit mit ausschließlich friedlichen und politisch vernünftigen Mitteln auszutragen sei.

Ende der 1970er Jahre sieht er als aktuelle, zukunftsorientierte Hauptaufgabe der Friedensbewegung, zu verhindern, dass mit der Entwicklung, Produktion und Indienststellung neuer Generationen von Massenvernichtungsmitteln die Entspannung destabilisiert, die friedliche Koexistenz negiert und das Kriegsrisiko erhöht wird. Es gälte, die im Widerspruch zu bestehenden Abkommen entwickelten Cruise Missiles, Neutronen-Todesstrahlengeschosse und andere Waffenentwicklungen mit erhöhter oder neuartiger Vernichtungswirkung zu ächten. Er plädiert, um Reduzierung und Stop der Rüstungsdynamik zu erreichen, für sogenannte Präventiv-Verträge und die Reduzierung von Streitkräften und Rüstungen in Mitteleuropa. Sein Wort richtet sich an jeden Gutwilligen, für einen dauerhaften Frieden der sozialen Gerechtigkeit und demokratischer Erneuerung aktiv zu werden.

Für die Friedenskräfte entsteht 1979 eine völlig neue Lage und die Geiselfunktion Westeuropas einen Höhepunkt, als die USA neuartige "nuklearstrategische Atomraketen" für den Ersteinsatz in Europa, für einen begrenzten Nuklearkrieg auf unserem Kontinent stationieren wollen. Nach der Wahl Reagans zum USA-Präsidenten ist 1982 aus Washington zu vernehmen, dass es "Wichtigeres als den Frieden" gäbe. "Euroshima" droht. Die USA sollen nach Meinung des Pentagon als "Sanktuarium" verschont bleiben. Eine sowjetische Initiative und eine machtvolle Friedensbewegung führen zum Abbau der atomar bestückten Mittelstreckenraketen in Europa. Die sowjetischen Vertreter hatten überdies den US-Repräsentanten bewusst machen können, dass die USA im Falle eines Atomkrieges in Europa nicht ungeschoren davonkämen.

Lorenz Knorr hat immer wieder in Publikationen und Vorträgen erläutert, dass Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Nuklearzeitalter aufhört, seine einstige Funktion im Sinne von Clausewitz zu erfüllen. Vernichtete Völker und verseuchte Territorien wären die Konsequenz, im Extremfall die Existenz der Menschheit.

Kontinuierlich hat er sich mit der auf die Errichtung der weltweiten Herrschaft gerichteten Globalstrategie des US-Imperialismus auseinandergesetzt. Die USA nützten nach 1945 ihr zeitweiliges Monopol an der Atombombe, um, wie er schrieb, "die friedensfestigenden koexistenziellen Vereinbarungen mit der UdSSR nicht zu realisieren bzw. aufzukündigen. Der Besitz an der "absoluten Waffe" sollte die globale Vorherrschaft der USA garantieren. Das aber führte zur Konfrontation mit der UdSSR, die auf Ausbau ihrer Position als zweite Weltmacht bedacht blieb." Er veranschaulichte, wie der MIK mit immer neuen Bedrohungslegenden das Wettrüsten provozierte. In einem seiner Vorträge verdeutlichte er das Gewicht, das der MIK auf die Politik ausübt, indem er den ehemaligen US-amerikanischen Präsidentenberater R.J. Barnet zitiert: "Das Ergebnis ist eine Regierung, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, Kriege zu planen und auszutragen. "

Als die USSR 1948 ebenfalls die Atombombe besaß, entwickelte sich,wie Lorenz Knorr formuliert, ein generierter Friede, eine "Lage, in der der Frieden mit wesensfremden Mitteln verteidigt wurde." Einen Atomkrieg würde keiner Seite den Sieg ermöglichen. Warnend verwies er auf die Interessen-Identität von MIK-Repräsentanten der USA und der von der Adenauer-Regierung betriebenen Revanchepolitik, die das Ziel verfolgte, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges zu korrigieren.

Mit dem Ende des europäischen Sozialismus, so Knorr, wurde "der Weg zur Globalisierung des entfesselten Kapitalismus frei. Das weltweite Koordinatensystem veränderte sieh grundlegend."

Als bleibendes Verdienst der Systemalternative hob er die Eingrenzung der unmenschlichen innen- und außenpolitischen Praktiken der Profitwirtschaft - Ausplünderung der Völker und Raubkriege - hervor. Nun gingen die Herrschenden in den führenden kapitalistischen Ländern, besonders in den USA, davon aus, dass alles, was während des Systemwettbewerbs bzw. der höchst riskanten Konfrontation nicht zu realisieren war - die skrupellose Missachtung des Völkerrechts, der UNO, der Souveränität militärisch schwächerer Staaten und Völker, wie z. B. bei den Aggressionskriegen gegen Jugoslawien, gegen Afghanistan und Irak hinfällig geworden sei.

Mit dem durch den Terroranschlag vom 11.9.2001 von der US-Administration erklärten "langandauernden Weltkrieg gegen den Terrorismus" und der Androhung von militärischer Gewalt gegen "60 verdächtige Staaten" wird, wie Knorr schrieb, ein historisches Novum der US-Kriegsführung gesetzt: Die Demonstration militärischer Superiorität der USA ist gegen Freund und Feind gerichtet. Gegen die totale rüstungstechnologische Überlegenheit der USA sei, so die US-Administration, jeder Widerstand zwecklos und jeder Rivale mit Untergang bedroht. Neuestes Vernichtungsgerät und neue Strategien wurden erprobt, der atomare Ersteinsatz ebenso in die "Sicherheitsstrategie aufgenommen wie die Selbstmandatierung und die Präventivkriegsführung".

Der Ressourcenkrieg erhält, wie Knorr zeigt, neue Dimensionen, indem er nicht nur den eigenen maßlosen Rohstoffbedarf sichern, sondern zugleich die Hauptkonkurrenten der USA durch selektive Abgabe wichtiger Rohstoffe niederhalten soll. Das erklärte Ziel einer globalen Hegemonie soll auch durch Schaffung weiterer Militärstützpunkte rund um den Globus verwirklicht werden.

Zur Rechtfertigung der Aggressionskriege, die mit einer "Verteidigung der Menschenrechte" gerechtfertigt werden, wird eine "Psycho-Kriegführung neuer Dimension" praktiziert.

Lorenz Knorr untersucht die durch eigene Leistung nicht gedeckte Überbeanspruchung der USA, ihre fortschreitend "ausgelaugten Gesellschaft", verursacht durch imperiale Weltpolitik, angemaßte Weltgendarmenrolle und damit verbundene wahnwitzige Hochrüstung. Für den USA-Imperialismus träfe im besonderen Maße zu, dass der tendenzielle Fall der Profitrate in den realen Fall umschlage. Die Grenze seiner Akkumulationsfähigkeit sei erreicht. Die Hochrüstung verstärkt die krisenhafte Entwicklung.

Die BRD beschritt den neuen deutschen Sonderweg nach der militärischen Niederlage des deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg innerhalb der kapitalistischen Bündnisstrukturen, wie Lorenz Knorr in Publikationen und Vorträgen erläutert. Die Expansionsziele richteten sieh im Kalten Krieg zunächst "nur" gegen das sozialistische Lager. Die völkerrechtliche Anerkennung der Nachkriegsgrenzen wurde jahrzehntelang verweigert. Mit der "Hallstein-Doktrin" sollten Staaten in Fragen einer diplomatischen Anerkennung der DDR diszipliniert werden. Nach dem Ende des europäischen Sozialismus wirkte die BRD wiederholt als "Scharfmacher" in der NATO. Sie trat gegen eine militärisch verdünnte Zone in Mitteleuropa auf, die den Auf- und Ausbau westdeutscher Streitkräfte als Instrument neuer Aggression gefährdet hätte.

Die größer gewordene BRD, inzwischen drittstärkste Industriemacht und dann Exportweltmeister, meldete ihren Anspruch auf Weltmachtrolle an. Nachdrücklich verlangte Bundeskanzler Kohl, Deutschland müsse sieh "künftig zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten."

1991 forderten deutsche Politiker nach vorpreschender völkerrechtlicher Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, die gegen die zunächst vertretene Position von UNO, USA und EU erfolgte, zur Zerschlagung Jugoslawiens NATO-Truppen an. Von deutschem Boden ging wieder Krieg aus. Die Bundeswehr war Interventionsarmee geworden. Die von Kohl, Kinkel, Rühe und Schäuble beschworene "Rückkehr zur Normalität" sollte, so Knorr, vermitteln, "dass neue Aufholjagden und militärische Interventionen in der deutschen Geschichte nichts Besonderes seien".

Die BRD erwies sich als maßgebliche Triebkraft für die Osterweiterung von NATO und EU, womit sie der geopolitischen Orientierung zum Ausbau ihrer Hegemonie im EU-Raum folgte. In den Verteidigungspolitischer Richtlinien und in Weißbüchern der Bundesregierung wurde die Interventionsfähigkeit der Bundeswehr festgeschrieben, um beim Zugriff auf Märkte und Rohstoffe präsent zu sein und "robust" handeln zu können. Nicht nur am Hindukusch, sondern überall in der Welt, wo der Auslandseinsatz Profitmaximierung für deutsche Konzerne verspricht. Lorenz Knorr hatte in diesem Zusammenhang den EU-Verfassungsentwurf verurteilt, mit dem in der EU die Militarisierung gegen den Willen der Völker erzwungen und perfekt gemacht werden solle. Was inzwischen mit dem Inkrafttreten der Verfassung praktisches Verfahren geworden ist. Aufgebaut wird eine europäische Interventionsarmee, um, wie Knorr darlegt, eine erhöhte Kriegsführungsfähigkeit zu erreichen.

Verschiedentlich hat er darauf aufmerksam gemacht, dass USA und EU nicht nur Partner in der NATO sind, sondern auch Konkurrenten mit eigenen Interessen. Wie gewichtig seine Mahnungen sind, zeigt das bekräftigte Festhalten der USA an der nuklearen Erstschlagsdoktrin und die Modernisierung von Atomwaffen ebenso, wie das Beharren auf Errichtung des US-Raketenschilds "Missile defence" in Europa, das NATO-Projekt werden soll. Lorenz Knorr hat seit Jahrzehnten die wachsende geistige Versteppung und seelische Verelendung sowie den moralischen Verfall in den imperialistischen Ländern entlarvt. Die Manipulierung des Bewusstseins der Menschen, die psychologische Kriegführung gegen die Völker als Machtinstrument und Bestandteil der Globalstrategie bleiben für ihn Gegenstände bleibender Auseinandersetzung. Er weist auf drei Schwerpunkte hin, die den psychologischen Krieg kennzeichnen: "Die Wirklichkeit wird stets in raffinierter Weise verschleiert, um reale Interessenwahrnehmung mit dem Ziel menschlich gestalteter gesellschaftlicher Verhältnisse zu verhindern."

Mit dem Gegeneinander-Aufwiegeln von Menschen, sozialen Gruppen und Völkern werde die Herrschaft der privilegierten Minderheit abgesichert. "Und es werden elementare Triebkräfte und Emotionen mobilisiert, um das Entstehen und Wirken des gesellschaftlichen Bewusstseins mit auf Veränderungen gerichtetem Agieren zu verhindern. Unterhalb der Bewusstseinsschwelle wirkt man gegen Aufklärung und Gebrauch des Verstandes. Menschen und Menschenmassen versucht man immun zu machen gegen alle wesentlichen Erfahrungen des Lebens der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Entwicklung. Bestimmte Reflexe werden ausgelöst, um die folgenden Reaktionen im Interesse der herrschenden Minderheit zu steuern." So wurde in den vergangenen Monaten, da Sozialabbau und Beseitigung der paritätischen Finanzierung des Gesundheitswesens von der Bundesregierung beraten und beschlossen wurden, von führenden Politikern eine rassistische Kampagne inspiriert, eine "islamische Unterwanderung" Deutschlands behauptet und damit Ausländerfeindlichkeit geschürt.

Vor neun Jahren führte Lorenz Knorr in seiner Rede auf einer Kundgebung des DGB und der Anti-Nazi-Koordination in Frankfurt am Main u. a. aus: "Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind nicht immer von sozialer Deklassierung verursacht. Oft sind die Stichwortgeber des Hasses gegen unsere ausländischen Mitbürger oder Asylanten die sogenannten Modernisierungsgewinnler, also Bessersituierte". Und, so müsste man hinzufügen, führende Politiker des Landes. "Ihr dummes Gerede", heißt es bei Knorr weiter, "klammert von der sogenannten Überfremdung aus, dass die Zukunft Deutschlands auch vom Zuzug und gleichberechtigter Mitarbeit von Menschen abhängt, die zufällig in einem anderen Land geboren sind." Auch heute trifft, wie er seinerzeit nachwies zu, dass "rechtsextremes Denken weit über die Mitgliederzahlen neofaschistischer Parteien hinausreicht." Gedanken und Mahnungen die heute, angesichts der entfesselten "Integrationsdebatte" aktueller denn je sind.

Lorenz Knorr, Autodidakt, der keinen Gymnasiumsbesuch und keine Hochschulausbildung kennen gelernt hat, der keinen akademischen Grad verliehen bekam, kann auf ein jahrzehntelanges reiches publizistisches Schaffen zurückblicken. Auf der Konferenz "Aufklärung - Frieden - Antifaschismus / Über die Aktualität und Notwendigkeit einer Gesellschaft der Freien und Gleichen", die anlässlich seines 85. Geburtstags vor vier Jahren in Frankfurt am Main stattfand, wurde die bemerkenswerte Feststellung getroffen, dass der Jubilar "seit seiner Jugend bereits ... ein konsistentes philosophisches und zugleich politologisch-pädagogisches Konzept" entwickelte. Und so zeichnen die 26 Bücher, die er herausgegeben hat, wissenschaftliche Akribie und theoretisch fundierte Analyse aus. Eine Vielzahl von Broschüren, Aufsätzen und Artikeln stammen aus seiner Feder. Vorträge an Gymnasien und vor Gewerkschaftsorganisationen - 50 Vorträge allein im vergangenen Jahr - verraten ein enormes Arbeitspensum. Die Ergebnisse seines Schaffens weisen ihn als Aufklärer zu Grundfragen der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in beachtlicher Komplexität aus.

Als Autor war er im "Neuen Vorwärts", in den "Gewerkschaftlichen Monatsheften", in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" tätig. Man findet Beiträge von ihm nach wie vor in den "Marxistischen Blättern" und im "ICARUS".

Von 1960 bis 1990 nahm er an vielen Tagungen des Weltfriedensrates als Redner oder Diskutant teil. In den 1970er Jahren war er Leiter des Projekts Frieden & Abrüstung an der Universität Oldenburg, in den 1980er Jahren gehörte er dem Wissenschaftlichen Kuratorium des Zentrums für Marxistische Friedensforschung an. In den 1990er Jahren war er Bundessprecher der VVN/BdA. Ein Jahrzehnt lang wirkte er als Vizepräsident des Internationalen Verbindungsforums der Friedenskräfte, Sitz Wien. Im Europäischen Friedensforum ist sein Beitrag geschätzt.

Er wurde mit der Goldenen Ehrennadel der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Großen Medaille der Stadt Frankfurt am Main für antifaschistischen Widerstand, mit der Goldmedaille der Tschechischen Gesellschaft für Internationale Verständigung, der großen Verdienstmedaille des tschechoslowakischen Rundfunks und Fernsehen sowie mit der Ossietzky-Medaille des DDR-Friedensrates geehrt.

Auf hohem theoretischen Niveau setzt er sich auch weiterhin mit der Problematik Fremdbestimmung oder Emanzipation, Selbstentfaltung oder Entfremdung des Menschen auseinander. Das Ringen um sozialen und demokratischen Fortschritt, verbunden mit dem antifaschistischen und antimilitaristischen Friedenskampf bleibt für ihn Verpflichtung. Im Sinne einer von Ausbeutung und Krieg freien Gesellschaft der Freien und Gleichen. Damit der Mensch endlich "das höchste Wesen für den Menschen sei". Für eine Gesellschaft, "deren internationales Prinzip der Friede sein wird, weil bei jeder Nation das gleiche Prinzip herrscht - die Arbeit.". Von historischem Optimismus durchdrungen, vertritt er wie so viele Millionen auf dieser Welt den Kampfruf: "Eine andere Welt ist möglich". In Wort und Schrift bekräftigt er, wie zwingend nötig diese andere Welt ist.

Auf den ersten historischen Versuch, so betont er, müsse "ein zweiter folgen ..., wenn die Menschheit nicht im Chaos oder in einem atomaren Inferno untergehen will."

Aufklärung bedeutet für ihn, wie er zu seinem 85. Geburtstag vor vier Jahren betonte: "Veränderung hin zur Zukunft und Beförderung der Humanität mit dem Ziel einer menschlichen Gesellschaft wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte umrissen ist."


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:

- Wenn Lorenz Knorr vom deutschen Sonderweg spricht, dann meint er diesen Weg, der schon mal, wie auf dieser Karte 1942 in alle Richtungen führen sollte, aber besonders weit nach Osten.

- Das war der Laufstil, auf dem der deutsche Landser auf dem Sonderweg voran kommen sollte. Ein Foto von einem preußischen Kasernenhof 1912.

- ... und das war ein schon mal kurzzeitig erreichtes Ziel. Und die Zeit hatte gereicht, es auch ordentlich zu beschildern.

- Lorenz Knorr dankt

Raute

Personalia

Hanna Behrend

Meine Befreiungsgeschichte

Von der Nazi-Diktatur hat sich das deutsche Volk bekanntlich nicht selbst befreit. Dazu war die gewaltige Militärmacht eines zwar heterogenen, aber große Teile der Welt umfassenden Bündnisses erforderlich. Die Befreiung von diesem menschenfeindlichen System kostete einen hohen Blutzoll und hinterließ weite Teile Europas in Trümmern.

Das NS-Regime war weder von oben reformwillig, noch ließ der Staatsterror Reformen von unten zu. Anders verhält es sich mit den selbstzerstörerischen, hierarchischen, patriarchalen und bürokratischen Strukturen des "Realsozialismus", der von unseren Mainstream-Medien als "zweite Diktatur" der braunen Diktatur gleichbewertet wird. In allen Ostblockstaaten gab es immer wieder Reformversuche und Widerstandsaktionen von unten, die im Herbst 1989 sogar wenige Monate lang erfolgreich waren, schließlich jedoch zur Niederlage des Versuchs führten, eine alternative, wirklich menschenfreundliche Gesellschaft zu errichten.

Gegen die "Machtübernahme" der Nazis 1933 fanden weder ein Aufstand im Lande, noch Aktionen des Völkerbunds statt. Den Westmächten war das neue "Bollwerk gegen den Bolschewismus" in der Mitte Europas nicht unrecht. Unter diesem Gesichtspunkt durfte sowohl Mussolini als auch Hitler aufrüsten und ihre Eroberungspolitik erfolgreich in Gang setzen.

Als Zeitzeugin des Anschlusses meiner Heimat Österreich an das Nazireich, möchte ich exemplarisch an die Ereignisse von 1938 erinnern:

Der Weg ins Verderben war lange vor 1938 bereits unumkehrbar geworden. Die Weichen dafür waren bereits gestellt, als die österreichischen Arbeiter im Juli 1927 in ihrem Kampf gegen die rechten Kräfte unterlagen. Bereits die Dollfuß-Regierung errichtete 1933 einen "autoritären Ständestaat"; in einem von der SPÖ halbherzig geführten Bürgerkrieg zwischen den christlich-sozialen Heimwehren und dem Republikanischen Schutzbund wurde letztgenannter geschlagen, die Gewerkschaften und die SPÖ verboten. Diese Politik erwies sich als selbstzerstörerisch. Am 20. Juli 1934 fand ein Nazi-Putsch statt, der Bundeskanzler Dollfuß das Leben kostete. Das Zusammentreffen seines Nachfolgers Schuschnigg mit Hitler auf dem Obersalzberg führte zu einem Ultimatum, das das Verbot der österreichischen NSDAP aufhob, alle in Haft befindlichen Nazis, einschließlich der Dollfuß-Mörder freiließ und de facto Österreichs Todesurteil war. Schuschnigg sagte die zum 9. März 1938 vorgesehene Volksabstimmung ab, verhinderte damit die letzte Möglichkeit zu einem antifaschistischen Volkswiderstand und trat zurück. Nachdem auf diese Weise über die Jahre alle Hitlergegner einzeln ausgeschaltet worden waren, gab es keine Gegenwehr von unten, noch Proteste von außen, als deutsche Truppen am 13. März 1938 Österreich besetzten und es zum Bestandteil des Deutschen Reichs machten. Die Chance, die braune Pest ohne Krieg zu beseitigen, war verspielt worden.

Hitlers Einmarsch in Österreich gestaltete sich zu einem Triumph. Das durch lange Jahre wirtschaftlichen Niedergangs, Arbeitslosigkeit und Armut geplagte und nach vielen Enttäuschungen politisch durch die Nazis verführte Volk erhoffte sich mehrheitlich bessere Zeiten durch die "Heimkehr ins Reich". Dort war es seit 1933 aufwärtsgegangen. Tatsächlich schuf die deutsche Aufrüstung Arbeitsplätze, Geld kam in die Staatskassen, das stark zerlöcherte soziale Netz der Weimarer Republik konnte geflickt und verschönert werden. Arbeitsdienst wurde schmackhaft gemacht durch die Idee der klassenübergreifenden Volksgemeinschaft, in der jeder Anspruch auf Arbeit und Brot und auf Kraft durch Freude-Urlaube hatte.

Warum sollten sich die einfachen Leute um die Minderheit der von diesen Segnungen Ausgegrenzten scheren? So stimmten nur die Juden und die inzwischen dezimierten Sozialisten, sowie Antifaschisten verschiedener politischer Couleurs nicht in den Jubel ein.

An jenem schicksalsschweren Freitag, dem 11. März 1938, waren ungewöhnlich viele Menschen auf der Kärtnerstraße, darunter besonders viel Polizei.

Es muss um 19.30 Uhr gewesen sein, als alle Polizisten wie auf ein unhörbares Kommando aus ihren Uniformen Hakenkreuz-Armbinden hervorzogen und am Ärmel befestigten. Jubel brauste auf. Menschen umarmten sich oder rissen den rechten Arm hoch und schrien: "Ein Volk, ein Reich, ein Führer".

Zur Minderheit, die in diesen Jubel nicht einstimmte, gehörte auch ein Teil der humanistisch oder christlich gesinnten Bevölkerung. Manche von ihnen begriffen, dass das Ende der ersten österreichischen Republik auch für sie Krieg und Verderben nach sich ziehen würde. Auch wurden nicht alle politisch indifferenten Menschen plötzlich zu fanatischen Nazis oder Antisemiten. Es gab auch weiterhin Menschen wie meine Grundschullehrerin Marie Fitzga, die während der gesamten Nazi- und Kriegszeit ihre humanistischen Ansichten niemals aufgab.

Für mich und meine Familie hieß es allerdings, sich intensiv auf die Emigration vorzubereiten.

Alle Unternehmungen und Vorbereitungen auf die Auswanderung fanden in einer Atmosphäre der Willkür und Gewalttätigkeit, der Verängstigung und Beunruhigung statt. Ständig gab es neue Anordnungen, die zu berücksichtigen waren. Immer wieder verschwanden Bekannte und Freunde in Gefängnissen und Lagern oder nahmen sich das Leben; manchen misslang es, wie meinem Onkel Bruno, der sich erschießen wollte und dabei sein Augenlicht verlor, als Behinderter deportiert und in Auschwitz vergast wurde.

SA-Leute zwangen alte Juden, öffentliche Plätze unter dem johlenden Beifall des Pöbels mit Zahnbürsten zu reinigen. Diese barbarische Praxis hat der Bildhauer Alfred Hrdlicka in seinem eindrucksvollen Mahnmal verewigt.

An den Konsulaten der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der lateinamerikanischen Staaten bildeten sich Tag für Tag Schlangen Ausreisewilliger, die oft von der Polizei drangsaliert oder von Nazi-Passanten angepöbelt wurden. Keines dieser Konsulate hätte mir ein reguläres Visum ausgestellt. Kindertransporte gab es damals noch nicht, für ein Dienstmädchenpermit war ich zu jung, in die USA kam ich nicht, weil die jährliche Einwandererquote aus Österreich längst überschritten war. Mit Hilfe von Schleusern schaffte ich es nach Frankreich. Von dort gelangte ich im Februar 1939 nach England, weil mir ein unbürokratischer Konsularbeamter in Paris gesetzwidrig ein Dienstmädchenpermit erteilte. Dort gelang es mir, meiner Schwester einen Platz in einem Kindertransport zu beschaffen. Auf diese Weise überlebten wir das NS-Regime und auch den Krieg. Dieser brach bekanntlich am 1. September 1939 aus und spätestens nach der Schlacht von Stalingrad 1942 erwies sich, dass Hitler den Krieg nicht gewinnen würde. Zu keiner Zeit gelang es, den antinazistischen Widerstand in Deutschland, Österreich oder in den besetzten Gebieten zu bündeln und niemals kam es zu einer erfolgreichen Selbstbefreiung. Widerstandsaktionen, darunter der erfolglose Putschversuch einiger Wehrmachtsoffiziere von 1944, nationale Befreiungsaktionen in einigen besetzten Ländern, sowie der Aufstand im Warschauer Ghetto waren heldenhafte, aber erfolglose Versuche, das Regime zu stürzen. So näherte sieh der von Nazideutschland angezettelte Krieg erst seinem Ende, als sowjetische Truppen diesen unaufhaltsam zu seinem Ursprung zurückdrängten. Ungeachtet der Deformationen des stalinistischen Systems gelang es den Völkern der UdSSR, das Nazireich militärisch zu schlagen. Ihr unaufhaltsames Vordringen nach Westen zwang die Westmächte im April 1944 endlich zur Eröffnung der Zweiten Front in Europa und ermöglichte damit den gemeinsamen Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland. Schließlich wollten die Westmächte ihre russischen Verbündeten nicht erst am Ärmelkanal in die Arme schließen. Es dauerte dann noch ein ganzes Jahr, ehe Nazi-Deutschland kapitulierte.

Was nach Kriegsende über die deutschen Zustände, ganz besonders in der sowjetischen Besatzungszone in England gedruckt wurde, war so widersprüchlich, dass wir, mein Mann und ich, uns in der englischen Emigration kein klares Bild der Verhältnisse machen konnten. Es erfüllte uns aber mit Zuversicht, dass sich in der sowjetischen Zone SPD und KPD zusammengetan hatten, dass es eine Landreform gegeben hatte, dass alle alten Nazis in den Schulen durch Neulehrer ersetzt worden waren, dass es neue Richter und Staatsanwälte gab und alle Nazigesetze unwirksam geworden waren. Meine Gefühle waren ohnehin zwiespältig. Einerseits empfand ich mein Weggehen aus England als Verlust. Aber weit stärker als dieses Gefühl war der Wunsch, dabei zu sein, mitzumachen, dort zu leben, wo etwas Neues, für mich sehr Wichtiges entstehen sollte. Ich war voller Entschlossenheit und innerer Genugtuung darüber, dass ich das Glück haben würde, mein Leben einer wirklich wichtigen und wertvollen Sache, dem Aufbau einer menschlichen und friedlichen Gesellschaft, zu widmen. Auch mein Mann war überzeugt, dass er sich in seiner Heimat wieder politisch und beruflich einbringen können würde. Das erwies sich allerdings als eine Illusion, da er wegen seiner kritischen Haltung Berufsverbot erhielt und fortan seinen (durchaus ausreichenden) Unterhalt durch private Übersetzungsarbeiten bestreiten musste. Auch mein Leben in diesem Atlantis begann mit einer Zeit leidvoller Konfrontation mit Realitäten, die ich nicht erwartet hatte und auf die ich nicht vorbereitet war. Nirgends kam die bornierte "realsozialistische" Praxis ihren utopischen Potenzen so nah wie in der DDR und verfehlte sie doch mit so weitreichenden Folgen.

Das Alltagsieben in der unmittelbaren Nachkriegszeit war weniger als heute von Gewalt gegen Schwächere und Hilflose geprägt. Vielmehr herrschte trotz allem ein unverwüstlicher Optimismus. Das hing damit zusammen, dass es anders als heute eine insgesamt positive Erwartungshaltung gab. Der Krieg war zu Ende, und die meisten Menschen waren überzeugt, dass es, ganz gleich, wie schrecklich die Gegenwart war, nur besser werden könne. Und viele waren entschlossen, sich daran tatkräftig zu beteiligen.

In vielem entsprach jedoch die Wirklichkeit keineswegs einer Gesellschaft von Gleichen oder Gerechten. Die in diesen ersten Jahren gemachten Erfahrungen zwangen mich schließlich, mich mit den Tatsachen zu arrangieren. Erneute Emigration zurück in die, wie ich damals meinte, endgültig zurückgelassene Welt des Kapitalismus erschien mir unerträglich.

Mir wurde die Möglichkeit geboten, an der Vorstudienanstalt (später ABF) mein Abitur zu machen, ich konnte studieren, promovieren und mich habilitieren. Ich durfte alle möglichen gehobenen Tätigkeiten ausüben, allerdings immer als Stellvertreterin. Ordentliche Professorin wurde ich nie, das ließ meine Kaderakte und das obrigkeitliche Misstrauen auch gegenüber einer unbequemen Ex-Ehefrau eines Abweichlers nicht zu.

Dennoch bin ich auch heute noch der Meinung: "Die Gründung der DDR war ein Schritt von großer historischer Tragweite. Auf deutschem Boden, auf den von den Nazis hinterlassenen Trümmern und ohne finanzkräftige Geldgeber, die einen schnellen Aufbau auch der Konsumgüterindustrie ermöglicht hätten, entstand ein Staat des Friedens und des Fortschritts."

Zur Zeit der Wende 1989 glaubte ich, die Utopie, der ich mich verschrieben hatte, könnte sich nun, von ihren bürokratischen, hierarchischen und patriarchalen Schlacken befreit, wie Phönix aus der Asche erheben. In der Tat hatten sich in den Jahren der DDR die Bürger und Bürgerinnen trotz dieser Strukturen so weit emanzipiert, dass sie aus eigener Kraft das System reformierten. Sie waren jedoch zu uneinig, zu schwach und zu unreif und auch das außenpolitische Bedingungsgefüge ermöglichte es nicht, die von einer beachtlichen Minderheit ersehnte Vision einer alternativen Gesellschaft durchzusetzen. Dennoch stellen die wenigen Monate, in denen ich beobachten konnte, wie sich zuvor indifferente Menschen politisierten und für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz engagierten, die befreiendsten Erlebnisse meines Lebens dar.


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:

- Hanna Behrend

- Wo Hanna Behrend ihren Weg ins Exil begann, steht heute in Wien auf dem Albertinaplatz seit 1988 Alfred Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, auf dem auch die Straße waschenden Juden dargestellt sind.

Raute

Personalia

Klaus Georg

Angelalegende

Nach einer Parteitagssage

Die Kirche ragt,
wo tiefe Wolken westwärts fliehn
und nächtens geht die wilde Jagd
darüber hin.

Aus Pfarrers Haus
mit blauem Hemde, blauen Jeans
tritt sie, die Jungfrau, grad heraus,
der Glanz Templins.

Ist lange her.
Der breite Oggersheimer rief.
Vom blonden Trotzkopf geht die Mär,
der lag und schlief.

Die Kirche ragt
noch in Templin. Doch lang kein Rabe mehr,
der frech sich in den Himmel wagt.
Der ist jetzt leer.

Das Land, erwacht.
Das Himmelslicht so frei, so leicht
vom frommen Kerzenschein entfacht.
Sie hat's erreicht.

Doch steht sie still?
Sie schreitet aus. Warum? Warum?
Sie spricht es so: "Ich will! Ich will
mehr Christentum!"

Raute

Rezensionen

Rolf Sieber

Joseph Stiglitz - Im freien Fall

Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft

Joseph Stiglitz: "Im freien Fall - Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft". Aus dem amerikanischen Englisch von Thorsten Schmidt, Siedler Verlag München 2010, 448 Seiten. Preis 24,95 Euro


Der Autor Joseph Stiglitz (67) ist seit über 40 Jahren an US-Universitäten als Professor für Volkswirtschaft tätig. Erfahrungen in der Wirtschaftspolitik erwarb er in den 90er Jahren als Mitglied bzw. Vorsitzender des einflussreichen Rates für Wirtschaftswissenschaften bei US-Präsident Bill Clinton und bei der Weltbank als Chefökonom bzw. als Senior Vizepräsident. 2001 wurde Prof. Stiglitz für seine hervorragenden Leistungen mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Auf Grund seiner umfangreichen Erfahrungen und praktischen Kenntnisse der Weltwirtschaft leitet er die UN-Kommission zur Reform der internationalen Geld- und Finanzmärkte.

Sein jüngstes Werk in deutscher Sprache erschien im April 2010 unter dem Titel "Im freien Fall. Vom Versagen der Märkte und zur Neuordnung der Weltwirtschaft." Prof. Stiglitz ist konsequenter Anhänger der Ideen von J.M. Keynes und verfolgt - wie er schreibt - mit dieser Schrift drei Ziele:

Erstens: Die Leser sollen den Kampf der Ideen mit jenen Vorstellungen nachvollziehen, die 2008 die noch heute wirkenden Krisen sowohl in der Volkswirtschaft der USA als auch in der Weltwirtschaft auslösten. Sie sollen lernen, die den Krisen zugrunde liegenden sozialen Ursachen zu erkennen und zu begreifen und sollen daraus Lehren ziehen. Bekanntlich stehen die Märkte im Zentrum jeder erfolgreichen Volkswirtschaft. Der Keynesianismus weist den Fall der Märkte nach, d. h. die Märkte funktionieren nicht automatisch, sondern bedürfen einer volkswirtschaftlichen Regulierung durch wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates, durch Aktionen nicht-staatlicher Institutionen, um zyklische Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und in der Zukunft zu verhindern. Dann entstehen Chancen, ein Gleichgewicht zwischen Markt und Staat, zwischen Individualismus und Gemeinschaftssinn, zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Mitteln und Zweck herzustellen, ein neues Finanzsystem zu schaffen, das seine eigentlichen Grundfunktionen effektiv erfüllt. Auf dieser Grundlage - so Stiglitz besteht die Möglichkeit, ein neues Wirtschaftssystem zu gestalten, das allen Menschen sozial anerkannte Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, die Kluft zwischen Reich und Arm verringert statt vergrößert und den langen sowie steinigen Weg zur Schaffung einer neuen Gesellschaft freilegt. "In den letzten 25 Jahren, verloren die USA das Gleichgewicht und zwangen vielen Ländern der Erde unausgewogene und fehlerhafte Konzepte auf".

Zweitens: Eine fundierte Analyse der konkreten Entwicklung in den USA vorzulegen und zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit Ideen der Denkschule des Neoliberalismus vorzunehmen, die in den Jahren 2006 bis 2008 zu verfehlten wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen führten, welche die Krise praktisch auslösten. Dabei soll aufgedeckt werden, wie es zum Versagen der wichtigsten Entscheidungsträger kam, die schwelenden Probleme rechtzeitig zu erkennen und wie es zu Fehlleistungen bei der Bewältigung der negativen Folgen der krisenhaften Entwicklung kommen musste.

Drittens: An Hand der Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen im globalen Maßstab, sprich weltwirtschaftlich, zu zeigen, was bereits Neues vor sich gegangen ist und sich weiter festigen wird, sowie an welchen Fronten der Weltwirtschaft weitere Neuentwicklungen zu erwarten sind.

Diese drei Zielstellungen hat der Buchautor in glänzender Art und Weise mit einer Fülle gründlicher Analysen und scharfsinniger Wertung wirtschaftlicher Prozesse erfüllt. Auf einige besonders hervorzuhebende Aussagen des Buches möchte ich die interessierten Leser aufmerksam machen.

Prof. Stiglitz weist drei Arten von Versagen nach, die bei den genannten Fehleinschätzungen und Fehlleistungen von Ökonomen und Politikern aufgetreten sind und unbedingt überwunden werden müssten: Versagen von Ideen und ganzer theoretischer Systeme beim notwendigen Erkennen von Problemen wirtschaftlicher Entwicklung und für deren Lösung; Versagen bei der Ausarbeitung politischer Konzepte und Programme einschließlich deren Umsetzung in die Praxis; umfassendes Versagen bei Aufgaben globalen Charakters durch Unkenntnis und ungenügender Fähigkeiten bei der Anfertigung komplizierter Analysen globaler Prozesse.

Letzterem wandte sich Prof. Stiglitz bereits in seinen beiden Schriften "Die Schatten der Globalisierung" aus dem Jahr 2002 und 2006 im Bestseller "Die Chancen der Globalisierung" unter besondere Beachtung der Probleme der Entwicklungsländer zu.

In dem jetzt vorgelegten Buch äußert er bei der umfassenden Behandlung der "Neuordnung der Weltwirtschaft" seine feste Überzeugung, dass die internationalen Institutionen wie Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation und Weltbank sowie die Industriestaaten nicht alles in ihrer Macht Stehende taten, um den Entwicklungsländern zu helfen, sondern sogar maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Übergang einiger dieser Staaten zur Marktwirtschaft behindert wurde oder gar scheiterte. Am Beispiel armer Entwicklungsländer weist er darauf hin, dass die Risiken der Globalisierung nicht angemessen abgesichert und gestreut wurden und die erhofften Reformen nach wie vor in weiter Ferne liegen.

Seit Bestehen der krisenhaften Gesamtlage in den USA und in der Weltwirtschaft - so Prof. Stiglitz - habe das Krisenmanagement folgende Herausforderungen nicht im Griff, wovon aber die Zukunft der Menschheit ganz wesentlich abhänge:

Die Wiederherstellung einer nachhaltigen volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage, die stark genug ist, um globale Vollbeschäftigung zu gewährleisten.

Den Umbau des Finanzsystems, damit es die Funktionen erfüllt, die ein gesundes und effektives Finanzsystem im Interesse der Gesamtwirtschaft erfüllen muss, statt, wie vor der Krise, mit leichtfertigen Risikogeschäften vorrangig nach Höchstgewinnen zu streben.

Strukturveränderungen in der US-amerikanischen und den anderen großen Volkswirtschaften, ihrer materiell-technischen und technologischen Basis mit dem Ziel durchzuführen, ein stabiles und gerechtes Wirtschaftssystem aufzubauen, das Wohlstand für alle schafft.

Gegenwärtig versagen die Entscheidungsträger nach Auffassung des Autors bei allen drei Herausforderungen. Seine Antworten zielen auf ein ganzes Programm für mögliche Lösungen praktischer und theoretischer Aufgabenstellungen auf den Gebieten Wirtschaft, Politik, Staat und Gesellschaft.

Er benutzt die Deutung des chinesischen Schriftzeichens für Krise, das sowohl Gefahr als auch Chance darstellen kann, für den Schlusssatz seiner Gesamtanalyse: "Die eigentliche Gefahr besteht heute darin, dass wir sie (die Chance) nicht ergreifen." Zugleich stellt er fest, dass die Politik des "Washington Consensus" und die ihr zugrunde liegende Ideologie des Marktfundamentalismus tot sind.

Die Schrift "Im freien Fall" beinhaltet eine umfassende und überzeugende Auseinandersetzung und Widerlegung der marktwirtschaftlichen Doktrinen des Neoliberalismus. Die führenden Vertreter dieser bürgerlichen Denkschule bestimmten in den letzten Jahrzehnten in kapitalistischen Industriestaaten die staatliche Wirtschaftspolitik. Sie versprachen eine New Economy, die Milliarden Dollar an Innovationen in der gesamten Volkswirtschaft sowie ein besseres Risikomanagement ermöglichen und zu Wohlstand für alle Menschen führen sollte. Herausgekommen sind die Große Rezession in den USA und weltweit der Ausbruch der zweiten Weltwirtschaftskrise - insgesamt der schlimmste Abschwung seit der Großen Depression von vor 75 Jahren. Alle Illusionen wurden zerstört.

Joseph Stiglitz steht ganz in der Tradition der Lehre von J.M. Keynes, die im Kampf der Ideen die ursächlich entscheidende Grundlage für die Erklärung wirtschaftlicher Entscheidungen und Prozesse sieht. Keynes schloss sein Hauptwerk mit dem berühmt gewordenen Satz: "Aber früher oder später sind es Ideen und nicht Interessengruppen, von denen die Gefahr kommt, sei es zum Guten oder zum Bösen." Die Anhänger und Verteidiger von Keynes wählten "den Kampf der Ideen", "den Krieg der Ideen" und "die Macht der Ideen" zu ihrem Ausgangsmotiv für die Gestaltung der Zukunft der Wirtschaft.

Als Ökonom und Politiker mit klarer marxistischer geisteswissenschaftlicher Ausrichtung vermisse ich allerdings im Buch von Prof. Joseph Stiglitz und speziell in den Kapiteln 9 "Die Wirtschaftswissenschaften erneuern" und 10 "Aufbruch zu einer neuen Gesellschaft" eine Stellungnahme und Auseinandersetzung mit der von Karl Marx und Friedrich Engels geschaffenen und von ihren Nachfolgern bis heute weiterentwickelten theoretischen Grundlagen der Politik und des ökonomischen Denkens der internationalen Arbeiterbewegung. Er schweigt dazu. Damit ignoriert er auch jene Berührungspunkte und Möglichkeiten zum Dialog sowie zur Zusammenarbeit, die es in schriftlicher Form und bei Begegnungen zwischen Keynesianern und Marxisten bisher schon gegeben hat, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und Großbritannien und in den letzten Jahren auch in unserem Land. Die vom Nobelpreisträger Stiglitz in seiner Schrift "Im freien Fall" niedergelegten präzisen Analysen zu Wirtschaftskrisen/Beschäftigungsproblematik/Arbeitslosigkeit sind meiner Überzeugung nach bestens dazu geeignet, im zuletzt genannten Sinn sowohl den Keynesianern und den Marxisten, als auch den anderen ökonomischen Denkschulen und den Politikern zu dienen. Dabei sollten aber auch die unterschiedlichen Auffassungen über Rolle und Funktion der Ideen im Erkenntnisprozess auf den Gebieten der Wirtschaft und Politik thematisiert werden.

Seit Marx und Engels vertreten wir den Standpunkt, dass wir erst durch die Erfassung der dialektischen Wechselbeziehungen zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen bei gleichzeitiger umfassender Bewertung der jeweiligen sozialen Konfliktsituation in die Lage versetzt werden, den konkreten Ursache-Wirkung-Folgen-Komplex und dessen dabei auftretenden Faktoren aufzudecken. Dies bezieht sich auf Einzelerscheinungen, Prozesse und Gesetzmäßigkeiten in Wirtschaft und Politik. Die Ideen gehören zu den Faktoren, wobei der "Kampf der Ideen" oft von großer Bedeutung ist.

Davon ausgehend können die notwendigen Schlussfolgerungen für die Praxis gewonnen und gezogen werden. Die Geschichte unserer menschlichen Gemeinschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Richtung einer besseren Gesellschaftsordnung ist offen und der Fortschritt ist unausbleiblich, schließt aber auch Rückschläge ein nicht aus. Die Zukunft der Menschheit ist mit sozialen Reformen und grundlegenden Umwälzungen revolutionären Charakters sowie einer tief greifenden Demokratisierung von Wirtschaft, Politik, Staat und Gesellschaft verbunden. Veränderungen in den politischen Macht- und den Eigentumsverhältnissen sind Schritte auf dem langen, steilen und komplizierten Weg dahin.

Raute

Rezensionen

Peter Arlt

Hierbleiben oder weggehen?

Siegfried Prokop/Dieter Zänker (Hrsg.) "Intellektuelle in den Wirren der Nachkriegszeit. Die soziale Schicht der Intelligenz der SBZ/DDR, Teil 1, 1945-1955", Schriften zur Geschichte des Kulturbundes, Bd. III Edition Zeitgeschichte, Bd. 49. Kai Homilius Verlag, Berlin 2010, 280 S., mit 30 Tab., Festpappeneinband, ISBN 978-3-89706-836-0, 19,90 €


Es ist ein Buch des Respekts vor der Leidenschaft und dem Charakter so vieler, die sich geistig-kulturell um das Gedeihen einer deutschen demokratischen Republik, die den Namen verdient, bemüht haben. Der methodisch versierte Historiker Siegfried Prokop (S. P.) eröffnet in der Einführung seinen weitgreifenden zeithistorischen Überblick und man erfährt sogleich etwas über den Forschungsgegenstand und das Anliegen des Buches, in dem untersucht werden soll, welche Prozesse sich im Zeitraum von 1945-1955 real bei den Hauptgruppen der Intelligenz in der SBZ/DDR vollzogen haben. Von Anbeginn stellt sich beim Lesen das Gefühl einer verlässlichen Unterweisung ein, die auf genauem Studium archivalischer Quellen und der Auswertung statistischer Eckdaten beruht und nicht gewillt ist, die Intentionen der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Altar der unsäglichen zeitideologischen Political Correctnes zu opfern: Die Enteignung des Finanz- und Konzernkapitals und der Junker; die Brechung des Bildungsmonopols; die Schaffung einer neuen Gesellschaft, in der es die Geißel der Arbeitslosigkeit nicht mehr gibt und keine Basis für Kriege. Darin liegt der tiefere Grund für die Tatsache, dass in der spezifischen Entscheidungssituation, die sich durch zwei deutsche Staaten mit offener Grenze ergab, die Frage "Hierbleiben oder weggehen" von so vielen mit der Entscheidung für die DDR beantwortet wurde; der Verlust an Eliten war dennoch im ikarischen Fluchtland DDR enorm.

In den Ausführungen wird evident, dass zwischen Utopie und historischem Prozess eine Kluft bestand. Fesselnd wird die Kalamität des Theorie-Utopie-Gemisches im Realsozialismus analysiert, staatlich zu propagieren: "Theorie muss in Praxis umgesetzt werden" und "Was sich als Wirklichkeit behauptet, kann nicht unwahr sein". Für seine Argumentation zieht S. P. viele Philosophen und Wissenschaftler, wie Oskar Negt, Rudolf Bahro, Gaetano Mosca, Werner Mittenzwei, Josef A. Schumpeter, Pierre Bourdieu u.v.a., mit aussagekräftigen Zitaten heran. Mit der Methode der Oral History bringt S. P. Erinnerungen und Zeitstimmen in Beziehung, die anrühren, wie beim Konflikt um Nico Rost, und manchmal sogar erheitern. So entsteht eine lebendige, gut lesbare Textcollage, versehen mit einer lesefreundlichen seitenweisen Quellenangabe. Prokop diskutiert eine Vielzahl gegensätzlicher Auffassungen, er gliedert die soziale Binnenstruktur der Intelligenz, charakterisiert dabei die Spezifika ihrer Typen und nimmt ihre oft zeitweilige Einbindung in Verbänden, Gewerkschaften und Organisationen, nicht nur dem Kulturbund, in den Blick. Auf anregende Weise assoziiert er, einmal, wie der kleingeratene Kopf der Skulptur "Der Jahrhundertschritt" von Wolfgang Mattheuer symbolisch ausdrückt, dass die Intellektuellen ihr Wissen opferten, indem sie es dem politischen Dogma anpassten. Ein Sinnbild, das nicht nur für die DDR gilt, wo die herrschende Partei das Monopol für die Theorieentwicklung beanspruchte. Eine Anmaßung, die gleichfalls, wie S. P. klarmacht, bei der Unterwerfung der Eliten des Westens unter die Ideologie wirkt.

In seinem faktenreichen Abriss der deutschen Nachkriegsgeschichte analysiert er die wissenschaftlichen Verzerrungen, die mit dem schroffen Kurswechsel im Zuge des Kalten Krieges oktroyierend aus der Sowjetunion einströmten. Es war verlustreich, die dogmatische Entgegensetzung von fortschrittlichen sowjetischen und rückschrittlichen bürgerlichen Wissenschaften (Genetik, Kybernetik, Quantenphysik, Relativitätstheorie) abzuwehren. In der oft entgleisenden Unterordnung der Wissenschaft unter die Politik traten immer wieder, trotz warnender Stimmen, Misstrauen und Intelligenzfeindlichkeit zutage und schließlich 1989 das Versagen der SED als Auftraggeber.

S. P. würdigt die Bemühungen der Wissenschaftler und Künstler um die Einheit Deutschlands, welche neben dem Demokratie-Versprechen und Mehrparteiensystem ein wichtiges Ziel war, an das ihre Zustimmung zur Staatsgründung geknüpft war. Die Hoffnung erstickten Kampagnen gegen Formalismus, Kosmopolitismus, Konstruktivismus (Bauhaus), gegen Versöhnlertum usw. Die Überorganisation reichte bis zur kleinlichen Untersagung der Methode des freien Vortrags durch Ulbricht.

Etwas kritisch vermerkt sei, dass erst bei den Medizinern das Entnazifizierungstribunal zur Sprache kommt, und dass die Feststellung, in der Kunst sei "Nihilismus ausgeprägt" gewesen, einen Rückfall in eine unsägliche Sprachreglung darstellt. Ein Novum ist die Ausdehnung des Inhaltsverzeichnisses auf den geplanten Teil 2 zur Zeit von 1955-61. Diesem sollte dann außer einer Tabellenübersicht ein Personenregister beigefügt werden.

Siegfried Prokop hat eine überzeugende wissenschaftliche Darstellung eines wichtigen Aspektes der DDR-Geschichte vorgelegt, zu der er Erstaunliches aus Archiven ans Tageslicht gebracht hat und zügig in stark gegliederten kurzen Kapiteln mit vielfaltigen Fällen zu einem farbigen Geschichtsbild verwebt.

Auf dem Cover weicht der Titel vom korrekten etwas ab; und Mephistopheles einer historischen Grafik ist es, der wohl die Intellektuellen verführt.

Raute

Rezensionen

Gerlind Jäkel

Unser sechster Streich

DDR - Erbe bewahren

Horst Jäkel, Hrsg. "DDR - Realität und Hoffnung", GNN Verlag Schkeuditz 2010,
ISBN 978-3-89819-343-6, 485 S. m. Abb., 20,00 €


Nun liegt es - für uns endlich! - auf dem Tisch: Eine Mutter mit zwei Kindern, Blumen darum herum - der Ausschnitt aus Womackas Mosaikbild vom Haus des Lehrers in Berlin als Titelbild des Buches "DDR - Realität und Hoffnung".

Da sind wir zuerst einmal froh, dem berühmten Künstler, der am 18.9.2010 für immer von uns gegangen ist, noch einmal ein kleines Denkmal setzen zu können. Walter Womacka hat uns immer sehr freundlich Nachdruckgenehmigungen für einzelne seiner Bilder gewährt. Danke.

Mit seinen 485 Seiten ist der Band in der Reihe "Spuren der Wahrheit" nun sogar etwas umfangreicher geworden, als vom Autorenkollektiv geplant. Aber wem von den 70 Schreibern hätten wir absagen sollen, spüren wir doch bei jedem das Herzblut, mit dem geschrieben wurde. Gerade in diesem Jahr brannte es den Autoren unter den Nägeln, sich zur Wehr zu setzen gegen die Verteufelung unserer Deutschen Demokratischen Republik, gegen das Kapital und den von ihm beschworenen Zeitgeist, also das Wort zu ergreifen für den Staat, der trotz seiner vielen Unzulänglichkeiten und Unfertigkeiten Heimat gewesen ist.

Das Buch setzt als sechstes die Reihe "Als Zeitzeugen erlebt - Spuren der Wahrheit" fort. In den sieben Jahren seit Erscheinen von "Vereinnahmung der DDR" (2003) haben insgesamt 326 Menschen in unterschiedlichen Formen Zeugnis abgelegt. Da sind namhafte Literaten darunter, denen die Worte leicht aus der Feder fließen, aber auch viele, die, des Schreibens ungeübt, um jede Zeile gerungen haben. Überwiegend sind unsere Autoren lebenserfahren, zum Teil ergraut und hochbetagt. Verständlich. Wir sind dankbar für die von hoher Urteilskraft geprägten Beiträge Wilhelm Hamanns, der 2010 im 105. Lebensjahr verstarb.

Dankbar auch der Sängerin im Ernst-Busch-Chor Ilse Kozialek, die 101 Jahre alt ist; dem 95-jährigen Ingenieur und Weltenbummler Walter Ruge und dem Historiker Dr. Kurt Gossweiler, der ebenfalls schon auf mehr als 90 Jahre zurückblicken kann.

Aber so, wie sich in unserem Einsatz für den Erhalt des Bewahrenswerten aus der DDR zunehmend auch Jüngere beteiligen, brachten auch sie ihre Gedanken und Gefühle in unsere Antologie ein. Und wir glauben, gerade in der Vielschichtigkeit der Autorengemeinde liegt der Wert, und gewiss auch ein Reiz, unserer Bücher. Viele Fotos, Dokumente und künstlerische Zugaben bereichern die 485 Seiten des neuen Bandes.

Wo aber kamen unsere Autoren - einige Wiederholungstäter her? Sie saßen nicht gemeinsam in einem Versammlungsraum und meldeten sich schreibwillig. Ihr Zusammenkommen hat eine etwas längere Geschichte:

1998 schaltete eine politisch engagierte Frau im "ND" und in der "Jungen Welt" Anzeigen, um Zeitzeugen aus der DDR zu mobilisieren. Ursula Münch hatte 1945 den Feuersturm in Dresden überlebt. Nach, schweren, aber glücklichen Lebensjahren in der DDR hatte sie 1989/90 einen weiteren, für sie furchtbaren Sturm erleben müssen, der ihre soziale Sicherheit, ihre Perspektive und viele notwendige Selbstverständlichkeiten hinwegfegte. Sie wollte nicht tatenlos zusehen, wie die Lebensleistungen von 17 Millionen in den Schmutz getreten wurden oder einfach nur vergessen werden sollten. In 40 Jahren Erlebtes musste zu Papier gebracht werden. Etwa 30 Gleichgesinnte meldeten sich bei der "Ruferin". Sie schlossen sich zu einer unabhängigen Autorengemeinschaft "So habe ich das erlebt zusammen". Sie fanden weiteren Zulauf und so konnte 1999 ihr erstes Buch im GNN Verlag Schkeuditz erscheinen: "Spurensicherung - Zeitzeugen zum 17. Juni 1953".

Diesem ersten Buch folgten, mit wechselnden Autoren, fünf weitere Bände, in denen über hundert Zeitzeugen wahrheitsgemäß über ihr Leben, ihre Arbeit und auch über Kämpfe, die sie in dem Staat unter Hammer, Zirkel und Ährenkranz ausfochten, berichteten. Eine inzwischen veränderte Redaktionskommission verkündete nach Vollendung des sechsten Bandes den Abschluss der Buchreihe.

Aber die Verhältnisse, die waren nicht so, dass die Autoren sich zur Ruhe hätten setzen können. Zielstrebig formen die Einverleiber der DDR den Mainstram, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen.

Und längst war ja noch nicht alles gesagt. Die Mehrzahl der bisherigen Mitautoren arbeitete unter einem neuen Redaktionskollektiv weiter. Und dann bekamen einige das erste Buch der neuen Folge "Als Zeitzeugen erlebt - Spuren der Wahrheit" mit dem Titel "Vereinnahmung der DDR" in die Hand und machten sich bemerkbar, schüchtern oder selbstbewusst, aber eindeutig: "Wenn ihr ein weiteres Buch schafft, will ich auch dabei sein."

Schließlich spielten doch noch Zusammenkünfte eine Rolle, in Ziegenhals oder beim Freundeskreis Palast der Republik. Gern boten wir den da Engagierten in unseren Anthologien ein Forum. Wenn wir von Bewahrern des in der DDR Geschaffenen irgendwo zwischen Rügen und Suhl erfuhren, begaben wir uns auf Tour, lernten engagierte Leute kennen, interviewten sie oder gewannen sie als Mitautoren.

Mehrere Autoren wurden so zu Multiplikatoren, vermittelten Bekannte, von deren Lebensleistungen sie beeindruckt waren.

Und eigentlich müssten wir von der Post längst Rabatt eingeräumt bekommen. Hunderte Briefe dokumentieren diesen Gedankenaustausch. Besonders stolz waren wir, wenn solche Post dann fremde Marken trug, aus Vietnam, China, Japan, Frankreich, Luxemburg, Gambia, Griechenland, Spanien, aus den USA. Da äußerten Menschen ihre Meinung über unsere kleine DDR, die sie zum Teil nur von Besuchsreisen oder von Studienaufenthalten kannten und schätzten. Vielfach sachlich anerkennend, manchmal kritisch, schrieben auch Bürger aus den westlichen Bundesländern, denen wir nur zufällig bei Kongressen und Kulturveranstaltungen begegneten.

Nach Erscheinen des ersten Bandes "Vereinnahmung der DDR" führten wir ein Autorentreffen durch. Viele persönlich kennen zu lernen war spannend. Beim Auseinandergehen waren wir uns einig: Weitermachen. Diesen Beschluss realisierten wir. Es folgten die fünf weiteren Bände bis zu dem uns vorliegenden. Den anderen Beschluss, nämlich uns erneut zu treffen, haben wir noch nicht verwirklichen können. Dazu fehlen uns Zeit und auch das Geld, denn der Autorenkreis ist ständig gewachsen.

Was für Leute sind das nun, die auf den 2700 Seiten der sechs Bände zu Wort kommen? Wir schätzen alle Beiträge, die, der unbekannten Arbeiter, Bauern und Angestellten, wie auch die der neun namhaften Schriftsteller und der elf Künstler, der Schauspieler, Regisseure und Maler. Unter den Autoren finden sich vierzehn Ingenieure aus der Industrie, zehn waren Agrar- oder Forstingenieure, sechs Gewerkschafter, eine Sekretärin, zwölf Offiziere, zehn Diplomaten und zehn Journalisten. Letztere wussten etwas von Fernwirkung unseres Staates, warfen einen Blick von außen auf die DDR. Nur die beiden Piloten und der Kosmonaut unseres Landes sahen sie auch von oben.

Sechzehn Lehrer, vier Bibliothekare, fünf Sportler, zwölf Gesellschafts- und Naturwissenschaftler, zehn Ärzte, ein Psychologe, sieben Juristen, ein Kriminalist und schließlich auch neun Theologen gehören ebenfalls zur Autorenschaft und machen den Blick auf unsere Geschichte weit.

Und wem fließen die Worte leichter aus der Feder? Wer beherrscht den Computer sicherer?

Frauen oder Männer? Gerade die Frauen,besonders die Mütter, für die Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit war, bringen ihre Wut, ihre Enttäuschung über das Beraubtsein zum Ausdruck. Und das aus dem Selbstbewusstsein heraus, reiche, andere Erfahrungen gemacht zu haben. Trotzdem: Nur jeder dritte Beitrag ist von einer Autorin. Da hapert es also noch etwas mit der Gleichberechtigung. Sicher haben Frauen immer noch die Mehrfachbelastung des Haushalts, der ihnen weniger Zeit am Schreibtisch belässt.

So verschieden die Erfahrungen unserer Autoren sind, so unterschiedlich und vielfältig sind auch die literarischen Formen. Das sehen wir als Bereicherung unserer Bücher an. Wir maßen uns nicht an, Änderungen an den Texten vorzunehmen, von gelegentlichen, platzbedingten Kürzungen abgesehen. Im Grundanliegen, ein wahrheitsgetreues Bild vom Leben in der DDR zu überliefern, stimmen wir mit allen Schreibern überein. Das schließt natürlich nicht aus, in Einzelfragen andere Auffassungen zu vertreten.

Bei aller Vielfalt mag mancher meinen, der Humor käme bei uns zu kurz. Viele Verfasser finden die Sache, um die es geht, so bedeutungsvoll, so ehrenwert, dass sie annehmen, Späße im Nachhinein darüber würden etwas vom Ernst, vom Mühevollen unserer gemeinsamen Anstrengungen nehmen. Aber glücklicherweise steckt der Humor zwischen manchen Zeilen, zumal man ja den DDR-Bürgern das Fröhlichsein nicht erst verordnen musste.

Es ist uns immer wieder eine Freude, wenn ein Brief, eine CD eintrifft. Dann ist Spannung angesagt, und Arbeit, viel Kleinarbeit: Absprachen, Telefonate, Briefe, und schließlich lange Stunden am Computer. Da kommt im Bekanntenkreis schon mal die Frage auf: Warum tut Ihr Euch das an? Da müssen wir ehrlich zugeben, dass sich da schon mal Mutlosigkeit einschleicht, kommen Zweifel über das richtige Verhältnis von Aufwand und der Wirkung, oder wenn es mit dem Satz nicht so richtig klappt.

Aber sechs Bände mit je über 400 Seiten in siebenjahren beweisen, dass wir unserem Ziel treu geblieben sind.

Der Verleumdung, der Herabwürdigung, der Falschdarstellung, der Entehrung des Bemühens der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, auf deutschem Boden menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen und Frieden zu bewahren, muss die Wahrheit entgegen gesetzt werden. Nicht nur die über Fünfzigjährigen, die freimütig bestätigen: ja, so war es, wollen wir ansprechen. Nicht nur unvoreingenommene Historiker wollen wir mit erlebten Fakten ausstatten, vor allem jungen Menschen wollen wir den kritischen Blick weiten gegen die Verdummung durch die Medien und die tendenziöse Beeinflussung durch die Bildungseinrichtungen. Wir wollen, dass nicht nur deutschlandweit erfahren wird, wie in diesem kleinen Land zwischen Oder, Elbe und Werra gelebt, gearbeitet, geplant, gestritten, gelacht und geliebt wurde. Ja, wie auch Fehler gemacht und Irrtümer begangen wurden. Aber noch nie hat es in Deutschland einer besser vorgemacht.

Dabei gibt es viel zu lernen aus dem, was uns gelungen ist, aus dem, was wir falsch gemacht haben. Denn dass es zum gegenwärtigen Kapitalismus keine Alternative geben soll, das wissen wir besser. Das wird eine sozialistische Gesellschaft sein. Für deren Aufbau gilt es viel zu lernen. In diesem Lernprozess sollen unsere Bücher nützlich sein.

Raute

Rezensionen

Maria Michel

Wahrheiten gegen Mythomanie

Detlef Joseph: "Die DDR und die Juden. Eine kritische Untersuchung - mit einer Bibliografie von Renate Kirchner",
Verlag Das Neue Berlin 2010, 399 S., brosch, ISBN 978-3-360-01990-5, 19,95 €


"Die DDR nachträglich zu beschuldigen, sie habe das Schicksal der jüdischen Menschen nach 1945 lange Zeit ignoriert, ist ungerecht und unwahr." Das schreibt der Autor auf S. 186 und beweist es mit diesem Buch. Um die verschwundene DDR zu delegitimieren, kommt die Lüge vom Antisemitismus im "Unrechtsstaat" gerade recht. Ralph Hartmann hatte sich bereits in seiner Broschüre "Die DDR unterm Lügenberg" mit anderen Unwahrheiten, Unterstellungen und Verfälschungen auseinandergesetzt.(1)

Detlef Josephs Werk kommt sehr zur rechten Zeit. Der Autor, viele Jahre Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, hat sich umfassend mit dem Vorwurf des Antisemitismus in der DDR auseinandergesetzt. Er untersucht, ausgehend von Marx und Engels, wie sich Antisemitismus äußert, was er bedeutet. Die Wanderausstellung "Das hat's bei uns nicht gegeben. Antisemitismus in der DDR" tourt durch die Bundesrepublik. Hier genügt es, "das Gefühl zu haben", der Antisemitismus sei "gerade auch in Ostdeutschland sehr tief verwurzelt" (S. 9). Beweise können dafür nicht erbracht werden. In der stalinistischen Periode der Fünfzigerjahre hatte es tatsächlich einen aus Moskau gesteuerten Antisemitismus in der SED gegeben, nicht im deutschen Volk, wie der damals in den Westen geflohene Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Julius Meyer bemerkt. Nach Stalins Tod 1953 endete diese Periode. Synagogen in Berlin, Leipzig und Magdeburg wurden restauriert, in Dresden und Erfurt wurden die Gotteshäuser mit staatlicher Unterstützung wieder errichtet.

Der Arzt Dr. Peter Kirchner war mehr als zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin. In einem Beitrag "Die Jüdische Gemeinde in der DDR" schrieb er: "In der sozialistischen Gesellschaft der DDR ist der Glaube Privatangelegenheit eines jeden Bürgers. Glaubens- und Religionsfreiheit sind verfassungsmäßig garantiertes Recht. So können sich auch die jüdischen Bürger nach freier Entscheidung zu ihrer Religion bekennen. Dank der Unterstützung seitens des Staates ist es möglich, die Einrichtungen der einzelnen Gemeinden zu erhalten und ein kulturelles Leben zu entwickeln. Die Bürger jüdischen Glaubens in der DDR verstehen sich als gleichberechtigte und gleich verpflichtete Bürger, die entgegen früherer Periode keinerlei Verfolgung, Diskriminierung und Zurücksetzung wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit oder aus anderen Gründen kennen. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass sie für sich keine Sonderrechte beanspruchen. Die einzige Ausnahme besteht in der besonderen Fürsorge des Staates, welche die jüdischen Bürger als anerkannte Opfer des Faschismus erfahren." (S. 67) Zu Schändungen jüdischer Friedhöfe erklärte er, man solle sich davor hüten, "das immer sofort als Antisemitismus anzusehen. Auf Friedhöfen anderer Religionen gibt es weit mehr derartige Dinge. Nur wir Juden reagieren immer sofort allergisch." (S. 49) Und Annette Leo schrieb 2001 in einem Aufsatz: "Schändungen jüdischer Friedhöfe waren in der DDR eher selten." (S. 218) Die eingangs erwähnte Ausstellung beschäftigt sich aber nur mit solchen Erscheinungen in DDR. Schändungen jüdischer Friedhöfe in der BRD werden nicht erwähnt. Es wird vielmehr behauptet, solche Schändungen hätten zur "Realität des SED-Regimes" gehört.

Leider gab es in DDR-Veröffentlichungen auch unüberlegte diffamierende Unkorrektheiten gegenüber den jüdischen Bürgern, die aber entschuldigend zurückgenommen wurden. Damit setzt sich der Autor ehrlich auseinander. Ebenso vermisst er eine Entschuldigung im Namen der DDR-Regierung für das durch Deutsche den Juden zugefügte Leid. Frau Bergmann-Pohl holte diese Entschuldigung im März 1990 nach und gedachte heuchlerisch der in der DDR "bedrückten und gequälten Juden". Detlef Joseph widerlegt die Behauptung, die jüdische Bevölkerung habe dort wegen des Holocaust nicht genügend Aufmerksamkeit erfahren. Und Peter Kirchner gestand 1995: "Ich bin mit diesen 40 Jahren nicht uneins. Einige sagen, sie hätten nur gelitten. Ich kann es nicht nur verurteilen. Das Zusammenleben war viel harmonischer, die Menschen waren herzlicher zueinander." (S. 90)

Nahezu lückenlos listet Detlef Joseph Publikationen über die Judenfrage in der SBZ/DDR auf und hebt die herausragende Rolle von Kunst und Literatur hervor. DEFA-Filme wie "Die Mörder sind unter uns", "Ehe im Schatten", "Affaire Blum", "Professor Mamlock", "Nackt unter Wölfen" u. a. nahmen die Menschen in der DDR mit großer Anteilnahme auf. Als einen Beweis dafür, dass die DDR nicht antisemitisch war, führt der Autor Heinrich Heine an, dessen Bücher in der Nazizeit verbrannt worden waren und dessen weltbekannte "Loreley" damals mit dem Vermerk "Verfasser unbekannt" versehen wurde. Zwanzig Jahre brauchte man, um der Universität in Düsseldorf den Namen "Heinrich Heine" zu verleihen; das geschah erst 1988. Während in der DDR Heine-Ausgaben erschienen, fehlte der Dichter in den ersten Nachkriegsjahren in den Lehrplänen der BRD.

Ein Kapitel des Buches setzt sich mit der vorgeblichen Identität von Antisemitismus und Antizionismus auseinander, ein weiteres behandelt ein brandaktuelles Thema: "Streitpunkte in den Jüdischen Gemeinden: Israel". Besonders empört hat mich der Abschnitt "Vom MfS beraubte tote Juden". Der Fund des Massengrabes 1971 in Jamlitz diente dazu, die DDR und die "Stasi" wüst mit der Unterstellung zu beschimpfen, sie habe den Opfern das Zahngold heraus gebrochen. Dass 577 jüdische Bürger dort von den Faschisten ermordet wurden, blieb dabei unerwähnt. Unerhört ist auch der Vergleich von Sicherheitsorganen der DDR mit Nazis, die es auch nicht "wesentlich anders" gehalten hätten. Wie kann man den Nazi Globke als Staatssekretär im Bundeskanzleramt unter Adenauer dulden und gleichzeitig der DDR verordneten Antifaschismus und immanenten Antisemitismus vorwerfen?

Eine Bibliographie von Renate Kirchner schließt das Buch ab. Über eintausend Publikationen über das jüdische Leben hat die Bibliothekarin aufgelistet. Sie erschienen in der Zeit von 1945 bis 1990 in DDR-Verlagen - im Aufbau-Verlag, im Dietz-Verlag, im Reclam-Verlag und anderen. Führt das nicht auch den Vorwurf des Antisemitismus in der DDR ad absurdum? Detlef Josephs Buch beinhaltet eine detaillierte und umfassende Auseinandersetzung mit dem Leben der jüdischen Bürger in der DDR. Detlef Joseph nutzt zahlreiche Quellen, studiert und interpretiert sie auf bewundernswerte Weise und stellt selbst gewissenhafte Recherchen an. Nicht nur dadurch fasziniert das Werk; es besticht auch durch eine saubere Lektoratsarbeit. Dafür gebührt dem Verlag Neues Leben eine große Anerkennung.

Es ist wohl allemal leichter, eine zweifelhafte Wanderausstellung zu besuchen, als zu diesem anspruchsvollen Band zu greifen. Ich wünsche dem Buch einen großen Leserkreis und danke dem Autor


Anmerkung:

(1) vgl. Maria Michel: Lüge 1 bis 10, Rezension im ICARUS 3/2007, S. 50

Raute

Eine wahrhaft allgemeine Duldung wird am sichersten erreicht, wenn man das Besondere der einzelnen Menschen und Völkerschaften auf sich beruhen lässt, bei der Überzeugung jedoch festhält, dass das wahrhaft Verdienstliche sich dadurch auszeichnet, dass es der ganzen Menschheit angehört.

Johann Wolfgang von Goethe

Raute

Marginalien

Adolf Eduard Krista

Nur eine Fabel

Ach hätten sie doch vorher den Reineke Fuchs gelesen, die DDR-Bürger, bevor sie narkotisiert wurden von hasserfüllten Gutmenschen, von den Konterrevolutionären in den Medien und den Dummrednern in Wirtschaft und Politik, viel wäre ihnen erspart geblieben: die ihnen seit zwanzig Jahren vorenthaltene Menschenwürde der Gleichen unter Gleichen.

Im fünften Gesang des Reineke hätten sie gelesen:

"Ich erinnerte mich der Frösche, deren Gequake
bis zu den Ohren des Herrn im Himmel gelangte;
Einen König wollten sie haben und wollten im Zwange
leben, nachdem sie die Freiheit in allen Landen genossen.
Da erhörte sie Gott und sandte den Storch, der beständig
Sie verfolget und hasst und keinen Frieden gewähret.
Ohne Gnade behandelt er sie, nun klagen die Toren.
Aber leider zu spät. Denn nun bezwingt sie der König.
Es wäre ein trauriger Wechsel, dachte ich bei mir."

Eine Fabel gewiss, nur eine Fabel, aber eine, die Wahrheit ausspricht und klüger macht. Nicht wie jene andere Fabel, der sie glaubten, der Fabel von den Brüdern und Schwestern. Und erschreckend, dass trotz der Tatsachen immer noch einige Träumer den fabulierenden Journalisten der Springer und Co, die noch oder schon wieder von blühenden Landschaften schwätzen, Gehör schenken.

Raute

Echo

Leserbrief

In Ihrem Heft 3-4/2006 hatte ich mich schon einmal mit einem Leserbrief zu Wort gemeldet und mich darüber gefreut, dass Sie ihn veröffentlicht haben. Meine Besuche in den neuen Bundesländern sind wegen meines fortgeschrittenen Alters relativ selten. Da ich aber vor kurzem in Berlin war, möchte ich als langjähriger Leser des ICARUS, der u. a. die Beiträge über die Kunst der DDR mit großem Interesse verfolgt, meine Freude darüber mitteilen, dass Walter Womackas Wandbild am Alexanderplatz restauriert wurde und sich im Stadtbild souverän behauptet und dass ich das Gemälde "Lob des Kommunismus" von Prof. Paris sehen konnte. Meine Frau hatte mich überredet, ins DDR-Museum zu gehen.

Als Germanist verstehe ich nicht allzu viel von bildender Kunst. Aber dieses Bild hat mich sehr beeindruckt, weil es das Gedicht Brechts nicht einfach illustriert, sondern in einer Art Szenenfolge räumlich und zeitlich auseinander liegende Ereignisse vereint. Ist das Zeigen dieser beiden Werke der hoffnungsvolle Beginn eines normalen Umgangs mit Kunst, die in der DDR entstand? Schade nur, dass das Bild von Ronald Paris in einer Gaststätte hängt. Es hätte einen besseren Platz verdient.

Dr. Paul Schneider per E-Mail


*


errata

Im Beitrag Irene Eckerts Die "Agonie der Friedensbewegung überwinden ..." hat sich bei der redaktionellen Bearbeitung auf S. 31 ein Satz ergeben, den die Autorin nicht anerkennt. Sie schreibt dazu: "Die offene Wunde Nah-Ost-Konflikt, wie Chomsky ihn einmal bezeichnete, ist ein schwärender Eiterherd, der auch für den radikal-islamischen Terrorismus und den weltweiten Kampf gegen ihn herhalten muss. Sie missbrauchen mein Vertrauen und fälschen den Gedanken, so dass er sich so anhört: Die offene Wunde Nah-Ost-Konflikt, wie Noam Chomsky sie einmal bezeichnete, ist nicht verheilt. Radikalislamischer Terror ist dafür Beleg. Nie und nimmer hätte ich so etwas geschrieben. Ich halte es so formuliert für gefährlichen Unsinn."


Die im ICARUS 3/2010, S. 11 vorgestellte "Wortmeldung zum 20. Jahr der größer gewordenen Bundesrepublik" ist ein ausschließlich von ihren Erstunterzeichnern autorisierter Text. Das OKV ist nicht, wie man aus der Autorenzeile schließen könnte, der Verfasser.


*


Aphorismen

Die weißen Flecken sind von den Landkarten verschwunden. Sie siedelten in die Geschichtsbücher über.
Jerzy Lec

Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete. Er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht.
Ludwig Feuerbach

Meine Güte, morgen werden wir ohnehin alles Lesenswerte nur noch in Antiquariaten und Bibliotheken auftreiben.
Botho Strauß

Humanitäre Katastrophen gibt es nicht. Denn humanitär heißt: menschenfreundlich, wohltätig. Es gibt aber humanitäre Politiker, die eine Katastrophe sind.
Daniela Dahn

Wir werden ihnen nur ein bisschen mit dem Finger drohen, sagte er und legte diesen an den Abzug.
Jerzy Lec

Ich bin mir nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.
Albert Einstein

Wer Besitz anhäuft, der will dauern, der findet sich nicht damit ab, dass alles nur seine Zeit hat.
Siegfried Lenz

Der größte Teil der kulturellen Produktion der letzten Jahrzehnte wäre durch einfaches Turnen und zweckmäßige Bewegung im Freien mit großer Leichtigkeit zu verhindern gewesen.
Bertolt Brecht

Ein paar Gedanken wird man mit ins Grab nehmen müssen. Auf alle Fälle.
Jerzy Lec

Das Leben nimmt dem Menschen sehr viel Zeit weg.
Jerzy Lec

Es gibt Leute, die können alles glauben, was sie wollen. Das sind glückliche Geschöpfe.
Georg Christoph Lichtenberg

Gib acht, dass du nicht unter das Glücksrad eines anderen gerätst.
Jerzy Lec


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:
Ralf-Alex Fichtner, Finelinerzeichnung, laviert, 14,8 x 21 cm

Raute

Klaus Georg Przyklenk

Christophorus

Zu unserem Titelbild

"Christophorus, St. (Christophorus griech. = Christus tragend) war ein heidnischer Mann von riesigem Körperbau. Er hatte sich vorgenommen, nur dem stärksten Herrn auf Erden zu dienen. So trat er in den Dienst des Kaisers Philippus, doch (... später, nach mehreren missglückten Versuchen, den Stärksten zu finden) sah er an einem Fluss ein kleines Knäblein. Das nahm er auf den Rücken und schritt durchs Wasser ... Drüben erklärte ihm das Kind, dass er jetzt den mächtigsten Herrn der Welt getragen, Christus ... Christophorus gehört zu den vierzehn Nothelfern. Man sagt, wer das Bild des Heiligen gesehen, an diesem Tag nicht sterben werde."(1)

Das ist er, der Heilige. Aber den hat Horst Sakulowski mit Gewissheit nicht gemalt. Er ist kein Hüne. Der, den er trägt, ist nicht der Mächtigste der Welt. Er trägt einen, der Opfer ist wie er selbst. Er trägt ihn auch nicht. Dazu reichte seine Kraft nicht. Er zerrt ihn mit sich. Irgendwohin ins Dunkle, durch unkenntlichen Morast, ohne Ahnung eines Ufers, auf dem beide nicht mehr versinken könnten. Er lässt ihn nicht zurück. Das ist kein Tragen.

Und nirgendwo ein Ziel. Die Welt ist finster, ohne Licht eines Morgens, der doch anbrechen muss. Doch, ein Licht ist da, ein gnadenlos heller Scheinwerfer reißt das Bild der beiden Menschen aus der Dunkelheit, macht ihre Fesseln sichtbar, ihr Geschunden-sein und wie nebenbei, also selbstverständlich, auch den roten Winkel. Den hatten die Faschisten ihren politischen Gegnern auf die Häftlingskleidung nähen lassen.

Die Guten also, die dem Bösen zu entkommen suchen? Nein, das ist nicht das Bild. Das kennt kein Gutes an sich und nicht das Böse. Beides hat sehr genau gemalte Gestalt angenommen. Nicht Barmherzigkeit tritt ins Bild, sondern Solidarität, von der Che Guevara mal gesagt hat, Solidarität sei die Zärtlichkeit der Völker.

Genau bezeichnet, und von Sakulowski kann man berechtigt sagen, genau gezeichnet, ist alles, was diese beiden an Qual und Leid erfahren haben. Sie haben deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert ertragen müssen. Sie haben die Herrschaft der faschistischen Eliten bis in diese Finsternis überlebt. (Eliten sagt man heute schon mal, wenn man eigentlich von der Herrschaft einer Klasse sprechen müsste.)

Die Dunkelheit, die der Maler um beide hüllt, bietet Ungewissheit nur, noch kein gewisses Überleben. Das ist noch kein Sieg, das ist nur der Kampf zweier Schwacher, von denen der eine den anderen nicht im Stich lässt. Und ist deshalb Stärke, ist Vertrauen in die gemeinsame Kraft der Schwachen.

Ist das christlich-abendländische Kunst? Was sie mitteilt, hat wenig zu tun mit einem Glauben an einen allgewaltigen, gütigen Gott. Sie kündet eher vom Auf-sich-selbst-gestellt-sein der Menschen.

Aber es ist auch eine Kunst, die ohne das Vorbild tiefgläubiger Maler des deutschen Mittelalters nicht herleitbar ist. Ohne einen Mathias Grünewald, ohne dessen gewaltigen Aufschrei in den Farben des Isenheimer Altars, ohne dessen verstörende Gequältheit der menschlichen Leiber, ohne dessen besessene Zeichenstiftarbeit fällt es schwer, sich die Erlebnisse des Malers Sakulowski bei der Suche nach einem Ort für seine Kunst vorzustellen.

Grünewald, das sind die Schultern, auf die er sich gestellt hat. Ein Traditionalist also, der die Kunstentwicklung an sich vorbei gehen ließ? Nein, wahrhaftig nicht. Aber einer, der nicht darauf verzichtet hat, wirken zu wollen, der was zu sagen hat. Einer, der das Leben aufgenommen hat, um es zu malen. Keiner, der nur malt, um dann zu sagen, das war das Leben.

Dass er diese genaue Sprache im 20. Jahrhundert zu der seinen machte, hat ihn für den bürgerlichen Kunstbetrieb zum Außenseiter, für sein Publikum in der DDR zu einem ernst genommenen Zeitzeugen gemacht. Sein altmeisterliches Gestalten ist ja kein Selbstzweck. Anna Seghers meinte, das Neue in der Kunst sei immer die Zeit, die es darzustellen gälte, nicht die Form. Die könne sich ändern, nur nicht das Neue sein. In dem Sinne ist Horst Sakulowski ein Neuer, der bei alten Meistern gelernt hat.


Anmerkung:

(1) Liefmann, M.: Kunst und Heilige - Handbuch, Jena 1912, S. 52/53


*


Icarus

Seit meiner Studienzeit praktiziere ich als Kleinkunst die Neujahrsgrafik. So war 2008 mein Thema die bekannte Ikaruslegende. Zur inhaltlichen Umsetzung waren mir die Verwendung von Naturmaterialien und ihre Strukturen wichtig. Zu deren drucktechnischer Realisierung diente mir die Technik der Radierung.
Hubertus Blase

Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen der Originalpublikation:
Hubertus Blase "Ikarus" Radierung 97 x 153 mm aus dem Jahre 2008

Raute

Unsere Autoren:

Peter Arlt, Prof. Dr. - Kunsthistoriker, Gotha
Hanna Behrend, Dr. - Amerikanistin, Berlin
Fritz Böhme, Dr. - Kulturwissenschaftler, Berlin
Georg Grasnick, Prof. Dr. - Politologe, Berlin
Bernd Gutte - Kulturwissenschaftler, Görlitz
Gerlind Jäkel - Pädagogin, Potsdam
Lorenz Knorr - Publizist, Frankfurt/M
A.-Eduard Krista - Diplomjurist, Worbis
Maria Michel - Kunsterzieherin, Berlin
Peter Michel, Dr. - Kunstwissenschaftler, Berlin
Harald Nestler - Handelsrat a. D., Berlin
Maus Georg Przyklenk, Dr. - Ikarus-Redakteur
Wolfgang Richter, Prof. Dr. - Philosoph, GBM-Vorsitzender, Wandlitz
Horst Schneider, Prof. Dr. - Historiker, Dresden
Helmut Semmelmann - Mitglied des EPF, Berlin
Rolf Sieber, Prof. Dr. - Ökonom, Botschafter a. D., Berlin
Peter Steglich - Botschaftler a. D., Berlin
Velkov Valkanov, Prof. - Vorsitzender des Bulgarischen Friedensrates, Sofia


*


Titelbild:
Horst Sakulowski "Christopherus", 1987, Öl/Hartfaser 142 x 124 cm, Kunstsammlung Gera
2. Umschlagseite:
Ronald Paris, Ikarus, 1995. Federzeichnung
Rückseite des Umschlages:
Hubertus Blase "Ikarus", 2008 Radierung


Abbildungsnachweis:
Archiv Przyklenk, S. 5, 17, 20, 22 (2), 23 (2), 24, 30 (2), 34 (2), 41, 51
Hubertus Blase, 4. US
Dietz-Verlag, S. 33
Ralf-Alex Fichtner, S. 52
Förster & Börries,Titelseite GNN-Verlag, S. 47
Homilius-Verlag, S. 45
Nestler/Semmelmann, S. 12 (3), 13
Gabriele Senft, S. 26 (2), 27, 28, 29 (2), 31, 38, 40
Siedler-Verlag, S. 43
Verlag Das Neue Berlin, S. 49


*


Impressum

Herausgeber: Gesellschaft zum Schutz von
Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.
Weitlingstraße 89, 10317 Berlin
Telefon: 030/5578397
Fax: 030/5556355
Homepage: http://www.gbmev.de
E-Mail: gbmev@t-online.de
V.i.S.d.P.: Wolfgang Richter
Begründet von:
Dr. theol. Kuno Füssel,
Prof. Dr. sc. jur. Uwe-Jens Heuer,
Prof. Dr. sc. phil. Siegfried Prokop,
Prof. Dr. sc. phil. Wolfgang Richter

Redaktion:
Dr. Klaus Georg Przyklenk
Puschkinallee 15A, 15569 Woltersdorf
Tel.: 03362/503727
E-Mail: annyundklausp@online.de

Layout: Prof. Rudolf Grüttner
Satz: Waltraud Willms
Redaktionsschluss: 8.11.2010

Verlag:
GNN Verlag Sachsen/Berlin mbH Schkeuditz
ISBN 978-3-89819-356-6

Die Zeitschrift ICARUS ist das wissenschaftliche und publizistische Periodikum der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.; sie erscheint viermal jährlich und kann in der Geschäftsstelle der GBM, Weitlingstraße 89, 10317 Berlin abonniert bzw. gekauft werden. Ihr Bezug ist auch unter Angabe der ISBN (siehe weiter oben) über den Buchhandel möglich. Der Preis beträgt inkl. Versandkosten pro Heft 4,90 EUR für das Jahresabonnement 19,60 EUR.

Herausgeber und Redaktion arbeiten ehrenamtlich. Die Redaktion bittet um Artikel und Dokumente, die dem Charakter der Zeitschrift entsprechen. Manuskripte bitte auf elektronischem Datenträger bzw. per E-Mail und in reformierter Rechtschreibung. Honorare können nicht gezahlt werden. Spenden für die Zeitschrift überweisen Sie bitte auf das Konto 13 192 736, BLZ 10050000 bei der Berliner Sparkasse. Helfen Sie bitte durch Werbung, die Zeitschrift zu verbreiten.


*


Quelle:
ICARUS Nr. 4/2010, 16. Jahrgang
Herausgeber:
Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.
Weitlingstraße 89, 10317 Berlin
Telefon: 030 - 557 83 97, Fax: 030 - 555 63 55
E-Mail: gbmev@t-online.de
Internet: http://www.gbmev.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2011