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IZ3W/293: Rezension des Buches "Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond."


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 334 - Januar/Februar 2013

Rezension
Diaspora in Deutschland

von Rosaly Magg



Hamburg, 22. August 1980: Ngoc Nguyen und Anh Lân Dô sterben durch einen Brandanschlag der Deutschen Aktionsgruppe um den Rechtsextremisten Manfred Roeder auf ein Hamburger Flüchtlingsheim. Sie gelten heute als die ersten Mordopfer mit einem rassistischen Tathintergrund seit 1945. Sie sind nur zwei der unsichtbaren Opfer einer marginalisierten Geschichte in Deutschland.

Vor diesem Hintergrund und im Gedenken an das anti-vietnamesische Pogrom in Rostock-Lichtenhagen vor zwanzig Jahren entfaltet Kien Nghi Ha seine Einleitung zum Sammelband Asiatische Deutsche - Vietnamesische Diaspora and Beyond. Ha benennt die rassistische Gewalt in Deutschland, betont aber auch, dass die Gesellschaft »nicht statisch ist und die soziale Entwicklung der Realität voranschreitet«. Deshalb stehen in diesem Buch am Beispiel der vietnamesischen Migration in Deutschland die transnationalen Bewegungen im Vordergrund.

Während die deutsche Migrationsforschung Einwanderungsprozesse vor allem aus der Perspektive des Nationalstaates betrachtet, rücken Ha und die rund zwanzig weiteren AutorInnen diasporische Ansätze rund um migrantische Subjekte, Communities und Netzwerke ins Zentrum. Das ist gut so, denn es führt zu einem Perspektivwechsel, zu Pluralisierung und De-Nationalisierung. Diasporische Ansätze machen die Vorstellung von Heimat und Fremdsein, von Norm und Abweichung brüchig und verändern somit das Selbstverständnis der Gesellschaft grundlegend - jenseits von Diskussionen um Multikulti oder ideologischen Kampfbegriffen wie »Deutschenfeindlichkeit«.

Auch formal ist dieser Sammelband anders. Er spielt mit unterschiedlichen Text- und Bildformaten, empirische Untersuchungen reihen sich an Fotointerviews, Gespräche und Reportagen. Gleich zu Beginn steht Trinh T. Minh-Has »Akustische Reise« durch die Migrationsgeschichte des 20. Jahrhunderts: »An den Grenzen zu leben heißt, sich dauernd auf einem schmalen Grat zu bewegen, einen Standpunkt entweder einzunehmen oder zu verlassen.« Die Autorin beschreibt dieses Dazwischen meisterlich anhand verschiedener literarischer Zugänge. Identität, Rückkehr, Ankunft und Herkunft werden dabei hinterfragt.

»Asiatische Deutsche« ist ein weit gefasster Begriff, er verweist auf Einschlüsse und Ausschlüsse. Heutzutage ist der Begriff der Diaspora en vogue, denn er beschreibt die Zerstreuung von MigrantInnen fern der Heimat. Aber Diaspora ist mehr, sie lokalisiert Erfahrungen von Ausschluss, Identifikation, Zugehörigkeit und Exklusivität neu. Die AutorInnen dieses Sammelbandes verstehen es, Diasporen im Spannungsfeld zwischen Nationalismus und transnationalen Bezügen zu beschreiben - theoretisch fundiert und praktisch verortet.


Kien Nghi Ha (Hg.):
Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond.
Assoziation A, Berlin/Hamburg 2012. 344 Seiten, 18 Euro.

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 334 - Januar/Februar 2013


Antiziganismus
Vergangenheit und Gegenwart

Ressentiments bis hin zu Rassismus finden sich historisch wie aktuell in der Rede über die »Zigeuner« und in der undifferenzierten Wahrnehmung eines »Sinti- oder Romaproblems«. Im institutionellen Alltag und in individuellen Begegnungen erwächst aus Vorurteilen und Rassismen eine konkrete Diskriminierungspraxis. Im Themenschwerpunkt fragen wir nach den Ursachen, Auswirkungen und Erscheinungsformen der antiziganistischen Zustände in Europa.

Dieser Themenschwerpunkt ist keiner über Roma, Sinti, Jenische oder Travellers. Es geht nicht darum, wie »sie« leben, wie sie »wirklich« sind. Ohnehin gibt es nicht »die« Roma und »die« Sinti, mit diesen Bezeichnungen werden sozial, politisch und kulturell heterogene Gruppen zusammengefasst. Der Themenschwerpunkt handelt vielmehr von der Mehrheitsgesellschaft, genauer gesagt: Vom Ressentiment der Mehrheit gegenüber einer Minderheit. Anders gesagt: In diesem Themenschwerpunkt erfahren wir etwas über »uns«, nicht über »sie«.

Erfreulicherweise ist es gelungen, einige Unterstützung für diesen Themenschwerpunkt und die dazugehörige Veranstaltungsreihe in Freiburg zu gewinnen. Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Stiftung :do, bei der Amadeu Antonio-Stiftumg und beim EPIZ Reuttlingen.


Editorial

POLITIK UND ÖKONOMIE

Nahostkonflikt I: Der arabische Frühling und der israelische Feind.
Kommentar von Abdulateef Al-Mulhim

Nahostkonflikt II: Das Ende von Bitterlemons.net.
Warum wir aufhören. Von Ghassan Khatib
Die Kurve des Pendels von Yossi Alpher

Iran: Ein kategorischer Imperativ
Das iranische Regime und das Versagen vieler Linker
von Stephan Grigat

Mali: Gefährliche Vereinfachungen
Die Militarisierung europäischer Entwicklungspolitik
von Stefan Brocza

Senegal: »Barcelona oder Sterben«
Interview mit Moussa Sène Absa über seinen Film »Yoole« und die Migration von Jugendlichen

Venezuela: Kommune oder Staat?
Zwischen regionaler Selbstverwaltung und Zentralismus
von Michael Karrer


SCHWERPUNKT: ANTIZIGANISMUS

Editorial: Die Aktualität des Antiziganismus

Europa erfindet die Zigeuner
Die dunkle Seite der Moderne
von Klaus-Michael Bogdal

Bis zum Völkermord
Antisemitismus und Antiziganismus
von Wolfgang Wippermann

»Zu Sündenböcken gemacht«
Interview mit Romani Rose über die Aktualität des Antiziganismus

Inszenierte Wildheit
Antiziganismus im geschlechterspezifischen Kontext
von Felia Eisenmann

Als Kollektiv definiert
Risiken und Nebenwirkungen einer Aufklärungspädagogik gegen Antiziganismus
von Albert Scherr

»Nicht nur die EU-Politik ist falsch«
Interview mit Valeriu Nicolae zu europäischen Strategien gegen Antiziganismus

Die Stille durchbrechen
Ein biografischer Bericht zur Lage der Roma und Sinti in Italien
von Paolo Finzi

Antiziganismus ist Mainstream
Roma werden von Ungarns Rechtsregierung systematisch diskriminiert
von pusztaranger

Aufgeklärte Vorurteilsforschung
Ein Buch über die Armut der Roma in Südosteuropa
von Winfried Rust

Kampf um Entschädigung
Eine Studie über Sinti und Roma nach dem Nationalsozialismus
von Tobias von Borcke

»Wir sind mehr als ausgelastet«
Interview mit Walter Schlecht über praktische Solidarität
Kultur und Debatte

Burkina Faso: »Eine Revolution vom Volk für das Volk«
Thomas Sankaras Linksregime zwischen Mythos und Wirklichkeit
von Martin Bodenstein

Comic: »Es hat mir den Kopf geöffnet«
Interview mit Pti' Luc über afrikanische Comics

Rezensionen

Szene/Tagungen

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Quelle:
iz3w Nr. 334 - Januar/Februar 2013, Rezensionen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2013