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KAZ/138: Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals in höchster Gefahr


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 328, September 2009
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals in höchster Gefahr


Am 23. August 2009 fand in Ziegenhals die Kundgebung zum 65. Todestag des Genossen Ernst Thälmann statt. Sie war gleichzeitig eine Protestkundgebung gegen den drohenden Abriss dieser national und international so bedeutenden Gedenkstätte. An diesem Ort fand die illegale Sitzung des ZKs der KPD unter Leitung von Ernst Thälmann statt. Auf ihr wurden die Weichen gestellt für den heldenhaften Widerstand der deutschen Kommunisten gegen das am 30. Januar errichtete Naziregime.

An der Kundgebung nahmen über 500 Antifaschisten aus dem In- und Ausland teil. In der nachstehend dokumentierten Rede gibt der Vorsitzende des Freundeskreises "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e.V./Ziegenhals Aufschluss über den Stand der Auseinandersetzung um den Erhalt der Gedenkstätte, die für alle Demokraten, Antifaschisten und Kommunisten ein Bezugspunkt für den Widerstand heute ist, gegen Geschichtsrevisionismus und gegen die Verhöhnung der besten Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung.


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste, ich begrüße Euch herzlich im Namen des Freundeskreises ETG Ziegenhals zu unserer heutigen internationalen Protest- und Gedenkkundgebung anlässlich des 65. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns. Es fanden wieder viele Ehrungen statt: in Berlin, Dresden, Frankfurt/Oder, Hamburg, Herzberg/Elbe, Stralsund und anderen Städten.

Freunde und Sympathisanten aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland sind heute hier erschienen. Ganz besonders freuen wir uns über die Gäste aus Tschechien, Österreich und Russland.

Zum heutigen Ablauf: ich werde im Namen des Freundeskreises reden, im Anschluss daran wird heute sprechen:

Bärbel Schindler-Saefkow (Tochter von Anton Saefkow),

dann wird Ringo Ehlert (von der FDJ Berlin) sprechen.

Leider musste heute Günter Pappenheim (Vizepräsident des Internationalen Buchenwald-Komitees) aus gesundheitlichen Gründen absagen.

Es wird dann Prof. Dr. Gerhard Fischer (Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, VVN-BdA) sprechen. Es wird dann Eva Ruppert die Rede des Pariser Freunds und Gen. Rene Lefort (Internationales Solidaritätskomitee) verlesen, der leider heute nicht aus Frankreich anreisen konnte.

Nach ihm wird der tschechische Freund Jiri Pokorny (tschechische Sektion des RFB) sprechen.

Und zum Schluss unserer Kundgebung wird der Freund und Gen. Romanow (kommunistischer Abgeordneter in der russischen Duma) aus Moskau reden.

Ich möchte im Anschluss daran eine Erklärung der Teilnehmer dieser Kundgebung verlesen.

Kurz zum Ort unserer Kundgebung: Hier auf dem Ehrenhof zu stehen, könnte einem wie eine Henkersmahlzeit vorkommen. Wir wollten jedoch nicht darauf verzichten, unsere Kundgebung hier abzuhalten. Wir fragten im Vorfeld der Vorbereitungen des 65. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns bei der Stadt KW an. Diese übernahm den Ehrenhof vom Eigentümer und stellt ihn uns heute zur Verfügung. Wir empfinden es als eine Selbstverständlichkeit, dass wir hier den Ehrenhof nutzen können. Aber über Selbstverständlichkeiten zu reden, im Zusammenhang mit Ziegenhals, das verbietet sich schon seit langer Zeit. Der Zustand des Ehrenhofs - seht selbst - heruntergekommen, ungepflegt. Wir haben nichts daran geändert, damit alle sehen, wie der Ministerialbeamte hier mit dieser Mahnstätte umspringt.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

ich möchte gerne drei Solidaritätsschreiben an den Anfang stellen, die exemplarisch sind für die vielen, die uns wieder erreichten, aber auch exemplarisch sind für die Ausstrahlungskraft dieser Gedenkstätte.

Der Landesvorstand Brandenburg der Partei Die Linke schreibt in einer Erklärung vom 19. August zur Ernst-Thälmann-Gedenkstätte: "Sie soll am authentischen Ort verbleiben. Wir verurteilen die Privatisierung eines Denkmals und den geplanten Abriss der Gedenkstätte. Der Landesvorstand der Partei DIE LINKE wird sich weiterhin dafür einsetzen diese Gedenkstätte zu erhalten. Wir sind es Menschen wie Erst Thälmann und seinen Genossen schuldig."

Über diese Erklärung haben wir uns sehr gefreut. Wir denken und hoffen, dass wir aufgrund dieser deutlichen Erklärung nun auf Landesebene und vor allem im Landtag noch mehr Druck aufbauen können, der einen Abriss verhindern kann.

Ein weiteres Schreiben hat uns erreicht, aus Italien. Es ist verfasst von der Nationalen Vereinigung der ehemaligen Deportierten in den Nazi-Konzentrationslagern (ANED). Ich verlese die Übersetzung:

"Die derzeitigen Vorgänge um die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals sind empörend. Für uns italienische Antifaschisten, die die Hölle von Deportation und KZ selbst erlebt haben, verbindet sich mit dem Namen von Ernst Thälmann Hoffnung. Hoffnung, dass es über das Deutschland hinaus, das uns soviel Leid zugefügt hat, ein anderes Deutschland gibt. Schon allein aus diesem Grund muss die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals unversehrt erhalten bleiben und in würdigem Zustand wieder hergestellt werden."

Der Theologe Eberhard Przyrembel (Mitglied des Versöhnungsbundes, Mitglied bei bei Pax Christi und im Friedens Forum Duisburg) schreibt:

"Für mich steht fest, Ernst Thälmann war von seiner Herkunft her unbeirrbar ein Kämpfer für die Rechte der Arbeiter. Er wurde gleich zu Beginn des Dritten Reiches gegen alles Recht eingesperrt und nach langer Haft und Folterung am 18. August 1944 im KZ Buchenwald ermordet. Sein Name darf nicht aus dem Gedächtnis der Deutschen getilgt werden."

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

diese antifaschistische Gedenkstätte soll vernichtet werden. Das Andenken an Ernst Thälmann und seine Genossen soll ausgelöscht werden. Wir halten dem entgegen - auch ganz im Sinne der drei exemplarischen Erklärungen: diese Gedenkstätte verdient es, zu einer nationalen Mahn- und Gedenkstätte erhoben zu werden. Als viele resignierten und den Mut verloren, angesichts des 30. Januar 1933, als sich noch viele Illusionen machten über die faschistische Diktatur, da waren es - und ich spreche hier eine einfache historische Wahrheit aus - da waren es niemand anderes als die deutschen Kommunistinnen und Kommunisten, - als erste deutsche Partei der Weimarer Republik, die sofort und entschlossen zum Sturz der Hitlerregierung aufriefen. Dieses Signal zur Einheitsfront aller Antifaschisten kam hier aus Ziegenhals und es hallte durchs ganze Reich. Der, der dieses Signal in Worte fasste, war der Transport- und Hafenarbeiter Ernst Thälmann, der Parteivorsitzende der deutschen Kommunisten.

Dieses Signal von Ziegenhals ist heute so aktuell wie es erfrischend ist.

Aktuell, weil es von uns heute fordert, die Lehren zu ziehen. Die wichtigste Lehre: Antifaschisten, Demokraten gemeinsam Schulter an Schulter gegen die Faschisten, unabhängig von Parteibuch, Herkunft, Alter. Nur gemeinsam können wir ein neues '33 verhindern. Erfrischend ist Ziegenhals, weil es eine Quelle von Kraft ist. Wer in dunkelster Zeit unter größter Gefahr so klar die Lage einschätzen kann, wer so klar Orientierung geben kann, wie der Faschismus bekämpft werden muss, wer so klar sagen kann, was nach dem Faschismus kommen kann, verdient nicht nur unseren Respekt, sondern verdient, dass wir uns vorbehaltlos für dieses Vermächtnis einsetzen, dass wir für seine Verbreitung kämpfen und dass wir es im Sinne des Schwurs von Buchenwald umsetzen: Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Das Signal von Ziegenhals soll ausgelöscht werden. Das ist eine große Schande.

Gerade jetzt angesichts von Weltwirtschaftskrise, von wachsender Kriegsgefahr, wachsender Faschismusgefahr müssen wir um so mehr darauf achten, dass wir unsere Vorkämpfer und Lehrer für eine bessere Welt, jenseits von Krise und Krieg, verteidigen, ihre Schriften studieren und ihre Ideen in die Tat umsetzen.

Thälmann selbst hat doch so gehandelt: als Soldat im Ersten Weltkrieg hat er die Kriege hassen gelernt und die Losungen aufgenommen: "Krieg dem Krieg" und "Keinen Mann und keinen Groschen diesem System". Als Arbeiter hat er die Ausbeutung selbst erlebt und den Kampf gegen Unterdrückung zu seiner Lebensmaxime gemacht. Das gilt in erster Linie auch für seinen Antifaschismus. Wer hat die Lehren von 1933 gezogen? Ich richte diese Frage an Funktionsträger und an den Vorsitzenden der SPD in Brandenburg, an den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Eines möchte ich hier sofort klarstellen: ich richte diese Frage nicht an alle Sozialdemokraten. Denn denen, mit denen wir gemeinsam gegen die Faschisten kämpfen, mit denen wir gemeinsam um den Erhalt und die Wiedereröffnung der ETG gekämpft haben und kämpfen werden, diesen Genossinnen und Genossen brauche ich diese Frage nicht zu stellen. Die Courage, die sie täglich beweisen, verbietet das.

Aber es gibt auch andere in der SPD, ihnen liegt weniger an Courage, sondern mehr an Opportunismus und der zeichnet sich durch Zurückweichen vor unserem gemeinsamen Feind aus. Herr Platzeck, sie haben Augen, Ohren und Mund verschlossen, obwohl tausende Briefe sie erreicht haben, obwohl Widerstandskämpfer an sie geschrieben haben, obwohl Antifaschisten aller Weltanschauungen und Alters sich eindringlich an sie gewandt haben. Selbst die Proteste aus dem Ausland liegen sie kalt. Insbesondere die Proteste der russischen Duma-Abgeordneten. Sie zogen es vor, all diese Proteste für den Erhalt der Gedenkstätte zu ignorieren. Sie antworteten noch nicht einmal auf unsere Einladung für heute. Haben Sie soviel Angst vor diesen Briefen, dass Sie ihnen nur mit Schweigen begegnen können? Ich möchte Sie daran erinnern, dass Kommunisten und Sozialdemokraten vor 1933 getrennt marschierten und nur vereinzelt, regional gemeinsam kämpften. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Kommunisten und Sozialdemokraten nach 1933 vereint waren: vereint unter dem Beil des Hakenkreuzes, zusammengepfercht in den Lagern und Gefängniszellen der braunen Mörder. Jetzt lassen Sie zu, dass diese antifaschistische Gedenkstätte vernichtet werden soll. Jetzt lassen Sie zu, dass eine Gedenkstätte zerstört werden soll, die denen gewidmet ist, die an der Seite ihrer eigenen Genossen hingemordet wurden.

Glauben Sie, dass die Nazis zwischen uns unterscheiden? Die Überfälle auf Genossen ihrer Partei, auf Gewerkschafter, aber auch auf SPD-Veranstaltungen, Gewerkschaftshäuser zeigen dies doch mehr als deutlich. Jetzt noch steht diese Gedenkstätte, zeigen Sie uns durch die Tat, dass Sie aus der Geschichte gelernt haben, zeigen Sie uns dass sie es mit Antifaschismus Ernst meinen. Hier und jetzt haben Sie die Möglichkeit dazu! Sie sind der politische Verantwortliche in Brandenburg. Sie sind auch verantwortlich für das, was ihre Beamten und eben auch jener Ministerialbeamte mit dem Posten der Oberen Bauaufsicht macht. Und kommen Sie uns nicht mit privaten Angelegenheiten, unsere große und internationale Präsenz allein heute zeigt, dass große öffentliche Interesse an dieser antifaschistischen Stätte. Wie wir erst jetzt erfahren haben ist, ich zitiere die lunge Welt, "Herr Gröger" Mitglied ihrer Partei, Herr Platzeck. Damit hätten wir tatsächlich nicht gerechnet. Wir dachten jener, der aus Bayern kam - aus dem Land der CSU-Amigos - dass jener von seinem ganzen arroganten Auftreten und seinem tiefen Antikommunismus doch eher Parteifreund eines Herrn Schönbohms oder einer Frau Kultusministerin Wanka ist. So kann man sich irren. Jetzt stellt sich heraus, er gehört der SPD an. Wahnsinn sage ich da nur.

Liebe Genossinnen und Genossen der SPD, und ich meine die mit Courage. Lasst Euch das nicht gefallen, lasst Euch solche Leute in Eurer Partei nicht gefallen. Aber es geht ja noch weiter: Der direkte Vorgesetzte im Bauministerium von, ich zitiere das ND, "Herrn Gröger" ist der Minister Reinhold Dellmann - ein Mitglied der SPD.

Auch er schwieg und blieb untätig, trotz all der Proteste. Der Landrat des Kreises Dahme-Spree, Martin Wille, der im Februar 2005 eine Abriss- und Baugenehmigung erteilte ist ebenfalls ein Mitglied der SPD. Stephan Loge der damalige Vize-Landrat und seit 2008 neuer Landrat hat wiederum eine Abrissgenehmigung erteilt! Welcher Partei gehört er an? SPD.

Liebe Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands:

Statt zu sagen: Unsere gemeinsamen Wurzeln in der Arbeiterbewegung verpflichten uns zur Erhaltung dieser Gedenkstätte, sind Leute aus Eurer Partei maßgeblich an der Schande, die jetzt vorbereitet wird, mitbeteiligt. Lasst diese Schande nicht zur Wirklichkeit werden. Fordert Eure Genossen Minister und Beamte und Euren Vorsitzenden auf, aus der Geschichte zu lernen und den Graben endlich zuzuschütten, der uns trennt. Ziegenhals zu retten, wäre ein sehr guter Anfang dafür! Helft mit, dass die Abrissgenehmigung zurückgezogen wird. Helft mit, dass der Ministerpräsident endlich eingreift und zwar positiv. Macht Euren Genossen Dampf, bevor die Empörung sich im Wahlkampf laut Luft macht und dann die ganze Partei und damit jeden Sozialdemokraten trifft.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

so viele Jahre haben wir gekämpft. Was haben wir bezüglich Ziegenhals nicht schon alles erlebt. Treuhand, Ausschreibung, Auktion, Schließung der Gedenkstätte, Unrecht, Rechtsverdrehungen, Aktenfetischisten, die noch nie selbst diese Gedenkstätte betraten, man wollte und will uns ausbooten. Uns, denen diese Gedenkstätte tatsächlich in treue Hände gelegt wurde, mit Mitgliedern, die über das Fachwissen über jedes Detail der Gedenkstätte und über jedes Ausstellungsstück verfügen. Mit Liebe und Herzblut haben wir uns immer für diese Gedenkstätte eingesetzt. Wo bleiben da eigentlich die Auszeichnungen für ehrenamtliche Arbeit?

Wo bleiben die Millionenspenden oder Fördermittel des Landes oder des Bundes, die anderen Gedenkorten zu Teil werden? Wir müssen jetzt gegen die Vernichtung dieser international bedeutenden Gedenkstätte kämpfen.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

diese Vernichtung ist sanktioniert und legitimiert.

Die Auflagen, die 2005 mit der Abrissgenehmigung erteilt worden und gegen die der Eigentümer klagte, wurden jetzt in einem gerichtlichen Vergleich Ende Mai geregelt.

Damit haben OVG und Landrat auf der Grundlage des brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes den Weg frei gemacht für den Abriss. Übrigens: der Denkmalschutz gilt bei alledem noch! Das ist ja noch der eigentliche Hohn! Das Denkmalschutzgesetz - das mit Schutz nichts gemein hat, aber dafür mit Profitinteressen anstelle von Denkmalschutz - legitimiert das! Man hat wirklich den Eindruck, als hätten Immobilienhaie dieses Denkmalschutzgesetz verfassen lassen oder selbst verfasst, damit jedes Fleckchen Geschichte in Euros verwandelt werden kann. Dem Eigentümer dieser Immobilie, hat dieses Gesetz größten Nutzen eingebracht, wahrscheinlich hatte er als Referatsleiter Obere Bauaufsicht genaue Kenntnisse, wenn er nicht sogar selbst Mitautor war.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

wie soll es nun weitergehen? Was wird mit unserem Inventar, was soll aus der Gedenkstätte werden?

Allen voran die Frage des Inventars. Bekanntlich gibt es einen Schenkungsvertrag des KW Bürgermeisters Ludwig mit dem Eigentümer der Immobilie. Aufgrund dieser Schenkung wurde das Gebäude ausgeräumt und die gesamte Ausstellung zusammen mit dem Boot Charlotte nach Niederlehme verbracht. Diese Schenkung wurde bereits vor dem juristischen Vergleich vollzogen, also vor Ende Mai. Wir haben von dieser Schenkung erst Ende Juli erfahren. Wir haben diese Schenkung auch nicht gebilligt. Das weiß der Bürgermeister und wir haben dies bereits vor einigen Monaten und kürzlich in einem Gespräch nochmals dargelegt. Wie könnten wir auch diese Schenkung billigen? Erstens ist es unser Eigentum, das hier verschenkt wird, zweitens wurden damit Fakten geschaffen, die auch den Abschluss des besagten Vergleichs begünstigten. Wir hätten dem Bürgermeister nie zu diesem Schritt geraten. Es ist ja wohl auch klar, was der Immobilieneigentümer vorhat: Spenden und Steuern, wer kennt den Zusammenhang? Wir haben vergangenes Jahr den Bürgermeister bekanntlich gewarnt und öffentlich gemacht, als der Ministerialbeamte unser Inventar an die Stadt KW verkaufen wollte. Wir haben ihn gewarnt, weil der Immobilieneigentümer nicht Eigentümer des Inventars ist. Die Treuhand war nie Eigentümer, somit kann es auch der Mann von der Oberen Bauaufsicht nie gewesen sein.

Manche fragen uns jetzt: Warum wolltet ihr euer Eigentum nicht schon früher haben? Weil wir um eine Gedenkstätte ringen. Eine Gedenkstätte ist kein Museum, in dem irgendwelche Ausstellungsstücke von irgend woher ausgestellt sind. Nein, eine Gedenkstätte lebt vom authentischen Ort, sie lebt von der historischen Begebenheit, der sie gewidmet ist. Und diese Begebenheit, die illegale ZK-Tagung der KPD, hat eben hier auf diesem Grund und Boden stattgefunden. Die Herrschenden wissen doch selbst ganz genau die Authentizität zu schätzen: wer riss denn das Volkshaus, den Palast der Republik ab, um dort am authentischen Ort das Schloss wieder zu errichten? Wer will denn in Potsdam die Garnisonskirche wieder errichten, dieses Gebäude, in dem sich Hindenburg und Hitler zeremoniell-feierlich die Hand reichten? Aber wir sollen auf den authentischen Ort verzichten? Niemals! Aber wir sollen die Gedenkstätte verlagern? Niemals! Wir sollen diese einzigartige Gedenkstätte von Rang und internationalem Ansehen aufgeben und daraus etwa ein Regionalmuseum machen? Wer denkt sich nur so etwas im Angesicht der Bagger aus? Nichts gegen Regional- und Heimatmuseen, jeder Widerstand, ob groß oder klein, muss festgehalten werden. Aber hier in Ziegenhals geht es um mehr als ein regionales Ereignis. Und: es geht um unseren entschlossenen Widerstand. No pasaran. Ihr kommt nicht durch. Wir lassen uns unsere Geschichte nicht vernichten. Wir lassen nicht zu, dass ihr Thälmann und seine Genossen noch mal ermordet.

Aber zurück zum Inventar: Wir haben gefordert: "Gebt unser Eigentum zurück" - öffentlich und in einem Gespräch mit Herrn Ludwig. Wir haben als Eigentümer des Inventars die volle Verfügung über unser Eigentum. Wir wollen unser Eigentum jetzt sichern und jeder der sich an unserem Eigentum vergeht, wird von uns angezeigt.

Ansonsten werden wir um diese Gedenkstätte kämpfen. Wenn hier die Bagger auffahren, dann fordern wir alle auf, unverzüglich in Ziegenhals zu erscheinen.

Wir rufen alle auf, jetzt verstärkt an die Bundeskanzlerin, den Bundespräsidenten und an Platzeck zu schrieben. Schickt diese Schreiben auch an die Presse.

Macht diese üblen Taten überall bekannt - vor allem auch im Ausland. Lasst dort unsere Freunde und Genossen wissen, wie dieses Land mit einem ihrer besten Sühne umgeht. Lasst sie auch wissen, dass wir kämpfen - es braucht niemand zu glauben, dass die Besitzer zukünftiger Sommervillen auf diesem Grund und Boden hier Ruhe haben werden. Es gibt noch viel mehr Anlässe Kundgebungen abzuhalten, als die drei, die wir bislang gewählt hatten. Achtet auf Ankündigungen, wir werden Euch über unsere nächsten Aktionsformen informieren.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste,

ich möchte nun zum Abschluss eine Willenserklärung der Teilnehmer heute verlesen und zur Abstimmung stellen. Statt einer, mit befreundeten Organisationen und Parteien vorbereiteten Erklärung, will ich eine Erklärung zur Abstimmung stellen, die von niemanden anders als der Enkelin von Ernst Thälmann, Vera Dehle-Thälmann, geschrieben wurde.

"Liebe Freunde und Sympathisanten

Auch wenn ich aus persönlichen Gründen heute nicht bei Euch/Ihnen sein kann, möchte ich meine tiefe Bestürzung und zugleich meinen energischen Protest über die Machenschaften des Eigentümers und gewisser Ämter übermitteln.

Ich fordere die sofortige Herausgabe des Eigentums (Inventar und Charlotte) der Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals. Es ist eine bodenlose Frechheit, wie mit Dokumenten, Geschenken, Möbeln und Gegenständen meines Großvaters, also auch einem Teil deutscher Geschichte, umgegangen wird.

Vor allem das gewisse Leute sich alles erlauben dürfen und andere, wie die Mitglieder und Sympathisanten des Freundeskreises so gut wie keine Rechte haben.

Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit, der so genannte Rechtsstaat?

Ich wünsche gutes Gelingen dieser Protestaktion und auch uns gemeinsam weiterhin die Kraft für weitere Aktionen, die sicherlich notwendig sein werden.

Wir haben die Kraft.

Ich rufe dazu auf, niemals aufzuhören für den Erhalt der Gedenkstätte zu kämpfen, so wie mein Großvater, trotz langer schwerer Kerkerhaft, bis zu seiner Ermordung niemals aufgehört hat, für Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und das Beste für die Menschheit, zu kämpfen.
Vera Dehle-Thälmann"

Mit übergroßer Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angenommen.


*


Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 328, September 2009, S. 45-48
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009