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KAZ/298: Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen ein Schwenk nach rechts?


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 367, Juni 2019
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen - ein Schwenk nach rechts?

von Richard Corell


Da fährt einer schwere Geschütze auf gegen den 7. Weltkongress, seine Ergebnisse und die Folgen für die kommunistische Weltbewegung: Schwenk nach rechts, Öffnung für alle opportunistischen Entwicklungen - von der Sowjetunion, über Frankreich, Italien bis hin zum Eurorevisionismus und der großen Niederlage des Sozialismus 1989 ff.

Es handelt sich um T. Spanidis' Beitrag "Der VII. Weltkongress der Komintern und seine Folgen. - Für eine kritische Neubewertung der antifaschistischen Politik der Komintern".[1] Er steht für eine Linie, die aus der Auseinandersetzung mit dem 7. Weltkongress unseres Erachtens linkssektiererische Schlüsse ziehen will. Spanidis, der sich auch in der Debatte in der DKP zu einer antimonopolistischen Strategie positioniert hatte, ist dabei Stichwortgeber für Kräfte, die 2018 aus der DKP ausgetreten sind und sich dann in einer neuen "Kommunistischen Organisation" (KO) zusammengeschlossen haben.

(Vermutliche) Übereinstimmungen

Zunächst aber wollen wir festhalten, wo wir mit Spanidis einig sind: Der 7. Weltkongress ist fälschlicherweise und z.T. grob fälschend genutzt worden und wird genutzt, um rechtsopportunistische Positionen zu rechtfertigen.

In unserem Beitrag "Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und die antimonopolistische Strategie" (KAZ 360 vom Sept. 2017) hatten wir uns mit der Sicht von Georg Polikeit auf den 7. Weltkongress auseinandergesetzt. Polikeit, damals als Unterstützer der "Marxistischen Linken" in der DKP, wollte als Ausrichtung durch den Kongress verstanden wissen: eine neue strategische Orientierung (unter Preisgabe des Ziels der Diktatur des Proletariats) auf eine Übergangsform zwischen Kapitalismus und Sozialismus, genannt "antimonopolistische Demokratie". Einheits- und Volksfront dienten ihm lediglich als Orientierung auf "breite Bündnisse aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte".

Zusammenfassend hatten wir festgestellt, "dass die Traditionslinie des 7. Weltkongresses von Georg Polikeit doch arg verbogen und zurechtgemacht wurde, um den guten Namen dieses Kongresses und des großartigen Dimitroff einzuspannen für die Rechtfertigung des Wegs nach rechts in den Transform-Sumpf. Die Argumentation ist dabei geradezu (negativ) beispielhaft, wie mit wenigen Schlagworten eine Linie gezimmert werden kann, die haarscharf an der Lüge vorbeigeht, aber umso sicherer in die Irre führt."[2]

Vermutlich sind wir mit Spanidis auch über unsere folgenden Aussagen einig: "Der Ausweg kann nur darin bestehen, dass die gesellschaftlichen Produzenten, dass die Arbeiter als Klasse wieder die Produktionsmittel in die Hand nehmen. Das können sie nur, wenn sie der Finanzoligarchie die politische Macht entreißen und die Herrschaft der Arbeiterklasse errichten, die willens und in der Lage ist, den unvermeidlichen Widerstand der Bourgeoisie gegen ihre Entmachtung und Enteignung im Weltmaßstab niederzuhalten. Deswegen gehen auch Dimitroff und der 7. Weltkongress selbstverständlich davon aus, dass die Strategie darauf gerichtet ist, die Diktatur der Bourgeoisie zu stürzen und durch die Diktatur des Proletariats zu ersetzen (mit dem Ziel des Sozialismus als dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft)." [3]

Vielleicht auch darüber: "Bei aller Flexibilität im revolutionären Handeln und in der Taktik weist der 7. Weltkongress darauf hin, dass die Einheitsfrontregierung als eine wichtige Form des Herankommens an die Revolution eine politische Krise voraussetzt, außerhalb solcher Zeiten wird daraus schnell eine rot angemalte bürgerliche Koalitionsregierung, die den Kapitalismus zu stabilisieren sucht.

Der 7. Weltkongress warnt auch davor, aus der Einheitsfrontregierung ein 'demokratisches Zwischenstadium' machen zu wollen, wie es das frühere Konstrukt einer 'antimonopolistischen Demokratie' unterstellte. Die Bourgeoisie wird im nationalen wie internationalen Maßstab versuchen, das Kräfteverhältnis auch gewaltsam wieder zu ihren Gunsten zu verändern und rasch die Machtfrage zu stellen, um zu verhindern, dass eine imperialistische Großmacht wie Deutschland die Farbe wechselt. Die Arbeiterklasse auf länger anhaltende Doppelherrschaft einzustellen statt auf die Vorbereitung des Aufstandes, heißt einzuschläfern und die Chancen verspielen." [4]

Gravierende Differenzen

Soweit zu (vermutlich) übereinstimmenden Positionen. Nun zu den gravierenden Differenzen.

Spanidis will den 7. Weltkongress und seine Ergebnisse als einen "Schwenk nach rechts" verstanden wissen. Ist e wirklich der Mühe wert, darüber zu streiten? Ist das nicht müde historische Debatte? Quälender Auslegungsstreit über alte Schriften? Dann wäre es schnell abgetan.

Es geht aber um einige zentrale Fragen kommunistischer Politik und um z.T. sehr aktuelle Probleme: Wie kommt die Arbeiterklasse an die Revolution heran? Sind auf dem Weg zur Revolution "Übergänge", Übergangsetappen, Übergangsstadien zu berücksichtigen? Welche Bedeutung haben dabei die Tageskämpfe um Arbeit und Lohn, gegen Faschismus und Krieg, die Kämpfe um Reformen? Mit wem kann und muss sich die Arbeiterklasse verbünden, mit wem die Kommunisten?

Richtigerweise bietet sich der 7. Weltkongress an, um sich Rat, Anregung und Orientierung zu holen. Mehr können historische Aussagen ohnehin nicht leisten für die aktuelle politische Praxis. Spanidis versucht darüber hinaus noch nachzuweisen, dass der 7. WK schon damals falsche Weichen gestellt habe, was dem Rechtsopportunismus Vorschub geleistet und zum Niedergang der kommunistischen Weltbewegung beigetragen habe.

Der 7. Weltkongress: Wegweisend in komplizierter Lage

Um es gleich vorweg zu sagen: Wir halten den 7. Weltkongress und seine Festlegungen zum Kampf gegen Faschismus für die wegweisende Anwendung des Marxismusinismus auf die im Jahr 1935 neue Situation: Der Faschismus hatte 1933 in Deutschland gesiegt, im Land einer imperialistischen Großmacht, in der die größte kommunistische Partei (6 Millionen Wähler, 300.000 Mitglieder) außerhalb der Sowjetunion kämpfte. Die KPD musste nun in der Illegalität unter brutalen Bedingungen nicht nur um den eigenen Erhalt, ums Überleben als Partei und jedes einzelnen Parteigenossen kämpfen, sondern den Widerstand organisieren, und dabei die in weite Ferne gerückten Ziele der Partei nicht aufgeben, den Sozialismus, den Kommunismus. Ein Jahr später im Februar 1934 war dagegen in Frankreich der faschistische Angriff und Putschversuch zurückgeschlagen und dieser Sieg verteidigt worden durch das Bündnis von Kommunistischer und Sozialistischer Partei und durch die Einbeziehung kleinbürgerlicher Kräfte, eben durch die Herstellung von Einheits- und Volksfront. Die kleine KP, die noch bei den Wahlen von 1932 gerade 785.000 Stimmen (sogar rd. 300.000 weniger als 1928) und 12 Parlamentssitze (im Gegensatz dazu die Sozialisten von der SFIO[5] 130 und die Radikalsozialisten 160 Sitze) erhalten hatte, wurde zum Sprachrohr der Klasse und zum Motor des Widerstands. Am 27. Juli 1934 wurde das Einheitsfrontabkommen mit den Sozialisten geschlossen als Ausdruck der Überwindung der Spaltung der Arbeiterklasse, am 14. Juli 1935 das Volksfrontabkommen mit den Radikalsozialisten als Ausdruck der antifaschistischen Zusammenarbeit von Arbeitern, Bauern, Intellektuellen und anderen Teilen des Kleinbürgertums. Wenige Tage darauf, am 25. Juli, begann der 7. Weltkongress; Dimitroff hielt sein berühmt gewordenes Referat am 2. August 1935. Nur am Rande sei erwähnt, dass in China die Rote Armee noch auf dem seit Oktober 1934 anhaltenden Langen Marsch kämpfte.[6] All diese Ereignisse von existenzieller Bedeutung mussten in der Analyse berücksichtigt werden, um wenigstens vorläufige Schlussfolgerungen zu treffen. Das Ganze noch unter dem Feuer der Kritik solcher keineswegs unbedarfter Gegner wie Trotzki, Otto Bauer, Thalheimer oder aus den eigenen KPD-Reihen Leute wie Neumann und Remmele, und schließlich Schubert und Schulte im Politbüro der KPD.[7] Damit standen die Fragen: Weshalb konnte in Deutschland der Faschismus siegen? Weshalb konnte er in Frankreich zurückgeschlagen werden?

Dimitroff in Staatstheorie belehren?

Aus dieser Sicht war es richtig und notwendig, zunächst die Funktion und den Klassencharakter des Faschismus hervorzuheben, um den Feind zu bestimmen, mit dem es die Arbeiterklasse zu tun hatte. Dimitroff kennzeichnete den Faschismus an der Macht als "offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals". Das stellt Spanidis in Frage und belehrt Dimitroff: "Bekanntlich fungiert der bürgerliche Staat in der marxistischen Staatstheorie als 'ideeller Gesamtkapitalist' - das heißt, er vertritt nicht die Interessen einzelner Kapitalisten oder Kapitalfraktionen, sondern strebt immer danach, aus diesen Einzelinteressen das Gesamtinteresse der herrschenden Klasse zu aggregieren und durchzusetzen, im Zweifelsfall auch gegen die Partikularinteressen einzelner Teile der Klasse." Nur - innerhalb dieses "ideellen Gesamtkapitalisten" wird spätestens im Imperialismus nicht aufgrund von demokratischen Beratungen entschieden, sondern nach Interessen, nach Stärke und Macht der im Staat Einfluss habenden Kapitalisten. Die bilden selbstverständlich Allianzen, um letztendlich auch anderen Kapitalisten ihren Willen als "Gesamtinteresse" aufzuzwingen. Deswegen ist es eine bedeutende Leistung der KI-Genossen, die an der Vorbereitung des 7. Weltkongress teilgenommen haben, die am Faschismus direkt interessierten und ihn massiv fördernden Fraktionen des Finanzkapitals aufgezeigt zu haben.

Der ideelle Gesamtkapitalist, der im Zuge der Entwicklung zum Monopolkapitalismus/Imperialismus immer mehr auch zum "wirklichen" Gesamtkapitalisten wird (einen Hinweis von Engels,[8] den Spanidis unterschlägt), bekommt eben das den Beteiligten verborgene objektive Gesamtinteresse der Bourgeoisie nicht mehr durch Konkurrenz und parlamentarische Debatten (sozusagen hinter ihrem Rücken) hergestellt, sondern durch direktes Eingreifen, durch Unterordnung des Staatsapparats unter die Monopole usw. Man hat den Eindruck, dass Spanidis die Entwicklung des Kapitalismus zum staatsmonopolistischen Kapitalismus verpasst hat. Das macht sich natürlich besonders bemerkbar, wenn man sich mit dem deutschen Faschismus befasst, der den "wirklichen Gesamtkapitalisten" auf die Spitze treibt, um alle Kräfte für den Kriegskurs zu bündeln.

Spanidis weiter: "Eine erfolgreiche Akkumulation des Kapitals ist Existenzbedingung jedes kapitalistischen Staates." Daraus schließt er: "Das schließt allerdings aus, dass der Staat ausschließlich die Interessen einer Fraktion der Bourgeoisie im Blick haben kann." Hier meint er, "Dimitroffs staatstheoretischen Fehler" zu erkennen.

Ein Blick in die deutsche Entwicklung zu Faschismus und Krieg hätte ihm leicht Klarheit verschaffen können. Die Kräfte, die Hitler 1933 an die Macht brachten und ihn 1934 gegen Röhm, Strasser und Schleicher dort hielten (wie bei Gossweiler, besonders in "Die Röhm-Affäre" dokumentiert) haben mit dieser Weichenstellung auf den Krieg den anderen Teilen der Monopolbourgeoisie und der ganzen Bourgeoisie goldene Akkumulationsbedingungen in Aussicht gestellt und das sogar bis 1944 eingehalten - wir wissen wodurch. Und diese Kräfte haben noch nicht vollständig vom Kriegskurs überzeugte oder sogar widerstrebende Kräfte in der Monopolbourgeoisie gezwungen, diesen Kurs mitzugehen - gar nicht demokratisch, nicht einmal innerhalb der Bourgeoisie - z.B. auch durch Drohung mit der Liquidierung, wie mit der Röhm-Affäre demonstriert. Der reelle Gesamtkapitalist funktioniert eben nach dem Gesetz: Ein Kapitalist schlägt viele tot.[9]

Verharmlosung des Faschismus

Und dann holt Spanidis in einem Nebensatz gegen eine Kernaussage von Dimitroff aus, ohne das deutlich zu machen: "der Faschismus an der Macht, der schließlich auch nichts anderes ist als eine besonders brutale Variante des bürgerlichen Staates"! Warum meint Spanidis denn, die wichtigen Aussagen von Dimitroff zum Thema aussparen zu dürfen? Dimitroff: "Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie - der bürgerlichen Demokratie - durch eine andere Form - durch die offene terroristische Diktatur." Und in einem eigenen Kapitel seiner Rede führt Dimitroff aus: "DER FASCHISMUS - EINE GRAUSAME, ABER KEINE FESTE MACHT". Und damit sind wir an der Wurzel von Spanidis' Weg in den Sumpf. Die Fehldeutung und Verharmlosung des Faschismus als bloße Variante des bürgerlichen Staats, bloß mehr Repression, mehr Grausamkeit, mehr KZ ... Dass der Faschismus als offene terroristische Diktatur ein qualitativer Sprung in der Diktatur der Bourgeoisie ist gegenüber der bürgerlichen Demokratie, genau das wird damit unterschlagen. Natürlich wird in der bürgerlichen Demokratie die Arbeiterklasse niedergehalten, werden die Kommunisten unterdrückt, werden die Interessen der Ausbeuter letztlich mit Gewalt durchgesetzt. Aber macht es keinen Unterschied, wenn die durch die Sozialdemokratie vertretene Arbeiteraristokratie als soziale Hauptstütze ausgewechselt wird durch das Kleinbürgertum? Wenn frühere sozialdemokratische Würdenträger sich statt auf Ministerposten plötzlich im Kerker und KZ oder als Asylsuchende im Ausland wiederfinden? Macht es keinen Unterschied, wenn statt parlamentarisch-liberalem Geschwätz, bei dem auch mal Nein gesagt werden darf, im Faschismus Ja! Jawoll! gesagt werden muss, wo statt partiell zugelassener Vielfalt offene Gleichschaltung herrscht, wo statt formaler Gleichheit und bürgerlichem Recht Ungleichheit und Willkür zum Gesetz erhoben sind? Wo offener, ungeschminkter Terror zur Staatsräson erklärt wird.

Spanidis fehlt der Blick für das Heranreifen der politischen Krise auf Grundlage der vertieften ökonomischen Krise. Die Entwicklung der politischen Krise, auf deren Bedeutung Lenin im "Linken Radikalismus"[10] hinweist und die die Basis bildet für Dimitroffs Überlegungen (s.o. veränderte Lage) verändert rasch und nicht nur quantitativ die Stellung der beherrschten Klassen und Schichten zu den Herrschenden - in revolutionärer, aber auch in konterrevolutionärer Richtung, wie wir spätestens seit den "Farbenrevolutionen" aus unseren Tagen wissen.

Aus diesen Entwicklungen und neuen Erscheinungen in Deutschland hatte Maurice Thorez die Lehren gezogen, als er im Juni 1934 auf der Parteikonferenz von Ivry ausrief: "In dem Wettrennen, das zwischen 'uns' und dem 'Faschismus' stattfindet, will die Bourgeoisie schneller sein. Und wenn es uns nicht gelingt, 'mehr, noch mehr, stets mehr für die Einheitsfront' zu tun, wird der Faschismus die Arbeiterklasse besiegen können. Doch wir wollen nicht, dass der Faschismus durchkommt ... Um jeden Preis wollen wir die Aktion, um jeden Preis wollen wir die Einheitsfront."[11]

Spanidis weiter: "Im Gegenteil könnte man sogar argumentieren, dass der Nazifaschismus gewissermaßen die Bourgeoisie politisch unter einem gemeinsamen Banner einte und ihre inneren Widersprüche vorübergehend in den Hintergrund treten ließ. Die große Instabilität der Weimarer Republik, die sich in diversen Staatsstreichen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen ausdrückte, fand mit dem Faschismus jedenfalls ihr Ende." - So, ohne den Begriff des Wechsels der Herrschaftsform, unterschätzt Spanidis den Faschismus und attestiert dabei noch den Nazis die Herstellung einer inneren "Stabilität"! Statt den unauflösbaren Zusammenhang mit der Vorbereitung des Krieges herzustellen, der den Bürgerkrieg nur scheinbar überwindet, um die "Instabilität", die Krise mit Hilfe des Kriegs auf andere Völker und Nationen zu übertragen, abzuwälzen! Solche Unterschätzung zeichnet leider nicht nur Spanidis im Geist von Heinz Neumann aus: "Als der Nationalsozialismus bereits zu einer drohenden Massenbewegung in Deutschland wurde, da erklärten Genossen, wie Heinz Neumann, für die die Brüningregierung bereits eine Regierung der faschistischen Diktatur war, in prahlerischer Weise: »Wenn das >Dritte Reich< Hitlers einmal kommen sollte, dann nur anderthalb Meter unter der Erde, über der Erde aber werden wir eine siegreiche Arbeitermacht haben«." (Dimitroff) [12]

Worauf laufen die Ausführungen von Spanidis hinaus?

In einem Interview (in englischer Sprache - Übersetzung Corell) mit der KO vom 9. April 2019[13] wird deutlich angesprochen:

"Das bedeutet auch, dass unser Ansatz für politische Bündnisse grundverschieden von dem anderer politischer Gruppen in Deutschland ist. Wir versuchen normalerweise, keine Bündnisse mit anderen Organisationen aufzubauen. In der Tat sehen wir dieses Verständnis des politischen Bündnisses als problematisch an. Die Vorstellung, dass die kommunistische Bewegung durch einfaches Addieren der Kräfte verschiedener Gruppen an Stärke gewinnen wird, ist völlig falsch. Wie oben erwähnt, sind wir nicht gegen die Einheit, ganz im Gegenteil. Aber Stärke beruht auf ideologischer Klarheit und einer korrekten Herangehensweise an die Massenarbeit. Wir sind auch gegen die Auffassung, dass Allianzen zwischen verschiedenen politischen Kräften auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner aufgebaut werden sollten. Wir können zum Beispiel kein Bündnis mit der 'Linkspartei' in Deutschland schließen, nur weil sie behaupten, gegen den Krieg zu sein. (Hervorhg. Corell) Denn wenn wir ihre kleine Ablehnung aus nächster Nähe betrachten, unterstützen sie die imperialistische Europäische Union und lehnen es sogar ab, eine klare Position zur NATO einzunehmen. Dies würde uns daran hindern, ihre Rolle aufzudecken, da dies unser Bündnis mit ihnen gefährden würde. Deshalb widerspricht diese Politik der Aufgabe der Kommunisten, dem Volk die Wahrheit zu sagen.

Um es zusammenzufassen, wir haben eine Politik der Bündnisse, aber es sind Bündnisse, die von den Werktätigen von unten, nicht von Führern politischer Parteien und Gruppen von oben aufgebaut werden. Wir konnten unseren Ansatz hier nur kurz skizzieren, aber diese Themen werden der Schwerpunkt unseres nächsten bundesweiten Kongresses im Juli sein."

Keine Bündnisse mit der Sozialdemokratie, schon gar nicht mit der SPD und auch nicht mit der PDL, keine Bündnisse mit kleinbürgerlichen Organisationen - das ist bei der ganzen Kritik am 7. Weltkongress herausgekommen. Hier zeigt sich das Unverständnis von Spanidis über die Bedeutung des VII. Weltkongress für die Fragen von Bündnis und Einheit: Dimitroff weist im Abschnitt "Die Festigung der kommunistischen Parteien" auf die Fortschritte hin, die die Parteien der KI seit 1928 gemacht hatten: "Nach dem VI. Kongress ... wurde ein erfolgreicher Kampf gegen die Tendenz der opportunistischen Anpassung an die Verhältnisse der kapitalistischen Stabilisierung und gegen die Ansteckung mit reformistischen und legalistischen Illusionen geführt." Deshalb kann Dimitroff ausführen: "Unsere Bereitschaft, zusammen mit den sozialdemokratischen Parteien und Organisationen den Kampf gegen den Faschismus aufzunehmen, verbinden wir und werden wir verbinden mit dem unversöhnlichen Kampf gegen den Sozialdemokratismus als Ideologie und Praxis des Kompromisses mit der Bourgeoisie und folglich auch gegen jedes Eindringen dieser Ideologie in unsere eigenen Reihen."

Dimitroff zeigt umfassend, worum es geht: "Der Faschismus konnte vor allem zur Macht kommen, weil die Arbeiterklasse durch die Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie,[14] die von den Führern der Sozialdemokratie betrieben wurde, gespalten, gegenüber der angreifenden Bourgeoisie politisch und organisatorisch entwaffnet war. Die kommunistischen Parteien aber waren nicht stark genug, um ohne und gegen die Sozialdemokratie die Massen in Bewegung zu bringen und in den entscheidenden Kampf gegen den Faschismus zu führen."

Das ist die Basis auf der wir heute agieren müssen. Aber Spanidis meint wohl, wir können heute die Massen ohne und gegen die Sozialdemokratie und ihren Einfluss in Betrieb und Gewerkschaft in Bewegung bringen? Wohlan!

*

Aus unserer Broschüre: Mit Klarheit zur Einheit! - Ein Beitrag zum Wiederaufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland

Sozialdemokratie - Einheit und Widerspruch

"3. Wie in der historischen Entwicklung zu sehen, stellt sich als die schwierigste Frage heraus: Das Verhältnis zu Arbeiteraristokratie-Sozialdemokratie-Sozialdemokratismus zu bestimmen. Hier ist in jeder Aktion, bei jeder Publikation zu entscheiden, wo die Hauptseite in der richtigen Behandlung des Widerspruchs zur Sozialdemokratie liegt: Kampf und/oder Einheit, Teil der Arbeiterklasse und/oder soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie; Wegbereiter des Faschismus und/oder selbst vom Faschismus bedroht, die Politik für den Imperialismus durchführen und/oder dadurch Rückhalt in der Arbeiterklasse verlieren. Kurz: die unvermeidliche Auseinandersetzung unter Revolutionären: Feind und/oder Bündnispartner etc."

Deutlich ist zu machen, dass das Verhältnis zur Sozialdemokratie wesentlich abhängt von der Bestimmung der Entwicklungsrichtung des Klassenkampfs. Bei einer Entwicklung in Richtung Faschismus sind auch die sozialdemokratischen Führer potenzielle Bündnispartner (da sie selbst von den Maßnahmen der Faschisten bedroht werden). Bei einer verstärkten revolutionären Entwicklung sind die sozialdemokratischen Führer als ein Haupthindernis für die Revolutionierung der Massen zu bekämpfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in unruhigen Zeiten ein Umschlag von der einen in die andere Richtung der Entwicklung rasch erfolgen kann.

Es ist stets zu beachten, dass wir es bei der Führung der deutschen Sozialdemokratie mit einer stabilen und erfahrenen konterrevolutionären Gruppierung zu tun haben, die fest mit dem besonders aggressiven (weil an der Veränderung des Status quo besonders interessierten) deutschen Imperialismus verbunden ist, seit sie als Komplize der deutschen Bourgeoisie das Proletariat 1914 in den Krieg getrieben hat und als erste Sozialdemokratie erfolgreich die proletarische Revolution 1918 niederschlug. Diese Erfahrung bringt sie international ein: Portugal 1974, Nicaragua usw. Sie ist ferner nicht nur eine ideologische Kraft mit knapp 500.000 Mitgliedern; sie hält wichtige Positionen in staatlichen Organen, in Gewerkschaften, Sozialversicherungen, Wohlfahrtsverbänden etc.

4. Die Sozialdemokratie verdankt ihre Machtstellung in der Gesellschaft ihrem Einfluss in der Arbeiterklasse, den sie vor allem über die Gewerkschaften ausübt. Sie setzt dabei an der Tatsache an, dass ohne wissenschaftlichen Sozialismus die Arbeiterklasse nur zu einem Bewusstsein gelangt, das die Grenze des Kapitalismus nicht überschreitet und sich auf den Kampf um "gerechten Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk" (Marx) beschränkt. Gemeinsam mit dem deutschen Kapital soll sich die Lage der Arbeiter verbessern. Statt internationale Solidarität steht in den reellen Auseinandersetzungen der Sieg in der internationalen Konkurrenz im Vordergrund bis hin zum Streikbruch. In ihrer Sozialpartnersicht sind die deutschen Gewerkschaftsführer durch die Niederlage des Sozialismus in Europa noch bestärkt worden. Sie waren Komplizen bei der Einverleibung der DDR und des FDGB. Dafür hat die Arbeiterklasse erst einen Teil bezahlt: Sinkende Reallöhne, sinkende Lohnquote, Hartz I-IV, Leiharbeitssektor usw. Gar nicht zu reden von der Rechtfertigung deutscher Kriegsbeteiligung und dem faktischen Kriegseinsatz unter der sozial-grünen Schröder-Regierung. Im Verhältnis zu den Gewerkschaften haben Organisationen mit kommunistischem Anspruch unterschiedliche Einschätzungen: Die DGB-Gewerkschaften sind Kampforganisationen (DKP), die Gewerkschaften dienen dem deutschen Imperialismus und sind zu bekämpfen und durch revolutionäre Organisationen zu ersetzen (Roter Morgen, MG und heute noch Bolschevik Partizan/Trotz Alledem) oder die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen der Arbeiterklasse machen (KAZ, Arbeiterbund). Auch unsere in der letzten Zeit verwendete Losung: "Hinein in die Gewerkschaften! - Kein Frieden mit dem Kapital!" weist in diese Richtung. Es ist die Richtung der Revolutionierung der bestehenden DGB-Gewerkschaften (gegen "RGO-Politik",[15]) ihre Nutzung als Schule des Klassenkampfs, die in scharfer Auseinandersetzung mit den sozialdemokratischen und linksopportunistischen Positionen geführt werden muss.

Das ist jedoch nur strategische Orientierung und zeigt die Größe der Aufgabe, an der sich letztlich alle zentralen Fragen entscheiden. In der Praxis sind wir damit fast bei Null."


Fortsetzung in KAZ 368


Anmerkungen

[1] kommunistische.org/wp-content/uploads/2018/07/Spanidis-Der-VII-Weltkongress.pdf
Im Folgenden zitieren wir aus Dimitroffs Rede auf dem 7. Weltkongress. Sie sollte ganz studiert werden, deshalb unterbleibt die Angabe von Seitenzahlen. Der Text ist verfügbar unter:
www.mlwerke.de/gd/gd_001.htm

[2] Richard Corell, Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und die antimonopolistische Strategie, KAZ 360

[3] a.a.O.

[4] a.a.O.

[5] Section Française de l'Internationale Ouvrière (SFIO) auf deutsch Französische Sektion der Arbeiter-Internationale hieß von 1905 bis 1969 die Vorläuferin der heutigen Parti Socialiste (PS).

[6] Nach der Eröffnung des Kongresses durch Wilhelm Pieck begrüßt als erster Redner Tchou Ho Sin von der KP China den Kongress, der unter großem Beifall vom bevorstehenden Ende des "Langen Marschs" berichtet; ihm folgt die Gen. Dolores Ibarurri, La Pasionaria, die die spanischen Erfahrungen nach der blutigen Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks in Asturien, aber noch vor Bildung der Volksfront in die Analyse einbrachte.

[7] Die Leser mögen die relativ ausführliche Darstellung des spannungsgeladenen historischen Umfelds entschuldigen. Hintergrund ist die Kritik von Spanidis, der meint, dem 7.WK vorwerfen zu müssen, keine fertigen "Direktiven" zu Übergängen und Übergangslosungen produziert zu haben.

[8] vgl. Anti-Dühring, MEW Bd. 20, S. 260

[9] Nochmal zum Nachlesen, wie sich Spanidis im Unverständnis der Dialektik von Teil und Ganzem, vom Allgemeinen und Besonderen "sonnt": "Wenn Dimitroff den Faschismus an der Macht als Herrschaft nur der reaktionärsten Fraktion des Finanzkapitals charakterisiert, weicht er von dieser Grunderkenntnis marxistischer Staatstheorie ab. Dass er an anderer Stelle des Referats schreibt 'Der Faschismus ist die Macht des Finanzkapitals selbst' und 'die Diktatur der Großbourgeoisie', zeigt allenfalls die Widersprüchlichkeit und Unausgegorenheit der Faschismusanalyse der Komintern, löst aber das Problem keineswegs. Denn nicht nur stehen die beiden Formulierungen im Widerspruch zueinander; auch die Beschränkung des faschistischen Staates auf die Macht des Finanzkapitals, also die miteinander verschmolzenen Monopole aus Industrie und Banken, ist fehlerhaft. Der Staat ist auch im Monopolkapitalismus niemals die ausschließliche Vertretung er Monopole, sondern beruht immer auf dem Gesamtprozess der Akkumulation des Kapitals." - Vielleicht liegt die "Unausgegorenheit" doch eher bei Spanidis als bei Dimitroff und der KI?

[10] W.I. Lenin: Der "linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, Werke Bd. 31, S. 71 f

[11] H. Köller, B. Töpfer, Frankreich - ein historischer Abriss, Köln 1978, S. 567. Es lohnt sich mit der Auseinandersetzung in der französischen KP vor 1934 auseinanderzusetzen, um ihren Erfolg im antifaschistischen Kampf 1934 zu verstehen.

[12] Der Intellektuelle Neumann war Kandidat des Politbüros und im Sekretariat des ZK der KPD und zeitweise Chefredakteur der "Roten Fahne", Kandidat des EKKI-Präsidiums. Er war 1931/32 Wortführer einer fraktionellen Gruppe, die versuchte Thälmann von der Parteiführung zu verdrängen. Neumann leugnete die wachsende Gefahr des Faschismus, suchte die Massenarbeit der KPD insbesondere die Einheitsfrontpolitik zu sabotieren und förderte Tendenzen des individuellen Terrors. Erst ab Mai 1932 wurde sein Einfluss zurückgedrängt (vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Biographisches Lexikon, Berlin 1970, S. 346).

[13] kommunistische.org/interview/interview-with-the-communist-organization-ko-germany/

[14] "Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie" entspricht in etwa dem, was wir heute mit "Sozialpartnerschaft" bezeichnen.

[15] Darunter verstehen wir die sektiererische Politik, die an die Stelle des Kampfs in den DGB-Gewerkschaften (früher ADGB) die Gründung "roter Gewerkschaften" zum Prinzip erhebt. Damit ist ausdrücklich nicht die notwendige Bildung von Opposition innerhalb der Gewerkschaften gegen bestimmte Gewerkschaftsführungen verurteilt.

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 367, Juni 2019, S. 9 - 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2019

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