Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

LICHTBLICK/204: Verschubung - Entmenschlichter Versand des Objektes "Knacki"


der lichtblick - Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 355 - 2/2013

Verschubung - Entmenschlichter Versand des Objektes "Knacki"

von Dieter Wurm



Verschubung ist ein Begriff mit dem die Knastbehörden nicht nur den Versand von Päckchen, Akten oder behördeninternen Briefen von einem Bearbeitungsplatz zu einen anderem Ort bezeichnen, sondern auch das Verschieben von Knackis. Die Begrifflichkeit offenbart vortrefflich die Realität: Als Objekte verbeamteten Handelns werden Knackis wie eine Fuhre Mist umhergekarrt. Der Mensch wird zur Transportsache erklärt, legitimiert durch Transportscheine und von bewaffneten Wachen amtlich befördert.

Selbst eine kurze Verschubung ist eine große Belastung für jeden betroffenen Knacki, an das sich ein jeder, der diese erleiden musste, mit Grausen erinnert.

Besonders schlimm aber trifft es die, die vom Norden in den Süden oder Westen in den Osten verschubt werden - wochenlang werden sie kreuz und quer durch die Republik gekarrt, am Leib stets die gleichen Klamotten, ausstaffiert nur mit einer kleinen Plastiktüte Habe.

So wie jeder Postbote seine Briefe ausliefert oder der Kohlenhändler seine Säcke, werden Menschen im Knast einfach versendet und landen dortselbst nicht im Briefkasten oder im Kohlenkeller, sondern in Transport-Zellen. Und kein Besuch, keine Post, kein Telefon, kein Garnix.

In Berlin existiert noch ein Novum, die von den Gefangenen so gehasste "Rally Monte Tegel". Man stelle sich die so vor: Gefangene, eingezwängt in einen stahlblechbewehrten Transportkäfig auf vier Rädern der Wanne, sich festklammernd auf nichtgepolsterten Sitzbänken ohne Sicherheitsgurte, schaukeln und scheppern sie einem Ziel entgegen, welches der Fahrer in Rally-Manier entgegenrast.

Selbst bei den kurzen Transporten setzt die Vollzugshörde auf totale Sicherheit und Ordnung und filzt vorab ausgiebig, obwohl hier nur von einer Zelle zur anderen Zelle bewegt wird. Man scheint das im Knast zu lieben!

Hierbei scheint man es in den Administrationen zu genießen, die Betroffenen in endlosen Warteschleifen in den sogenannten Transporter-Zellen wegzuschließen, um über diese dann, auf Abruf, jederzeit verfügen zu können.

Dabei wird nicht geringsten Rücksicht auf die Bedürfnisse der zu Transportierenden genommen. Ist ein Termin um die Mittagszeit oder erst am Nachmittag zu erwarten, wird trotzdem morgens um 6.45 Uhr schon damit begonnen, die ersten Durchsuchungen durchzuführen, um den zu Transportierenden alles wegzunehmen, und um diese dann in einem Ambiente öffentlicher Toiletten, in den Wartezellen, solange zu verwahren, damit ein jeder beispielsweise dem Arzt im Justizvollzugskrankenhaus, vorgeführt werden kann.

Hierbei sind alle Gegenstände der Freizeitbeschäftigung vom Buch über Zeitungen bis zum Kartenspiel verboten und werden weggenommen. Das Rauchverbot ist hier vielleicht noch nachzuvollziehen, die anderen Verbote aber keinesfalls und wirken schikanös.

Auf Rückfragen des lichtblicks weiß keine der angeschriebenen Stellen, die diese Prozedere zu verantworten haben, konkret, wer hier eigentlich diese Verbote erlassen hat? Sinn machen Sie jedenfalls nicht, wie selbst die Justiz einräumt.

Kurzum: Wieder eine der schikanösen Peinigungsaktionen einer Asi-Justiz!


Vorgefühlt:

Rechts- und sozialstaatlich wäre es, wenn Busse eingesetzt würden, die der Straßenverkehrsordnung entsprechen. Die Sicherheitsgurte haben und Sitze, die den Namen verdienen und ein Mindestmaß an Komfort bieten. Zudem ist eine angemessene Belüftung (Beheizung und Kühlung) eigentlich selbstverständlich - alles andere ist Quälerei. Jeder Tiertransport würde von der Polizei gestoppt werden, wenn er mit solchen Gefährten durchgeführt werden würde ... selbst die verrückten Amis transportieren ihre Knackis humaner, als die bundesdeutsche Justiz.

Und dazu zählt auch, dass Knackis zumindest Lesestoff und Getränke mitnehmen dürfen; dass die Transportzeiten so kurz wie möglich gehalten werden und die Räumlichkeiten zumindest ein Minimum an Hygiene bieten.

Lieber Herr Senator Heilmann, etwas moderatere Transportvorschriften tun not und wenn Sie dazu Vorschläge von Betroffenen haben möchten, wenden Sie sich an den lichtblick, wir beraten Sie gern!

*

Quelle:
der lichtblick, 46. Jahrgang, Heft Nr. 355, 2/2013, Seite 45
Unzensiertes Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Insassen der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel
Redaktionsgemeinschaft der lichtblick
Seidelstraße 39, 13507 Berlin
Telefon/Fax: 030/90 147-23 29
E-Mail: gefangenenzeitung-lichtblick@jva-tegel.de
Internet: www.lichtblick-zeitung.de
 
"der lichtblick" erscheint vier- bis sechsmal im Jahr.
Der Bezug ist kostenfrei. "der lichtblick" ist auf Unterstützung
durch Spenden angewiesen.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2013