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LICHTBLICK/234: Die Haftentlassung


der lichtblick - Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 375 - 2/2018

Die Haftentlassung


Das Muster ist vielmals das Gleiche: Knast, Entlassung, keine Wohnung, kein Geld, wieder Knast. Die ersten Schritte nach der Haftentlassung sind somit umso wichtiger. Unterstützung bei der Umsetzung bekommst du (theoretisch) vom Sozialdienst deiner Anstalt. Ein Ziel des Vollzuges ist die Vorbereitung der persönlichen und gesellschaftlichen Wiedereingliederung. Damit die zur Verfügung stehenden Hilfen angemessen auf den Weg gebracht werden können, ist die Bereitschaft erforderlich, die Hilfemöglichkeiten anzunehmen und rechtzeitig vorzubereiten. Durch diese Informationen sollte jeder ermutigt werden, sich den eigenen Schwierigkeiten zu stellen. Wenn du in die angebliche Freiheit entlassen wirst, beginnt für dich ein neues Leben.


Entlassungsvorbereitung

Beginne frühzeitig deine Entlassung vorzubereiten. Du solltest nicht mit einem blauen Sack entlassen werden. Sofern du lockerungsgeeignet bist, können Entlassungsvorbereitungen im Rahmen von Ausgängen oder Urlauben erfolgen. Bevor du einen entsprechenden Ausgang beantragst, vereinbare mit der jeweils aufzusuchenden Behörde oder Einrichtung einen Termin. In Berlin wartet man schon mal bis zu drei Monaten auf einen Termin bei einer Behörde. Ein Anspruch auf Vollzugslockerungen zur Wahrnehmungen von Terminen im Rahmen der Entlassungsvorbereitung besteht nicht. Bei nicht-lockerungsgeeigneten Inhaftierten sind viele Beratungsstellen bereit, dich in der Haft aufzusuchen, um bereits vor der Haftentlassung einen persönlichen Kontakt herzustellen.


Vollzugshelfer

Suche dir über eine soziale Stelle einen Vollzugshelfer. Dieser kann dich während der Haftzeit besuchen. Er unterstützt dich während der Haft und bei der Entlassung. Er stellt den Kontakt zur Familie her und kann dir bei behördlichen Gängen zur Seite stehen. Gerade vor der Haftentlassung kann er eine große Hilfe darstellen.


Zusätzliche Hilfen für Familien

Bei der Bewältigung von Probleme sollten deine Angehörigen den Rat bei freien Trägern suchen. Hier helfen z. B. Caritas, Diakonisches Werk, AWO etc. Der Sozialdienst der Anstalt verfügt über Adressen und Ansprechpartner externer Beratungsstellen, an die sich deine Angehörigen in diesen Fällen wenden können. Zum Beispiel wenn die Frau schwanger ist, dann ist es möglich, eine Erstausstattung für das neugeborene Kind zu erhalten, wenn du über keine finanziellen Mittel verfügst.


Ausländische Inhaftierte

Bei ausländischen Inhaftierten ist die Klärung der ausländerrechtlichen Situation erforderlich, damit eine vollzugliche Perspektive entwickelt werden kann. Sofern eine zeitnahe Rückführung in das Heimatland vorgesehen ist, solltest du dich frühzeitig mit der Ausländerbehörde in Verbindung setzen. Liegt eine vollziehbare Ordnungsverfügung der zuständigen Ausländerbehörde vor, kann die Staatsanwaltschaft nach den Vorgaben des Paragraph 456 a StPO von der weiteren Strafvollstreckung absehen, so dass ggf. eine frühzeitige Abschiebung erfolgen kann.


Welche Papiere benötigst du nach der Haftentlassung?

Personalausweis
Sofern du keine gültigen Ausweispapiere hast, beantrage einen neuen Ausweis. Dies sollte spätestens 6 Monate vor der voraussichtlichen Haftentlassung geschehen. In der JVA Tegel stellst du dazu einen Antrag an das Bürgeramt. Diese kommt in die Anstalt und fertigt das Dokument aus. (Gebühr 28,80 Euro). Solltest du kein biometrisches Passfoto (12,-Euro) haben, so kannst du das über den Fotograf der Anstalt beantragen.

Meldebestätigung
Deine Heimatgemeinde kann dich von Amts wegen abmelden. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten ist es daher erforderlich, frühzeitig zu erfahren, ob du bei deiner vorherigen Meldeadresse auch aktuell noch gemeldet bist. Eine Ausstellung einer neuen Meldebescheinigung kostet ca. 10 Euro.

Lohnsteuerkarte
Im Jahr 2011 wurde die Papier-Lohnsteuerkarte abgeschafft. Wenn du ein neues Arbeitsverhältnis beginnen willst, dann musst du nur dein Geburtsdatum und deine steuerliche Identifikationsnummer angeben. Die Anfrage stellst du per Internet beim Bundeszentralamt für Steuern (www.bzst.de), evtl. auch bei deinem zuständigen Einwohnermeldeamt.

Geburtsurkunde
Eine Geburtsurkunde erhält man vom Standesamt des Geburtsortes. Hierfür müssen neben dem Namen und dem Geburtsdatum auch die Namen der Eltern angegeben werden.

Sozialversicherungsausweis
Die Rentenversicherung stellt bei Vergabe einer Versicherungsnummer und bei einer Namensänderung für Beschäftigte von Amts wegen einen Sozialversicherungsausweis aus. Bei Verlust ist ein neuer bei der Rentenversicherung oder der zuständigen Krankenkasse zu beantragen. Der Sozialversicherungsausweis wird zum Beispiel bei jeder Beschäftigung zum Nachweis der vergebenen Versicherungsnummer oder wenn eine Sozialleistung beantragt wird, benötigt.


Krankenversicherung

Mindestens vier Wochen vor Haftentlassung solltest du deine Krankenkasse anschreiben, dass du aus der Haft entlassen wirst. Damit du nach der Haft krankenversichert bist. Eine Bestätigung kannst du dann dem neuen Arbeitgeber oder dem Arbeitsamt vorlegen. Während der Inhaftierung unterliegst du nicht der Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung. Die Zeit der Inhaftierung ist auch keine Ersatz- oder Ausfallzeit in der Kranken- und Rentenversicherung. Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung werden durch den Vollzug nicht abgeführt. Die ärztliche Versorgung ist durch die Justiz sichergestellt.


Schulden

Wenn du viele Schulden hast, ist es ratsam bereits vor der Entlassung einen Termin mit dem Schuldnerberater auszumachen. Schulden sollten dein Leben nach dem Knast nicht bestimmen.


Hilfe bei der Beschaffung von Wohnraum/Betreutes Wohnen

Sofern du nach der Entlassung deinen Wohnraum nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kannst, nehme mit der zuständigen Kommune Kontakt auf. Dort erhältst du Informationen über die mögliche Wohnungsgröße und die Höhe der Mietkosten, die übernommen werden. Es besteht die Möglichkeit, in einer Einrichtung des betreuten Wohnen aufgenommen zu werden. Die Einrichtungen unterstützen durch spezialisierte Hilfsangebote bei der Wiedereingliederung. Eine Kontaktaufnahme sollte möglichst frühzeitig erfolgen, da die Wohneinrichtungen nur über begrenzte Aufnahmemöglichkeiten verfügen. Weitere Hilfen für die Beschaffung von angemessenem Wohnraum kannst du bei kommunalen Stellen oder Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege (Freie Hilfe, Diakonie, Caritasverband) etc. bekommen.


Führungsaufsicht

Ist geplant, das du nach der Haftentlassung der Bewährungshilfe unterstellt wirst, oder tritt nach deiner Entlassung Führungsaufsicht ein, solltest du bereits während der Haft frühzeitig Kontakt aufnehmen. Kläre den Hilfebedarf und treffe Vereinbarungen für eine zukünftige Zusammenarbeit. Die Bewährungshilfe und die Führungsaufsicht haben in erster Linie die Aufgabe, dich bei der Wiedereingliederung zu unterstützen und zu begleiten.


Entlassungszeitpunkt

Die Anstalt wirft dich an deinem Entlassungstag meist vormittags aus dem Gefängnis. Wenn dein Entlassungstag auf einen Samstag oder Sonntag fällt, dann kannst du am vorherigen Werktag entlassen werden.


Bei der Entlassung

Wenn du entlassen wirst, wird dir eine Erklärung zur Unterschrift vorgelegt, in der du in meist sehr allgemeiner Form bestätigen sollst, dass du gesund bist und keine Schadenersatzansprüche an den Knast hast. Diese brauchst du nicht zu unterzeichnen, solltest du auch grundsätzlich nicht. Sie müssen dich auf jeden Fall herauslassen. Verlange einen Nachweis deiner im Knast geleisteten Arbeit. An der Kasse bekommst du dein restliches Haus- und Eigengeld. Zuletzt bekommst du einen Entlassungsschein, auf den du gut aufpassen solltest.


Agentur für Arbeit /Sozialamt /Jobcenter

Sofern du nach der Haftentlassung über keine Arbeitsstelle verfügst und nicht bereits vor der Entlassung entsprechende Anträge gestellt hast, geht der erste Weg zur Agentur für Arbeit. Du stellst einen Antrag auf Arbeitslosengeld oder Sozialgeld, um so den Lebensunterhalt zu sichern. Eine verspätete Antragstellung kann als Verstoß gegen deine Mitwirkungspflicht gewertet werden und zu Leistungskürzungen führen. Auch wenn du Arbeit in Aussicht hast, stehen dir oder deiner Familie möglicherweise begleitend finanzielle Unterstützungen (Eingliederungshilfen, Kindergeldzuschlag, Wohngeld o.ä.) zu. Folgende Papiere sind dazu wichtig: Arbeitsbescheinigung vom Knast, Personalausweis oder Reisepass, Sozialversicherungsausweis, Haftentlassungsschein und Meldebescheinigung, wenn vorhanden.


Fazit

Nicht alles im Leben wird einfach laufen. Das Leben besteht darin, aus Problemen Lösungen zu schaffen. Lasse dich nicht entmutigen auf deinem Weg in die Freiheit.

Redaktion

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Quelle:
der lichtblick, 50. Jahrgang, Heft Nr. 375 - 2/2018, Seite 33-35
Unzensierte Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Redaktionsgemeinschaft der lichtblick
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2018

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