Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

OFFENSIV/093: Ausgabe November-Dezember 2010 8/10


offen-siv 8/2010
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe November-Dezember 2010 8/10


INHALT

Redaktionsnotiz

Nachrichten von der aktuellen Barbarei
Asphalt: Viele Menschen sind arm - und ein begehrter Rohstoff
Erich Buchholz: Meinungsfreiheit im Rechtsstaat!

Reaktionen
Redaktion offen-siv: Vorbemerkung
Georg Dorn: Offener Leserbrief an die Redaktion "offen-siv"
Frank Flegel: Interessantes Flügeltreffen
Gudrun Stelmaszewski: Der Angriff der trotzkistischen IV. Internationale auf die deutsche linke Bewegung
Uwe Langer: Warum man die Revolution nicht verteidigen kann, ohne Stalin zu verteidigen

Kommunistische Partei Griechenlands (KKE)
Hermann Jacobs: Marx' "edler Irrtum" / Zu Ingo Wagners Kritik an den Sozialismus-Thesen der KP Griechenlands
Elisseos Vagenas, Mitglied des ZK der KKE: Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) solidarisch mit dem sozialistischem Kuba
Aleka Papariga (Generalsekretärin des ZK der KKE): Stellungnahme bezüglich der Ergebnisse der Kommunalwahlen im November 2010
KKE und KNE: Antikommunismus wird ohne Erfolg bleiben!

Über den Goldstone-Bericht
Irene Eckert: In Berlin wurde der Goldstone-Bericht vertiefend vorgestellt
Rudolf-Andreas Palmer: Einführung in den Goldstone-Bericht. Die israelischen Kriegshandlungen gegen Gaza und ihre völkerrechtliche Beurteilung.

Menschenrecht und Klassengesellschaft
- Erich Buchholz: Menschenrecht und Klassengesellschaft

China
Reinhold Schramm: China 2010. Die Anzahl der verbliebenen Staatsbetriebe soll weiter sinken.
Reinhold Schramm: Chinas "knappes Budget" für die Bekämpfung der Armut.

In letzter Minute
- Irene Eckert: Lieber Frank, liebe offen-siv-Redaktion,
- Frank Flegel: Liebe Irene,

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Zunächst möchten wir Euch einen guten Jahresausklang wünschen, ein paar ruhige Tage, um Kraft zu schöpfen für die Auseinandersetzungen und Kämpfe des Jahres 2011.

Die Bourgeoisie ist auf allen Ebenen in der Offensive - und die Zuspitzung der imperialistischen Widersprüche hat ein seit mehr als 60 Jahren nicht mehr erreichtes Tempo erreicht.

Der Widerstand wächst, und dies sowohl weltweit als auch in Deutschland. Damit wachsen unsere Möglichkeiten und natürlich auch die Anforderungen an uns.

Dieses letzte offen-siv-Heft im zu Ende gehenden Jahr 2010 soll dazu beitragen, die Sinne und die politischen Waffen dafür zu schärfen.

So findet Ihr im Heft Einiges von und über die KKE, die uns ein Vorbild sein kann und sein sollte. Besonders interessant, weil besonders zukunftsweisend ist die Stellungnahme der KKE zu den Umgestaltungen auf Cuba.

Außerdem bringen wir Nachrichten aus und über China, wir gehen ausführlich auf die Situation in Gaza ein und wir freuen uns, dass Erich Buchholz uns eine exzellente materialistische Reflexion über die Begriffe Recht, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrecht geschrieben hat.

Aus gegebenem Anlass ist auch die Kommunistische Initiative Thema. Es gibt Reaktionen auf das September-Oktober-Heft, die wir dokumentieren, und es gibt interessante neue Entwicklungen.

Das alles nimmt viel Platz ein. Deshalb müssen wir Einiges auf die Januar-Februar-Ausgabe 2011 verschieben, z.B. eine grundsätzliche Einschätzung der aktuellen Kämpfe - und auch das Thema "Querfront". Wir hatten dies Thema "Querfront" ja in der September-Oktober-Ausgabe kurz angesprochen und waren entschlossen, es in dieser Ausgabe zu vertiefen. Das muss nun warten. Aber die Zeitschrift "Geheim" hat dazu in ihrer aktuellen Ausgabe sehr gute und aussagekräftige Dokumente und Analysen zusammengestellt. Wer also nicht bis zum Ende Januar 2011 warten will, bestelle: Geheim, c/o Michael Opperskalski, Postfach 270324, 50509 Köln, Tel: 0221-2839995, Mail: abo-probeexemplar@geheim-magazin.de.


Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden nur über das kommende Jahr kommen, wenn wir jetzt ein kleines finanzielles Polster anlegen können. Wir bitten Euch um Spenden. Jeder Betrag zählt!

Wir werden von keiner Partei unterstützt, haben keine Sponsoren, wir haben nur Euch.

Im Januar müssen wir wieder 900,00 Euro an die Post überweisen - nur damit mir am günstigen Pressepost-Vertrieb teilnehmen dürfen. Für diese 900,00 Euro ist noch nicht ein einziges Heft verschickt - aber wenn wir teilnehmen, kostet die Einzelverschickung dann nur etwas mehr als 30 Cent.

Wir bitten um Spenden. Eindringlich!

Redaktion offen-siv, Hannover

Spendenkonto Offensiv:
Inland: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv
Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49,
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort: "Offensiv".

Raute

NACHRICHTEN VON DER AKTUELLEN BARBAREI

Asphalt: Viele Menschen sind arm - und ein begehrter Rohstoff


Trotz Arbeit arm

22 % der Beschäftigten in Deutschland müssen zu Niedriglöhnen arbeiten. 2,2 Millionen Menschen arbeiten für weniger als 6,- Euro pro Stunde, 1,2 Millionen für weniger als 4,- Euro Stundenlohn. Gegenüber 2005 ist die Zahl der arbeitenden Hartz-IV-Bezieher um 45 % gestiegen. Im Fachjargon nennt man diese 1,4 Millionen Beschäftigten "Aufstocker". 740.000 dieser 1,4 Millionen "Aufstocker" verdienen weniger als 400,- Euro im Monat.


Begehrter Rohstoff

Neben seinen Organen machen mittlerweile auch Gewebe und Knochen den sterbenden Menschen zum begehrten Objekt seiner Artgenossen. Viele menschliche Überreste sind noch gut zu gebrauchen: Herzklappen, Herzbeutelgewebe, Leberzellen, Sehnen, Haut, Knochen und Knorpel. Allerdings müssen diese in Zwischenschritten erst einmal biochemisch aufbereitet werden. Darauf haben sich biotechnische Unternehmen weltweit, auch in Deutschland, auch in Hannover, spezialisiert.

Sie machen den Menschen somit zur industriellen Ware, die gehandelt werden kann.

Vielfach erleichtern auch Gewebespenden das Leben von Schwerkranken, Herzklappen sind dafür das beste Beispiel.

Es gibt aber auch Verwendungen, die mit den hehren Zielen der Lebensrettung mittels Humanspende nicht mehr viel zu tun haben. Mit menschlichem Gewebe werden auch Nasen aufgesattelt, Lippen aufgespritzt oder Falten unterfüttert.

Ein gut gepflegter Hirntoter findet sich also immer häufiger nicht nur mit seinem Herz und seinen Nieren in rund drei anderen Personen wieder, sondern wird mittels seiner Gewebe und Knochen in rund 60 Menschen weltweit integriert. Und weil die meisten Gewebe vorher aufbereitet werden müssen, gelten sie hernach nicht mehr als Spende, sondern als Arzneimittel, das vertrieben werden kann. In den USA, so eine kalifornische Studie, lassen sich mit einem einzigen Menschen rund 220.00,- Euro erwirtschaften.

Beispiele für Preise:
Augenhornhaut: 1.600,- Euro; Knochenschwamm: 160,- Euro pro cm³; Herz: 41.000,- Euro bis 89.000,- Euro; Herzklappe: 5.000,- Euro; Herzbeutelgewebe: 2.000,- Euro; Brustaorta: 3.200,- Euro; Achillessehne: 900,- Euro; Kniesehne: 3.250,- Euro; Muskelhaut: 320,- Euro pro 4x4 cm²; Niere: 26.000,- Euro bis 75.000,- Euro.

Asphalt-Magazin, Obdachlosenzeitung in Hannover, Nov. 2010

Raute

Erich Buchholz: Meinungsfreiheit im Rechtsstaat!

Wie im Rechtsstaat der politische Gegner rechtsstaatlich mundtot gemacht wird!

Im Rechtsstaat herrsche das Recht über die Politik, stehe es über der Politik. So lauten die Ideen und Forderungen des Rechtsstaats.

Art. 5 GG will den Bürgern Meinungsfreiheit als Grundrecht garantieren.

Schon muss klargestellt werden, dass Grundrechte nur Rechte des Bürgers gegen den Staat und seine Behörden sind.

Sie entfalten keine verfassungsrechtliche Geltung gegenüber anderen Rechtssubjekten, seien es natürliche Personen oder Wirtschaftsunternehmen. Namentlich den letzteren gegenüber, seien es "Arbeitgeber" oder Händler oder Medienmogule, gilt das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht.

Selbstverständlich wird im Rechtsstaat nicht jeder, der irgendeine abweichende oder kritische Meinung etwa gegenüber der Regierung äußert, eingesperrt. Das hat der Rechtsstaat nicht nötig.

So weit jemand sich in der Familie, im Kreis von Bekannten und Freunden kritisch oder abfällig über die Politik in diesem Staate äußert, wird solches von der Rechtsordnung des Rechtsstaates Bundesrepublik toleriert. Er weiß nämlich genau: Derartige Äußerungen privatissime, im kleinsten Kreis, sind für ihn nicht bedrohlich.

Er setzt vor allem darauf, dass die Medien, und zwar nicht nur die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, ihm die Treue halten, dass sie im Wesentlichen im Sinne seiner Politik wirken, Nachrichten verbreiten, publizieren oder Beiträge veröffentlichen.

So weit die Medien ohnehin nicht in öffentlicher Hand sind, sind sie Instrumente mächtiger wirtschaftlicher Institutionen. Nicht zufällig werden die Medien als die "vierte Gewalt" im Staat bezeichnet. Denn gerade die geistige Beeinflussung der Bürger durch diese, und zwar massenhaft tagtäglich, ja stündlich auf die Bürger einwirkenden Medien sind Formen der Herrschaftsausübung.

Dabei wird allerdings sowohl im Fernsehen, als auch in Printmedien sehr gern eine Vielfalt von Meinungen vorgestellt und verbreitet, um den Nutzern dieser Medien vorzuführen, was für vielfältige Meinungen in ihrem Spektrum Platz haben. Allerdings kommen fundamental-kritische Stimmen nur in Grenzen und oft nur zu Zeiten mit geringer Einschaltquote zu Worte.

Aufgrund all dessen ist es - wie vielfältiger Erfahrung lehrt - fast unmöglich grundsätzlich kritische Äußerungen und Positionen in den vorgenannten Medien unter und zur Geltung zu bringen - abgesehen von einigen kurzen kritischen Leserbriefen.

Wer nicht darauf setzen kann, durch Darstellungen im Internet etwas zu verbreiten oder wer nicht in Kleinstauflagen erscheinenden, regierungskritischen Wochen- oder Monatszeitschriften etwas zu vermitteln vermag oder wer nicht in kleinen Nischen-Verlagen Publikation unterbringen kann, bleibt in der Medienwelt dieses Staates, in seiner Öffentlichkeit ungehört - ganz so, als wenn jemand im Sturm gegen den Wind zu flüstern versucht.

Aber die Kundgabe unerwünschter Meinungen kann - wie man immer wieder erfährt - die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes auslösen, ohne dass der Betroffen davon erfährt und sich rechtsstaatlich zu wehren vermag.

Im Übrigen wird der Rechtsstaat durchaus auch gegenüber solchen Bürgern aktiv, die in einem überschaubaren Rahmen eine mit der herrschenden Meinung und der herrschenden Politik nicht übereinstimmende kritische Meinung zu verbreiten sucht.

Wie geht das? Das soll an einem der verschiedenen Beispiele erläutert werden, die mir bekannt wurden.

In diesem Fall geht es um eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Ute G. Sie stammt aus der ehrwürdigen Hamburger Bürgerschaft. Sie ist eine aufrechte Demokratin und steht absolut auf dem Boden des Grundgesetzes - wie es geschrieben steht. Sie ist allerdings der Meinung, dass dieses Grundgesetz ernst genommen werden muss - und zwar nicht nur im Sinne der jeweils aktuellen politischen Linie.

Ganz besonders hat es ihr angetan, dass nach dem "Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes" im Art. 146 GG nach wie vor vorgesehen ist, das Provisorium des Grundgesetzes durch eine Verfassung abzulösen, "die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen" sein wird. Dafür hat sie sich engagiert und tut es auch weiterhin. Sie hat eine Initiative "Forum - Ute Grothusen; Ost - Westdeutscher Brückenverlag" gestartet.

Ihre Auffassungen und auch ihre Kritik an Ungerechtigkeiten, die sie persönlich erfuhr, hat sie an praktisch alle Stellen und Instanzen in diesem Staate gerichtet an Kanzler(in), an Bundespräsidenten, Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und an viele andere.(1)

Nun hat sie in dem Hause, in dem sie in einer Eigentumswohnung wohnt, ein Schild angebracht, der auf die Aktivitäten dieses Brückenschlages hinweist. Sie hat so von ihrem verfassungsrechtlichen Grundrecht der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Nicht mehr und nicht weniger.

Es kam auch nicht die Polizei, um diesen Anschlag zu entfernen. Der Rechtsstaat ist vielfältig und seine Juristen erfinderisch. Beklagt haben sich über diese einem zentralen Gebot des Grundgesetzes entsprechende Bekundung die Wohnungseigentümer dieses Hauses. Aber sie haben sich nicht etwa politisch mit dieser Forderung der Ute G. auseinander gesetzt, sie weder zurückgewiesen noch kritisiert.

Sie haben auf ihr Eigentumsrecht gepocht.

Als Wohnungseigentümergemeinschaft haben sie gemäß diesem Recht in einer Eigentümerversammlung einem Antrag auf "Genehmigung" der Anbringung dieses Schildes nicht entsprochen und eine Entfernung dieses Schildes verlangt.

Dabei haben sie, um dem Geruch einer Beschränkung der Meinungsfreiheit zu entgehen - sachwidrig - dieses Schild als "Werbeschild" disqualifiziert. Sie haben dann, anwaltlich vertreten, auch alle rechtsstaatlich vorgesehenen Wege beschritten, so Unterlassungsklage, Androhung von Ordnungsmitteln u.s.w., wobei das Gericht gern der sachwidrigen Beurteilung des Schildes als "Werbeschild" folgte.

Letztlich droht der tapferen Demokratin "für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung", d. h. der Ausübung ihres Grundrechts, ein Haftbefehl!

Ist das nicht auch eine Form, unerwünschte Meinungen zu unterdrücken? Wird das Eigentumsrecht gegen das verfassungsmäßige Grundrecht auf Meinungsfreiheit ausgespielt, das auf diese Weise - rechtsstaatlich - ausgehebelt wird? Sieht das Ganze nicht aus, wie auf einem Güterverschiebebahnhof, wo "das Problem" - eben die dem GG entsprechende politische Forderung der Ute G. - auf ein anderes, das "rein juristische" Gleis geschoben wird, um sich mit ihm nicht auseinandersetzen zu müssen, aber gleichwohl der politische Gegner mundtot gemacht werfen soll?

Der vorgenannte "Fall Ute G." ist nur ein Beispiel für Tausend andere.

Was hier illustriert wurde, ist eine im Rechtsstaat geläufige Form und Methode eines für ihn charakteristischen besonderen juristischen Versteckspiels. "Man" versteckt sich hinter dem Recht, hinter den juristischen Formulierungen des Gesetzes - um die Sachfragen, um die es eigentlich geht, nicht aus- und ansprechen zu müssen, um eine offene politische Auseinandersetzung zu vermeiden! Denn bei dieser würden die entgegen gesetzten Interessen in der Gesellschaft deutlich zu tage treten.

Das aber soll im Rechtsstaat möglicht ausgeschlossen bleiben. Dem dient sein "juristischer Rauchvorhang".(2)

Erich Buchholz, Berlin


Anmerkungen

(1) Sie hat dies öffentlich gemacht. Im Internet sind die aktuellen Adressen unter www.gg-artikel146.de abzufragen.

(2) Näheres gerade auch zu dieser Eigenheit des Rechtsstaates in Erich Buchholz, "Anspruch und Wirklichkeit. Wie der Bürger den Rechtsstaat erlebt." Edition Ost, 2010

Raute

REAKTIONEN

Redaktion offen-siv: Vorbemerkung

Das Heft September-Oktober 2010 hat zu einigen Reaktionen geführt. Das war von uns so gewünscht, und wir freuen uns darüber, dass sich durch diese Diskussionen weitere Klärungen ergeben. Allerdings bewegen sich diese Klärungen nur auf dem Gebiet der Grabenkonturen, nicht auf dem Gebiet der Inhalte(3). Argumentativ hat sich niemand an unsere Kritik an dem von Irene Eckert unterbreiteten Aufruf gewagt. Man versuchte es mehr mit persönlicher Verunglimpfung und falschen Vorwürfen. Aber seht selbst. Wir drucken im Folgenden einen "Offenen Leserbrief" von Georg Dorn, danach eine kurze Überlegung zum Zusammentreffen von linkem und rechtem Opportunismus und zum Schluss eine Stellungnahme aus Frankreich.

Natürlich ist uns bewusst, dass diese aktuellen Auseinandersetzungen von manchen als "typisches Hickhack", "Grabenkämpfe" usw. angesehen und bezeichnet werden. Wir würden sie nicht so nennen, denn es handelt sich um notwendige Klärungsprozesse, notwendig deshalb, weil wir uns noch immer in der Phase tiefer Konterrevolution befinden und der Revisionismus noch immer eine hegemoniale Stellung in dem einnimmt, was von der kommunistischen Bewegung in Deutschland nach der Katastrophe von 1989/90 übrig geblieben ist(4).

Sehr interessant ist, dass sich aktuell etwas zusammenschiebt, dessen Gemeinsamkeit gegen den Marxismus-Leninismus auch schon früher zu beobachten war: der linke und der rechte Opportunismus. Es scheint der Sache eine Logik innezuwohnen, denn es wiederholt sich auf kleinster Ebene, was auf hoher Ebene die linke und die rechten Opposition gegen den Kurs der KPdSU in den 30er Jahren unternahm: Man ging zusammen, - und damals auch zusammen unter. Heute unterstützen die Linksopportunisten und Provokateure um Günter Ackermann und Jens Torsten Bohlke bis hinein in die Wortwahl die Anfeindungen gegen die KI, die aus dem revisionistischen Lager kommen.

Es bedarf einer großen Kraftanstrengung, sich aus den vorhandenen Sümpfen zu erheben. Wir sind entschlossen, diese aufzubringen.

Redaktion offen-siv, Hannover


Anmerkungen

(3) Als Beispiel dafür ein Leserbriefzitat: "Der 'vorpreschende Pimpf' Ph. Ramcke sollte nicht gutes Porzellan zerschlagen. Es gehört schon was dazu, einen Hillebrenner zu verprellen."

Selbstverständlich gibt es bezüglich der Kommunistischen Initiative inhaltliche Punkte, über die man diskutieren kann, so sind die beiden wichtigsten unseres Erachtens 1. die Frage, ob die Schlussfolgerung, die die KI aus den bisherigen gescheiterten Vereinigungsversuchen über Verhandlungen zwischen Parteiführungen gezogen hat, eben nicht über Vorstände, sondern als Sammlungsbewegung von Einzelpersonen das Problem anzugehen richtig und der Situation angemessen ist, - und wenn nicht, wäre darzulegen, warum nicht; und 2. die Frage, ob die Schlussfolgerung, die die KI aus den vorliegenden Revisionismusanalysen gezogen hat, nicht der prinzipienlosen Einheit das Wort zu reden, sondern das Postulat aufzustellen: "Klarheit vor Einheit" richtig und der Situation angemessen ist - und wenn nicht, wäre auch hier darzulegen, warum nicht.

In dieser insicht gab und gibt es keine, wirklich keine einzige inhaltliche Stellungnahme, statt dessen Vorwürfe von "Arroganz", "Besserwisserei", "Mogelpackung" usw. und der Abqualifizierung junger Genossen als "vorpreschende Pimpfe". Dieses ist sicherlich keine Ebene, auf der Verständigung entstehen könnte.

Deshalb die Bitte: wie wäre es bei den Kritiken an der KI denn mal mit einem Inhalt?!

(4) In Leserbriefen wie: "Lieber Frank Flegel, Euer Offensiv von Sept/Okt/2010 ist großartig und wichtig, deswegen möchte ich gern, dass Ihr mir 10 Stück zuschickt. ..." (D.J. aus B) wird genau dies gewürdigt.

Raute

Georg Dorn: Offener Leserbrief an die Redaktion "offen-siv"

Nach langer Abstinenz ergreift F. F., der sich für strategische Fragen der KI zuständig hält, in "offen-siv" Heft 6/2010 das Wort. Ihm hat es der Revisionismus angetan, gegen den er zu Felde ziehen will.

In genanntem Heft schreibt Irene Eckert, eine nachweislich befähigte Linke, 12 Thesen - wohlgemerkt Thesen, keine Abhandlung - und wendet sich an uns, an die Kommunisten, mit ihrem Anliegen, "eine dringend benötigte, fundamentale, systemüberwindende Opposition" zu schaffen. Ihre eindrucksvolle Sprache verrät eine begabte Schriftstellerin, ist aber gewöhnungsbedürftig, weil nicht die Sprache des geübten kommunistischen Agitators oder Propagandisten. Sie will auch gar keine platte Agitation oder vordergründige Propaganda. Sie ist eine von denen, über die Bertolt Brecht schrieb:

"Als ich erwachsen war und um mich sah, gefielen mir die Leute meiner Klasse nicht;

Nicht das Befehlen und nicht das Bedientwerden. Und ich verließ meine Klasse und gesellte mich zu den geringen Leuten .....

Ja, ich plaudere ihre Geheimnisse aus. Unter dem Volk stehe ich und erkläre, wie sie betrügen, und sage voraus, was kommen wird, denn ich bin in ihre Pläne eingeweiht .....

Wo ich hinkomme, bin ich so gebrandmarkt vor allen Besitzenden,
aber die Besitzlosen lesen den Steckbrief und gewähren mir Unterschlupf.
Dich, höre ich da, haben sie verjagt mit gutem Grund."

Mehrmals beruft sich Irene Eckert auf Marx und Lenin, bekennt sich nicht zu irgendeinem, sondern zum wissenschaftlichen Sozialismus und macht glaubhaft deutlich, dass sie nicht nur Unterschlupf bei uns sucht, sondern mittun will beim Aufbau der "systemüberwindenden Opposition". Aber darum ruft sie uns fast beschwörend zu: Kommunistinnen und Kommunisten aller Fraktionen, endet eure Streitereien!

Nun mag man ja bei dieser oder jener Formulierung der Irene Eckert auch Zweifel entdecken, über die man sich doch recht sachlich auseinandersetzen könnte. Aber wie immer bei solchen Gelegenheiten findet sich da ein Superkommunist, der das marxistische Messer wetzt und mit oberlehrerhaftem Stil alles zerschneidet, zerstückelt, zerfetzt, bis nichts mehr davon übrig bleibt. So, wie unsere Monopolbourgeoisie und deren bezahlte Schreiberlinge heute 'Stalinismus' und 'Stasi' als ideologische Keule gegen alles schwingen, was links ist oder so zu sein meint, schwingt F. F. die Revisionismuskeule gegen die Thesen einer Frau Eckert und rammt mitten in diese das Plakat "Klarheit vor Einheit" ein. Nur vordergründige Polemik, selbst die Thesen der Gerügten enthalten mehr politische Substanz, als die Auslassungen des F. F. über "Klarheit" und über "Einheit".

Damit es kein Missverständnis gibt: Ich bin entschieden gegen jede Form von Revisionismus (übrigens nachlesbar auch die Autorin), aber nicht in solcher Form, die auf dogmatisches Sektierertum hinausläuft. F. F. lässt endlich die Katze aus dem Sack. Ihm geht es nicht um das Zusammenführen von Kommunisten, wie im Gründungsaufruf von 2008 gefordert, er will - wie die KPD(B) auch - die KI zur Partei machen. Damit gibt er den Grundkonsens auf, nicht die anderen und gleich gar nicht Irene Eckert. Und wenn ich dann im Gründungsaufruf, den F. F. unterschrieben hat, lese, dass wir uns "an alle in Deutschland, (wenden) die sich als Kommunisten verstehen", und sie auffordern, "mit uns eine 'Kommunistische Initiative' (aufzubauen), die willens und in der Lage ist, in einem längerfristigen Prozess die Bedingungen für die Formierung einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Partei in Deutschland zu schaffen", dann kommen mir doch arge Bedenken gegen diesen von F. F. praktizierten Weg. Irene Eckert haben wir verprellt und so manche andere, die das lesen, haben wir sicher nicht gewonnen.

Nun könnte man sich ja zurücklehnen und sagen, das ist heute eben so, das gehört heute zum Stil und Ton unter deutschen Kommunisten, den muss die Frau Eckert vielleicht schlucken können und darf nicht so empfindlich sein. Aber dann blättert man in dem eingangs genannten Heft weiter und liest, wie sich besagter F. F. mit den kubanischen Genossen im allgemeinen und dem Genossen Raúl Castro Ruz im besonderen anlegt, um ihnen (ihm) klar zu machen, wo in sozialistischer Wirtschaftspolitik der Hammer hängt. Aber dabei schwingt er selbst den Hammer: "Wer solche Maßnahmen heute im Sozialismus einleitet, der kann das - 20 Jahre nach der Konterrevolution in Europa - nicht aus Dummheit machen:" Welch eine impertinente Überheblichkeit!! Wer gibt dem F. F. das Recht unsere kubanischen Genossen mit solchen dumpf-dummen Unterstellungen abzufertigen? War er jemals in Kuba? Weiß er, unter welchen Bedingungen die Genossen dort einen harten Klassenkampf führen? Wenige Kilometer vor den Küsten des USA-Imperialismus blieben sie standhaft, als unser europäischer Sozialismus zusammenbrach und wir sie deshalb im Stich ließen. Dessen müssen wir uns noch heute schämen!

Aber viel schlimmer ist, dass F. F. einen sehr üblen Trick anwendet. Er beruft sich auf Lenin, zitiert seitenweise aus Lenins Aussagen zur NÖP von 1921, wählt aber nur solche Stellen aus, in denen Lenin mit Recht auf die ernsten Risiken der NÖP verweist und erweckt damit den Eindruck, als sei Lenin ein Gegner der NÖP gewesen. Er unterschlägt auf diese Weise, dass Lenin auf dem X. Parteitag selbst gegen harten Widerstand in der Partei die NÖP als eine aus den gegebenen historischen Umständen zwingend notwendige, aber nur zeitweilige strategische Orientierung in der Wirtschaftspolitik durchsetzen musste. F. F., das ist Verfälschung des Leninismus und deshalb für Ihre Argumentation nicht verantwortbar. Das kann ich nicht hinnehmen und lediglich noch feststellen, Ihren Namen haben Sie sich wirklich redlich verdient.

Der Leser dieses Offenen Briefes mag nun meinen, dass das, was ich hier in Kürze rügte, auch nur vordergründige Polemik sei. Da hat er nicht Unrecht. Ich kann ihm nur entgegenhalten, dass es ein gutes deutsches Sprichwort gibt, was da lautet: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil! Und in diesem Sinn übe ich nicht Buße, sondern stehe ich zu meiner Unterschrift unter "Es reicht!" (S. 63 von "offen-siv" 6/2010)

Georg Dorn, Berlin, 31.10.2010

Raute

Frank Flegel: Interessantes Flügeltreffen

Zunächst einige kurze Anmerkungen zum vorstehenden Text von Georg Dorn, bei denen ich auf die persönlichen Herabwürdigungen nicht näher eingehen, sie aber durchaus hier auflisten will:

"...findet sich da ein Superkommunist, der das marxistische Messer wetzt und mit oberlehrerhaftem Stil alles zerschneidet, zerstückelt, zerfetzt,..." ... "So, wie unsere Monopolbourgeoisie und deren bezahlte Schreiberlinge ... schwingt F. F. die Revisionismuskeule gegen die Thesen einer Frau Eckert." ... "...dogmatisches Sektierertum..." (Im Zusammenhang mit der Kritik an der neuen Wirtschaftspolitik in Cuba): "Welch eine impertinente Überheblichkeit!! Wer gibt dem F. F. das Recht unsere kubanischen Genossen mit solchen dumpf-dummen Unterstellungen abzufertigen?" (Und im Zusammenhang mit dem Abdruck der Warnungen Lenins vor den möglichen Folgen der NÖP): "F. F., das ist Verfälschung des Leninismus und deshalb für Ihre Argumentation nicht verantwortbar. Das kann ich nicht hinnehmen und lediglich noch feststellen, Ihren Namen haben Sie sich wirklich redlich verdient." (Alle Zitate: Georg Dorn, vorstehender Text)

So weit, so schlecht, denn Argumentatives ist in solchen Äußerungen kaum zu entdecken. Trotzdem gibt es einige Inhalte in Georg Dorns Einlassungen - die ich im Folgenden kurz untersuchen will:

1. "F. F. lässt endlich die Katze aus dem Sack. Ihm geht es nicht um das Zusammenführen von Kommunisten, wie im Gründungsaufruf von 2008 gefordert, er will - wie die KPD(B) auch - die KI zur Partei machen." Kein Wort habe ich darüber geschrieben. Woher Georg Dorn diese Aussage nimmt, weiß ich nicht. Es ist allerdings auffällig, dass die gleiche Lüge auch von Dieter Hillebrenner, Klaus Steiniger, Günter Ackermann und anderen verbreitet wird. Wie wäre es denn mal mit einer Quelle, mit einem Zitat oder einem Dokument, um diese Behauptung zu belegen? Es gibt kein Zitat und kein Dokument, denn es gibt diese politische Orientierung der KI nicht und deshalb muss man mit den Mitteln der Unterstellung und der Lüge arbeiten.

2. "Aber viel schlimmer ist, dass F. F. einen sehr üblen Trick anwendet. Er beruft sich auf Lenin, zitiert seitenweise aus Lenins Aussagen zur NÖP von 1921, wählt aber nur solche Stellen aus, in denen Lenin mit Recht auf die ernsten Risiken der NÖP verweist und erweckt damit den Eindruck, als sei Lenin ein Gegner der NÖP gewesen." Ich erwecke den Eindruck, als sei Lenin ein Gegner der NÖP gewesen? Wo das denn? Der erste Satz meiner Lenin-Textauswahl im September-Oktober-Heft lautet "Im Frühjahr (1921; d. Red.) sagten wir, dass wir uns nicht scheuen werden, zum Staatskapitalismus zurückzukehren." So erwecke ich also mittels eines "sehr üblen Tricks" ... "den Eindruck, als sei Lenin ein Gegner der NÖP gewesen." So so!

3. "War er jemals auf Cuba?" Wenn man über Ereignisse nur dann nachdenken dürfte, wenn man sie miterlebt hat, müssten wir sofort die Geschichtsschreibung und vor allem die Analyse der Hintergründe geschichtlicher Prozesse einstellen - und wahrscheinlich wären unsere besten Werkzeuge noch immer der Faustkeil und die Steinaxt. Was für ein Irrsinn!!!

Bei diesen drei Entgegnungen will ich es belassen.

Es gibt nämlich inhaltlich Interessanteres von dieser Seite, also von der Seite der sechs Unterzeichner des Aufrufes "Es reicht!": am 13. November erschien der "Entwurf eines Grundsatzdokumentes" mit dem Titel "Ziele, Grundsätze, Erfahrungen und nächste Aufgaben der Kommunistischen Initiative". Ich beschränke mich auf zwei Aspekte:

Zur Arbeiterklasse: "Kommunisten übersehen nicht, dass die Arbeiterklasse, die weder sozial noch im Bewusstsein homogen ist, in unterschiedlichen politischen Parteien und Organisationen vertreten ist. Ebenso wissen sie, dass es noch bedeutender theoretischer Arbeit bedarf, um die 'Arbeiterklasse heute' zu bestimmen und das 'Subjekt revolutionärer Veränderungen' zu definieren. (Hervorhebung: F.F.) Die Arbeiterklasse ist und bleibt das Subjekt revolutionärer Veränderungen. Selbstverständlich unterliegt sie - korrespondierend mit den technologischen und den klassenkämpferischen Bedingungen - einem steten inneren Wandel, aber, ich wiederhole, sie ist und bleibt die Arbeiterklasse und sie ist und bleibt das revolutionäre Subjekt. Wenn man bei den Verfassern des genannten Papiers der Auffassung ist, dass es "noch bedeutender theoretischer Arbeit bedarf", ... "das 'Subjekt revolutionärer Veränderungen' zu definieren", hat man offensichtlich andere Kräfte im Auge und nimmt damit eine Revision des Marxismus vor. Nicht mehr und nicht weniger(5).

Zur Niederlagenanalyse: "Die KI betrachtet die notwendige Niederlagenanalyse als Aufbereitung von Erfahrungen unterschiedlicher Qualität. Dazu ist noch viel Arbeit nötig. Auffassungen, es sei bereits alles gesagt, sind ebenso irrig wie der Versuch, mit dem Verweis auf die Rolle des Revisionismus andere objektive Ursachen gering zu schätzen." Die Niederlagenanalyse soll die "Aufbereitung von Erfahrungen unterschiedlicher Qualität" sein? Ich dachte immer, sie müsse die Analyse der Ursachen unserer Niederlage sein, aber nun ja, es geht ja genau so schwammig weiter: Man soll nicht "andere objektive Ursachen" gering schätzen. Wenn man doch erfahren könnte, welche "andere(n) objektive(n) Ursachen" die Verfasser meinen!? Aber egal, auch wenn sie nicht genannt werden, findet schon mit dieser Formulierung ("objektive Ursachen") die Abkehr von den Analysen Kurt Gossweilers statt. Man behauptet (natürlich ohne es zu belegen), dass die Ursache unserer Niederlage "objektive" und damit nicht politisch-ideologische Gründe gehabt habe. Wer von objektiven Ursachen spricht, hält die Niederlage für unumgänglich, macht sich einerseits zum Kapitulanten und macht es sich andererseits sehr leicht (...war ja doch nicht zu ändern...) - wie dem auch sei, das Resultat ist die Bagatellisierung der Rolle des Revisionismus.(6) Damit verlässt man den Gründungskonsens der KI. Dort wurde formuliert: "Diese Klarheit muss im Wesentlichen aus drei Elementen bestehen, die durch den wissenschaftlichen Sozialismus deutlich formuliert werden: ... 3. Das Anerkennen der Notwendigkeit des Kampfes der Kommunistischen Partei gegen jede Form des Revisionismus und Reformismus, denn der Revisionismus war und ist die Hauptbasis für den zeitweiligen Sieg der Konterrevolution in Europa, die Spaltung, Zersplitterung und Schwächung der kommunistischen Bewegung!"

Um das Bild abzurunden sei aus einem Brief des Genossen Georg Dorn an den Genossen Emko von Anfang November 2010 zitiert, den Georg Dorn auch mir zugesandt hat: "In meinem Beitrag zu 'Macht' vermisst Ihr 'ein Wort zur Rolle der Partei'. ... Ich habe bewusst nicht mehr dazu geschrieben. 'Partei' und 'Macht' gehören nämlich nicht zusammen. Wohin das führt, wenn (wie in den letzten DDR-Jahren) die Macht des sozialistischen Staates dadurch immer mehr ausgehöhlt wird, weil sich die Macht der Partei immer weiter aufbläht, haben wir ja am bitteren Ende erlebt, als der Staat nichts mehr zu sagen hatte und die Partei monatelang sprachlos blieb. Ich könnte Euch sehr schlimme sehr persönliche Erfahrungen dazu nennen. Die Partei ist nicht dazu da, Macht auszuüben, sondern die Massen politisch-ideologisch zu bilden und zu erziehen und letztlich zur Machtausübung in einem sozialistischen Staat politisch zu organisieren." Das ist eine Revision der Leninschen Partei- und Revolutionstheorie. Auch hier: nicht mehr und nicht weniger.

So sind die Konturen der Auseinandersetzung etwas klarer geworden. Nun muss ich auf ein weiteres Problem eingehen, denn es gibt, wie oben schon angemerkt, auch Interessantes von der anderen Seite, den linksopportunistischen Provokateuren. Beispiel: Günter Ackermann auf kommunisten-online.de: "Reinkanation oder wie oder was?"

"... Die sog. Kommunistische Initiative war von Anfang an reiner Etikettenschwindel der beiden MOFFs, Michael Opperskalski und Frank Flegel. Man wollte Genossen binden und abhalten, sich ernsthaft in die Klassenkämpfe einzumischen, sie mit Unsinn zu beschäftigen und, wenn sie aufbegehren, sie zu beschimpfen, auszugrenzen, damit sie in der Resignation landen.

Derzeit sind sie voll dabei. Einige ihrer Mitglieder, die nicht nach der MOFF-Pfeife tanzen wollen, werden systematisch verunglimpft. Man unterstellt ihnen Spaltertum.

Aber die Spalter sind die MOFFs und ihre Anhänger. Die wollen "so schnell wie möglich" [3] eine "Kommunistische" Partei gründen - als ob es derer nicht genug gäbe. Sie wollen wieder einmal eine Stelle besetzen, damit ernsthafte Genossen nicht hier anknüpfen können.

Da diese "Initiative" sich weder vom marxistisch-leninistischen Standpunkt theoretisch mit dem Verrat der modernen Revisionisten beschäftigt hat - also auch die Ursachen des Niedergangs des sozialistischen Lagers nicht aufgearbeitet hat, noch je sich mit den Klassenkämpfen in Deutschland beteiligt hat, kann keine KPD aus ihr entstehen, sondern nur ein stinkender Furz.

Die kommunistische Initiative ist eine doppelte Lüge: Sie ist weder kommunistisch, noch zeigt sie Initiative - jedenfalls nicht in kommunistische Richtung. Sie ist ein winziger Verein und vollkommen unbedeutend. Für die kommunistische Bewegung gingen von ihr keinerlei positive Impulse aus. Ihr Zweck ist eben Verwirrung stiften..."

Anmerkung [3]: So der MOFF-Schreiber aus den Allgäuer Bergen Emko

Auch hier ist nicht die persönliche Beschimpfung ("doppelte Lüge", "stinkender Furz" usw.), sondern das - wenn auch Wenige - an Inhalt interessant, was vermittelt wird:

1. Es wird wieder unterstellt, die KI wolle eine möglichst baldige Parteigründung durchführen. Diesmal sogar mit einer vorgetäuschten Quellenangabe: "So der MOFF-Schreiber aus den Allgäuer Bergen Emko". Wo dieser "MOFF-Schreiber" das gesagt oder geschrieben haben soll, wird nicht belegt, weil es (s.o.) nicht belegt werden kann.

2. Dass wir uns "weder vom marxistisch-leninistischen Standpunkt theoretisch mit dem Verrat der modernen Revisionisten beschäftigt" haben "- also auch die Ursachen des Niedergangs des sozialistischen Lagers nicht aufgearbeitet" haben, "noch je" uns an "den Klassenkämpfen in Deutschland beteiligt" haben, widerspricht der Realität in einem solchen Maß(7), dass wir auch hier wieder feststellen müssen: diese Behauptungen sind Lügen.

3. Die so genannten "MOFFs", also Michael Opperskalski und Frank Flegel, sind die "Bösen", die andere verführen und einen sektenhaften Anhang um sich scharen. Die Erfinder dieser nach sozialpsychologischer Analyse klingenden Abqualifizierung sind die abtrünnigen ehemaligen KI-Kader in Berlin und Dresden. Dass die Provokateure um Ackermann diese aufnehmen, lässt tief blicken.

Inhaltlich gibt das Ganze nicht viel her. Aber ein Fakt ist sehr, sehr interessant und sollte uns aufmerken lassen, nämlich der, dass hier, wie oben schon erwähnt, der linke und der rechte Opportunismus zusammenwachsen.

Frank Flegel, Hannover


Anmerkungen

(5) Ich empfehle die Lektüre der Schrift von Karl Marx: "Lohnarbeit und Kapital"

(6) Ich empfehle die Lektüre der Taubenfußchronik von Kurt Gossweiler und seinen "Brief an Robert Steigerwald" sowie das von der offen-siv herausgegebene Buch "Niederlagenanalyse".

(7) Siehe die offen-siv-Veröffentlichungen von Kurt Gossweiler, Ulrich Huar, Harpal Brar, Michael Opperskalski, Hermann Jacobs und anderen sowie die Bücher "Niederlagenanalyse" und "Unter Feuer". Die Aktivisten der KI sind in den Gewerkschaften aktiv, arbeiten in unterschiedlichen Bündnissen mit wie der Schülerbewegung, der Friedensbewegung, der Antifa oder sind in der Migrantenarbeit tätig. Sowohl die offen-siv als auch die KI-NRW organisieren marxistisch-leninistische Bildungsarbeit mit jungen Leuten und Arbeiterjugendlichen.

Raute

Gudrun Stelmaszewski: Der Angriff der trotzkistischen IV. Internationale auf die deutsche linke Bewegung

Oder: Was versteckt sich hinter den "Thesen und Reflektionen zur Schaffung einer dringend benötigten, fundamentalen, systemüberwindenden Opposition"?


Einige Worte zum Trotzkismus, der linksradikalen Abweichung vom Marxismus-Leninismus

(Der im September-Oktober-Heft dokumentierte Text von Irene Eckert und anderen kursierte bereits vor dieser Veröffentlichung im Internet. Die Genossin Gudrun Stelmaszewski aus Frankreich hatte uns daraufhin eine Kritik daran zugesandt, die trotzkistische Anklänge in den vorgelegten Thesen thematisiert. Wir haben im besagten Heft davon abgesehen, ihre Kritik zu bringen. Jetzt aber passt sie und deshalb drucken wir sie hier gern. Red. offen-siv)

Von den russischen linksradikalen Opportunisten ist bekannt, dass sie in den Wirren der Revolutionen laufend die Seiten wechselten zwischen den Menschewiki, den Sozialrevolutionären und den Bolschewiki, an deren Seite sie blieben bis zum Sieg der Oktoberrevolution und als Opposition bis in die zwanziger Jahre. Denn nach der Oktoberrevolution erwachte ihr Kleinbürgerinstinkt, und sie erschraken vor den Konsequenzen ihres eigenen Handelns. Gewiss ihrer sie von der breiten Masse des Volkes abhebenden Bildung, standen sie eben diesem ihnen grau und gefährlich erscheinenden und ins politische Geschehen drängendem Volk gegenüber - und verlangten nach der "gesitteten" bürgerlichen Demokratie.

Lenin warnte bereits 1914 vor der unsicheren Haltung der Trotzkisten: "Noch niemals, in keiner einzigen bedeutsamen Frage des Marxismus, hatte Trotzki eine feste Meinung, stets 'kroch er in die Spalten' zwischen den verschiedenen Meinungen und pendelte von einer Seite zur anderen."(8)

Die Trotzkisten waren zu Beginn der zwanziger Jahre nicht die Hauptgefahr für die junge Sowjetmacht, verhielten sich aber zunehmend feindlich, bevor es wegen landesverräterischer Handlungen zum Ausschluss aus Zentralkomitee und Partei und zu Verurteilungen kam.

Nachdem sie ihre Vorstellungen unter der Sowjetmacht nicht verwirklichen konnten, liefen sie prompt offen zum Klassenfeind über. Vor allem in den USA, aber auch den anderen kapitalistischen Ländern wurde das im Klassenkampf nutzbare Potential erkannt und die Bewegung der Trotzkisten seitdem großzügig unterstützt. Das führte im Jahre 1938 zur Gründung der trotzkistischen IV. Internationale.

Die Trotzkisten verstecken ihren Antikommunismus hinter scheinbar kommunistischen und revolutionären Äußerungen, was sie in die Nähe der Revisionisten rückt und die Bezeichnung als "linke Radikalisten" erklärt. Ihr wahres Gesicht offenbart diese linksradikale Strömung vor allem in ihrem Verhältnis zur marxistisch-leninistischen Wissenschaft, insbesondere zur Revolutionstheorie und der Klassifizierung der sozialistischen bzw. kommunistischen Staaten. Die theoretische Basis der gesamten weltweiten antikommunistischen trotzkistischen Bewegung, vertreten in der IV. Internationale, trägt folgende Züge:

- Die Oktoberrevolution wird als welthistorisches Ereignis anerkannt. Die Festigung der revolutionären Ergebnisse aber in einer Demokratie der Arbeiter mit verbündeter Bauernschaft und anderen Volksschichten, den Aufbau der sozialistischen Volksdemokratie und ihre Absicherung durch die von Lenin als Diktatur des Proletariats bezeichnete Staatsform lehnen die Trotzkisten ab.

- Die Trotzkisten bezeichnen ihre staatsfeindlichen und antisowjetischen Umtriebe, eingeschlossen die in der 3. Kommunistischen Internationale, als wahre revolutionäre Handlungen. Davon ausgehend wird der sozialistische Aufbau in der Sowjetunion unter Führung der KPdSU mit Stalin an der Spitze als Konterrevolution bezeichnet.

- Sie lehnen den historischen und dialektischen Marxismus als Bestandteil der marxistisch-leninistischen Wissenschaft ab. Das wird deutlich bei der Beurteilung revolutionärer Prozesse. Eine Ursachenforschung und wirkliche dialektische Betrachtung findet also nicht statt.

- Marxistisch-leninistische falsche Darstellung von Rolle und Bewusstseinsbildung der Arbeiterklasse, die nur als "Feigenblatt" für eigene schein-revolutionäre Umtriebe dient.

- Theorie von der permanenten Revolution und damit Ablehnung einer sozialistischen Revolution in einzelnen Staaten und direkte Arbeit dagegen.

- Darstellung der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten als stalinistische Bürokratien zur Unterdrückung der Arbeiterklasse.

- Im Gegensatz dazu Bezeichnung der konterrevolutionären Umsturzversuche in der DDR 1953, in Ungarn 1956, der CSSR 1968 als Aufstände der Arbeiter gegen das "bürokratische stalinistische System".

Die trotzkistische Partei für Soziale Gleichheit (PSG) und die IV. Internationale

Die oftmals inkohärenten und unstabilen Gruppen der Trotzkisten formierten sich nach der Konterrevolution 1989/92 um. Das veränderte Kräfteverhältnis erforderte eine veränderte Strategie. Es mag immer und immer wieder behauptet werden, dass auch der Kommunismus mit dem dem "Eisernen Vorhangs" verschwand. Diese Behauptung entspricht aber eher den Tricks der Illusionisten. Nicht nur, dass ein großes Gebiet Asiens auf dem Wege zum Sozialismus ist, auch das kleine Kuba ist noch da, und andere Staaten verbinden ihre Unabhängigkeitsbewegungen mit dem Aufbruch in eine bessere Gesellschaft.

Es wurden und werden in einigen Ländern Parteien gegründet, die in ihrem Namen auf eine Gleichheit aller Menschen abstellen wie z. B. die deutschen Partei für Soziale Gleichheit (PSG). Das politische Führungsinstrument der IV. Internationale ist das Internationale Komitee (IKIV) mit dem US-Amerikaner David North an der Spitze. Die us-amerikanische Socialist Equality Party stellt auch die stärkste Partei. Im Februar 2010 fand im belgischen Oostende der 16. Weltkongress der IV. Internationale statt, auf dem u. a. einem bereits im Februar 2009 von ihrem Exekutivkomitee angenommener Resolutionsentwurf 2 im Wesentlichen zugestimmt wurde. In dessen Erklärung der Rolle und Aufgaben der IV. Internationale sieht sich das Exekutivkomitee der IV. Internationale gezwungen, seine am Widerstand der progressiven Bevölkerung weltweit gescheiterte Politik zuzugeben:

"Die historischen Grenzen dieser internationalen "trotzkistischen" [so im Text bezüglich abtrünniger] Strömungen, ebenso wie die anderer, ex-maoistischer oder ex-kommunistischer Strömungen, sind heute hinderlich dabei, zu Fortschritten in der Herausbildung neuer internationaler Zusammenschlüsse zu kommen. Und ebenso sind die Aufrufe von Chávez und anderer für eine neue Internationale nicht auf der gleichen Ebene angesiedelt. Sie thematisieren offensichtlich fundamentale politische Probleme, aber auch die der Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Organisation."(9)

Genannte Probleme werden wohl eher im Verhältnis der Trotzkisten u. a. zu südamerikanischen Befreiungsbewegungen und deren staatlichem Aufbau unter Einfluss us-amerikanischer antikommunistischer Kreise zu finden sein. Sie hatten mit ihrem vom Volk und der Arbeiterklasse und damit von den Lehren Marx' und Engels abgehobenen ideologischen Einfluss bereits in den zwanziger Jahren großen Schaden angerichtet, als sie u. a. versuchten, mittels der Komintern den Befreiungskampf des chinesischen Volkes in eine Sackgasse zu führen. Mehrere der im spanischen Bürgerkrieg kämpfenden Kommunisten (u. a. Ludwig Renn) bezeugen in ihren Büchern das volksfeindliche und verbrecherische Verhalten der Trotzkisten.

Der Parteitag der PSG im Mai 2010 in Berlin folgte inhaltlich voll dem Weltkongress. "Eine Radikalisierung werde nicht mehr in den Reihen der alten, diskreditierten Organisationen beginnen, sondern erforderte den Aufbau einer neuen Partei."(10) Es wird wohlgemerkt von diskreditierten Organisationen der IV. Internationale gesprochen! Und ganz konsequent wird unterstrichen:

"Wenn es in der Arbeiterklasse eine Führung geben soll, dann muss sie von unserer Partei kommen. Wenn ein neuer Weg für die arbeitenden Massen eröffnet werden soll, dann muss er von unserer Organisation eröffnet werden. (...) Wenn es eine neue Partei geben muss, dann müssen wir sie aufbauen." (...) Alle Sektionen des Internationalen Komitees bereiteten nun die Gründung von Parteien vor."(11)

Die neuen Richtlinien lauten:

- Anerkennung der politischen Führung des us-amerikanisch dominierten IKIV

- "Recht auf Tendenzen oder Strömungen" der Parteien und Organisierung gemäß der spezifischen Landessituation

- Beförderung des "Konvergenzprozess" in Richtung auf neue internationale Gruppierungen. Das heißt, Positionen und Beziehungen auf Landesebene zu internationalen Gruppen und Organisationen auszunutzen

- Bereitstellung eines "attraktiven und demokratischen organisatorischen Rahmens" für Organisationen mit denselben "politischen Projekten" (Punkt 8 des Resolutionsentwurfs 2)

- Neuwerbung von Mitgliedern unter "'neuen antikapitalistischen Parteien', breiten Parteien mit Masseneinfluss"(12).

Grundsätzliches zu den "Thesen und Reflektionen zur Schaffung einer dringend benötigten, fundamentalen, systemüberwindenden Opposition

In den letzten Monaten wird in Deutschland ein Thesenpapier verbreitet, das sich "als Diskussionsangebot" an "alle Menschen guten Willens" richtet, besonders aber an "Kommunisten aller Fraktionen" und zum organisierten Widerstand gegen die antidemokratische, asoziale und kriegerische Politik aufruft. Eine Frau Irene Eckert legt uns "Thesen und Reflektionen zur Schaffung einer dringend benötigten, fundamentalen, systemüberwindenden Opposition" vor.

Lesen wir sie unter Berücksichtigung der Ausführungen in den vorhergehenden Abschnitten.

"Der Theorie nach verkörpern die Kommunisten die revolutionäre Avantgarde. Lenin lieferte auf Grundlage seines Studiums des Marxismus, seiner umfassenden Kenntnisse und seiner Lebenserfahrung das nötige theoretische Rüstzeug, die kämpferische Theorie für eine erfolgreiche revolutionäre Praxis."

Mit diesen Worten schafft das Papier eine "Ausgangssituation", um uns aber bereits in den nächsten Sätzen zum Zweifel an dieser Theorie und ihrer Anwendung in der Praxis zu bringen.

Verklausuliert wird dargelegt, dass diskutiert werden soll, weil die "richtungsweisende und kundige Handlungsanleitung" heute nicht mehr "unmittelbar verfügbar" sei. Ähnlich wird in Anmerkung 3 vorgegangen:

"Spätestens seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gilt der 'historische und dialektische Materialismus', die Theorie des Marxismus-Leninismus für verpönt, altmodisch, überholt." So werden die Zweifler und Unsicheren bedient. Angefügt im letzten Satz aber wird: "Erst die sich verschärfende Krise ist für junge Menschen Anlass, sich etwa wieder dem Kapitalstudium zuzuwenden." Der wissensdurstige und sich auf richtigem Wege Wissende ist zufrieden gestellt.

Von verschlissenen Begriffen ist die Rede, die von den Oberen verdreht wurden, einer bis zur Unkenntlichkeit denunzierten und verleumdeten kommunistischen Bewegung. Da nichts klar benannt wird, nur das Wort Opportunismus beiläufig fällt, bleibt der Leser etwas verwirrt zwischen Zustimmung, Unsicherheit und fragwürdigen Feststellungen zurück. Im Klartext lautet die Botschaft: Wir brauchen den Marxismus-Leninismus anders, besser ... nachgebessert, also verfälscht? Wir brauchen eine bessere Führung?

Aber These 1 versöhnt schnell wieder, denn der Marxist-Leninist weiß: "Unser Land (...) braucht wieder eine kraftvolle, revolutionäre Massenpartei, die den notwendigen Widerstand gegen die antidemokratische, asoziale und kriegerische Politik unseres Landes anzuleiten und wirksam zu organisieren vermag."

So eindeutig geht es nicht weiter, denn es wird eine Jahreszahl im Zusammenhang mit allgemeinen und oberflächlichen Fakten benannt: "Seit dem 1953 zunächst schleichend einsetzenden, weltweiten Niedergang des Sozialismus, der 1989 seinen vorläufigen Höhepunkt fand, ...".

In diesem Satz können sich alle wieder finden, die entweder den Aufstand der Arbeiter gegen das "bürokratische sozialistische System", die Abwehr eines konterrevolutionären Versuchs oder gar den Tod Stalins assoziieren und je nach Einstellung so auch das Jahr 1989. Ganz in dem Sinne schließen sich die nächsten Sätze fragwürdig an, indem Begriffe bewusst oberflächlich aneinander gereiht werden: "EU europa- und zusammen mit der NATO weltweit", "Turbo-Antikommunismus", "ihre fragwürdigen Freunde von ihrer faschistischen Schuld reinwaschen", "aggressive Delegitimierungskampagne gegenüber jeglicher Hinterlassenschaft der DDR". Der letzte Begriff ist in sich bereits wieder indifferent.

Mit wem also soll hier Partei gemacht werden?

"Für eine Veränderung im Sinne von Massenwirksamkeit muss der theoretische Begriff her und zwar zuallererst." Offen bleibt wiederum, was gemeint ist. Gleich danach wird die unbedingte charakterliche Stärke der "Mitwirkenden" gefordert.

Die Theorie der Trotzkisten von der permanenten Revolution stellt nichts anderes dar als die ständige Vorbereitung einer auf den Sankt Nimmerleinstag verschobenen Weltrevolution. Die Theorie kann ein weites Betätigungsfeld für gebildete, kämpferische, revoltierende Menschen bilden, ohne dass sie jemals die wahren Bewegungsgesetze der Gesellschaft erkennen und demzufolge Änderungen bleibend bewirken. Die durch den Kapitalismus und Imperialismus verursachten weltweiten sozialen Ungerechtigkeiten führen zur Suche nach Auswegen. Das ist die Rekrutierungsbasis des Trotzkismus, der einesteils revolutionäre Kräfte in scheinbaren Aktionen binden will, andererseits Kader für gezielte Aktionen und vor allem auch für die Berichtsarbeit sucht. Ständige Analysen für den Klassenfeind sollen ihm eine Kontrolle der revolutionären Bewegung erlauben. Im Thesenpapier wird das "Rechenschaftslegung" genannt (These 3).

"Am Anfang steht also der Erkenntnisprozess und der muss, laut Lenin, erarbeitet und in die Arbeiterklasse 12 hineingetragen werden", wird erklärt in These zwei, "und zwar von jenen, die das nötige Handwerkszeug dazu besitzen." Und: "Die Aufgabe einer Avantgarde besteht demnach in erster Linie darin, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Handlungsanleitungen zu liefern."

Wie das mit der Wissenschaftlichkeit im Sinne des Marxismus-Leninismus aussieht, ist weiter oben genannt worden.

Um welchen Erkenntnisprozess aber geht es?

Davon ist im Papier nicht die Rede. Hier wird auf eine "Elite" orientiert, die dem Arbeiter sagen soll, was (auch immer) zu tun ist. Wenn Marx, Engels und Lenin es für unbedingt notwendig hielten, dass der Arbeiterklasse die aus ihrer polit-ökonomischen Stellung resultierende Kraft bewusst gemacht wird - im Papier ist keine Rede davon.

In der Grundsatzerklärung der "Partei für Soziale Gleichheit" aber ist unter Punkt 31. zu lesen, dass die Auseinandersetzung mit dem Opportunismus "die höchste Form des Kampfs für den Marxismus in der Arbeiterklasse" ist. Unter Opportunismus aber wird in der IV. Internationale jegliche Abweichung von deren Ideen verstanden - von Bernstein über Lenin, Stalin und Dimitroff (u. a.) und von Pablo bis Mandel, beide letztere Vertretern einer anderen Richtung der IV. Internationale.

Die Auseinandersetzung mit solchen Strömungen ist keine Ablenkung vom Parteiaufbau, sondern die "höchste Form des Kampfs für den Marxismus in der Arbeiterklasse"!(13)

Noch ein Wort zur Anmerkung 12 und zur Arbeiterklasse. Während Marx die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse von der Stellung des Einzelnen zum Produktionsprozess abhängig machte, wird im Thesenpapier behauptet:

"Zum lohnabhängigen Proletariat und damit zur Arbeiterklasse, im Sinne der Marxschen Analyse, gehören letztendlich alle, die darauf angewiesen sind, sich durch Lohnarbeit zu reproduzieren, die ihre Arbeitskraft zum Verkauf anbieten müssen, ob qualifiziert oder unqualifiziert, ob privat beschäftigt oder im Öffentlichen Dienst, ob verbeamtet oder angestellt ist angesichts des drohenden Ruins der Staatshaushalte bald sekundär. Selbstredend gehören dazu auch Arbeitlose und Hartz IV-Empfänger, Migranten genauso wie Einheimische, Illegale wie solche mit guten Papieren. Kleine Bauern, die sich nebenher verdingen müssen und vor allem auch die steigende Anzahl der sich selbst ausbeutenden Freischaffenden, bzw. Schein-Selbständigen gehören dazu. Natürlich müssten die für die Bewusstseinsbildung nicht unerheblichen Unterschiede genau auf ihre Bedeutung und Perspektive hin untersucht werden. Klar ist, der "turbogetriebene Finanzkapitalismus" enteignet alle."

Gibt es aber nicht wenigstens einen geringen Prozentsatz, der daran verdient?

Es bleibt der Eindruck, dass alle Einstellungen bedient werden und sich jeder in seinem Unmut heraussuchen kann, was ihm beliebt. Die Ursachen allen Elends aber werden nicht genannt und die Proteste auf Begriffe, Institutionen oder Erscheinungen gerichtet.

Alle diese Andeutungen dienen im Thesenpapier offensichtlich nur einem Ziel: Es wird der Kreis der Leute abgesteckt, die interessieren, die rekrutiert werden sollen. Es werden genannt:

- Bestimmte Kreise der Partei "Die Linke"
- DKP-Mitglieder
- Im gewissen Maße die Kommunistische Initiative (Ich komme darauf zurück.)

Bevorzugt angesprochen werden Genossen des genannten Umfeldes, deren moralischer Wert und deren theoretisches Rüstzeug bisher nicht ausreichend gewürdigt und denen die ihnen zustehende verantwortungsvolle Rolle bisher nicht zugewiesen wurde. Obendrein werden wachsame Leute gesucht. Ist das zu lesen als: Leute, die ihre wahren Ziele verbergen? Gesucht werden "Theoretiker und Wissenschaftler, gut belesene und gut informierte Menschen", die willens sind, Verpflichtungen in einer "mitentwickelten und daher auch mitgetragenen Plattform" einzugehen, die sich anleiten lassen und nichts ohne Abstimmung tun.

Vor allem, lesen wir, müssen Feindbilder abgebaut werden - damit sich angestauter Unmut und radikales Herausbrüllen oder -schreiben über die sozialen und politischen Missstände im Lande und auf der Welt ungebremst entfalten können. Allerdings unter politischer Leitung der (...us-dominierten...) IV. Internationale.

Da wir bereits alle gleichgesetzt wurden (siehe Anm. 12 zur Arbeiterklasse), kann nun der Abbau der Feindbilder unter dem Deckmantel der "gemeinsamen" Nationalität geschehen. Die Rede ist von: Unser Land. Unsere Regierung. Unsere Bomberpiloten. Unser Finanz- und Rüstungskapital. Unsere Rüstungsschmieden. - Unsere Krise? Es wird eine mit Imperialisten gemeinsame Verantwortung konstruiert! Selbige wird in der Folge im Thesenpapier international ausgedehnt, sei es bezüglich des im Interesse des Imperialismus seit Jahrzehnten geschürten Palästinakonflikts, sei es bei anderen internationalen Konflikten.

Es gibt nur einen gemeinsamen Feind, dem das Schüren von Stammesfehden oder religiösen Aufbauschungen und Ausnutzungen dient - das ist der Imperialismus. Nicht nachvollziehbar ist, dass sich ein Dalai Lama "herumreichen" lässt (Anmerkung 21) und die Ursachen des Palästinakonfliktes "unbegriffen und ideologisch überfrachtet" sind. Im Streit um den größten Profit sind sich die national verwobenen Imperien nicht immer einig.

Das von der IV. Internationale und ihren Unterstützern aufgebaute internationale Netz weitet Projekte auf alle Brennpunkte des Erdballs aus. Wer im Thesenpapier aufmerksam liest und sich näher für die Situation in den einzelnen Ländern interessiert, wird feststellen, dass es sich dabei um im Befreiungskampf oder auf dem Wege zur nationalen Unabhängigkeit befindliche Länder handelt, teils mit sozialistisch orientierter Politik.

Bleibt noch hinzuzufügen, dass mit dem Ziel, aus den einzelnen Ländern heraus Einfluss auf befreundete internationale Parteien zu nehmen, eben auch eine Politik der Einflussnahme vertreten werden soll. Die weltweite Solidarität des IKIV und der Partei der Gleichheit entspringt der Weltrevolutionstheorie der Trotzkisten. Sie ist das trojanische Pferd für alle ihre Aktivitäten (besser: das ihrer Hintermänner). Das wird praktiziert und ist angedacht in Venezuela, Bolivien, den Philippinen, der VR China ... Im Klartext heißt das, die Verbindungen deutscher Parteien und Organisationen z. B. zur griechischen KKE soll ausgenutzt werden, um in ihr im antikommunistischen Sinne zu wirken, zumal deren sehr gute Organisation und Stärke offenbar Anstoß erregt!

Zum Abbau der Feindbilder wird auch mit der Erkenntnis aufgerufen, dass es nicht mehr um Sozialismus oder Barbarei geht, sondern um "eine Zukunft oder keine Zukunft". Manch einer mag hier an Fidel Castros "Appell an den Präsidenten der Vereinigten Staaten" vom 3. August 2010 denken. Der trotzkistischen Politik widerstrebt selbst schon das Vorhandensein Kubas.

Es ist kein Zufall, dass dieser Appell aus dem sozialistischen Kuba kommt. Hier sollte auch an die Friedenspolitik der UdSSR und des gesamten sozialistischen Lagers erinnert werden - und um aktuell zu bleiben, an die der sozialistischen Volksrepublik China. Die Friedenspolitik ist den Ländern des sozialistischen Aufbaus immanent. Jede wahrhaft kommunistische Partei wird das Streben nach Frieden unterstützen, ohne die Ursachen der Kriegstreiberei im gleichen Atemzug beiseite zu schieben. Das Thesenpapier aber möchte die alte revisionistische chruschtschowsche Losung von den klassenübergreifenden Freunden im Abrüstungskampf wieder aufleben lassen. Bewährtes aus antikommunistischem Kampf wird konserviert.

Die weltweite Antikriegs- und insbesondere Anti-Atomwaffenbewegung ist Sache aller, in dieser Sorge herrscht zwischen unterschiedlichsten Parteien und Organisationen Konsens. Auch die massiven Demonstrationsbewegungen gegen Sozialabbau und Kriegspolitik der Regierenden werden zunehmend Sache der deutschen Bevölkerung und der anderer Länder sein. Sie sind nicht gleichzusetzen mit der Politik der imperialistischen Regierungen, die vorgeben, eine Friedenspolitik zu betreiben! Auch hier kann es keine gemeinsame Verantwortung geben! Sie belügen ihre Bevölkerung immer und handeln im Auftrage des jeweiligen Finanz- und Rüstungsimperiums.

Die Überfrachtung mit Themen und revolutionären Phrasen im Thesenpapier soll geeignet sein, eine endlose Diskussion loszutreten, die wegen der allgemeinen Betrachtung zu keinem konstruktiven Ende führen kann. Wer unterdessen die Nennung wirkliche Begriffe aus der revolutionären Arbeiterbewegung wie zum Beispiel Proletarischer Internationalismus oder Konterrevolution im Zusammenhang mit der Niederlage des Sozialismus in der UdSSR und den sozialistischen Staaten sucht, wird als Kommunist stutzig werden. Das sollte er auch, selbst, wenn er gleich nach der falschen Schmeichelei für die Zeitschrift "offensiv" den Namen des Genossen Kurt Gossweiler liest. Ganz im Sinne von "Erneuerung" heißt es im Resolutionsentwurf (Punkt 10) zum 16. Weltkongress der IV. Internationale:

"Die Vierte Internationale muss außerdem ihre Treffen und das Institut öffnen. Das Institut nimmt einen zentralen Platz ein, nicht nur in der Erziehung der Kader unserer Sektionen an, sondern auch dabei, zum Austausch zwischen verschiedenen Strömungen und zum Austausch internationaler Erfahrungen beizutragen." [Gemeint ist das International Institute für Research and Education (IIRE) in Amsterdam] 2

Die Zeiten sind lange vorbei, als ein echter Linksradikaler den Stalinisten mit offener Verachtung begegnete. Trotzkisten und ihre Nachkommen, die den üblen Namen loswerden wollen, sind intelligente und gelehrige Schüler. Beflügelt worden sind sie nicht nur durch den Sieg des Revisionismus im europäischen sozialistischen Lager, sondern auch, und das muss zur Schande mancher sich noch kommunistisch nennender Organisationen und Gruppierungen gesagt werden, durch den bei ihnen mehr oder weniger schleichend eingezogenen rechten und linken Opportunismus. Manch einer möchte ihn gern als Kompromiss im politischen Kampf gedeutet wissen. Kompromisse aber auf ideologischem Gebiet kann es nicht geben. Die Frühjahrsereignisse in der KPF der "Linken" haben eindeutig zur Schwächung der kommunistischen Bewegung beigetragen. Nur so ist der kompakte Angriff des "Forum Demokratischer Sozialismus" innerhalb der "Linken" auch gegen die von Seiten der KPF eingebrachten Programmpunkte zu werten. Die Rechtstendenz in der deutschen linken Europa-Fraktion ist Teil dieses Angriffs.

Aber zurück zum Thesenpapier.

Im Sinne der "Erneuerung" des Trotzkismus (so wird das auf dem 16. Weltkongress der IV. Internationale bezeichnet) und vorgegebener Instruktionen wird also im Thesenpapier dem Faschismus- und Revisionismusforscher Dr. Kurt Gossweiler auf mehreren Zeilen gehuldigt. Kurz danach allerdings wird gemäß üblicher trotzkistischer Verfahrensweisen relativiert und von seinen Arbeiten als "Erklärungsansatz" gesprochen. Hier sind die Verfasser des Papiers erstaunlich ehrlich, denn genau so werden Auszüge des Lebenswerkes des Kommunisten Kurt Gossweiler von weiten Teilen der trotzkistischen und sozialrevolutionären sowjetfeindlichen Gruppierungen genutzt! Damit befindet er sich in hervorragender Gesellschaft von Marx, Engels, Lenin und anderer Kommunisten.

Auf S. 7 des Papiers wird noch versteckt für die Wichtigkeit der "Gruppierung um je ein fortschrittliches Publikationsorgan" argumentiert. Nun folgen unter These 8 des Papiers lobende Aufführungen von Publikationsorganen und Vereinen unter Nennung der führenden Vertreter:

"Die bei den Hellenen übrigens bekannte Zeitschrift "offen-siv" hat wiederum einen wichtigen Beitrag zur Popularisierung des Gossweilerschen Erklärungsansatzes geleistet. Auch andere Zeitschriften, wie etwa "Streitbarer Materialismus" (Hrsg. Eggerdinger),

"Weißenseer Blätter" (Hanfried Müller), "Rotfuchs" (Klaus Steiniger), "Icarus" (Zeitschrift der GBM), "Theorie und Praxis" (Hans Heinz Holz u.a.), auch das Periodikum "Ossietzky" (E. Spoo) und nicht zu vergessen die unschätzbare Tageszeitung die "junge Welt" (vor allem durch ihre Themenseite, aber auch im Wochenendbeiblatt "Arbeit und Faulheit") haben punktuell sehr Wesentliches zur Aufhellung und zur Theorienbildung beigetragen, auch zur Popularisierung der Klassiker."

Im Thesenpapier ist ein Tenor der Entwicklung vorgegeben (S. 3):

"Der ganz andersartige Versuch, durch eine "Kommunistische Initiative"(KI) notwendige Klärungs- und Einigungsprozesse voranzutreiben, stieß verständlicher Weise teils auf massive Abwehr bei vorhandenen Formationen, teils ist er - mangels überzeugender Leitungspersönlichkeiten - Selbstzerfleischungprozessen ausgesetzt. Andererseits verfügt die Initiative auch nicht über eine wegweisende, orientierende Programmatik oder theoretisch durchdachte und damit zündende Losungen, sondern begnügt sich mit einem medialen Potpourri und schmückt sich - ähnlich wie vorhandene linke Sekten - mit Emblemen der guten alten Tradition. So wie es ist, kann, muss, darf und wird es aber nicht bleiben." (Hervorhebung G.S.)

Machen wir uns noch einmal bewusst, dass die Einschätzung eine trotzkistische, also unversöhnlich antikommunistische ist. Heuchelei, falsche Vorwürfe, Verleumdung bis hin zu Angriffen der Personen auf niederster Ebene gehören zum Handwerkszeug dieser Leute. Das ihre besteht im Paktieren mit den Herrschenden, dem Belügen und Desorientieren der Menschen. Dazu brauchen sie die ganze Palette von vorgeblich "wegweisende(r), orientierende(r) Programmatik oder theoretisch durchdachte(n) und damit zündende(n) Losungen". Das Handwerkszeug wurde bereits von Hearst und Goebbels erarbeitet und verbreitet und durchzieht bis heute alle bürgerlichen Medien und Veröffentlichungen ihrer scheinbar sozialistischen Handlanger.

An der Kommunistischen Initiative stört sie: Sie ist konsequent marxistisch-leninistisch. Sie bewahrt das Erbe von Marx, Engels, Lenin und Stalin, bekennt sich eindeutig zur Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten, insbesondere zur DDR. Sie deckt die revisionistischen Ursachen der Konterrevolution auf, die zum Untergang des sozialistischen europäischen Lagers führten und nach wie vor als Waffe im Klassenkampf eingesetzt werden. Sie strebt die Bildung einer konsequenten und einheitlichen marxistisch-leninistischen Partei an. Als marxistisch-leninistische Gruppierung steht sie nicht außerhalb des praktischen und politischen Lebens und muss und wird sich entwickeln.

All das eben ist die gute und erfolgreiche Tradition der deutschen und internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung, die den im Thesenpapiers und dahinter agierenden Leuten ein Dorn im Auge ist. Also muss sie weg, und die brauchbaren Mitarbeiter werden gerne übernommen.

Bliebe das Filetstück der "freundlichen" Übernahme, die Zeitschrift "offen-siv".

Die Vorgeschichte ist einer ominösen Webseite, die nichts mit der KI und nichts mit Offensiv zu tun hat, unter "Kommunistische Bewegung im Aufbruch" zu entnehmen. Informiert wird, dass sich am 21.08.2010 KI-Anhänger mit "Unterstützern der KI" in der Ladengalerie der Jungen Welt getroffen haben. - Unter ihnen Frau Eckert.

Die Unterstützer handelten wohl gemäß den Auflagen ihrer Partei: "Die Partei für Soziale Gleichheit wird sich energisch dafür einsetzen, die Herausbildung neuer und unabhängiger Organisationen der Bevölkerung zu fördern und sie bei der Entwicklung ihres Programms und ihrer Taktik zu unterstützen."(14) 7

Als Ergebnis der Beratung wurde mit Datum vom 03. September 2010 die Übernahme von "offen-siv" verkündet. Zumindest fand sie in Gedanken einiger verwirrter KI-Anhänger statt, die in einer "Offiziellen Mitteilung ..." einer selbsternannten Führungsgruppe im Internet verstreut u. a. erklärten:

"Da die KI aber aus ihren Kinderschuhen heraus muss, um ihrer historischen Aufgabe nachzukommen, ist notwendig festzustellen: Nicht die KI ist ein Teil von offen-siv, sondern eher umgekehrt! [Hervorhebung G. S.] Stattdessen kann die Zeitschrift nur ein Teil der Kommunistischen Initiative sein - wenn sie sich in die gewählten und arbeitenden Strukturen fügt und ihrer Verantwortung als Organ der KI gerecht wird. Das alles soll nicht hindern, diese Zeitschrift zu unterstützen, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe, eine theoretische und diskursive Plattform der KI zu sein, nachgehen kann." Man verstieg sich sogar so weit, ihren aktivsten Mitarbeitern eine weitere Mitwirkung anzubieten, wenn sie sich denn gewünscht unterordnen wollten.

Unter einem Punkt eins ist auch der Beschluss zu finden, dass ein Genosse Hillebrenner einen geeigneten Programmentwurf für die KI erarbeiten solle. Das wird dann wohl die "wegweisende und orientierende Programmatik". Das Vokabular der Trotzkisten scheint ja schon zu sitzen.

Der Zusatz von "Eigenmächtige(n) Führungsaktivitäten (...) wie sie derzeit teilweise im Westen der BRD hervortreten, (...)" lässt auf arge Probleme mit der Beurteilung der politischen Lage nach der Konterrevolution schließen. Ich möchte daran erinnern, dass eine Vereinigung Deutschlands nur dem Großkapital (Finanzen, Rüstung, Pharmaindustrie ...) diente. Eine Vereinigung der deutschen progressiven und vor allem kommunistischen und Arbeiterbewegung war nie gewollt. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde von Anfang an alles unternommen, um auf allen Ebenen dieser Bewegungen zu spalten: Übergabe (zumindest teilweise) des SED-Vermögens an die PDS, um die organisierten Genossen unter Kontrolle und revisionistischen-antikommunistischen Einfluss zu halten, was eine Spaltung in sich bedeutet; Stasi-Unterlagen-Gesetz zur Ausschaltung der am besten ausgebildeten Kommunisten; spezielle Rentengesetze für Bürger der DDR (die noch die in der DDR geborenen Kinder treffen); niedrigere Lohnzahlungen für die Ostdeutschen, was u. a. durch die Schleifung der DDR-Industrie zur direkten Konfrontation mit der westdeutschen Arbeiterschaft führt; Medienkampagnen usw.

Wer Kommunist sein will, sollte nun endlich zwangsläufig auch zu dieser Erkenntnis gekommen sein. Die Trotzkisten werden sie ihm nicht beibringen. Es ist traurig, daran erinnern zu müssen.

Gudrun Stelmaszewski, Okt. 2010, Paris


Anmerkungen

(8) (1) W. I. Lenin, Werke, Bd. 20, Dietz Verlag Berlin, Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, S. 395-461

(9) Resolutionsentwurf zur Rolle und Aufgaben der IV. Internationale. Webseite der islinke.de

(10) Vorwort zu den Historischen Grundlagen der PSG, deren Webseite (wsws.org/de)

(11) Historische Grundlagen der PSG, 225

(12) "Die Internationale - wieder eine Perspektive", Sept. 2010, Salvatore Cannavo, www.wsws.org/de

(13) Grundsatzerklärung der PSG v. 24.06.2010, wsws.org/de

(14) Historische Grundlagen der PSG, 244

Raute

Uwe Langer: Warum man die Revolution nicht verteidigen kann, ohne Stalin zu verteidigen

Bis heute tun sich nicht wenige Kommunisten mit dem "Thema Stalin" schwer, würden es am liebsten meiden, oder, wenn sie seine Person denn doch einmal würdigen (selten genug im Zusammenhang mit dem Aufbau der UdSSR, meist nur im Zusammenhang mit dem Sieg über den Faschismus), dann fast immer mit dem Verweis, daß man natürlich auch über die "Ungerechtigkeiten", "Repressalien" oder gar "Verbrechen" reden müsse.

Hier wirken insbesondere zwei Dinge seit Jahrzehnten negativ in die kommunistische Bewegung hinein. Um den revisionistischen Kräften in der KPdSU zum Durchbruch zu verhelfen, musste Stalin politisch und moralisch zerstört werden. Diesem Ziel diente die durch und durch verlogene Hetzrede Chruschtschows auf dem 20.Parteitag 1956, die so "geheim" war, daß die Imperialisten sie schon kannten, noch bevor sie die Parteitagsteilnehmer hörten. Chruschtschow und die Revisionisten haben damit nicht nur Stalin in den Schmutz getreten, sie haben damit nicht nur das Tor geöffnet, durch das die Konterrevolution wenige Jahrzehnte später ungehindert marschieren konnte. Sie haben damit schändlicherweise die KPdSU selbst zum Kronzeugen der Anklage gegen den Sozialismus gemacht, bis heute nutzen das die Ideologen des Imperialismus geradezu mit Freude aus.

Die Wirkung war um so verheerender, weil Stalin in der KPdSU und in einer Vielzahl von kommunistischen Parteien (letztlich auch in der SED) zu persona non grata wurde. So überließ man dem Imperialismus geradezu ein Monopol an der politischen "Bewertung" der Person Stalins und des "stalinistischen Sozialismus". Die Folge ist, daß selbst ehrliche Kommunisten, die in anderen Fragen gewiss keine revisionistischen Positionen vertreten, bis heute zu Stalin falsche Positionen vertreten, die ihnen teils von ihren eigenen Parteien eingeflößt wurden, die teils auf Unkenntnis der Tatsachen beruhen und die teils auch eine Wirkung des antistalinistischen Trommelfeuers der bürgerlichen Medien ist bei gleichzeitig weit verbreiteten Schweigen der kommunistischen Medien.

Es gibt eine interessante Parallele zur französischen Revolution von 1789. Daran wurde ich kürzlich wieder erinnert bei einer "Dokumentation" über die französische Revolution und die Rolle von Robespierre. Der Verteidiger der Revolution wurde dort als möglicherweise "irre" gewordener "Schlächter" verunglimpft. Nun, erinnern wird daran, daß die französische Revolution zunächst recht unblutig verlief und daß es die innere und äußere Konterrevolution war, die dann mit Terror und Krieg die Revolution zu ersticken drohte. Ja, stimmt, auf der Guillotine landeten gewiss auch Menschen, die sich gegenüber der Revolution nicht schuldig gemacht hatten, aber war die Verteidigung der Revolution deshalb ein Verbrechen? In den Augen der bürgerlichen Geschichtsschreiber ja. Denn im Gegensatz zu den Arbeitenden, zu den Bauern, die sich von der Revolution ihre Befreiung erhofften, setzte das Bürgertum, insbesondere das Großbürgertum, recht bald auf einen Ausgleich, einen Kompromiss mit dem Adel. Man könne sich gut mit ihm arrangieren, wenn der ihnen nur ihre kapitalistische Freiheit ließe. Deshalb musste der Verteidiger der Revolution Robespierre zerstört werden. Der "Rest" ist bekannt. Die Wandlung vom "Bürger Bonaparte" zum "Kaiser Napoleon" ist das Spiegelbild der Wandlung in der französischen Revolution und des Weges in die Niederlage, der mit der jahrzehntelangen Restauration des Feudalismus endete (bis zu den nachfolgenden bürgerlichen Revolutionen, Geschichte lässt sich eben auf Dauer nicht aufhalten).

Daß der bürgerlichen Ideologie ein Napoleon lieber ist als ein Robespierre, ist verständlich. Man verübelt dem Revolutionär das Blut der Konterrevolutionäre, das er vergießen ließ und übersieht das Meer von Blut, das Napoleons Kriege forderte.

Ebenso verständlich ist der Hass des Kapitalismus auf Stalin, so wie die Milde gegenüber Chruschtschow. Hat letzterer doch mit seiner Hunnenrede wider Stalin den bürgerlichen Ideologen eine unschätzbare Waffe gegen den Kommunismus in die Hände gegeben.

Der Antistalinismus ist nichts anderes als ein zentraler Kampfbegriff, ein wesentliches Instrument des Antikommunismus. Die revisionistisch-reformistischen Verfälscher der kommunistischen Weltanschauung benutzen und brauchen ihn als Rechtfertigung ihres Verrats am Marxismus-Leninismus, die bürgerlichen Ideologen des herrschenden Kapitals brauchen ihn als Schreckgespenst, um den werktätigen Massen Furcht vor den angeblichen Schrecken des Sozialismus einzuflößen. Nichts zeigt so deutlich wie die gemeinsame Verwendung des Antistalinismus durch die Revisionisten, Reformisten, Opportunisten, Trotzkisten und ähnlicher Strömungen in der Arbeiterbewegung einerseits und durch die antikommunistische Propaganda der Imperialisten andererseits, daß die Abkehr von den marxistischen-leninistischen Grundlagen der kommunistischen Bewegung und die "Entstalinisierung" ehemals kommunistischer Parteien direkt in das Lager des Klassenfeindes führte und führt. Die Geschichte hat den konkreten Beweis dafür geliefert, daß der Revisionismus eben nicht zu einem "besseren Sozialismus" führte, sondern im Gegenteil zu seiner Zerstörung. Die sozialistische Sowjetunion war stark und unbesiegbar, solange ihre führende Partei unter Lenin und Stalin ihre Politik nach dem Kompass des Marxismus-Leninismus ausrichtete. Trotz schwierigster Ausgangsbedingungen konnte die sozialistische Revolution nach 1917 gegen die vom internationalen Imperialismus umfassend unterstützte Konterrevolution verteidigt werden. Die ökonomischen Erfolge bei nachfolgenden Aufbau der Sowjetunion stellten unter Beweis, daß eine völlig neue Ökonomie, die auf dem Volkseigentum beruhte und frei von Ausbeutung war, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis erfolgreich funktionierte. Die Sowjetunion widerstand unter Führung der kommunistischen Partei mit Stalin an der Spitze dem Angriff des deutschen Faschismus. Obwohl die UdSSR am schwersten an den Folgen des Krieges zu tragen hatte, während in den USA im Laufe des Krieges keine einzige Bombe fiel, gelang es der Sowjetunion das US-amerikanische Atomwaffenmonopol zu brechen und damit den Imperialismus daran zu hindern, die Welt atomar zu erpressen oder gar in ein atomares Inferno zu stürzen.

Mit der Abkehr von Stalins Politik, der getreulich den Prinzipien des Marxismus-Leninismus folgte, durch eine revisionistisch-voluntaristische Politik wurde das Stalinsche Erbe erfolgreicher Ökonomie und Politik verschleudert und eine zunehmende Lähmung der Triebkräfte des Sozialismus verursacht. Dem Imperialismus gelang es dadurch, die historische Initiative zurück zu gewinnen und auf ökonomischem Gebiet einen Vorsprung gegenüber den sozialistischen Staaten, insbesondere in der Arbeitsproduktivität, auszubauen. Damit konnte der Imperialismus nicht nur seine ökonomische Macht zu stärken, sondern auch seinen eigenen Machtbereich innenpolitisch zu stabilisieren und den Sozialismus gegenüber großen Teilen der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Staaten als ökonomisch ineffizient darstellen und nicht zuletzt dank der ideologischen Schützenhilfe der "Entstalinisierer" als "unmenschlich" zu diffamieren.

Es ist an der Zeit, die Ängstlichkeit in der Diskussion um Stalin zu beenden. Natürlich muss man über alle Fragen reden. Aber so, wie die französische Revolution nicht trotz Robespierre, sondern dank Robespierre und der französischen Revolutionäre zu einem weltverändernden historischen Ereignisses wurde, so ist der Aufbau der Sowjetunion nicht trotz Stalin, sondern dank Stalin und der sowjetischen Revolutionäre zu einem großen geschichtlichen Ereignis geworden, das es erstmals ermöglichte, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung zu errichten.

Beide Revolutionen spiegeln in ihrem Verlauf und in den handelnden Personen den Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution wider. Der Unterschied besteht nur in der historischen Ebene und den dabei handelnden Klassen. Die Lehren daraus sind freilich durchaus gleich. Es ist die Konterrevolution, die Gewalt mit allen Mitteln vom Zaune bricht und daß sich die Revolution dagegen wehren muß. Sobald die Revolution aufhört, sich zu verteidigen, ist sie zum Untergang verurteilt. Die Verräter an der Revolution entschuldigen sich dabei stets selbst, indem sie alle Schuld der Revolution und ihren Verteidigern zuschieben. Sie bemänteln ihre eigene Unmoral, indem sie die Revolutionäre unmoralisch nennen, sie verdecken ihre Verbrechen, indem sie die Verteidiger der Revolution Verbrechen bezichtigen. Sie ersticken die Wahrheit unter einen Berg von Lügen. Und doch sind letztlich all ihre verräterischen Mühen umsonst.

So wie im 19. Jahrhundert neue bürgerliche Revolutionen die feudalen Restauratoren wie Metternich hinwegfegten, werden neue sozialistische Revolutionen nicht nur die Restauration des Kapitalismus nach 1989/90 beenden, sondern wird auch das Lügengebäude über den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und Stalin zusammenbrechen.

Antistalinismus und Revisionismus sind zwei Seiten derselben Medaille. Man kann den Revisionismus nicht bekämpfen, ohne den Antistalinismus zu bekämpfen. Man kann die Revolution nicht verteidigen, ohne Stalin zu verteidigen. Es gibt keinen Marxismus-Leninismus ohne Stalin. Eine kommunistische Partei, die die Geschichte der kommunistischen Bewegung, die Geschichte des Sozialismus und ihre politisch-ideologische Grundlage von Stalin trennt, ist keine marxistisch-leninistische Partei.

Eine Reorganisation der kommunistischen Bewegung, ein erfolgreicher Aufbau einer geeinten marxistisch-leninistischen Partei in Deutschland oder wo auch immer in der Welt, die Überwindung der konterrevolutionären Phase der Restauration des Kapitalismus, der erneute Sturz der kapitalistischen Verhältnisse und der Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft - dies alles ist unmöglich ohne einen ständigen und kompromisslosen Kampf gegen den Revisionismus in all seinen Spielarten. Der Kampf gegen den Antistalinismus ist damit untrennbar und unverzichtbar verbunden und von besonderer Bedeutung, weil der Antistalinismus die ideologische Speerspitze des Antikommunismus ist.

Es ist in der Tat höchste Zeit, das Schweigen und Schwanken in den eigenen Reihen zu beenden, aber auch den geschichtlichen Müll aus den Köpfen zu kehren, den die langjährige Lügenpropaganda über Stalin und über den sowjetischen Sozialismus unter Stalins politischer Führung hinterlassen hat.

Es ist übrigens auch Zeit, über andere Personen zu sprechen. So tut sich zwischen Chruschtschow und Gorbatschow eine Art "historisches Loch" auf. Kaum jemand scheint sich für das Wirken und die Verantwortlichkeiten von Breschnew zu interessieren. Er trägt schließlich die politische Verantwortung als Führer der KPdSU dafür, daß die letzten Chancen auf eine Rückkehr zu den Prinzipien des Marxismus-Leninismus untergraben wurden. Breschnew war übrigens auch maßgeblich am Sturz von Walter Ulbricht beteiligt, nachdem er im Zusammenwirken mit seinen Gefolgsleuten in der DDR jahrelang die Wirtschaftspolitik Walter Ulbrichts sabotiert hatte.

Wie kommt es, daß noch immer etliche Kommunisten nicht über den Verteidiger der Revolution Stalin reden können oder wollen, ohne sich zugleich für ihn zu entschuldigen, und zugleich dem Revisionisten Breschnew, der nichts weniger als den weiteren Niedergang der UdSSR zu verantworten hat und so der offenen Konterrevolution den Boden bereitete, mit Nachsicht begegnen? Wenn der Verteidiger der Revolution Stalin angeblich ein "Verbrecher" war, was war dann einer, der den Weg für Gorbatschow und Jelzin ebnete, die die Revolution in den Untergang führten - mit all den verheerenden Folgen?

Ein wenig mehr Mut bei der Verteidigung unserer eigenen Sache und nicht zuletzt das sich vertraut machen mit den historischen Tatsachen und Wahrheiten, soviel muss man sich als Kommunist abverlangen können. Ja, man wird uns dann wieder beschimpfen als "unbelehrbare Stalinisten". Aber ist dieser "Schimpf" nicht ehrenvoller als die Schmach des Lobes des Klassenfeindes für jene, die sich von Stalin abwendeten?

Mögen jene nach solch vergiftetem Lob heischen, die so ehrlos waren, als "Sozialisten" ausgerechnet auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin eine Stele zum Gedenken an "die Opfer des Stalinismus" zu errichten.

Wir als Kommunisten sehen uns in der Verantwortung, unsere Weltanschauung und unser historisches Erbe zu verteidigen und fortzuführen. Dazu gehört die Würdigung jener Persönlichkeiten, die unsere Weltanschauung begründeten wie Karl Marx und Friedrich Engels, die sie in der sozialistischen Praxis verwirklichten und weiter entwickelten wie Wladimir I. Lenin und Josef W. Stalin, die wie Ernst Thälmann die KPD zur marxistisch-leninistischen Partei formten oder wie Walter Ulbricht, unter dessen Führung die DDR zu einem erfolgreichen, aufblühenden sozialistischen Staat wurde.

Um all die Lügen, die Hetze, die im Namen des Antistalinismus gegen den Sozialismus und die Kommunisten von den Revisionisten und Imperialisten, die darin eine reaktionäre Einheit bilden, zu entlarven, ist noch viel Arbeit und Überzeugungskraft nötig. Jahrzehntelange revisionistische Verwerfungen in der kommunistischen Bewegung und nicht zuletzt die damit verbundene Niederlage des Sozialismus durch die Konterrevolution 1989/90 haben einen enormen Schaden angerichtet.

Aber darf man sich deshalb als Kommunist vor einer solchen Aufgabe fürchten oder ängstlich vor der antistalinistischen Propaganda zurückweichen?

Nein, das darf man nicht. "In einer schlechten Sache hat man keinen Mutö, um mit Shakespeare einen Klassiker der Literatur zu zitieren, da aber unsere Sache gut und gerecht ist, müssen wir auch den Mut haben, sie unter allen Umständen und gegenüber jedermann zu verteidigen.

Uwe Langer, Berlin


Raute

KOMMUNISTISCHE PARTEI GRIECHENLANDS (KKE)

Hermann Jacobs: Marx' "edler Irrtum" / Zu Ingo Wagners Kritik an den Sozialismus-Thesen der KP Griechenlands

Über den Abdruck der Sozialismus-Thesen der Kommunistischen Partei Griechenlands durch den Landesverband Berlin der DKP und insbesondere über den bemerkenswerten Vorspann, in dem eine Position der DKP Berlin dazu erscheint, hatte ich berichtet(15) - nun über eine zweite Reaktion in Deutschland und auf Basis besagten Abdrucks. Diesmal sind es zwei Wissenschaftler, noch aus der DDR stammend, einmal ist es Prof. Dr. Ekkehard Lieberam, der mit zwei Publikationen auftrat, die Bezug auf diese Thesen nehmen; einmal in der Zeitschrift "Z/Zeitschrift für marxistische Erneuerung", Heft 79/2009, die andere Veröffentlichung im Heft 61 der Zeitschrift des "Marxistischen Forums" bei der Partei die LINKE. Der zweite Wissenschaftler ist Prof. Dr. Ingo Wagner; auch er veröffentlicht im gleichen Heft des Marxistischen Forums einen Beitrag. Der Titel des Heftes gibt bereits eine Orientierung vor: "Kontroverse um Sozialismuserfahrungen". Sagen wir es gleich: Beide Autoren meinen eine andere Erfahrung als die KKE.

Ihre Gegensätzlichkeit zu den Auffassungen der KKE betrifft explizit zwei Fragen: die erste ist das Verhältnis der KKE zur Periodisierung des Kommunismus, und die zweite Frage ihr Verhältnis zur Warenproduktion in einer ersten Periode des Kommunismus - oder eben Nicht-, Noch-nicht-Kommunismus, wie man es nimmt.

Nun, dass die KKE Aussagen zu diesen beiden Fragen macht, ist nicht das eigentliche Problem - davon lebt (oder hat gelebt) eine ganze Generation sozialistischer Wissenschaftler, sondern was sie sagt. Der Inhalt der Aussage ist hier das entscheidende. Und die KKE sagt eben, dass die erste Phase des Kommunismus nicht (!) im Sinne einer eigenen Gesellschaftsordnung (mit eigenen Gesetzen in der Ökonomie und im politischen Überbau) zu verstehen ist, sondern im Sinne einer ökonomischen und politischen Einheit beider Phasen. Kommunismus ist es in jedem Fall, und es muß ein Kommunismus sein, der sich in einer ersten Phase "nur durch Unreife" - die KKE sagt es so - vom Kommunismus in einer zweiten Phase unterscheidet. Soviel für das erste. Und die zweite Aussage der KKE ist, dass die sozialistische Ökonomie, also Ökonomie der ersten Phase, keine Warenproduktion ist, sie gehöre abgeschafft ("überwunden"), und je schneller umso besser. Dazu gibt es noch viel markantere Aussagen in den Thesen als zum ersten Thema.

Und das ist natürlich ein Affront gegen eine in der heutigen Linken hoch gekommenen, zur allgemeineren Anerkennung gelangten Kommunismus-Reform. Nun hat auch der Reform-Kommunismus viele Gesichter und man soll sich davor hüten, Jeden zu Jedem zu schlagen, dennoch gibt es eine gewisse Übereinstimmung dieses Ansatzes im Allgemeinen.

Insgesamt gesehen kann man sagen, dass der Reformkommunismus überhaupt kein Reformkommunismus wäre, wenn er nicht genau in diesen beiden Fragen der Periodisierung und der Warenproduktion zu einer anderen Auffassung gelangt wäre als der ... ja, als wer nun? Als die KKE? Die kann wohl nicht gemeint sein, denn die trat erst 2008 in Erscheinung. Der Reformkommunismus aber agiert (fummelt und schnipselt) schon seit vielen Jahrzehnten am Sozialismusbild herum, wie es vom realen Sozialismus geschaffen. Der eigentliche Gegner (des Reformkommunismus) ist das Theoriebild des realen Sozialismus, d.h. der Kommunismus, wie er bisher in der Geschichte existierte, und wohl auch mit der Sowjetunion aus der aktuellen Geschichte verschwunden ist - immerhin, das gibt natürlich Stoff zum Denken.

Der Reformkommunismus will an die Stelle des Realkommunismus treten - und wenn nur/erst theoretisch und im geschichtlichen Nachhinein, und es geht die Meinung dahin, er sei bereits an die Stelle des bisherigen Kommunismus getreten, denn der reformorientierte kommunistische Wissenschaftler sei der bessere Analytiker des Realen Sozialismus. Dem realen Kommunismus werden seine beiden wichtigsten Verhältnisse, zu denen er sich geschichtlich/gesellschaftlich entwickelt hatte, streitig gemacht. Deshalb die Konzentration auf diese beiden Fragen: der historischen Einordnung der 1. Phase, die mehr (!) als nur eine Phase des Kommunismus sein soll - nämlich eine eigene Formation, und der Warenproduktion, die a) eine im Besonderen in der 1. Phase sein soll, und b) im Kommunismus wohl allgemein, d.h. "von langer Dauer" (und mit allen Schikanen, also allen Gesetzen ausgestattet) gelten soll. (Hier gibt es auch noch weitergehendere Auffassungen als die von Ingo Wagner und Ekkehard Lieberam, ich denke da an Fritz Behrens, der ein unmittelbares, ein Basis-Subjekt, das für den ganzen Kommunismus gilt, definiert.)

Beide Fragen bestehen nicht nebeneinander, also jeweils für sich, sondern sie bilden einen Zusammenhang: Es macht keinen Sinn, von einer besonderen, historisch länger dauernden 1. Phase des Kommunismus zu sprechen, wenn nicht zugleich ihr Inhalt qualitativ als ein besonderer bestimmt ist; und der wird in der Warenform der Produktion gefunden. Für sich gesehen macht weder die eine noch die andere Frage Sinn. Einfach zu sagen, man solle sich in der ersten Phase enthalten sich schon auf die zweite Phase, den höheren Kommunismus zu orientieren, lässt offen, was denn das Besondere an dieser ersten Phase ist, dass man sich auf sie konzentrieren solle. Und dann ist es eben die Warenproduktion, die diesen Sinn ergibt. Aber die Warenproduktion als eine Besonderheit zu empfinden machte auch keinen Sinn, wenn damit nicht eine besondere Periode/Ordnung bestimmt würde - und die im realen Sozialismus nicht gegeben war. Deshalb ja der neue, der Reformkommunismus.

Der reale Sozialismus entsprach beiden Bedingungen nicht. Er empfand sich - in den Positionen der ihn repräsentierenden Kommunisten - als sich in Kommunismus umwandelnder "Sozialismus", und empfand sich als keine vom Wertgesetz etc. regulierte Ökonomie, sondern als eine geplante, also vorherbestimmte Ökonomie - mit, und hier allerdings das von ihm eingegangene Kompromiss: "mit Ware und Wertform der Ware". In der Frage der Ökonomie also noch offen, und deshalb in der Frage der Periode nicht geschlossen (fest, eindeutig).

Das ist ein unbefriedigender Zustand, und insofern ist es berechtigt - berechtigt von zwei Seiten aus, über beide Fragen tiefer oder eben noch einmal, und gründlicher als je zuvor, nachzudenken und es sind alle Beiträge, die zu diesen Fragen eingebracht werden, zu berücksichtigen, darunter auch die von Ingo Wagner und Ekkehard Lieberam. Und die der KKE.

Ingo Wagner hat ein Kredo, das weit ausholt:

" ... jede (theoretische und normative) These [muß] historisch betrachtet und mit den konkreten Erfahrungen der Geschichte und den aufhebenswerten Erfahrungen der modernen Sozialwissenschaften verbunden werden. Diese historische Entwicklung des Marxismus involviert aber zugleich, sich von solchen edlen Irrtümern zu lösen, von denen Marx, Engels und Lenin als Giganten des revolutionären Gedankens nicht frei waren(16) - als Ausdruck 'revolutionärer, heroischer Ungeduld' oder durch Grenzen der Erkenntnismöglichkeit der damaligen Zeit verursacht. Sie kulminieren in meinen Augen in einer subjektiven Verkürzung der objektiven historischen Zeit des historisch epochalen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, der sich embryonal mit der Entstehung der modernen Arbeiterklasse entfaltete und mit der Oktober-Revolution zunächst auf einen historisch konkreten Begriff gebracht wurde und damit eine neue Epoche der Weltgeschichte einleitete. Damit wurde zugleich die Dialektik des historischen Zeitmaßes des Werdens der kommunistischen Gesellschaft verkannt. Und dies scheint mir auch der Hauptmangel der Thesen zu sein, der sich in concreto in einem ganzen Paket 'axiomatischer' Leitsätze manifestiert, die anscheinend keines weiteren Beweises bedürfen. Nach den positiven wie negativen Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus sowie der welthistorischen Niederlage der kommunistischen Weltbewegung gibt es allerdings hierfür - mit historischem Abstand vom theoretischen und praktischen Wirken dieser historischen Akteure - für die Aussagen der Thesen für das Heute und die Zukunft keine Absolution" (ebda. S. 3).

Die Dialektik des historischen Zeitmaßes - in dem Sozialismus aufgebaut werden kann - wurde verkannt; es dauert alles viel länger, es verlief anders, es lief, wie es verlief - falsch oder auch ins Negative laufend: Ingo Wagner.

Dass ein "epochaler Übergang" lange oder länger verläuft als dies ("unsere Giganten") gedacht, ist gar nicht die Frage; dass ein Beginnen des Kommunismus sich schwerer tut als erhofft, auch nicht. Ob eine Länge dadurch bestimmt ist, dass sie von eigener Qualität ist, und diese erst ausgelebt werden muß, bevor zu einer anderen übergegangen werden kann, ist das Entscheidende. Man muß gar keine allgemeine geschichtliche Erkenntnis in die Frage des Übergangs von Gesellschaften hereinbringen, wenn es um einen besonderen Übergang geht - das ist die Frage. Ingo Wagner's Appell ist berechtigt - wenn richtig, und das muß aktuell, d.h. konkret in Bezug auf den Kommunismus bewiesen werden, ansonsten wäre er auch überflüssig, weil er nichts besagt, nicht einmal für andere geschichtliche Übergänge. Auch das müßte erst bewiesen werden.(17)

Jedoch: Dass man Aussagen über den Kommunismus, oder auch Sozialismus, die vor dem Ausbruch einer Revolution getroffen wurden, anhand der Praxis des Verlaufs dann der Revolution überprüfen muß, dass man über Tempo, Form oder Widersprüche, gar Fehler beim Aufbau zu neuen Erkenntnissen kommen kann, ja kommen muß, das alles ist richtig. So allgemein gesagt, kann man Ingo Wagner zustimmen. Aber ist es denn in der Praxis auch so gewesen? Mußten denn Aussagen über den Sozialismus/Kommunismus so weit revidiert werden, dass wir von einer viel längeren Dauer der ersten Phase des Kommunismus auszugehen haben, dass wir hinsichtlich des gesellschaftlichen Inhalts dieser ersten Phase eine Dialektik - von Seiten, Verhältnissen - neu bestimmen müssen, so dass für die Aussagen in den Thesen der griechischen KP für "Heute und die Zukunft" keine Absolution erteilt werden kann? Sie also falsch sind, sie zurückzuweisen sind? Man könnte doch auch sagen: Eben weil sich zeigt, dass ein schwach ("unreif") entwickelter Kommunismus auch zurückentwickelt - in den Kapitalismus - werden kann, deshalb um so nachhaltiger Kommunismus-Formen, von Anfang an, soweit das möglich ist. Und das sind in der Regel qualitative Verhältnisse.

Gegen eine Niederlage kann man Breite und Vielfalt, aber auch Höhe und Auswahl setzen. Es täuscht, dass man dadurch an Basis verliert, dieser Verlust kann durch Gewinn an Qualität kompensiert werden - und muß es auch.

Aber Ingo Wagner:

"In meiner Sicht: Die 'Thesen' vermitteln aber gerade diese Intention des beschleunigten Einführens des Kommunismus, verbunden mit dem Bestreben, die 'erste' oder niedere Phase der kommunistischen Gesellschaft, die gewöhnlich als Sozialismus bezeichnet wird, möglichst rasch in die geschichtliche Rumpelkammer abzuschieben. ...

Der Thesen-Abschnitt 'Theoretische Positionen über den Sozialismus als die erste, untere Stufe des Kommunismus' (Thesen 2 bis 8) zeigt die ganze Aporie (Unfähigkeit, Unmöglichkeit, J.) der vorgestellten Konstruktion, die so nicht in der Lage ist, für die Ausarbeitung eine Skizze des Sozialismusbildes für das 21. Jahrhundert den universellen Leitgedanken in historischer Dimension zunächst (abstrakt, allgemein) auszuweisen".

Warum nicht? Es muß doch in jedem Fall Erstes gemacht werden, und wieso ist das "beschleunigt"? Das Erste kann es nicht sein. Was dann?

Und damit Klartext, was eigentlich inhaltlich von dieser ersten Phase gemeint ist und was denn wohl nach seiner Meinung "Skizze des Sozialismusbildes für das 21. Jahrhundert", "universeller Leitgedanke in historischer Dimension (abstrakt, allgemein)" sein soll:

"In der ersten Stufe des Sozialismus ... sind radikale Forderungen nach sofortiger Abschaffung des gesellschaftlichen Stoffwechsels, den das Kapital geschaffen hat, ebenfalls abenteuerliche 'linke' Trugbilder ohne realen gesellschaftlichen Inhalt. Die Dialektik der Evolution des künftigen Sozialismus involviert, dass Warenproduktion und Wertgesetz ihren kapitalistischen Charakter verlieren und eine Zeitlang als sozialistische Gepräge eigener Art fungieren. Dabei werden sie auf dem Boden und im Rahmen der makro-ökonomischen Planung als Hauptsteuerungsinstrument der wirtschaftlichen Entwicklung und der verschiedenen Formen der Demokratie als sozialistisch-zivilisatorisches 'Muttermal' der alten Gesellschaft wirksam. (Hervorhebung vom Autor, J.) Vom Wirksamkeitsmaß dieser Dialektik hängt die Umwandlung des Wertes in Gebrauchswert und die Überwindung von Warenproduktion und Wertgesetz generell ab(18). Die Umkehrung des Verhältnisses von Tauschwert und Gebrauchswert, die Verwandlung des Tauschwertes zum Mittel des Gebrauchswertes ist der innere Kulminationspunkt der Evolution des Sozialismus. In seiner zweiten Phase wird er die zweite Stufe des Verteilungsprinzips 'Jeder nach seinen Fähigkeiten' zur dominanten Seite machen und so das Tor für den authentischen Kommunismus weiter öffnen. Doch dieses Ziel liegt in weiter historischer Ferne".

Das Wertgesetz als Hauptsteuerungsinstrument, das ist sie - die Nichtbeschleunigung, und die Aufhebung als Steuerungsinstrument, das wäre dann wohl die Beschleunigung.

Nun, Ingo Wagner hat sich klar geäußert, er öffnet die historischen Zeiträume, er zieht sie in die Länge - oder sieht sie in die Länge gezogen - im Sinne einer längeren Dauer dessen, worin das Kapital/der Kapitalismus die Verhältnisse verändert hat. Es geht um einen größeren Grad der Übereinstimmung dessen, was der Kapitalismus getan hat mit dem, was der Kommunismus tun soll. Es soll also zunächst abgeschwächt um das gehen, was Kommunismus ist, was der Kommunismus an Veränderungen in der Geschichte will.

Aber ist das auch richtig, was er sagt? Nur mal erst die allgemeinen Dinge: Ist es nicht nur eine (jetzt auch seine) Meinung, dass der "Sozialismus" eine Periode von langer/längerer Dauer - als wir sie kannten/einschätzten - ist, und dass ihn oder sie Gesetze einer Warenökonomie kennzeichnen oder dass es sich im Sozialismus zunächst um einen "gesellschaftlichen Stoffwechsel" handeln muß, wie ihn "das Kapital geschaffen" hat?(19) Ist denn dass die Erfahrung des realen Sozialismus? Weniger Sozialismus wäre mehr ... "Sozialismus"? Weniger Qualität im Übergang wäre mehr Übergang? Beruht diese "sozialistische Erfahrung" denn wirklich auf einer allgemeinen geschichtlichen Erfahrung? Diese argumentative Linie ist doch schon geplatzt, wenn man fragt: Ja, warum können kapitalistische Länder schon seit hunderten Jahren leben, sozialistische aber nicht einmal eine Generation lang? Warum können sie eine Unterentwicklung haben, ohne zu scheitern? Ja, warum kann der Kapitalismus "von ganz klein anfangen" und "immer gleich kapitalistisch sein". Warum nicht der Kommunismus auch? Warum kann man schon aus der kleinsten Zelle, einem einzigen Akt G-W-G', die kapitalistische gesellschaftliche Form voraussagen; warum hat nicht auch der Kommunismus eine solche Zelle, aus der man jeden Kommunismus ablesen kann? Warum muß der Kommunismus quasi mit einem Nichts - nichts, was ihn von Anfang an kenntlich macht - beginnen. Es muß doch als absurd bezeichnet werden, dass der Sozialismus/Kommunismus ohne ein nur ihn charakterisierendes Merkmal beginnen muß, dass er, um zu beginnen, sich des "Stoffwechsels des Kapitals" bedienen muß, um "begonnen" zu haben. Er muß in die Vergangenheit zurückgreifen um eine Gegenwart zu haben, alle anderen (Ordnungen) konnten beginnen, indem sie eine Gegenwart hatten. Was hat der Sozialismus an sich, dass ihm sofort, eigentlich schon unmittelbar nach der politischen Revolution sein ökonomisches nicht-Beginnen-Können vorausgesagt wurde, kapitalistischen Ländern aber ihr Ende, so sehr sie sich ökonomisch auch quälen, immer noch nicht? (Und das - man bedenke - bei gleichem ökonomischen Niveau mit schon der Mehrzahl der kapitalistischen Länder. Stand die DDR nicht über dem Niveau Griechenlands?)

Ingo Wagner fordert eine neue Dialektik - oder ein neues Verständnis - für die Dialektik gesellschaftlicher Übergänge ein. Aber wieso ist das ein neues Verständnis, wenn es nicht einmal das alte Verständnis ist, wenn es nur ein Verständnis für einen einzigen Übergang in der Geschichte der Menschheit sein soll: den vom Privateigentum wieder zum Gemeineigentum (oder genauer: Zur ökonomischen Gemeinschaft ohne Eigentum). Da muß bewahrt werden. Na schön, könnte man noch konzidieren. Aber warum nicht Neues, das ist doch die Frage. Warum soll/darf das Neue nicht die Grundlage sein, auf die alles gestellt ist. Grundlage auch für das, was Altes ist. Das ist doch die Frage - oder Dialektik. Und eine durchaus ewige. Nie hat sich eine Ordnung, die eine auch sein wollte, die Butter vom Brot nehmen lassen. Eine Periodisierung, die bereits ihre erste Phase als eine die bürgerliche Produktionsweise überwindende Phase definiert - und dass macht ja Ingo Wagner auch bereits (!), denn was heißt "Warenproduktion sozialistischen Gepräges"? -, ist eine den Kommunismus beginnende und nicht eine den Kapitalismus beendende Periodisierung. Man kann eine Dialektik zweier Seiten - und die gibt es ja am Beginn des Kommunismus - auf den Kopf oder auf die Füße stellen. Nach einem Sieg neigt man wohl mehr zu den Füßen, nach einer "Niederlage" ... Nun, ja es ist schon eine schwierige Zeit für die Theorie.

Periode heißt immer, etwas Besonderes in einer Allgemeinheit zu bestimmen, heißt aber nicht, das Allgemeine schon zu bestimmen. Allgemeine Wechsel in der Evolution sind immer als Gegensatz - im Allgemeinen - zu bestimmen. Ist der Gegenstand eine Gesellschaftsformation (-ordnung), so ist ihre inhaltliche Bestimmung eine allgemeine, d.h. eine Periodisierung kommt hier überhaupt nicht in Frage. Geht es innerhalb dieses allgemeinen Begriffs um Perioden, so geht es um besondere Gesichtspunkte, die mal stärker, mal schwächer wirken, mal gar nicht mehr wirken, weil sie abgelöst werden durch neue Indikatoren. Marx hat beides bedacht, das Allgemeine und das Besondere. (Von wegen "edler Irrtum", das ist ein Marx im Wagnerschen Willen.)

Marx brauchte für die allgemeine Bestimmung des Kommunismus gar keine lange Dauer einer Übergangszeit zum Kommunismus zu verorten, weil er einen allgemeinen Anfang bestimmt hat - ganz ohne Perioden; er lautet: Aufhebung des Privateigentums an der lebendigen Arbeitskraft, den Produktionsmitteln der Arbeit und des Arbeitsprozesses. Alles, was Aufhebung des Privateigentums - an diesen drei Grundbedingungen des Lebens - ist, ist Kommunismus. Sobald der Enteignungs- oder Aufhebungsprozess vonstatten gegangen ist, tritt ein neuer Zustand ein, und der heißt - so oder so, auch ohne jeglicher Form nach schon positiv bestimmt zu sein oder bestimmt werden zu können - Kommunismus. Deshalb beginnt der Kommunismus mit der Aufhebung des Privateigentums, dieser Beginn ist allgemein gesetzt, d.h. gilt immer, für den ganzen Kommunismus. Insofern entfällt für die allgemeine Bestimmung eine Periode. Man muß in der marxistischen Theorie beginnen, eine Aufhebung als ein Beginnen, als eine Form des Seins zu verstehen. Und auch: dass eine Geschichte, die nur eine Form des Reichtums kannte, nun an eine Geschichte seiner vielen Formen gerät - auch wenn das für manche bedeuten mag, dass der Reichtum unkenntlich geworden.

Es gibt eine Form der Geschichte, die jegliche besondere Form von Geschichte beendet. In der allgemeinen Form der Geschichte schlägt nicht die auf Basis der besonderen Form der Geschichte gewonnene Freiheit in keine Freiheit mehr um, sondern in allgemeine Freiheit. Und die in einer allgemeinen Gesellschaft geltende Freiheit wählt sich ihre Erscheinung nicht mehr in einer eigenen Gesellschaft, sondern in einem eigenen Individuum.

Im Eigentumswechsel, mit dem der Kommunismus beginnt (sonst hat er nicht begonnen), ist die zeitlose Bestimmung des Kommunismus hervorgehoben, sie gilt für immer, d.h. nur dann, wenn von Anfang an. Sonst hätte man von einer anderen Gesellschaftsordnung zu sprechen. Und zwar in allgemeiner, nicht in besonderer Hinsicht. Aus den besonderen, d.h. periodischen Merkmalen einer Gesellschaft, lassen sich keine allgemeinen, d.h. formativen Bestimmungen der gesellschaftlichen Ordnung ableiten. Nur periodisch heißt zugleich nicht formativ, nur formativ heißt zugleich nicht periodisch. Womit - in dieser Sicht - klar ist, dass der Kommunismus nicht periodisch Warenproduktion, d.h. Eigentumsproduktion sein kann, denn Warenproduktion ist eine allgemeine Bestimmung einer Gesellschaft. Der Wert ist eine Eigentumskategorie, im Wert wird eine besondere Arbeit, ein besonderes Verhältnis zu den Produktionsmitteln berechtigt; ohne dass dieses besondere Recht auch eine Form des Ausdrucks fände, wäre der Wert kein Verhältnis. Nicht, dass der Wert erschiene, wäre das Problem, sondern wozu er berechtigte. Eine Gemeinschaft der Arbeit kann aber kein vorausgesetztes Recht dulden, wenn sie selbst ein Recht sein will. Ist eine Gemeinschaft dem Verhältnis nach gesetzt, so beginnt mit ihr/durch sie auch erst das ökonomische Recht. Kommunismus muß beginnen können, dann ist er. Sonst wird man immer behaupten können: Da war doch nichts außer ... Anonymität.

Natürlich, wenn nur der Wert das zu Nennende, sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht...

Nun doch noch eines: Wer ein Verhältnis zum Reformkommunismus bestimmen will, muß ein Verhältnis zur Sowjetunion, den Wandel, der dort eingetreten ist, bestimmen. Warum kein Reformkommunismus nach der Russischen Wende? Ganz einfach: Weil der Grund der Wende ein ganz anderer war als der vorgegebene (denn dieser war einer der Reform, die Reformer sind getäuscht worden). Der Reformkommunismus beweist sich mit einer Schwäche des Realkommunismus. Aber diese gibt es gar nicht. Wieso ist der Reformkommunismus dann eine Erfahrung aus dem Realsozialismus?

Wo ist denn die Sowjetunion, der reale Sozialismus wirklich ökonomisch gescheitert? So dass man gezwungen ist, über sein System nachzudenken, über eine andere Art der Periodisierung nachzudenken, über ein anderes Verhältnis des Abschiednehmens vom Kapitalismus? - Es gibt Indikationen eines Nachlassens des ökonomischen Wachstums, aber es gibt keine Indikationen eines absoluten Rückgangs der Produktion, eines wirklichen Niedergangs der Arbeit. Auch ist die "Wende" von Oben ausgegangen, nicht von Unten, seitens der sowjetischen Arbeiter. Die substantielle und formelle Verantwortlichkeit eines führenden Kerns der KPdSU für die "dramatischen Ereignisse" von 1989/1991 ist nicht verhandelbar. D.h. sie ist eindeutig und sie hatte eine längere Voraussetzung, eine solche Voraussetzung, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst ansetzen soll, um ... auf den inneren Zweifel an der Stärke Rußlands, im äußeren Klassenkampf mit der ganzen kapitalistischen Welt siegreich zu bestehen, aufmerksam zu machen. Wer sagt denn, dass die sowjetischen Führer nicht aus diesem Grund die sozialistische Gesellschaftsordnung abgebrochen haben? Wenn das "Neue Denken" der Grund, dann steht die sozialistische Ordnung gar nicht zur Debatte. So ist die Ordnung, der Sozialismus beendet, "der russische Staat gerettet". Warum soll dies nicht die richtige Antwort sein, die sowjetische Wende zu erklären? (Ich weiß sehr wohl, dass das eine Herausforderung nach allen Seiten ist, aber bitte: Theorie muß alles bedenken, auch ein rein politisches Kalkül.) Es ist doch auch eine Antwort. Gegen die allgemeine ist sie die besondere. Ingo Wagner/Ekkehard Lieberam wählen die allgemeine, nun, ich die besondere. Einfach aus dem Grund, dass ich - und hier wie die Griechen - mich nicht von den anderen Auffassungen zur Periodisierung des Kommunismus und der Rolle der Warenökonomie in den Perioden überzeugt zeige.

Man kann doch mal den Versuch unternehmen, so herum das geschichtliche Harakiri der Russen zu erklären, das eben eines in sozialer Hinsicht war, keines aber in staatlicher. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Für die Theorie einer besonderen Warenproduktion im Sozialismus (1. Phase des Kommunismus) bis hin zur Theorie vom Sozialismus als einer eigenen gesellschaftlichen Ordnung, "verschieden noch vom Kommunismus", sind Ingo Wagner und Ekkehard Lieberam nicht verantwortlich; diese Theorien sind nach und nach entstanden, haben namhafte Parteiführer, ganze Parteien gar, haben ganze Wissenschaftlergruppen - auch innerhalb einer konsequent betriebenen Planwirtschaft - zum Paten.

Dass dies so ist, zeigt, dass der Übergang vom Kapitalismus zu einer Gesellschaft sozialer, auf Gemeinschaft beruhender Ordnung doch kein so ganz einfacher ist, zunächst sogar ein weitgehend un- bis nichtverstandener Übergang ist. Es liegt offensichtlich eine Dialektik an, die auslegbar ist, es ist nicht zu leugnen, dass Ländern/Parteien sehr verschiedene "Systeme" oder verschieden Systemartiges möglich ist. Wir brauchen schon eine Freizügigkeit, die alles debattiert, aber die nicht in Allem und Jedem auch enden könnte.

Dass Planwirtschaft die einzige Form ist, die zum Kommunismus führt, dass Planwirtschaft gar der direkte Weg zum Kommunismus ist, ist nicht widerlegt, wenn sich auch andere Wege/Übergänge - allerdings wohin, in letzter Konsequenz? (die Frage muß ja auch erlaubt sein) - anbieten. Man soll nicht gleich von einem Dogma, von einem Anspruch auf das Monopol auf Wahrheit sprechen, wenn ein planwirtschaftliches Bekenntnis zum realen Sozialismus vorliegt. Immerhin ist das ein Bekenntnis zu einer Realität.

Was dagegen ist noch keine Realität, oder fast keine? Nun, die Theorie vom Sozialismus als einer eigenen Gesellschaftsordnung, verschieden noch von einer "authentischen kommunistischen", und die Theorie, dass diese Ordnung eine besondere Form der Warenproduktion "eigenen sozialistischen Gepräges" hervorbrächte (Ingo Wagner).

Sie ist eben keine Realität, trotz Jugoslawien, trotz China nicht (und all der verschiedenen Reformversuche nicht), sie ist eine Theorie, der ein Nicht- oder Noch-nicht-Bekenntnis im absoluten Sinne zum realen Sozialismus zugrunde liegt, in letzter Konsequenz ein Nichtverständnis des inneren gesellschaftsformatorischen Gegensatzes, der dem Kapitalismus innewohnt. Sie ist eine Theorie nicht für einen anderen Kommunismus (oder anderen Übergang zu ihm), sondern eine Theorie für einen anderen Kapitalismus, für einen Kapitalismus, der statt aus dem Geld zu entspringen, aus dem Arbeiter entspringt.

Und genau darin besteht ihr Illusionismus. Kommunismus müssen wir nur bedingt vom realen Sozialismus lernen, aber unbedingt vom realen Kapitalismus.

So dass die eigentliche Lehre aus Allem, sowohl aus dem realen Leben schon des Sozialismus als auch aus seinem frühen Abbruch, die ist, den Kapitalismus intensiver zu studieren, was er als Warenproduktion ist, dass der Kapitalismus schon deren Grundlagen auflöst, woraus sich im Kapitalismus schon schließen lässt, nicht, wie Ingo Wagner meint, er im Kommunismus eine Art Fortsetzung fände, sondern: worin bereits aus kapitalistischen Formen auf kommunistische Gegensätze geschlossen werden kann - und zwar der Form nach, damit es nicht "abstrakt und allgemein", sondern "erkannt und konkret" im Kommunismus beginnen kann.

Hermann Jacobs, Berlin


Anmerkungen

(15) In: "offen-siv" 6/2010: "Zu den Sozialismus-Thesen der KKE/Eine Initiative der DKP Berlin, und was daraus - nicht wurde".

(16) Hier ersieht man, dass die Kritik von Ingo Wagner viel tiefer, historisch viel weiter in den Marxismus zurückgreift, faktisch bis an seine Quellen, um einen inneren Historismus des Kommunismus zu Gesellschaften des Privateigentums, insbesondere des Kapitalismus, neu zu bestimmen. Angesichts des Debakels des realen Sozialismus - wenn es denn ein solches ist - kein unmögliches Unterfangen. Es muß nur eine richtige, berechtigte Korrektur sein.

(17) Man bestimme z.B. ein Verhältnis des beginnenden privaten Eigentums zur vorausgesetzten Urgemeinde: die Urgemeinde (die Verteilungsgemeinschaft) hört auf, auf sie wird verzichtet, wenn das private Arbeiten/Eigentümern beginnt. Also Bruch, Auflösung, ganz Anders-Sein. Produktion von Waren, also privates Arbeiten/Eigentümern, läuft in der Regel parallel zur absoluten (Sklaverei) und relativen (Feudalismus) leiblichen Inbesitznahme der lebendigen Arbeitskraft, d.h. Verhältnisse laufen nebenher, jedes für sich. Die kapitalistische Warenproduktion löst sich mit Gewalt aus den Fesseln des Feudalismus, Verhältnisse aus diesem in jenes System sind nicht fortsetzbar, nicht einmal übertragbar. Das Kapital bedarf des ständig auch von der gegenständlichen Arbeit lösbaren, also des mobilen Arbeiters. Ihn ein Verhältnis einnehmen lassen heißt, ihn ein absolutes Verhältnis zur Arbeit einnehmen zu lassen, also kein besonderes mehr, eben kein Eigentums-Verhältnis mehr, aus dem er auch - in seinem Verhältnis zur Arbeit - lösbar. Dem mobil sein müssenden Arbeiter dient also nur das kommunistische, das allgemeine Verhältnis, dem jede Form der Mobilität, auch die absolute der ständigen Lösung von der produktiven Arbeit, immanent sein muß. Dies nur dazu, dass Wechsel von Gesellschaftsform zu Gesellschaftsform eines genauen Studiums bedürfen. Aber Ingo Wagner will einen allgemeinen geschichtlichen Wert von Verhältnissen erkennen, ausgerechnet beim Kommunismus.

(18) Das ist eben das Zwiespältige an Ingo Wagner, dass er immer noch der alten Marxschen These die Treue nicht verwehrt, aber was "Umwandlung des Wertes in Gebrauchswert" bedeuten soll, ist nicht Marxscher Geist, sondern Wagnerscher.

(19) Bevor man zu der Auffassung gelangt, dass der reale Sozialismus sich als keine Warenproduktion der besonderen Art erwiesen habe, er in diesem Sinne auch zu kritisieren sei, muß die theoretische Konzilianz doch so weit gehen zuzugeben, dass er eine gehörige Portion von ihr doch sowohl erhalten als auch nicht erhalten hat, d.h. er hatte ein neues/anderes Verhältnis zur Warenproduktion eingenommen. Bevor ich eine Position beziehe: Auch diese Realität bedarf zunächst einer Analyse. Erst wenn diese doch neue Realität im Verhältnis zur Warenform der Produktion verstanden, darf man zu einer Position übergehen. Sonst hat man nur eine Position. Und die dann immer. Das bringt aber nichts.

Raute

Elisseos Vagenas, Mitglied des ZK der KKE: Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) solidarisch mit dem sozialistischem Kuba

ALLE VÖLKER IM WIDERSTAND HABEN UNSERE UNTERSTÜTZUNG

Seit einigen Wochen versuchen die bürgerlichen Medien, als hätten sie sich einstimmig mit "eiserner Disziplin" darauf vorbereitet, ein schlechtes Licht auf die Entwicklungen in Kuba zu werfen.

Zunächst präsentierten sie eine Bemerkung des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro aus einem Interview für eine US-amerikanische Zeitschrift, das den Anschein erweckte, als unterstütze Fidel die Position, dass "das kommunistische kubanische Wirtschaftsmodell nicht länger funktioniere". Nur wenige Stunden später wies Fidel selbst diese ihm unterstellte Aussage zurück und unterstrich, dass die US-amerikanischen Journalisten ihn missverstanden hätten, da er genau das Gegenteil gemeint habe. Es lohnt sich kaum, zu erwähnen, dass Fidels Einspruch nicht in gleichem Maße Erwähnung fand. Dies zeigt wieder einmal, wie die bürgerlichen Journalisten die Goebbelschen Lügen immer noch aufkochen.

Anschließend konzentrierten sich dieselben bürgerlichen Medien auf die Veränderungen in der kubanischen Wirtschaft, was zum Ausdruck kommt durch die Reduzierung der staatlich Beschäftigten, materielle Unterstützung für diejenigen, die landwirtschaftliche Nutzfläche pachten und bebauen sowie im Dienstleistungsbereich als kleine Gewerbetreibende selbstständig werden wollen.


Was sie bewusst verschweigen

Aber schauen wir doch einmal jene Aspekte an, die die bürgerliche Presse ihren Lesern bewusst verschweigen:

- Sie verschweigen, dass Kuba jahrzehntelang vom Imperialismus eingekreist wurde. Der US-Imperialismus hat die Wirtschaft des Landes willkürlich niedergehalten. Das hat seit 1959 zu Verlusten für die kubanische Volkswirtschaft in Höhe von etwa 751,3 Milliarden Dollar geführt. Für ein Land mit der Größe und den Produktionskapazitäten Kubas ist dies eine riesige Summe.

- Sie verschweigen, dass der US-Imperialismus in den letzten 50 Jahren mehr als 700 Aggressionshandlungen gegen Kuba organisiert hat. Im Ergebnis sind 3500 Tote und 2100 Verletzte zu beklagen. Und dies, weil sich das kubanische Volk für den sozialistischen Entwicklungsweg anstelle der Fortsetzung der kapitalistischen Profitgesellschaft entschieden hat.

- Sie verschweigen, dass sich die EU an dieser anti-kubanischen Kampagne beteiligt und sich dabei der "Zuckerbrot und Peitsche"-Methode bedient. Das Ziel ist der Sturz der Volks- und Arbeitermacht in Kuba.

- Sie verschweigen, dass am 12. September die fünf in den USA inhaftierten kubanischen Patrioten das zwölfte Jahr ihrer Gefangenschaft begangen, nur, weil sie konterrevolutionäre und kubafeindliche Gruppierungen in Miami infiltriert hatten und so zahllose Angriffspläne gegen Kuba aufdecken konnten.

- Sie verschweigen, dass Kuba trotz aller wirtschaftlichen Probleme wichtige Errungenschaften in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Kultur und Sport vorzuweisen hat. Das vor allem auch im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas und in einigen Fällen sogar zu den entwickeltesten kapitalistischen Ländern. Trotz aller Schwierigkeiten hält Kuba daran fest, seinem Volk kostenlose Bildung und Gesundheit zu gewähren und hat weiterhin die niedrigste Kindersterblichkeitsrate in der gesamten Region.

- Sie verschweigen den bedeutenden internationalistischen Beitrag des kubanischen Volkes und der KP Kubas in den letzten 50 Jahren im weltweiten Kampf gegen den Imperialismus. Wir verweisen da nicht nur auf jene Zeitperiode, als die kubanischen Revolutionäre mit der Waffe in der Hand Befreiungsbewegungen in Afrika und Lateinamerika unterstützten. Abgesehen davon ist das herausragende Beispiel dieses Volkes, das dem Imperialismus widersteht und ihn bekämpft und dabei den einzigen alternativen gesellschaftlichen Entwicklungsweg gegenüber der kapitalistischen Barbarei beschreitet, von immensem Gewicht in der Welt. Das zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre vor allem auch in Lateinamerika.


Was ist ihr Ziel?

Die Verbreitung von Desinformation über Kuba seitens der bürgerlichen Medien verfolgt ein besonderes Ziel. Sie versuchen Kuba (folglich jeden Versuch des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft) als einen vorgeblich "undemokratischen" Prozess darzustellen, welcher - neben anderen Dingen - das Volk in Notlagen, Probleme, Verarmung, Hunger und Elend bringt. Sie versuchen, auf diese Weise die Völker davon zu überzeugen, dass es keine Alternative zum Kapitalismus gibt und selbst Kuba letztlich diesem Weg folgen wird.

Dementsprechend könnten einige unkritische Leser in diese Falle tappen und mit einer fatalistischen Einstellung ihr Leben und ihre Zukunft betrachten, indem sie passiv akzeptieren, dass es keine Alternative zu einer kapitalistischen Ausbeutergesellschaft gibt.

Wir tappen jedoch nicht in diese Falle!


Zu den Modellen und den derzeitigen Problemen Kubas

Sie behaupten, dass "das kubanische Modell zusammenbricht". In den 90er Jahren versuchten sie uns davon zu überzeugen, dass das "sowjetische Modell zusammengebrochen" sei. Es ist ganz offenkundig, dass hinter diesen Positionen hinterhältige Tricks versteckt sind. Die KKE betont, dass die Frage nicht die Ablehnung, die Nachahmung und natürlich auch nicht der Zusammenbruch irgendeines Modells ist. Die Hauptfrage ist die Wahl des Entwicklungswegs, eines kapitalistischen oder eines sozialistischen sowie auch darüber, auf welchen festen Prinzipien der Aufbau des Sozialismus beruht. Die Verletzung dieser Grundsätze schafft die Bedingungen für die "Abweichung" vom sozialistischen Entwicklungsweg.

Die Auflösung der UdSSR 1991 war nicht das Ergebnis eines "Zusammenbruchs" des Sozialismus, sondern seine Zerschlagung, resultierend aus vielen äußeren und inneren Faktoren. Die hauptsächlichen Faktoren sind die inneren, wie etwa die opportunistische Erosion auf dem 20. Parteitag der KPdSU und die fehlerhafte Wirtschaftspolitik der Führung der KPdSU seit 1958 in der Landwirtschaft und seit 1965 in der Industrie. Diese Politik führte unter den Bedingungen des sozialistischen Aufbaus das rostige "Instrument" des Profits wieder ein, um die Probleme zu lösen, die in dieser Zeit entstanden waren. Nachdem sich diese Politik über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg durchgesetzt hatte, entstanden neue schwere Probleme wie die Verstärkung individueller und Gruppeninteressen auf Kosten gesamtgesellschaftlicher Interessen (Einkommensunterschiede zwischen den Arbeitern in jedem Betrieb, zwischen den Arbeitern und dem Leitungsapparat, zwischen verschiedenen Betrieben). Diese Auswahl des Weges schwächte den gesellschaftlichen Charakter des Eigentums, verstärkte kleinkarierte individuelle und Gruppeninteressen, rief ein Gefühl der Entfremdung gegenüber dem gesellschaftlichen Eigentum hervor und schwächte das Massenbewusstsein. Zusammenzufassend kann man sagen, dass das Ergebnis das Aufkommen einer "Schattenwirtschaft" war: z.B. des Schwarzmarktes, der Korruption in den Reihen der Partei und des Staates sowie das Aufkommen jener gesellschaftlichen Kräfte, die die Zerschlagung des Sozialismus durchführten.

In diesen Tagen verschärfter imperialistischer Aggressivität gegen Kuba ist dort der sozialistische Sektor immer noch der Hauptsektor der Wirtschaft. Gleichzeitig erklärt die Führung des Landes, dass die von ihr geförderten Veränderungen die Überwindung gewisser Probleme zum Ziel haben, dass diese Veränderungen nicht den sozialistischen Charakter der Produktionsverhältnisse ändern, sondern die kubanische Revolution stärker machen würden, die mit allen Mitteln von den Imperialisten angegriffen wird.

Kommunisten in aller Welt studieren sehr sorgfältig die Veränderungen, analysieren umfassend und dialektisch die Entwicklungen und machen kritische Anmerkungen, um die Arbeiter- und Volksmacht, den Sozialismus zu stärken. Sie verweisen dabei auf die negative Erfahrung aus der UdSSR und des heutigen China mit deren tragischen Folgen, die sich aus der kapitalistischen Restauration sowie der Vorherrschaft kapitalistischer Produktionsverhältnisse ergeben.


Einige Ursachen der gegenwärtigen Probleme

Gibt es denn eigentlich Probleme in Kuba? Niemand kann behaupten, dass eine sozialistische Gesellschaft frei von Problemen ist. Diese Probleme sind jedoch nicht die gleichen, denen sich die arbeitende Bevölkerung im Kapitalismus gegenübersieht, wie z.B. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Klassenschranken in der Bildung, Bildungsmängel, Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das sozialistische System garantiert das Recht auf stabile Vollbeschäftigung, während Bildung und Gesundheitsversorgung nicht vom Einkommen des Arbeiters abhängig sind. Daher sieht sich Kuba nicht solchen Problemen ausgesetzt, wie sie die Arbeiterklasse im Kapitalismus erleben muss.

Mehr noch: die Probleme, die in der Entwicklung des Sozialismus als Probleme erscheinen, nach deren Lösung wieder neue Probleme beim Vertiefen der sozialistischen Produktionsverhältnisse auftauchen, sind ganz andere Probleme als jene Probleme, die unter den Bedingungen des Aufbaus des Sozialismus verursacht werden, nämlich durch die imperialistische Einkreisung und Aggression.

Die zentrale Planung der Volkswirtschaft und ihre Umsetzung sehen sich wegen einer Reihe von Faktoren schwerwiegenden Problemen ausgesetzt, beispielweise aufgrund der weit reichenden Abhängigkeit der kubanischen Volkswirtschaft von den internationalen Preisen für seine wichtigsten Exportprodukte wie auch der Importprodukte (z.B. Nahrungsmitteln). Hinzu kommen die hohen Kosten für den Seetransport als Ergebnis der Wirtschaftsblockade.

Ferner wurde Kuba 2008 von drei verheerenden tropischen Hurrikanen getroffen. Die dadurch erfolgten Zerstörungen reduzierten das gesamte Volksvermögen innerhalb eines Jahres um 20%. Diese Entwicklung hat nichts mit dem Sozialismus zu tun, sondern mit den Folgen von Naturkatastrophen, die sich in den letzten Jahren durch die von der anarchischen kapitalistischen Entwicklung erzeugten Klimaveränderungen intensiviert haben. Dennoch schaffte es Kuba, diesen gewaltigen Naturkatastrophen zu trotzen, seine Bevölkerung zu schützen und auf eigenen Beinen zu stehen (übrigens drängt sich da der umfassende Vergleich mit der Naturkatastrophe in Pakistan förmlich auf).

Ein weiterer bedeutender Faktor ist der Rückgang der Erlöse aus dem Tourismussektor, obwohl die Zahl Kuba besuchender Touristen gestiegen ist. Dies ist ein Ergebnis der weltweiten kapitalistischen Krise und Unsicherheit: Die Touristen geben weniger Geld aus und als Konsequenz sinken die Erlöse aus dem Tourismus.

Außerdem wurden die Erlöse des kubanischen Staates durch die Tatsache beeinträchtigt, dass der internationale Preis für Nickel im Jahr 2009 um 40% sank.

Ganz offensichtlich sind die aufgeführten Entwicklungen mit ihren schweren Folgen für die kubanische Volkswirtschaft keine dem Sozialismus "wesenseigenen" Unzulänglichkeiten, wovon uns die Journalisten des Kapitals so gerne überzeugen möchten.


Die Frage der Selbstversorgung

Das letzte Beispiel hebt eine allgemeine Sache hervor, nämlich das wir nicht vergessen dürfen, dass der sozialistische Aufbau in Kuba von materiellen Bedingungen aus begann, die von einer niedrigen Reife und einem hohen Grad an Ungleichheit gekennzeichnet waren. In den Jahren des sozialistischen Aufbaus in Kuba basierte dieser auf der enormen Hilfe (politisch, militärisch, wirtschaftlich) der Sowjetunion sowie der anderen Staaten des "Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)". Kuba importierte Maschinen, Werkzeuge, Kraftstoff und exportierte Produkte wie Kaffee, Tabak und Zucker, die die anderen sozialistischen Staaten nur in geringen Mengen erzeugen konnten.

Leider veränderte sich die Art der sozialistischen Arbeitsteilung im RGW. Dies resultierte in einem einseitigen Herangehen bei der volkswirtschaftlichen Entwicklung. Damit wurde die notwendige Selbstversorgung in der Produktion der Produktionsmittel und anderer Basisprodukte verhindert. Der Hintergrund dieser Sichtweise war die falsche Position, dass der sozialistische Aufbau in den sozialistischen Ländern unumkehrbar wäre.

Niemand behauptet, dass ein sozialistisches Land es schafft, Selbstversorgung in allen Bereichen zu entwickeln und deshalb keinerlei Handelsbeziehungen mit anderen Ländern (sozialistischen oder kapitalistischen) nötig hätte.

Nichtsdestotrotz, die Frage ist, wie es diese Austauschbeziehungen nutzt, um einen planmäßig sich selbst versorgenden Wirtschaftskreislauf für die Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes zu gewährleisten. Das macht die Volkswirtschaft weniger verwundbar gegenüber dem kapitalistischen Weltmarkt. Das Beispiel von Kuba liefert nützliche Lehren, sowohl negative wie auch positive, bezüglich der Zusammenarbeit zwischen den sozialistischen Ländern im Rahmen des RGW.

Hätte man eine andere Politik verfolgt, die die wirtschaftliche Selbstversorgung der sozialistischen Länder einschließlich Kubas gestärkt hätte, dann wäre Kuba 1989-1991 in einer wesentlich besseren Ausgangsposition gewesen, als die kapitalistische Restauration in der UdSSR vollendet wurde und Kuba seine Energiequellen verlor, Nahrungsmittel knapp wurden und sich das Land zur Schließung von Industriebetrieben und Landwirtschaftsbetrieben gezwungen sah, da diese moderne Technik einsetzten (nachdem Ersatzteile ausgingen und Kraftstoffe ausblieben). Die Lage verschärfte sich durch die Aggressivität des US-Imperialismus, der niemals die Existenz eines sozialistischen Staates in der Region, die er als seinen "Hinterhof" betrachtet, hingenommen hat. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, musste Kuba eine "Sonderperiode" durchlaufen, wie die Kubaner selbst es nannten. In jener Zeit schuf das Land zwei Währungen, um mehr Devisen u.a. aus dem Tourismus und der Zusammenarbeit mit kapitalistischen Ländern einzunehmen. Diese Maßnahmen waren tatsächlich Zugeständnisse, die die Volksmacht bewusst einging, um in schwieriger Zeit zu überleben. Und es ist eine Tatsache, dass sie es schaffte!


Kuba widerlegte jene, die dem Land 1990-1991 den Tod vorhersagten!

Kuba beeindruckte alle Welt mit der hohen Qualität im Bildungs- und Gesundheitssektor. Mehr noch, in jener Zeit (und das Gleiche gilt für heute ebenso!) nutzte Kuba diese Errungenschaften, um sie als Dienstleistungen zu "exportieren" und damit bis zu 70% seiner Exporterlöse zu erzielen.

Kuba gelang es, die Erdölproduktion des Landes von 16% auf 48% zu steigern. Zugleich organisierte das Land eine umfassende Energiereform und löste Energiefresser durch Energiesparer ab.

Allerdings hat Kuba immer noch massive Probleme, denn es importiert immer noch fast 80% seiner Nahrungsmittel und 50% seines Energiebedarfs. Kuba verfügt noch immer über ungenutzte landwirtschaftliche Nutzflächen wegen eines Mangels an Energieversorgung und landwirtschaftlicher Maschinen.


Probleme aus der Notwendigkeit der "Sonderperiode"

Die Doppelwährung und der Tourismus haben das Problem der Korruption in Kuba verstärkt, das von der Volksmacht angegangen wird. Ein Teil der Bevölkerung, der Zugang zur Doppelwährung oder ausländischen Währungen hat (z.B. im touristischen Dienstleistungs- oder Taxi-Service Beschäftigte sowie Empfänger von Geldüberweisungen aus dem Ausland), haben ein größeres Einkommen als andere Teile der arbeitenden Bevölkerung. Das verletzt den sozialistischen Grundsatz "Jedem nach seiner Leistung, jedem nach seinen Fähigkeiten". Der Grund ist, dass Empfänger von Geldüberweisungen (und dies ist ein beachtlicher Teil der Bevölkerung) entweder nicht arbeiten können oder nur sehr unmotiviert sowie weit unter ihren Fähigkeiten arbeiten und damit kaum etwas für die Gesellschaft entsprechend ihren Fähigkeiten insgesamt leisten.

Gleichzeitig sollten wir nicht vergessen, dass die neue Generation von Kubanern, die in den letzten beiden Jahrzehnten geboren und aufgewachsen ist, Schwierigkeiten und Härten durch die imperialistische Blockade und die kapitalistische Restauration in der UdSSR erfahren hat. Dieser Teil der kubanischen Bevölkerung ist eine besondere Zielgruppe für die imperialistische Propaganda, die jährlich Zig-Millionen Dollarbeträge dafür aufwendet, um die Kubaner dafür zu gewinnen, ihre eigene Regierung zu stürzen. Das starke Nationalgefühl des kubanischen Volkes ist auf jeden Fall ein Bollwerk gegen diese imperialistischen Bestrebungen. Dessen ungeachtet gibt es unter diesen Bedingungen eine große Notwendigkeit, die ideologisch-politische Arbeit zu verstärken. Dabei muss berücksichtigt werden, dass jeden Tag 19 Radio- und Fernsehsender rund um die Uhr auf 30 Frequenzen mehr als 2000 Stunden wöchentlich gegen die kubanische Revolution arbeiten.

Hinzu kommt: einige in der "Sonderperiode" unter dem Überlebensdruck entstandenen Gewohnheiten waren wiederum die Ursache für eine Reihe von Problemen, denen sich KP Kubas gestellt hat. Zu nennen sind dabei z.B. das Nachlassen der Arbeitsdisziplin bei Arbeitern und der Disziplin beim Schutz des gesellschaftlichen Eigentums.

Im Dezember 1999 erklärte die Kommunistische Partei Kubas, die revolutionäre Regierung sowie die kommunistische Jugend die "Schlacht der Ideen", um sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Sie zielt darauf ab, den Beitrag des kubanischen Volkes für den sozialistischen Aufbau und bei der Verteidigung der Revolution zu erhöhen und legt dabei den Schwerpunkt auf die Erziehung der Jugend. Der Kampf der Ideen ist natürlich der Kampf um das Bewusstsein und somit ein ständiger, nie endender Kampf, ungeachtet aller erreichter Erfolge.


Die Maßnahmen der kubanischen Regierung

Um die Entwicklungen in Kuba einzuschätzen, muss man berücksichtigen, dass die zentrale Planung als Grundgesetz und Vorzug der sozialistischen Gesellschaft, die planmäßige Entwicklung der Produktionsmittel und insbesondere die Verteilung der Arbeitskräfte ein umfassender grundlegender Prozess ist, welcher systematische Kontrolle erfordert. Dabei muss mit Fehlern und Versäumnissen umgegangen und auch Korrekturmaßnahmen getroffen werden. Unter diesen komplizierten Bedingungen plant die kubanische Führung die Durchführung von Veränderungen der Beschäftigungsstruktur im Land. Das Ziel ist, in den kommenden Jahren eine Million Arbeiter aus überflüssigen Stellen im öffentlichen Dienst in andere Bereiche umzusetzen.

In Griechenland stellten die bürgerlichen Medien diese Verkleinerung des öffentlichen Sektors als "Entlassungen" dar. In Wahrheit geht es um das Bemühen des kubanischen Staates, seine Arbeitskräfte in andere Bereiche mit Arbeitskräftemangel wie Landwirtschaft, Bauwesen, Kleingewerbe im Dienstleistungsbereich umzuverteilen. In den letzten Jahren sind diese Maßnahmen in Versammlungen an den Arbeitsplätzen diskutiert worden und haben die Unterstützung der Arbeiter und der Gewerkschaften.

Die betroffenen Arbeiter werden in drei Richtungen orientiert: 1. in andere Bereiche des öffentlichen Sektors, wo jetzt Arbeitskräftemangel vorherrschend ist 2. in landwirtschaftliche Genossenschaften 3. in den Dienstleistungsbereich, der planmäßig durch Selbstständige ausgeweitet werden soll.

Was die Kleinunternehmer anbelangt, wollen wir betonen, dass die Revolution in der Vergangenheit dank der umfassenden Hilfe aus den anderen sozialistischen Ländern immensen Fortschritt bei der Vergesellschaftung jeder Art von Dienstleistungen machte. Dies auch bei jenen Dienstleistungen, die nur eine geringe Konzentration von Produktivkräften vorzuweisen haben. Heutzutage stellt die Revolution hingegen fest, dass der sozialistische Staat Schwierigkeiten mit der Organisation dieser täglichen kleinen Dienstleistungen hat (Friseursalons, Cafeterias, Kleinwerkstätten). Folglich sollen Teile der Bevölkerung dazu befähigt werden, in diesem Sektor zu arbeiten und eine kleine Anzahl von Mitarbeitern zu beschäftigen.

Gleichzeitig versucht die kubanische Revolution, einen Teil dieser Arbeiter in die Landwirtschaft zu überführen, um die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen. Die kubanische Regierung hat schon landwirtschaftliche Nutzflächen bereitgestellt, die bisher nicht von Einzelbauern oder Genossenschaften oder Staatsbetrieben bewirtschaftet worden sind, um dort die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu steigern. Es wird gesagt, dass diese Maßnahmen mit der Nutzung von Landflächen zu tun haben - und nicht mit einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse - durch jene, die Land mit Technik auf niedriger Stufe bewirtschaften können, und zwar mit einigen Maschinen und etwas Kraftstoff. Derzeit bearbeiten 116.000 Menschen 54% des Bodens, der bisher ungenutzt geblieben ist, weil faktisch weder der Staat noch die Genossenschaften diese Flächen nutzen konnten. Alle diese Maßnahmen sind der Versuch, die Ausgaben von 1,4 Milliarden Dollar zu senken, die Kuba jedes Jahr aufwendet, um Nahrungsmittel zu importieren (60% seiner Importe). Die Zuweisung von Land wird eine zeitliche Begrenzung haben und sie wird vom Staat erneuert werden, der die Ergebnisse untersuchen wird. Ein Teil der Produkte wird vom Staat aufgekauft, während ein anderer Teil von den Produzenten selbst auf dem Markt verkauft werden darf.


"Ein Leopard wechselt seinen Ort nicht"

Wir müssen verstehen, dass in Kuba der Sozialismus nicht unter Laborbedingungen aufgebaut wird und dass der Feind sich in die Entwicklungen einmischt sowie starken wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Druck auf die Insel der Revolution ausübt.

Dennoch, die Kommunistische Partei Kubas und das kubanische Volk halten Stand; sie verteidigen den Sozialismus, sie packen die Probleme an, die von der Entwicklungsstufe der Produktivkräfte verursachten Verzögerungen, als auch den von der Wirtschaftsblockade und den imperialistischen Interventionen ausgeübten Druck.

Die Arbeiterklasse unseres Landes sollte nicht in die von bürgerlichen Medien aufgestellte Falle gehen, wenn diese behaupten, dass "der Sozialismus den Kampf sogar in Kuba verloren hat, welches so lange Widerstand leistete". Nichts ist verloren! Das ist eine Frage der Orientierung und des Kräfteverhältnisses. Wir sollten die Kommunisten und das Volk Kubas so stark wir können in ihrem Kampf für die Festigung des sozialistischen Systems unterstützen.

Des Weiteren sollten wir die Propaganda des Feindes entlarven, der behauptet, dass das kubanische Volk in Armut lebe, weil sie ein geringes Einkommen und niedrige Löhne hätten. Sie "vergessen" dabei ganz vorsätzlich, dass im Sozialismus nur ein Teil des Sozialprodukts über den Lohn, aber ein weiterer bedeutender Teil kostenlos oder zu sehr geringen Preisen verteilt wird. Das bedeutet in der Praxis, dass die arbeitende Bevölkerung für die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, für Bildung, Kultur, Sport, Mutterschaftswohlergehen usw. nichts bezahlt. Das ist das komplette Gegenteil zu unserem Land und der gesamten kapitalistischen Welt. Trotz aller zuvor genannten Schwierigkeiten hat Kuba diese unersetzlichen Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung nicht aufgegeben.

Die Feinde des Sozialismus verschweigen seine Vorzüge. Ungeachtet der durch die Zerschlagung des Sozialismus in der UdSSR, der US-imperialistischen Wirtschaftsblockade verursachten Schwierigkeiten wird das Recht auf Arbeit für alle in Kuba gewährleistet, die arbeiten können. Andererseits erreicht die Arbeitslosigkeit 1,8% und betrifft vor allem solche Menschen, die nicht arbeiten wollen, weil sie Einkünfte aus anderen Quellen haben (Geldüberweisungen aus dem Ausland).

Die klassenbewussten Arbeiter sollten sich nicht von den vielfältigen imperialistischen ideologischen Kampagnen beeinflussen lassen. Im Gegenteil: Sie sollten Folgendes niemals vergessen: "Ein Leopard wechselt nie seinen Ort".


Auf der Grundlage unserer Einschätzungen über den Sozialismus

Gleichzeitig müssen wir (die Zerschlagung des Sozialismus in der UdSSR lehrte uns dies) die Entwicklungen studieren, unseren Blick schärfen, Sorgen aussprechen und konstruktive Kritik unter Genossen ausdrücken, wann immer dies erforderlich ist.

Es ist natürlich noch zu früh, um schon jetzt eine umfassende Einschätzung der derzeit in Kuba umgesetzten Maßnahmen zu treffen. Wir haben allerdings als Hintergrund unsere Erfahrung mit den in der UdSSR in den 1960er Jahren ausgeführten Reformen, die ähnliche Maßnahmen in der Wirtschaft gefördert hat. In der Praxis führten diese Maßnahmen jedoch nur zu einer zeitweiligen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. In der Folgezeit führten sie zu einem Anwachsen von Mängeln, zur Herausbildung eines sozialistischen Produktes, das vom sozialistischen Staat nicht kontrolliert wurde, sondern von den Genossenschaften und den Einzelbauern. Diese Situation in der Landwirtschaft und ebenso die finanziellen Anreize für die Arbeiter in der Industrie führten zu einem Anstieg der gesellschaftlichen Ungleichheit und zum Aufkommen von "Schattenkapital".

In ihrem auf dem 18. Parteitag angenommenen Beschluss lehnt die KKE die Anreize in Form von Geldprämien ab. Wir gehen stattdessen davon aus, dass Prämien für die Entwicklung der kommunistischen Führungsrolle gemessen an der Organisation und Ausführung der Arbeit, der umfassenden Effektivitätssteigerung des Kollektivs in der Produktionseinheit oder den Dienstleistungen notwendig sind. Diese Anreize werden auf die Senkung der Zahl von lediglich ungelernten Handlangern sowie die Senkung der Arbeitszeit abzielen. Dies muss parallel mit dem Zugang zu Bildungsprogrammen, Freizeit- und Kulturdienstleistungen sowie der Teilnahme an der Arbeiterkontrolle erfolgen.

Heutzutage kommen in den Ländern Lateinamerikas opportunistische Auffassungen über den so genannten "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" auf. Gemäß diesen Auffassungen habe das Eigentum an den Produktionsmitteln keine bedeutende Rolle und die zentrale Planung der Volkswirtschaft sei nicht erforderlich. Kommunisten sollten diese falschen Auffassungen, die die Grundsätze des sozialistischen Aufbaus verletzen, nicht nur ignorieren, sondern diese auch bekämpfen.

Außerdem ist es sehr wichtig, dass Kommunisten mögliche Kompromisse und Zugeständnisse nicht theoretisieren sollten. Lenin machte auch Zugeständnisse während der Neuen Wirtschaftspolitik (NÖP), die wegen der Zerstörungen der Produktivkräfte nach dem 1. Weltkrieg und dem anschließenden Bürgerkrieg notwendig wurde. Allerdings hat Lenin die NÖP niemals als "ideale" Maßnahme dargestellt. Niemals wurde sie als "sozialistische Marktwirtschaft" dargestellt, wie es beispielsweise die Führung Chinas tut, um so die Vorherrschaft der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in China zu verschleiern, die tragische Folgen für die arbeitende Bevölkerung hat.

Ein sozialistisches Land wie Kuba sollte natürlich Wirtschaftsbeziehungen mit kapitalistischen Ländern in der Region wie Venezuela, Brasilien sowie anderen Länder Lateinamerikas nutzen. Es sollte die Widersprüche und Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Kräften, zwischen den verschiedenen Machtblöcken und Bündnissen sowie den Prozessen der kapitalistischen Integration in der Region ausnutzen. Solche taktischen Bewegungen können der sozialistischen Staatsmacht helfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die auf der Grundlage von kapitalistischen Produktionsverhältnissen eingegangenen Bündnisse ein strategischer Ausweg für den Sozialismus oder die kämpfenden Völker sein kann.

Kommunisten in aller Welt hoffen, dass die KP Kubas es schaffen wird, ihre revolutionäre Bereitschaft und die tiefe Verbundenheit mit der Arbeiterklasse zu erhalten und diejenigen Kräfte zu isolieren, die den Sozialismus zerschlagen wollen. Solche Kräfte entwickeln sich objektiv durch den Druck der Wirtschaftsblockade und der gut bezahlten Unterstützung durch die imperialistische Aggression. Auf dieser Grundlage können Kommunisten rechtzeitig Schlussfolgerungen ziehen und ihre Politik anpassen, denn es ist klar, dass die verschiedenen ergriffenen Maßnahmen negative Aspekte und Folgen nach sich ziehen und die Geduld der Partei und der arbeitenden Bevölkerung erschöpft ist. Es ist kein Zufall, dass die Kommunistische Partei Kubas und die Revolutionsregierung meinen, dass eine Reihe dieser Maßnahmen zeitweiligen Charakter haben und abgeschafft werden, sobald die Bedingungen dies zulassen (z.B. die Doppelwährung).

Die KKE steht in Solidarität zum Kampf des Volkes und der Kommunistischen Partei Kubas. Unsere Solidarität wird nicht nur durch Solidaritätsbrigaden, Demonstrationen, internationale Aktivitäten, die Entwicklung des antiimperialistischen Kampfes, den Kampf für den Sozialismus deutlich. Sie wird auch durch unsere Besorgnis, unsere Wachsamkeit sowie unsere kritischen Anmerkungen ausgedrückt. Sie wird weiterhin durch das Studium des Sozialismus, den wir kennen lernten, sowie durch die Verteidigung der Schlussfolgerungen, die wir auf unserem 18. Parteitag zogen und die mit unserem Verständnis von Sozialismus zu tun haben zum Ausdruck gebracht.

Der zweite Aspekt unserer Solidarität ist ebenso wichtig für die weltweite Sache der Arbeiterklasse wie der erste. Damit werden wir Pläne jener vereiteln, die kürzlich "Gute Nacht Fidel" riefen (die Zeitung "Ta NEA" und der einstige Minister der sozialdemokratischen PASOK N. Christodoulakis). Deren tatsächliche Absicht war es, "Gute Nacht" zur kubanischen Revolution zu sagen, die einen herausragenden Beitrag für den Kampf der Arbeiter und der Völker in Lateinamerika und überall auf der Welt leistet. Diese Herren sollen nicht voreilig sein. Die Völker haben eine unüberwindbare Kraft. Und gerade das kubanische Volk hat dies bewiesen!


Elisseos Vagenas, Mitglied des ZK der KKE und zuständig für die Internationale Abteilung des ZK der KKE

Athen, 26. September 2010, Rizospastis.

Quelle: http://inter.kke.gr/
(Übersetzung ins Deutsche von "KI-Informationen")

Raute

Aleka Papariga (Generalsekretärin des ZK der KKE): Stellungnahme bezüglich der Ergebnisse der Kommunalwahlen im November 2010

"Sie wissen sehr gut, dass die von der KKE - gemeinsam mit anderen Militanten, mit denen wir zusammenarbeiten - landesweit unter einem einheitlichen Namen zusammengestellten Listen uns in den Regionen und Gemeinden einen signifikanten Anstieg gebracht haben. Die Kommentatoren haben durchaus Recht, wenn sie sagen, dass die KKE die einzige Partei ist, die im lokalen und regionalen Bereich einen bedeutenden Zuwachs verzeichnen konnte. Sie wissen, dass wir unserem lokalen Wahlkampf von Anfang an einen allgemeinpolitischen Charakter verliehen haben.

Wir haben an das Volk appelliert, wegen dem, was diese in den letzten 20 Jahren getan haben, gegen PASOK und ND zu stimmen, und wir müssen unter diese Taten unzweifelhaft auch das "Memorandum" einreihen, die barbarischen Maßnahmen, welche bereits ergriffen wurden, und die barbarischen Maßnahmen, die von nun an noch ergriffen werden. Wir haben an das Volk appelliert, sich zu einen, zu kämpfen, diese Maßnahmen zurückzuschlagen, um seine dringendsten Probleme zu lösen, aber auch, um die Vorbedingung für einen generellen Sturz dieser Politik zu schaffen - eine radikale Kräfteverschiebung im politischen Bereich. Wir hörten, was der Premierminister kürzlich gesagt hat, und wir sind der Meinung, dass er weder willens noch in der Lage war, irgendetwas von den Wahlergebnissen zu verstehen, die unserer Ansicht nach eindeutig eine Verurteilung der Politik der PASOK darstellen, ohne jedoch die ND zu stärken, die nun behaupten könnte, dass ihr Kampf gegen das "Memorandum" echt sei - in unseren Augen ist und bleibt er geheuchelt und gefälscht.

Wir bedanken uns bei allen Männern und Frauen, die zum ersten oder zum zweiten Mal für eine von der KKE unterstützte Liste gestimmt haben. Wir sind der Meinung, dass sie ganz bewusst zu dieser positiven politischen Botschaft beigetragen haben, welche von diesem politischen Kampf ausgeht. Wir wissen sehr gut, dass es nicht genug ist, sich nun bestätigt zu fühlen und zufrieden zu sein. Wir haben verstanden, dass wir unsere eigene Schwäche bekämpfen müssen, um das Wichtigste zu tun: unseren Beitrag zur Einigung des Volkes, zu Sammlung des Volkes, zur Organisierung des alltäglichen Kampfes des Volkes zu leisten, damit wir das Schlimmste vermeiden und gleichzeitig die Vorbedingungen dafür schaffen, auf Grund dieser Wahlergebnisse die dynamische Kraft des Volkes freizusetzen, auf dass unser Land endlich wieder bessere Tage erleben wird. Wir wenden uns an diejenigen, die nicht zur Wahl gegangen sind, um ihre Verurteilung der Politik von PASOK und ND auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen, ihre Entscheidung nochmal zu überdenken. Sie haben von jetzt an die Möglichkeit, diese Verurteilung auf eine aktive und positive Weise auszudrücken, sowohl innerhalb der Bewegung als auch an den Wahlurnen, sobald die nächsten Wahlen stattfinden, und sie können das gleich in der Stichwahl tun. Wir appellieren an diejenigen, die für andere Listen gestimmt haben, im Glauben, auf diese Weise gegen die Regierung zu protestieren, nochmal gründlich nachzudenken. Wir glauben, dass sie innerhalb der kommenden Legislaturperiode die Gelegenheit haben werden, zu verstehen, dass diese Entscheidung auch keine Lösung bietet.

Wir können heute über die Möglichkeiten und Gelegenheiten sprechen, uns zu einen und dynamische Kraft in das Volk hineintragen. Genau das muss das Zentrum unserer Aufmerksamkeit sein. Es werden Stichwahlen auf lokaler und regionaler Ebene stattfinden. Viel spricht dafür, dass wir die Möglichkeit haben werden, bei diesen Stichwahlen vertreten zu sein. Wir appellieren an diejenigen, die nicht oder andere Parteien gewählt haben, die dynamische Kraft, die bis jetzt bereits geschaffen wurde, weiter zu stärken.

Wir appellieren an die Einwohner der Regionen, in denen die Liste "Einheit des Volkes" in den Stichwahlen nicht vertreten sein wird, gegen die beiden großen Parteien zu stimmen. Es wird das Beste sein, mit keiner von beiden, weder PASOK noch ND, in Berührung zu kommen, sich auf keine von beiden einzulassen. Das wäre definitiv ein Rückschritt. Die Lösung ist, sich von beiden fernzuhalten, denn keine von beiden wird etwas verändern. In jedem Falle bewies der Premierminister, dass er abseits der Wahlergebnisse zu keinerlei Selbstkritik fähig ist. Und wir glauben, dasselbe gilt auch für die ND. Das Volk muss nach vorne schauen; lasst diese beiden Parteien selbst das Kräfteverhältnis untereinander ordnen. Die Arbeiterklasse und die werktätigen Bevölkerungsschichten müssen zeigen, dass sie mit dem Kampf um ihre eigene Befreiung und ein Kippen des Kräfteverhältnisses beginnen, ohne dem der Weg zu einer glänzenden Zukunft des Volkes nicht beschritten werden kann. Wir sind uns darüber im Klaren, und wir haben das von Anfang an klar gemacht. Wir hatten das auch in früheren Wahlen schon klar gemacht. Das Volk soll in den Stichwahlen keinerlei Neigung zu einer der beiden großen Parteien zeigen. Das signalisiert keineswegs Passivität oder Neutralität. Es bedeutet lediglich, dass wir unserem Land den richtigen Ausweg weisen."

Journalist (Frage): "So weit man das aus den bisherigen Wahlanalysen erkennen kann, hat die KKE landesweit ihr historisch bestes Ergebnis seit dem Ende der Diktatur im Jahre 1974 erzielt."

"Ich habe es vermieden, die Prozentzahlen zu erwähnen, weil wir immer noch auf die Endergebnisse warten. Auf jeden Fall wird das Zentralkomitee noch ein offizielles Fazit abgeben. Aber alles deutet darauf hin, dass die KKE bis zu 12 Prozent erreichen kann. Und wir wollen nochmal unterstreichen, dass wir diese Wahlen keineswegs nur mit engen regionalen Kriterien angegangen sind. Wir haben an die Wähler appelliert, nach politischen Kriterien abzustimmen und sich neue Perspektiven zu eröffnen. Deshalb fühlen wir uns wie gesagt bestätigt und sind zufrieden, und wir sind uns der großen Verantwortung bewusst, die wir von nun an haben."

Quelle: www.kke.gr. Übersetzung: Ralph P. für "KI-Informationen"
(Vielen Dank für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks! Red. offen-siv)

Raute

KKE und KNE: Antikommunismus wird ohne Erfolg bleiben!

Die Griechischen Kommunisten antworten auf antikommunistische Seminare


Protest der Parteiorganisationen der KKE und KNE in der Aristoteles-Universität während einer Veranstaltung über die ... "Diktatur" der DDR auf Grundlage der Stasi-Akten.

Die Kommunisten geben immer eine direkte Antwort auf die Versuche die Geschichte zu verfälschen und den Sozialismus mit Totalitarismus gleichzusetzen, vor allem wenn solche Aktionen in den Schulen und den Universitäten des Landes entfalten, mit dem Ziel das Bewusstsein der Jugendliche zu beeinflussen.

So, protestierten am 13. Oktober Mitglieder der Studentenorganisation des KNE und der Parteiorganisation der KKE in Hochschulen und im Bereich Forschung in Thessaloniki gegen eine Veranstaltung, die in der Juristischen Fakultät der Aristoteles-Universität in Thessaloniki stattfand.

Der Hauptvortrag der Veranstaltung wurde von Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gehalten.

Das Thema ihres Vortrags war "die Arbeit mit den Stasi-Akten unter Berücksichtigung der Aspekte Öffentlichkeit, öffentliches Recht und Politik". Marianne Birthler hielt am selben Tag auch im Goethe Institut eine Rede im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Thema "Erinnern, nicht verdrängen - Die Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Hilfe der Stasi-Akten".

Die Mitglieder der KKE und KNE traten im Hörsaal der Juristischen Fakultät ein und entrollten zwei Transparente mit der Losung "NEIN zu der Verfälschung der Geschichte und Antikommunismus" auf Griechisch und Deutsch. Dabei lasen sie eine Erklärung der Parteiorganisation der KKE in Hochschulen und im Bereich Forschung in Thessaloniki vor und verurteilten den Inhalt der Veranstaltung.

In der vorgelesene Erklärung, die dem Präsidium vorgelegt wurde, stand u.a.: "Sowohl die Politik gegenüber dem Archiv als auch ihre Verwendung - Missbrauch - sind eng mit der jeweiligen Staatspolitik verbunden und werden von Wissenschaftler unterstützt. In diesem Fall geht es um die Staatspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Sowohl das "Archiv" als auch die Institutionen, die diese Veranstaltung organisieren, vertreten verschieden Aspekte dieser Politik, deren Ziel die Diffamierung der Errungenschaften der DDR ist.

Die KKE verschweigt nicht die Fehler, die während des sozialistischen Aufbaus in DDR und den anderen Ländern des Osteuropas begangen wurden. Sie diskutiert und untersucht die Merkmale und den Umfang dieser Fehler vor allem in der UdSSR.

Trotzdem, betrachtet sie die Gleichsetzung der sozialistischen Länder mit den Geheimdiensten, mit ihren Methoden und Missbrauchen als bewusst und zielbewusst. Auf diese Weise versuchen sie die sozialen Errungenschaften des Sozialismus zu verschweigen, die im Rahmen des Kapitalismus nicht nur unmöglich sondern auch unerwünscht sind.

Es geht um einen absichtlichen Versuch der Kapitalisten und ihrer politischen bzw. akademischen Repräsentativen, der verschiedenen "wissenschaftlichen Stiftungen", Argumente zu produzieren, die die bürgerliche Theorie über "Totalitarismus" unterstützen.

Mit diesem ideologischen Konstrukt versuchen die bürgerlichen Kräfte Europas (Liberale, Sozialdemokraten, Grüne, Opportunisten, Rechtsextreme) seit Jahren, ein antikommunistisches institutionelles Arsenal zu schaffen. Dazu zählen auch die Terror-Gesetze, die EU-Direktive und die antikommunistische Beschlüsse des Europaparlaments Parlaments und des Europarats (z.B. der Beschluss letzter Woche). Dieses Arsenal wird immer mehr notwendig, da der Angriff gegen die Arbeiterklasse und die Rechte der Europäischen Völker intensiviert, die Krise des kapitalistischen Systems verschärft sich und die Gefahr einer organisierten und klassenbewussten Reaktion der Völker nimmt zu.

Quelle: http://inter.kke.gr

Raute

ÜBER DEN GOLDSTONE-BERICHT

Irene Eckert: In Berlin wurde der Goldstone-Bericht vertiefend vorgestellt im Rahmen des 53. Berliner Friedensgesprächs, einer Reihe des Deutschen Friedensrates

Ort: Inselgalerie, Torstraße 207, 10115 Berlin, Datum: 21.09.2010, Veranstalter: Deutscher Friedensrat in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Thema: "Die israelischen Kriegshandlungen gegen Gaza und ihre völkerrechtliche Beurteilung - Einführung in den Goldstone-Bericht"

Referent: Rudolf Andreas Palmer, Vorsitzender des "Arbeitskreise Friedenspolitik - atomwaffenfreies Europa"

Moderation: Irene Eckert, jahrzehntelanges Mitglied einer internationalen NGO (WILPF) mit daraus resultierenden Erfahrungen in der internationalen Arbeit aus Genf, New York, Washington und Brüssel

Folgende Worte wurden einführend vorgetragen:

Begrüßung und Dank an die Veranstalter Dt. Friedensrat (Bärbel-Schindler Saefkow) und die unterstützende RL-Stiftung, Dank an die Fraueninitiative Xanthippe, die ehrenamtlich die Inselgalerie betreibt.

Dank dafür, dass Sie alle als Zuhörer dazu beitragen, das so überaus wichtige und gerade deswegen von den Angeklagten gescholtene und der Öffentlichkeit von den Mächtigen weitgehend vorenthaltene UN-Rechtsgutachten zu popularisieren. Der Goldstone-Bericht, benannt nach seinem verantwortlichen Federführer, einem südafrikanischen Richter und fundierten Kenner des Völkerrechts muss in seinem Inhalt bekannter werden, denn nur so wird die Voraussetzung geschaffen, den erforderlichen Druck auf die Handlungsträger auszuüben, damit diese den im UN-Dokument ausgesprochenen Empfehlungen zur Geltung verhelfen.

Dank gebührt in diesem Sinne auch dem deutsch-israelisch-jüdischen Verleger Abraham Melzer, der das in deutscher Sprache über 800 Seiten starke Dokument, wie es am 25. September 2009 von den Vereinten Nationen in den fünf UN-Sprachen veröffentlicht wurde, in kürzester Zeit auch den deutschen Lesern zugänglich machte. Möglich wurde dies durch freiwillige Mitarbeit von 18 Mitsteitern. Eine davon, Frau Hartung, ist anwesend und bietet den ganzen Report heute zum ermäßigten Preis zum Kauf an. Der Referent wird seine ausführlichen Quellenangaben daraus im einzelnen angeben, so dass die Aussagen am Text nachvollziehbar sein werden.

Dank gebührt dem UN-Menschenrechtsrat, der am 3. April 2009 endlich die Untersuchungskommission der VN zum "Gaza-Konflikt" mit dem Vermerk hoher Dringlichkeit ins Leben rief und Dank gebührt auch dem vierköpfigen Team unter Leitung des international renommierten Juristen Goldstone, das seine Arbeit rasch und gewissenhaft ausführte und zum fristgerechten Abschluss brachte.

Dank auch vorab schon an den Referenten des heutigen Abends. Es handelt sich um den pensionierten Oberstudienrat Rudolf-Andreas Palmer, den Vorsitzender des "AK Friedenspolitik - atomwaffenfreies Europa", der sich sofort nach der vom Verleger Abraham Melzer organisierten Vorstellung der deutschen Fassung des UN-Bericht im Bundespressehaus im Januar dieses Jahres an die Arbeit machte und das Dokument gründlich zu studieren begann und bald eine 72 Seiten umfassende, repräsentative Kurzfassung des Goldstone-Berichtes in einer Sonderausgabe des Vereins-Rundbriefes vom Mai 2010 vorlegte.

Seit Beginn seines Ruhestandes vor 15 Jahren ist der ehemalige Wolfsburger Deutsch- und Geschichtslehrer Palmer unermüdlich als ehrenamtlicher Friedensaktivist tätig. Über 10 Jahre lang nahm er - nach Beginn der NATO-Aggression gegen Jugoslawien - regelmäßig an den Sitzungen der Berliner Friedenskoordination, kurz Friko, teil. Häufiger Gast war er auch bei der Gruppe "Mütter gegen den Krieg - Berlin Brandenburg". Er ist neben Professor Roland Reich (hier anwesend) langjähriger Mitorganisator der Ringvorlesungsreihe an der Freien Universität Berlin "Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung" gewesen und scheute daneben auch vor der Teilnahme an Straßendemonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen nicht zurück, wenn es die Sache gebot und seine Kraft ihm das erlaubte. Der Schwerpunkt seiner Friedensarbeit bildet der oft stiefmütterlich behandelte Bereich des Nahen Ostens und die Friedenssehnsucht der dort lebenden Völker. Als besonderes Augenmerk gilt ihm die leidvolle Geschichte des seit über 60 Jahren entrechteten palästinensischen Volkes.

Das dem Goldstone-Bericht zugrunde liegende Thema: Universalität von Völker- und humanitärem Menschenrecht, Geist der UN-Charta versus drohendem Rechtsnihilismus angesichts permanenter Verstöße gegen international vereinbarte Rechtsgrundsätze sind ihm ein ganz besonderes Anliegen.

In seinem heutigen Vortrag will er fast ausschließlich dem UN-Rechtsgutachter Goldstone folgen, der übrigens als Mensch in jüdischer Glaubenstradition, den zionistischen Idealen gegenüber sehr aufgeschlossen, es besonders nachdrücklich bedauert hat, dass die Repräsentanten des Staates Israel seine mehrfachen Kooperartionsgesuche abschlägig beschieden haben. Hören wir also von einem intimen Kenner des Goldstone-Berichts, was dieser uns zu vermitteln hat.

Die Veranstaltung war am 21.09.2010 im Veranstaltungskalender der Tageszeitung Junge Welt angezeigt.

Im Ergebnis war es eine kleine, gleichwohl bedeutende Veranstaltung. Der Referent, Rudolf-Andreas Palmer, faszinierte sein Publikum durch eine äußerst präzise und sachkundige, eng an das Originaldokument angelehnte Würdigung des UN-Berichts. Er verdeutlichte ein und eine halbe Stunde lang auf mannigfache Weise die herausragende Bedeutung der Untersuchungsergebnisse der im Auftrag des Menschenrechtsrats handelnden Kommission. Die anschließende lebhafte Diskussion fokussierte auf Fragen der Glaubwürdigkeit der befragten Zeugen, der Objektivität der dargestellten Ergebnisse, der notwendigen Entfaltung öffentlichen Drucks zur Umsetzung der im Dokument ausgesprochenen Empfehlungen und der dazu erforderlichen Bekanntmachung des Dokumenteninhalts.

Mit der vom Deutschen Friedensrat und der Rosa-Luxemburg-Stiftung ermöglichten Veranstaltung wurde seit der Pressekonferenz im Bundespressehaus erstmals der quasi totale Boykott der Befassung mit dem Goldstone-Bericht durchbrochen und sein Inhalt unverfälscht zur Kenntnis gegeben.

Irene Eckert, Berlin


Frau Hartung, selbst Teilnehmerin, sandte als Nacharbeitung zu der Debatte folgende Überlegungen:

"Erst einen Tag nach der Veranstaltung fiel mir die passende Antwort auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Zeugen ein.

Goldstone und sein Team durften keine Soldaten befragen.

Warum die Zeugen auf der Opferseite absolut glaubwürdig sind, hat Goldstone ausführlich immer wieder dadurch beschrieben, dass er angibt wie er und sein Team die Opfer befragt und ihre Aussagen gegengeprüft haben. Angestrebt war, dass sie später vor einem internationalen Befugten Gericht gehört werden sollten als Zeugen.

Die Glaubwürdigkeit der israelischen Seite wurde durch ihre Kooperationsverweigerung und demgegenüber durch die Angaben der Zeugen und die Sichtung der angerichteten Schäden vor Ort vollständig erschüttert, es blieb nichts von den israelischen Kriegslügen übrig:

Die israelische Seite hat weder die Bedingungen des Waffenstillstands erfüllt (Ende der allseits verurteilten und völkerrechtswidrigen Gaza-Blockade!), noch hat sie den Waffenstillstand eingehalten: Sie hat ihn am 4.11.2008 gebrochen und sechs Palästinenser in Gaza ermordet. Sie ging nicht auf das Hamas-Angebot einer Verlängerung des Waffenstillstands ein. Sie hielt nicht die 24 Stunden Bedenkzeit vor der Bombardierung ein, sondern begann den Überfall um 12 Uhr mittags am nächsten Tag, also einem hohen jüdischen Feiertag.

Es gab keine Waffen in einer während der Gebetszeit überfüllten Moschee, wie die israelische Seite behauptet hatte, um die Moschee zu bombardieren und Betende töten zu dürfen. Es gab keine Raketen aus einer UN-Schule heraus, bevor die israelische Armee sie und die vielen Flüchtlinge darin bombardierte.

Nicht die Hamas benutzte Menschen als Human Shields, wie die israelische Armee immer wieder behauptet hat. Mehrere Opfer mit Namensnennung schildern minutiös die Situationen im Goldstone-Bericht. Palästinenser hatten keineswegs wie behauptet Familienmitglieder auf die Dächer ihrer Häuser gebracht, damit die israelische Armee diese nicht bombardieren möge. Es erscheint vielmehr geradezu zynisch von der israelischen Seite, solches zu unterstellen, denn sie gibt ja damit zu, tatsächlich Zivilisten bombardiert zu haben - Ungeachtet internationaler Rechtsvorschriften.

Es haben sich keine Hamas-Kämpfer in den Krankenhäusern versteckt, ein Vorwand, der von der israelischen Armee, die diese entgegen völkerrechtlichen Vorschriften bombardierte, herangezogen wurden.

Die Aussagen der Ärzte und des Krankenhauspersonals sind nicht nur glaubwürdig, sondern erschütternd. Sie werden von vielen unabhängigen Augenzeugen neben Goldstone und seinem Team, das vor Ort Befragungen vornahm bestätigt, so dem ehemaligen UN Botschafter Frankreichs, Stephane Hessel, UNESCO-Preisträger.

Was bleibt von der "humansten Armee der Welt" (Selbstbezeichnung)? Herr Peres versuchte, diese Selbsteinschätzung dennoch Herrn Erdogan in Davos noch einmal (und zwar schreiend) zu erläutern, übriggeblieben ist aber, kurz gesagt, gar nichts Humanes. Die meisten der an die Zivilbevölkerung in Gaza abgeworfenen Flugblätter nutzten nichts, denn diese hatte keinen Ort, wohin sie sich hätte retten können. Die "Mini-Raketchen" als Warnung von oben zum Verlassen von Häusern auffordernd, schlugen nicht selten durch die Wände und töteten. Diese Maßnahmen haben eher terrorisiert denn gewarnt. Im Grunde sind derlei Warnungen eine absurde Idee und ähnlich wie der Kriegsgrund selber einzustufen, als ver-rückt, als dem Völkerrecht entrückt.

Dieser Kriegsvorwand beruht auf einer groben Lüge, denn es gab keine Hamas-Raketen im Vorfeld, vielmehr gab es einen sechsmonatigen Waffenstillstand, der von israelischer Seite gebrochen wurde.

Goldstone und seinem Team ist es gelungen, jede der vorgetragenen Kriegslügen zu widerlegen.

Das ist der Grund, warum die israelische Seite eine so große Angst vor dem Goldstone-Report hat und unter allen Umständen verhindern will, dass sein Inhalt bekannt wird. Denn angesichts der hier genannten Fakten käme es vielleicht sogar zu der Erkenntnis der Weltgemeinschaft: Es ging immer so "ver-rückt" zu ,bei jedem der israelischen militärischen Überfälle der letzten 43 Jahre. Schließlich ist der Ausspruch von Scharon "Sie halten uns für verrückt? Um so besser. Dann haben sie wenigstens Angst vor uns" schon ebenso alt und verbürgt.

Unprovozierte Kriege benötigen neben der militärischen Planung immer auch der irreführenden Propaganda.

Die offizielle und mediale deutsche Seite ist dafür besonders empfänglich. Sie gab unkritisch die offizielle israelische Seite wieder bis hin zur Darstellung des nächtlichen Überfalls auf die friedlichen Schiffe nach Gaza im Mai des Jahres, die in intern ationalen Gewässern angegriffen wurden.

Auch israelische Soldaten sind Opfer der Propaganda: So glaubten die 1000 Soldaten, die sich mit zwei U-Booten, vielen Schiffen und Helikoptern nahten, von denen sich einige Soldaten abseilten und schießend an Deck gelangten vielleicht, sie kämen des nachts zu Terroristen und müssten sich und ihr Vaterland gegen gefährliche Elemente präventiv schützen. Sie wussten nicht, dass sie zu betenden Pazifisten vordrangen, sie glaubten in Notwehr zu handeln und töteten aus solchem Motiv heraus "leider" neun Pazifisten und über dreißig verletzten sie.

Nur im Falle von "Notwehr" gibt es angeblich neue amerikanische Waffen. Deutschland nimmt es da nicht so genau.

In Krisengebiete dürfen deutsche Waffen laut GG allerdings auch nicht exportiert werden. Also nimmt man offiziellerseits gerne die zwischen Hamas und Israel vereinbarte Waffenruhe in diesem Fall als Fakt hin.

Während des Bombardements vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 hat Frau Merkel Herrn Olmert angerufen und besorgt gefragt, was los sei.

Seine Antwort war, er müsse sein Volk schützen vor Hamas-Raketen. Damit war die Hamas Schuld daran, daß 1400 Palästinenser getötet wurden, darunter 416 Kinder.

Bei der Frage, die in der Diskussion aufgeworfen wurde, erwog die Diskutantin nur die Glaubwürdigkeit der interviewten zivilen Opfer, nicht aber die Glaubwürdigkeit auf Seiten der Täter. Die Täterseite, die Frage nach den Verantwortlichen, die haftbar gemacht werden müssen für die angerichteten Schäden, diese zu eruieren, ist aber die designierte Aufgabe des Goldstone-Berichts. Viele Menschen reden aber über diesen Bericht, ohne zu wissen, welche Details er enthält. Sie haben ihn nicht gelesen und können daher nicht wissen, dass alle angeführten Kriegsvorwände samt ihrer Widerlegung enthalten sind.

Es gibt keine Zeugenbefragung auf der Täterseite, weil Israel nicht kooperiert hat und es ausdrücklich untersagt hat, dass Goldstone und sein Team Soldaten befragen konnte. So nur aber hätten die Wahrnehmungen und Empfindungen der israelischen Exekutoren einfließen können. Israel behauptet, Goldstone und sein Team habe einseitig recherchiert. Die einzige "Einseitigkeit" der Befragung hat Israel selber durch Nicht-Kooperation verursacht.

Die Hamas scheint keine Kriegspropaganda gemacht zu haben.

Es genügte ja zu berichten, was tatsächlich geschah: Die kollektive Bestrafung einer unter Belagerung gehaltenen Bevölkerung. Tatbestände wie Goldstone und sein Team sie ermittelt haben: Kriegsverbrechen und wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das alles war nachträglich in meinem Herzen."

Dorothea Hartung, Berlin

Raute

Rudolf-Andreas Palmer: Einführung in den Goldstone-Bericht. Die israelischen Kriegshandlungen gegen Gaza und ihre völkerrechtliche Beurteilung.

(Zugrunde liegt der allgemeine Teil des Vortrags vom 21. September 2010 im Rahmen der Berliner Friedensgespräche des Deutschen Friedensrates mit dem Schwerpunkt Dokumentation des Goldstone-Wortlauts(20).)

Der offizielle Titel des Berichts lautet: "Bericht der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den Gazakonflikt". Zum Leiter der Kommission ernannte der Vorsitzende des UN-Menschenrechtsrates den ehemaligen Richter am südafrikanischen Verfassungsgerichtshof in Den Haag Richard Goldstone. Die deutsche Übersetzung des englischen Originals hat dankenswerterweise Abraham Melzer in der Edition Semit im Frühjahr dieses Jahres herausgegeben. Die 1979 Abschnitte dieser Übersetzung sind durchnummeriert und danach wird im Folgenden zitiert.

Motto (Absatz 1885). Die Kommission erkennt an, dass das Hauptaugenmerk nach Militäroperationen häufig auf der Zahl der getöteten Menschen liegt - mehr als 1400 in nur drei Wochen. Dies ist auch richtig. Ein Teil der Bedeutung von Berichten wie diesem besteht darin, zu versuchen, wenn auch in sehr beschränkter Weise, die Würde derjenigen wiederherzustellen, deren Rechte in der fundamentalsten Weiser verletzt worden sind - dem wahllosen Verlust des Lebens. Es ist wichtig, das die internationale Gemeinschaft formell und unmissverständlich klarstellt, dass sie derartige Gewalt gegen die grundlegendsten Rechte und Freiheiten von Individuen nicht übersieht, sondern sie verurteilt.

Willkürliche Tötung, grausame Behandlung, sinnlose Zerstörung durchziehen die Anklage Richard Goldstones und seiner Untersuchungskommission der Vereinten Nationen anlässlich des israelischen Massakers an der palästinensischen Bevölkerung des Gazastreifens. Welch tiefe Trauer und Empörung muss diesen weltbekannten Richter erfüllt haben, als er erkennen musste, dass diese Worte nicht nur Taten einzelner verurteilen, sonder die Vorgaben der israelischen Politik widerspiegeln - eines Staates, dem er sich durch Herkunft und Lehrtätigkeit verbunden fühlt.

1935. Aus den erfassten Fakten schließt die Kommission, dass durch die israelischen Streitkräfte in Gaza die folgenden schwere Verstöße gegen die vierte Genfer Konvention begangen wurden: vorsätzliches Töten, Folterung oder menschenunwürdige Behandlung, vorsätzliches Verursachen von großen Leiden oder ernsthaften Verletzungen an Körper und Gesundheit und extensive Zerstörung von Eigentum. Verstöße, die durch keine militärische Notwendigkeit gerechtfertigt und gesetztes widrig und mutwillig ausgeführt wurden. Als grobe Verstöße haben diese Aktionen individuelle Schuldfähigkeit zur Folge. Die Kommission stellt fest, dass der Einsatz von menschlichen Schutzschildern auch ein Kriegsverbrechen gemäß dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes bedeutet.

1936: Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass die Aktionen, die den Palästinensern im Gazastreifen die Mittel für ihre Existenz, ihre Jobs, ihre Häuser und ihres Wassers beraubt haben, die ihre Bewegungsfreiheit und ihr Recht auf Aus- und Einreise in ihr eigenes Land verboten haben und ihre Rechte auf Zugang zu einem Gericht und einem effektiven Rechtsschutz beschränkt haben, ein kompetentes Gericht dazu führen könnte, festzustellen, dass hier ein Verbrechen der Verfolgung, bzw. ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurde.

1893: Die Operationen waren in allen Phasen sorgfältig geplant. Juristische Beratung gab es in allen Planungsphasen und auf bestimmten Operationsebenen. Der israelischen Regierung zufolge wurden praktisch keine Fehler gemacht. Im Lichte dieser Umstände kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Ereignisse von Ende 2008 bis Anfang 2009 ein bewusst unverhältnismäßiger Angriff war mit dem Ziel, eine Zivilbevölkerung zu bestrafen, zu erniedrigen und zu terrorisieren, ihre wirtschaftliche Fähigkeit, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen, einzuschränken und ihr das Gefühl einer ständig wachsenden Abhängigkeit und Verletzbarkeit einzuflößen.

1894: Die Kommission hat mit Besorgnis öffentliche Stellungnahmen von israelischen Amtsträgern, darunter hohe Militärs, zur Kenntnis genommen, die besagten, dass der Einsatz von unverhältnismäßiger Gewalt, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die Zerstörung von zivilem Eigentum legitime Mittel zur Erreichung der militärischen und politischen Ziele Israels darstellen. Die Kommission glaubt, dass solche Stellungnahmen nicht nur die gesamte Ordnung des Völkerrechts untergraben, sondern mit dem Geist der Charta der Vereinten Nationen unvereinbar sind und es deshalb verdient hätten, kategorisch verurteilt zu werden.

1895: Welche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtsgesetze auch immer begangen worden sein mögen - die systematische und geplante Art und Weise der in diesem Bericht beschriebenen Aktivitäten lässt der Kommission keinen Zweifel, dass die Verantwortlichkeit in erster Linie bei denen liegt, die die Operation entworfen und überwacht haben.

Die Auszüge aus dem Bericht der von Richard Goldstone geleiteten Kommission des UN-Menschenrechtsrates sind ausgewählt worden mit der Absicht, diese tiefe Trauer und Empörung über die Entmenschlichung der israelischen Politik und ihre Opfer zu teilen und zugleich unsere Mitschuld zu erkennen an den unvorstellbaren Leiden und Peinigungen - bis hin zur grausamen Vernichtung - der ebenso schuldlosen wie schutz- und wehrlosen Bevölkerung des Gazastreifens vom Kleinkind bis zum alten Menschen. Diese Beschränkung steht auch in vollem Einklang mit der Aufgabe, die sich die Kommission selbst gestellt hat:

"Die Kommission legte ihren Auftrag dahingehend aus, dass die Zivilbevölkerung im Mittelpunkt ihrer Ermittlungen über Völkerrechtsverletzungen zu stehen hatte. Folglich hat die Kommission Opfern oberste Priorität gegeben und deshalb gilt die Hauptaufmerksamkeit ihrem Los im Zusammenhang mit den zu untersuchenden Ereignissen" (Abs. 136)

Dankenswerterweise umfasst zwar der Goldstone-Bericht auch die Lage im Westjordanland und in Israel selbst, aber die am grausamsten heimgesuchte Bevölkerung - und das seit fast drei Jahren - ist fraglos die des Gazastreifens. Blockade und Embargo sind bekanntlich auch nach dem Massaker nicht aufgehoben worden, wodurch der Wiederaufbau fortwährend behindert wird, und die Kommission stellt darüber hinaus fest: "Die israelischen Einfälle und Militäraktionen im Gazastreifen wurden nach Ende der Militäropperationen von Dezember bis Januar nicht eingestellt" (Abs. 1915). Auf den Gazastreifen muss sich daher im Rahmen unseres Vortrags die Textauswahl beschränken.

Durch seine einseitige, mehr interessenbestimmte als verantwortungsbewusste Politik gegenüber Israel hat Deutschland wesentlich dazu beigetragen, dass Israel in seiner jahrzehntelangen Missachtung elementaren Menschen- und Völkerrechts bestärkt worden ist. Diese Einschätzung betonen auch die über hundert israelischen Persönlichkeiten, die sich in einem offenen Brief an Abgeordnete im Bundestag gewendet haben (jW 27.03.2010). Hier ist bei uns wie auch bei den westlichen Verbündeten ein völliges Umdenken dringend erforderlich: Weg vom Kriegsterror und Rückkehr zum Recht, zur Gerechtigkeit und zur Mitmenschlichkeit, wie es selbstverständliche Pflicht einer Wertegemeinschaft sein muss.

1164: Unter Berücksichtigung ihres Auftretens und der Stimmigkeit ihrer Aussagen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Zeugen glaubwürdig und zuverlässig sind. Zumindest einer der Zeugen litt immer noch an beträchtlichen psychischen und physischen Beschwerden, ausgelöst durch die Behandlung, die ihm von den israelischen Soldaten und anderen Beamten widerfahren ist. Die Kommission weist darauf hin, dass diese Vorfälle mehrere Gemeinsamkeiten aufweisen, die auf ein Verhaltensmuster seitens der israelischen Soldaten hinweisen und darauf schließen lassen, dass die Behandlung der Personen, die vor der Kommission aussagten, keine Einzelfälle waren. Die der Kommission vorliegenden Tatsachen lassen vermuten, dass:
- die Soldaten die Zivilpersonen, einschließlich der Frauen und Kinder, während ihrer gesamten Leidenszeit einer grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung unterwarfen, um sie zu terrorisieren, einzuschüchtern und zu demütigen.
- die Gefangenen während ihrer Gefangenschaft im Gaza-Streifen, ob im Freien oder in Häusern, in einem Ausmaß verprügelt und auf sonstige Weise körperlich misshandelt wurde, das als Folter eingestuft werden muss. Dies wurde während ihrer ganzen Gefangenschaft systematisch fortgesetzt. ...

1166: Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Art. 75 des 1.1 Zusatzprotokolls, in dem gewohnheitsvölkerrechtliche Normen wiedergegeben werden, lauten wie folgt:
(2) Folgende Handlungen sind und bleiben jederzeit und überall verboten, gleichviel ob sie durch zivile Bedienstete oder durch Militärpersonen begangen werden:
a) Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere (...)
ii) Folter jeder Art, gleichviel ob körperlich oder seelisch,
iii) körperliche Züchtigung und (...)
b) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Nötigung ...

Diesen grundsätzlichen Anspruch an eine Wertegemeinschaft vertreten Goldstone und seine Kommission mit bewundernswerter Offenheit gegenüber Israel und seinen Verbündeten: "Der Staat Israel versagt auch darin, seine eigenen Bürger zu schützen, indem er sich weigert, die Sinnlosigkeit einzusehen, Mittel der Gewalt und Militärmacht anzuwenden" (Abs.1914). Zugleich richtet sich die Anklage aber auch gegen die internationale Gemeinschaft und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die wort- und tatenlos dem Unrecht zusehen und damit ihre eigenen Völker- und menschenrechtliche Grundsätze in zutiefst beschämender Weise verraten: "Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die internationale Gemeinschaft weitestgehend geschwiegen hat und bis dato versäumt hat, den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und generell in den besetzten Gebieten zu gewährleisten" (Abs. 1916).

1916: Der Sicherheitsrat hat den Schutz der Zivilbevölkerung auf seiner Agenda als reguläres Item gesetzt und anerkannt, dass dieses Thema in seinen Verantwortungsbereich fällt. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die internationale Gemeinschaft weitestgehend geschwiegen hat und bis dato versäumt hat, den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und generell in den besetzten Gebieten zu gewährleisten. Es genügt, das Ausbleiben einer adäquaten Reaktion auf die Blockade und deren Konsequenzen, auf die Gaza-Militäroperationen und bezüglich deren Auswirkungen, auf die fortwährenden Behinderungen des Wiederaufbaus hin, festzustellen. Die Kommission sieht auch, dass die Isolierung der Behörden des Gazastreifens und die Sanktionen gegen den Gazastreifen sich negativ auf den Schutz der Bevölkerung ausgewirkt haben. Ohne Zweifel ist sofortiges Eingreifen erforderlich, um den Wiederaufbau in Gang zu bringen. Begleitet werden muss dies jedoch von einer erschlosseneren und prinzipientreuen Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte sowie von einer seit langem überfälligen Aktion, um diese zu beenden. Der Schutz der Zivilbevölkerung erfordert Achtung vor internationalem Recht und Rechenschaftspflicht (Haftung) bei Verstößen. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht ihre eigenen Statuten einhält, ist die Bedrohung des Rechtsgrundsatzes offenkundig und möglicherweise tiefgreifend in ihren Konsequenzen.

Hier liegt auch die weltpolitische Bedeutung des Goldstone-Berichts, auf die der israelische Friedensaktivist Jeff Halper bei der Vorstellung des Berichtes im Berliner Pressehaus am 16.01.2010 aufmerksam gemacht hat: Das Gaza-Massaker ist auch ein Testfall, wie die Weltöffentlichkeit auf eine solche unmenschliche Kriegsführung reagiert. Bleibt eine weltweite Verurteilung aus, werden das die Verantwortlichen als Duldung oder gar als Billigung ansehen, und die Missachtung des in Jahrzehnten entwickelten humanitären Völkerrechts wird zur Regel werden. S. Abs. 1885, 1894 und 1916.

Außerdem vgl. zu diesen drei auf den vorigen Seiten bereits zitierten Absätzen noch die folgenden:

1204: Am 6. Januar 2009, während der Kriegshandlungen in Gaza, äußerte sich der stellvertretende Ministerpräsident Eli Yishai wie folgt(21): "Es (dürfte) möglich (sein), Gaza zu zerstören, damit sie verstehen, dass man sich nicht mit uns anlegen sollte." Er führte ferner aus: "Es ist eine großartige Chance, Tausende von Häusern von all den Terroristen zu zerstören, damit sie nochmal darüber nachdenken, bevor sie Raketen abschießen". "Ich hoffe, dass die Aktion mit großen Leistungen und mit der vollständigen Zerstörung des Terrorismus und der Hamas enden wird. Meiner Meinung nach müsste man sie dem Erdboden gleichmachen, sodass Tausende Häuser, Tunnel und Industrien zerstört werden." Er fügte hinzu: "Die Einwohner des Südens ermutigen uns, damit der Einsatz bis zur vollständigen Vernichtung der Hamas weitergeht."(22)

1205: Am 2. Februar 2009, nach Abschluss der Kriegshandlungen, äußerte sich Eli Yishai noch einmal: "Selbst wenn die Raketen auf offenes Gelände oder ins Meer fallen, sollten wir ihre Infrastruktur angreifen und für jede abgeschossene Rakete 100 Häuser zerstören."(23)

1206: Am 13.Januar 2009 soll die israelische Außenministerin Tzipi Livni folgendes gesagt haben:
Wir haben der Hamas bewiesen, dass wir die Gleichung verändert haben. Israel ist kein Land, auf das man Raketen abfeuert, ohne dass es darauf reagiert, sondern ein Land, das durchdreht, wenn man auf dessen Bürger schießt - und das ist auch gut so(24).

1207: Die massive Zerstörung von Betrieben, Ackerland, Hühnerfarmen und Wohnhäusern ist vor dem Hintergrund derartiger Äußerungen zu betrachten. Zu beachten ist insbesondere die umfangreiche Zerstörung, die in den Tagen vor dem Abschluss des Einsatzes erfolgte. Während der Abzugsphase wurden anscheinend Tausende von Häusern zerstört. Die "Tag-danach"-Doktrin(25) - so wie sie in den Aussagen israelischer Soldaten erläutert wird - hat die Kommission an anderer Stelle in diesem Bericht erwähnt. Diese Doktrin passt unschwer zum allgemeinen Ansatz der massiv unverhältnismäßigen Zerstörung.


Anzuwendendes Recht

Nach welchem Recht soll nun diese "massive unverhältnismäßige Zerstörung" beurteilt werden? Es ist vornehmlich die Genfer Konvention Nr. 4 zum Schutz der Zivilbevölkerung von 1949. (Die drei ersten aus dem gleichen Jahr regeln den Schutz der verwundeten und der gefangenen Soldaten.) Auch die beiden Zusatzprotokolle von 1977 über internationale und über nicht-internationale bewaffnete Konflikte werden herangezogen. Hinzu kommen der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und schließlich das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag von 1998. Es ist zuständig für die schwersten Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Der Unterschied zwischen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit besteht - vereinfacht gesagt - darin, dass Völkermord ein ganzes Volk betrifft, während das Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. die Vernichtung einer Volksgruppe - hier die Vernichtung der Bevölkerung des Gazastreifens - meint. Selbstverständlich wird auch die Erklärung der Menschenrechte von 1948 zugrunde gelegt.

Nur ein einziges einzelnes grundsätzliches Recht soll einleitend genannt werden, da die anderen im Folgenden immer wieder benannt werden. Dieses Recht ist jedoch von allergrößter Bedeutung und droht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verschwinden: Es ist das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes, das von den Vereinten Nationen und dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag 2004 bestätigt worden ist und das auch das Widerstandsrecht gegen eine völkerrechtswidrige Besatzung wie die Israels einschließt.

269: Ein Grundzug des juristischen Rahmens ist das Prinzip der Selbstbestimmung von Völkern aus Art. 1 der Charta der Vereinten Nationen, das als Bestandteil des Gewohnheitsvölkerrechts anerkannt und in den beiden internationalen Menschenrechtspakten - gemeinsamer Art. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (1PbpR) und des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IOwskR) - als ein Völkern zustehendes Rechts bezeichnet wird. Das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes ist von der Vollversammlung wie vom Internationalen Gerichtshof in seinem Gutachten zu den Rechtsfolgen der Errichtung der Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten (Legal Consequences of Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory)(26) bestätigt worden. Dem Selbstbestimmungsrecht kommt vor dem Hintergrund der jüngeren Ereignisse und bewaffneten Feindseligkeiten in der Region besondere Bedeutung zu, da es sich dabei lediglich um eine Episode der langjährigen Besatzung handelt. Das Selbstbestimmungsrecht ist für alle bindend (erga omnes). Deshalb sind alle Staaten verpflichtet, seine Verwirklichung zu fördern. Dies wird auch von der UNO-Vollversammlung anerkannt, die erklärt hat, dass Völker, die gewaltsamen Handlungen, die sich ihres Selbstbestimmungsrechts berauben, Widerstand leisten, berechtigt sind, dabei die Unterstützung Dritter zu fordern und zu erhalten.(27) Wer Handlungen unternimmt, die militärische Gewalt darstellen, hat die Normen des HVöR einzuhalten.

1875: Die Internationale Gemeinschaft wie der Staat Israel und, soweit es ihre Autorität und Mittel erlauben, die palästinensischen Behörden, haben die Verantwortung, Opfer von Verstößen zu schützen und sicherzustellen, dass sie nicht weiterhin unter der Geißel des Krieges oder der Unterdrückung und den Erniedrigungen der Besatzung oder unter wahllosen Raketenangriffen leiden. Die Menschen in Palästina haben das Recht, ihr politisches und ökonomisches System frei zu bestimmen, was auch das Recht einschließt, gegen einen gewaltsamen Entzug ihres Rechts auf Selbstbestimmung und des Rechts, in Frieden und Freiheit in ihrem eigenen Staat zu leben, Widerstand zu leisten. Die Menschen in Israel habe das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben. Beide Völker sind im Sinne des Völkerrechts zu Gerechtigkeit verpflichtet.

Eine illegale Besatzung hat selbstverständlich auch kein Recht auf Selbstverteidigung, sondern muss die Besetzung aufgeben und sich zurückziehen.

1897: Während sich die Kommission darauf konzentriert hat, die besonderen Fragestellungen innerhalb ihres Mandats zu untersuchen und zu analysieren, stellt sich die fortgesetzte Besatzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes als der fundamentale Faktor heraus, der den Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtsgesetze gegenüber der geschützten Bevölkerung zugrunde liegt und die Aussichten auf Entwicklung und Frieden untergräbt. Israel Weigerung, seine Verantwortlichkeiten als Besatzungsmacht anzuerkennen und auszuüben, hat die Auswirkungen der Besatzung auf das palästinensische Volk weiter verschärft und tut dies noch immer. Die harschen und unrechtmäßigen Praktiken der Okkupation sind weit davon entfernt, den Widerstand zu brechen, erzeugen ihn vielmehr, auch seine gewaltsamen Ausprägungen. Die Kommission ist der Ansicht, dass ein Ende der Besatzung eine Voraussetzung für eine Rückkehr der Palästinenser zu einem würdigen Leben sowie eine friedliche Entwicklung und eine Lösung des Konflikts ist.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu verwirklichen ist laut UN-Charta Ziel aller UN-Mitglieder (Art.1, Abs.2). Sie sind daher auch verpflichtet, dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes - aller rechts- und menschenverachtenden Willkür gegenüber - endlich zum uneingeschränkten Durchbruch zu verhelfen.

1912: Das Völkerrecht legt für die Staaten nicht nur die Verpflichtung fest, die internationalen Menschenrechte zu achten, sondern auch deren Einhaltung zu gewährleisten. Der Internationale Gerichtshof legte in seiner Sonderstellungnahme zu den gesetzlichen Folgen eines Mauerbaus in den besetzten palästinensischen Gebieten fest, dass "zusätzlich alle Partnerstaaten der Vierten Genfer Konvention vom 12. August 1949 in Bezug auf den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, die Verpflichtung haben, unter Einhaltung der UN-Charta und des Völkerrechts sicherzustellen, dass Israel das humane Völkerrecht, wie in dieser Konvention enthalten, erfüllt."

Der detaillierte Bericht über die israelischen Kriegshandlungen gegen Gaza beginnt mit dem historischen und aktuellen Kontext:

176. Nach Ansicht der Kommission dürfen die Ereignisse, die sie laut ihrem Mandat untersuchen sollte, nicht isoliert betrachtet werden. Sie müssen in einem breiten Zusammenhang gesehen werden und haben ihre tiefen Wurzeln in den langen Jahren der israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete und in der politischen und gewalttätigen Konfrontation, die die Geschichte dieser Region seit langem charakterisiert. Ohne einen Überblick über die historischen, politischen und militärischen Entwicklungen zwischen dem Sechstagekrieg 1967 und der Ausrufung der "Periode der Ruhe" (arab. Tahdiyah) im Juni 2008(28) und über die israelische Politik in den besetzten palästinensischen Gebiete sind die Ereignisse, die unmittelbar in den Zuständigkeitsbereich des Mandats der Kommission fallen, nicht zu verstehen.

Aus aktuellem Anlass einer erneuten ethnischen Säuberung Israels im palästinensischen Ostjerusalem seien allerdings drei Sätze aus dem Absatz 177 zitiert: "1980 verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das Jerusalem zur 'ungeteilten vereinigten Hauptstadt Israels' erklärte. Mit der Resolution 478 des Weltsicherheitsrates von 1980 erklärten die Vereinten Nationen dieses Gesetz für 'null und nichtig' und verurteilten jeden Versuch, 'den Charakter und Status Jerusalems' zu ändern. (Angenommen mit 14 Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme, einer Enthaltung (USA)) Kein Mitglied der Vereinten Nationen, Israel ausgenommen, erkennt die Annexion Ostjerusalems an." Trotzdem ist es nicht bei einem bloß juristischen Anspruch geblieben, sondern der Absatz 200 weist auf die brutale Wirklichkeit: "Seit 1967 haben die israelischen Behörden Tausende von Gebäuden in Besitz von Palästinensern zerstört, darunter schätzungsweise 2.00 Häuser in Ostjerusalem."

Eine höchst lesenswerte Zusammenfassung der Vorgeschichte enthält auch die Einführung in den Goldstone-Bericht des in England lehrenden israelischen Historikers Ilan Pappe: "Das Schlachtfeld Gaza 2004 - 2009" - insbesondere die Seiten 28 - 31, wo er der Frage nachgeht, ob die israelischen Kriegsverbrechen nicht als Völkermord einzustufen seien, wofür er namhafte Vertreter aus Politik und Wissenschaft nennt - darunter den Präsidenten der UN-Vollversammlung, Miguel d'Escoto Brockmann.

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag:

"Artikel 6, Völkermord: Im Sinne dieses Statuts bedeutet "Völkermord" jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schweren körperlichem und seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf di Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Unerlässlicher aktueller Kontext der israelischen Kriegshandlungen gegen Gaza sind die Blockade des Gazastreifens und ihre Auswirkungen, die in den Abschnitten 1217 bis 1335 ausführlich beschrieben werden. Auch hier können nur Hinweise auf das Grundsätzliche gegeben werden.

311. Die vom 27. Dezember bis 19. Januar 2009 durchgeführten Kriegshandlungen und ihre Auswirkungen können nicht in vollem Umfang beurteilt werden, ohen die Gesamtzusammenhänge und die zu ihrem Beginn herrschenden Lebensbedingungen zu berücksichtigen. Im Wesentlichen stellten die bewaffneten Feindseligkeiten den Höhepunkt des langen Prozesses wirtschaftlicher und politischer Isolierung dar, die Israel dem Gaza-Streifen auferlegt hat, der generell als Blockade bezeichnet wird.

1218. Die Menschen in Gaza wie auch die in anderen Teilen der besetzten palästinensischen Gebieten leben seit Jahrzehnten unter fremder Besetzung und müssen die Einschränkungen und anderen Auswirkungen der von der Besatzungsmacht ausgehenden Politik ertragen. Zwar haben der Beginn der Blockade und die jüngsten Kriegshandlungen diese Beschränkungen und Mängel zweifelsohne verschärft, jedoch leben die Menschen in Gaza schon lange in einer Situation, die nicht mehr als "normal" bezeichnet werden kann.

1219. ...Die derzeitige Lage ist als Krise der Menschenwürde bezeichnet worden.(29)

1302. Ausreichende Ernährung, Bekleidung und Unterbringung als Bestandteile eines angemessenen Lebensstandards sind im Art. 11 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als Menschenrechte verankert. Im gleichen Vertragswerk werden auch das Recht auf Bildung sowie das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit anerkannt (Art. 12.) ... All diese menschenrechtlichen Verpflichtungen gelten für Israel in Bezug auf dessen Handlungen im Gaza-Streifen, da sie auch in bewaffneten Konflikten fortgelten.

Nach Art 54 des 1. Zusatzprotokolls ist es verboten,

"für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte wie Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen, um sie wegen ihrer Bedeutung für den Lebensunterhalt der Zivilbevölkerung oder der gegnerischen Partei vorzuenthalten, gleichviel, ob Zivilpersonen ausgehungert oder zum fortziehen veranlasst werden sollen oder ab andere Gründe maßgeblich sind."

1324. Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse und der oben aufgeführten Erwägungen ist die Kommission der Ansicht, dass Israel mit der Zerstörung privater Wohnhäuser sowie von Wasserbrunnen, Ackerland und Gewächshäusern seine Pflicht verletzt hat, das Recht der Menschen im Gaza-Streifen auf einen angemessenen Lebensstandard (insbesondere auf Nahrung, Unterbringung und Wasser) zu achten.

1335. Aufgrund der ihr vorliegenden Erkenntnisse ist die Kommission der Ansicht, dass einige Handlungen der israelischen Regierung eine Feststellung durch ein zuständiges Gericht rechtfertigen könnten, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen.


Universale Rechtsprechung

Der letzte Teil des Goldstone-Berichts ist dem Prinzip der Universalität des Rechts und seinen Verpflichtungen gewidmet (Abs. 1849f.). Dazu gehört vorrangig die Pflicht zur Wiedergutmachung widerrechtlich angerichteter Schäden (Abs. 1861). Gleichzeitig sind aber auch gemäß der Universalität des rechts alle Staaten aufgefordert, die Verantwortlichen für schwerste Verbrechen - wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord (Abs. 1850) - vor Gericht zu stellen, um das Verbrecherische dieser Taten aller Welt bewusst zu machen und damit eine Wiederholung zu verhindern.

1849. Auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit haben Opfer von erheblichen Menschenrechtsverletzungen oft in anderen Ländern nach Haftungsmechanismen gesucht, wenn es zu Hause keine gab oder die verfügbaren keine wirksamen Mittel boten. Das Prinzip der Universalität, das besagt, dass internationale Verbrechen, die fundamentale menschliche Werte verletzen, die ganze internationale Gemeinschaft betreffen, liegt der Ausübung des Strafrechts in vielen Staaten zugrunde. Die Ausübung des Strafrechts auf der Basis des Universalitätsprinzips betrifft besonders schwere Verbrechen ungeachtet des Tatorts, der Nationalität des Täters oder der Nationalität des Opfers. Diese Form der Rechtsprechung konkurriert mit anderen, die auf eher traditionellen Prinzipien wie der Territorialität, der aktiven und passiven Nationalität beruhen und ist ihnen nicht untergeordnet.

1850. Es ist heute unumstritten, dass Staaten ihren Gerichten das Recht der universalen Rechtsprechung über internationale Verbrechen übertragen können, etwa Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord(30). Jedoch gibt es Kontroversen über die Bedingungen und Anforderungen für das Ausüben dieser Rechtsprechung und besonders über die Frage, ob sich der Beschuldigte physisch auf dem Territorium des anklagenden Staates aufhalten muss oder nicht.

1851. Unter gewissen Bedingungen ist die universelle rechtsprechung auch für die Vertragsstaaten verpflichtend. So etwa im Fall der Vierten Genfer Konvention, deren Artikel 116 fordert, dass jede der Hohen Vertragsparteien "nach Personen sucht, die beschuldigt sind, solche schweren Verstöße begangen zu haben oder dazu den Befehl gegeben zu haben" und solche Personen ungeachtet ihrer Nationalität vor ihre eigenen Gerichte bringt.

Mit dieser Verpflichtung dienen die bis ins Einzelne gehenden Empfehlungen der Kommission an die nationalen und internationalen Einrichtungen (Abs. 1967-1979). An des Staat Israel ergehen aufgrund der aktuellen Lage gleich neun Empfehlungen - darunter als dringlichste die "sofortige Aufhebung von Blockade und Embargo des Gazastreifens (a), Verhinderung weiterer Todesopfer, Zerstörung und Verletzung der Menschenwürde durch Missachtung internationalen Rechts (c), Bewegungsfreiheit für alle Palästinenser innerhalb wie außerhalb der besetzten Gebiete (d), Freilassung aller Palästinenser, "die in Verbindung mit der Besatzung gefangen gehalten werden" - darunter mit "höchster Priorität" die Freilassung von Kindern (e) - "unverzügliche" Beendung der "Einmischung in nationale politische Entwicklungen in den besetzten palästinensischen Gebieten" und Bewegungsfreiheit für "alle Mitglieder des palästinensischen Legislativrates zwischen Gaza und dem Westjordanland", "so dass der Rat seine Funktionstüchtigkeit wieder erlangen kann" (f)...

Hiermit sind alle Regierungen und Parlamente mit ihren einzelnen Abgeordneten - selbstverständlich einschließlich Deutschlands - aufgefordert, sich eingehend mit dem Goldstone-Bericht zu beschäftigen und entsprechend seiner Empfehlungen zu handeln, um eine Wiederholung des Gazamassakers zu verhindern.


Nachwort

Wohl jeder unvoreingenommene Leser des Berichtes wird Goldstone und seiner Kommission zutiefst dankbar sein(31) für die ebenso sachliche wie schonungslose juristische Aufarbeitung eines Massakers, das auf Seiten der Angreifer 13 Opfer (davon nur drei Zivilisten und kein Kind), auf Seiten der Überfallenen aber zwischen vierzehn- und fünfzehnhundert Todesopfer hinterlässt, davon allein über 300 Kinder - ganz zu schweigen von Tausenden von Verletzten mit zum großen Teil lebenslänglichen Behinderungen (Amputationen u.ä.)

1860. Ungeachtet der Antwort der PA und der internationalen Gemeinschaft auf die Krise, die durch die Kombination der Blockade und der Militäroperation von Dezember 2008 bis Januar 2009 entstanden ist, macht sich die Kommission noch mehr Sorgen um die Individuen (Frauen, Männer, Kinder und ältere Menschen) und ihre Familien, die nun nach dieser traumatischen Erfahrung ihr Leben wieder aufbauen müssen. Die Kommission ist sich bewusst, dass der Wiederaufbau des Lebens und der Lebensgrundlage der Palästinenser nicht vollständig möglich sein wird, bevor die Auswirkungen der Besatzung, der Blockade und der wiederholten militärischen Übergriffe beseitigt sind. Man sollte jedoch auch nicht die individuellen menschlichen Dimensionen aus den Augen verlieren. Diese Dimension erschließt sich aus dem Recht auf Rechtsmittel und Wiedergutmachung, das dem palästinensischen Volk und den einzelnen Palästinensern nach dem Völkerrecht zusteht. Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit von Palästinensern sind beeinträchtigt worden, in vielen Fällen schwer und irreversibel. Zusätzlich zu den körperlichen Verletzungen ist vielen Menschen, die Verwandte und damit auch häufig finanzielle Unterstützung verloren haben, auch erhebliches seelisches Leid zugefügt worden. Der psychische Schaden, den die Palästinenser im Gaza erlitten haben, muss noch bewertet werden und verlangt auch nach Reparationsmaßnahmen, ebenso wie die Zerstörung von Häusern und Privateigentum.

1861. Die Verpflichtung zur vollen Wiedergutmachung eines verursachten Verlustes oder einer Verletzung obliegt jedem Staat, der für einen Rechtsbruch verantwortlich ist. Das Völkerrecht erkennt auch die rechte der Opfer auf wirksame Rechtsmittel und Wiedergutmachung von Schäden und Verlusten an, die aus Verletzungen ihrer Menschenrechte entstehen. Diese Verpflichtung und diese Rechte sind in internationalen Verträgen und dem Völkergewohnheitsrecht anerkannt.

Diese Wahrhaftigkeit, die aus jeder Seite des Berichtes spricht, verdient höchste Anerkennung in einer Zeit, in der Schuld politisch gewöhnlich beim Opfer, nicht aber beim Täter gesucht wird.

Vertreter der Opfer in Berlin haben ihren "tief empfundenen Dank für die große Arbeit" ausgesprochen (AKF-Rundbrief 3/09), S. 39-42). Die Täter haben allen Grund, den untrüglichen Spiegel ihrer Taten zum Anlass schuldbewusster Umkehr zu nehmen, statt mit noch schlimmeren Drohzungen zu antworten (Abs. 1204f.)

Aber es gibt auch ein anderes Israel, auf die alle friedlich und menschlich Gesinnten ihre Hoffnung richten: Uri Avneri, der Sprecher der israelischen Friedensgruppe "Gush Shalom", schrieb schon am 16. Januar 2009: "Am Ende wird dieser Krieg auch ein Verbrechen gegen uns selbst gewesen sein, ein Verbrechen gegen den Staat Israel" (zitiert im AKF-Rundbrief 1/09, S. 26f.), und im gleichen Aufsatz nennt er den unerschütterlichen, todesmutigen Einsatz des palästinensischen Volkes für Freiheit und Selbstbestimmung einen "Sieg des Geistes über das Material".

Goldstone und seine UN-Menschenrechtskommission haben es bekräftigt: "Die Kommission war von der Widerstandsfähigkeit und Würde überrascht, die die Menschen angesichts der düsteren Umstände zeigten."

Ein Lehrer in Gaza unterstützte die Wiederaufnahme der Erziehung in Menschenrechten ohne Zögern: "Dies ist ein Krieg über Werte und wir werden ihn nicht verlieren" (Abs. 1898).

Rudolf-Andreas Palmer, Berlin


Anmerkungen

(20) Es ist geplant, den speziellen Teil des Vortrages - mit einzelnen Kriegshandlungen und ihrer völkerrechtlichen Beurteilung - in einer Fortsetzung zu ergänzen.

(21) Während der Kriegshandlungen in Gaza diente Eli Yishai als stellvertretender Ministerpräsident und Industrie-, Handels- und Arbeitsminister der Regierung des Herrn Olmert. In der heutigen, von Hernn Netanjahu geführten Regierung dient er als Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident. Während der Kriegshandlungen in Gaza war er auch Mitglied des Sicherheitskabinetts für nationale Sicherheit. Zu dessen Pflichten gehören die Festlegung der Ziele des Sicherheitswesens und dessen Politik, Fragen, die die israelischen Streitkräfte betreffen, nachrichtendienstliche, außenpolitische Fragen, sowie operative Sicherheits- und militärische Fragen, sowie die Abstimmung der Regierungstätigkeit in Judäa, Samaria und Gaza" Siehe
www.pmo.gov.il/PMO/Archive/Decisions/2006/05/des20.htm (auf Hebräisch)

(22) www.news.walla.co.il/?w=//1412570

(23) www.ynet.co.il/Ext/Comp/ArticleLayout/CdaArtclePrintPreview/1

(24) The independent. Israeli cabined devided over fresh Gaza surge, 13. January 2009

(25) Siehe 13. Kapitel

(26) Legal consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Paestinian Territory, Advisory Opinion of 9 July 2004, I.C.J. Reports 2004, S. 135, Abs. 149

(27) a.a.O., Abs. 156; Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, Resolution 2625 (XXV) der Generalversammlung der Vereinten Nationan vom 24. Oktober 1970.

(28) Aus Zeit- und Raummangel klammert der historische Kontext viele wichtige Ereignisse dieser Periode aus (so den Krieg von 1973, das Camp-David-Abkommen, den Friedensvertrag mit Jordanien, den Libanon-Krieg von 2006 und andere mehr).

(29) WHO-Bericht 2009, S. 8

(30) Siehe Humanitäres Völkergewohnheitsrecht, ..., Regel 157, S. 604

(31) und zugleich dem Herausgeber in Deutschland, Abraham Melzer

Raute

MENSCHENRECHT UND KLASSENGESELLSCHAFT

Erich Buchholz: Menschenrecht und Klassengesellschaft(32)

Erster Teil der Arbeit von Erich Buchholz: Recht, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte (33)

I.

Seit eh und je fordern auf der ganzen Welt die Unterdrückten und Ausgebeuteten Recht, Gerechtigkeit und Freiheit, fordern sie die Verwirklichung der Menschenrechte.

Die Sehnsucht nach der Verwirklichung dieser Rechte ist ungebrochen.

Dabei war und ist für die Unterdrückten und Ausgebeuteten Gerechtigkeit vor allem Gleichheit. Denn Gleichheit ist das Fundament jeder Gerechtigkeit. Sie fordern die gleiche Rechte und Pflichten aller Menschen, Überwindung des "Rechts der Reichen und des Armen Pflicht"; Gerechtigkeit ist für sie Gleichbehandlung und vor allem soziale Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, jedenfalls keine zu krasse soziale Ungleichheit, kein zu krasser Gegensatz von Arm und Reich. Diese Idee motivierte und motiviert die Besten unter den Unterdrückten und Ausgebeuteten zu mutigen Taten, zu entschlossenem solidarischen und gemeinschaftlichen Kampf für Recht, Gerechtigkeit und Freiheit.

Den Herrschenden und ihren Ideologen ist diese motivierende Wirkung der Forderungen und der Idee nach Recht, Gerechtigkeit und Freiheit seit langem gut bekannt. Um ihrer Herrschaft ungefährdet auf der Welt aufrechterhalten und verewigen zu können, okkupieren sie neben anderen ideologischen Mitteln diese Idee für ihre Zwecke, d.h. vor allem für den Zweck, das Aufbegehren der Unterdrückten und Ausgebeuteten zu dämpfen und letztendlich zu beseitigen.

Vor allem werden Recht, Gerechtigkeit und Freiheit als ein Anliegen aller ausgegeben. Alle bürgerlichen Verfassungen und Gesetze sprechen vom Recht der Bürger, der Menschen, von den jedem Bürger bzw. jedem Menschen zustehenden Rechten - unabhängig davon, ob jeder, auch die Unterdrückten und Ausgebeuteten, von diesen Rechten Gebrauch machen können. Auf diese Weise wird die ursprüngliche Idee der Unterdrückten und Ausgebeuteten entmannt, paralysiert. Es wird aus der ursprünglich revolutionären Idee eine zahnlose Allerweltsidee gemacht.

Vor allem werden nunmehr die Vorstellungen der Herrschenden von Recht, Gerechtigkeit und Freiheit als die der Allgemeinheit, als die aller Menschen ausgegeben. Da aber die Vorstellungen der Herrschenden nur deren Interessen zum Ausdruck bringen, werden die Interessen der Herrschenden als Interessen aller, der Allgemeinheit, ausgegeben, werden die Interessen und Vorstellungen der Herrschenden von Recht, Gerechtigkeit und Freiheit den Unterdrückten und Ausgebeuteten aufoktroyiert.

Wenn sie sich diesem v ergiftenden Einfluss nicht bewusst widersetzen, geraten sie politisch/ideologisch in das Schlepptau der Herrschenden. Denn wenn nunmehr die Unterdrückten und Ausgebeuteten oder ihre politischen und geistigen Repräsentanten in dieser ideologischen Befangenheit und Unterwerfung von Recht, Gerechtigkeit und Freiheit sprechen, sprechen sie von diesen - unbewusst - im Sinne der Herrschenden. Entgegen ihrer realen Lage und ihren wirklichen Interessen bewegen sie sich aufgrund dieser Beeinflussung in der Geisteswelt der Herrschenden.

Recht ist nun nicht mehr das (zu erkämpfende) Recht der Unterdrückten und Ausgebeuteten, sondern als Recht aller schon vorhanden, und sie merken nicht, dass es praktisch vor allem das Vorrecht der Herrschenden ist.

Gerechtigkeit ist jetzt nicht mehr die (zu erkämpfende) Gerechtigkeit der Unterdrückten und Ausgebeuteten, sondern das Aufrechterhalten der bestehenden Zustände, der bestehenden Ungerechtigkeit.

Aus Gleichheit und Gerechtigkeit wird Chancengleichheit gemacht und dabei ausgeklammert, dass den Unterdrückten und Ausgebeuteten die erforderlichen Chancen fehlen.

Der Reichtum der Reichen wird - der Wahrheit zuwider - auf ihre Leistung zurückgeführt. Dabei wird die Ausbeutung ausgeklammert.

Freiheit ist jetzt nicht mehr die (zu erkämpfende) Freiheit der Unterdrückten und Ausgebeuteten, sondern die Freiheit der Herrschenden, Unterdrückung und Ausbeutung aufrechtzuerhalten.

Aber solange es Herrschende auf der einen Seite und Unterdrückte und Ausgebeutete auf der anderen Seite gibt, gibt es nicht das Recht, nicht die Gerechtigkeit und nicht die Freiheit, sondern stets nur Recht, Gerechtigkeit und Freiheit als Forderung der Unterdrückten und Ausgebeuteten auf der einen Seite und das Aufrechterhalten von Unrecht, Ungerechtigkeit und Unfreiheit auf der anderen Seite, die als Recht, Gerechtigkeit und Freiheit (aller) ausgegeben werden.

Die Herrschenden denken bei Recht in erster Linie an das Recht des Eigentümers, mit dem Eigentum nach Gutdünken zu verfahren (wie dies § 903 BGB vorsieht), bei Freiheit an eben diese Freiheit des Eigentümers, die auch die Freiheit der Ausbeutung und Unterdrückung umschließt, und bei Gerechtigkeit an eben eine solche: Für sie ist die Welt gerecht, in der die Herrschenden nach ihrem Gusto herrschen und ausbeuten dürfen.

Deshalb besteht für die Unterdrückten und Ausgebeuteten das Allerwichtigste und der erste Schritt ihrer Emanzipation von der geistigen Vorherrschaft und der geistigen Beherrschung durch die Rechtsideologie der Herrschenden und deren Ideologen darin, bei der Verwendung der Begriffe "Recht", "Gerechtigkeit" und "Freiheit" stets zunächst zu fragen: Wer spricht von wessen Recht, Gerechtigkeit und Freiheit?

Dasselbe gilt für die Menschenrechte.

Wenn die Unterdrückten und Ausgebeuteten in der "Internationale" sangen und singen: "Erkämpft das Menschenrecht!", meinen sie das (zu erkämpfende) Menschenrecht der Unterdrückten und Ausgebeuteten, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Sie meinen nicht die unter dem Vorwand von Menschenrechten bzw. der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen angezettelten Kriege und durchgeführten Massenmorde an Zivilpersonen, an Frauen, Kindern und Greisen.


II.

Nach den beispiellosen, grausamen und verbrecherischen Verletzungen der Menschenrecht durch die Hitlerfaschisten in Gestalt beispielloser, vor allem rassistischer Massenmorde und nach der Befreiung vom Faschismus durch die Sowjetunion und die Rote Armee verabschiedete die Völkergemeinschaft in Gestalt der Vereinten Nationen im Geiste des Nürnberger Urteils am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Das war nicht die erste Formulierung von Menschenrechten, aber es war die erste weltumspannende, umfassende, von einem kompetenten Gremium verabschiedete Deklaration der Menschenrechte, der alsbald eine verbindliche Konvention folgen sollte. Nach dem vor allem mit dem Blut der Sowjetsoldaten erkämpften Sieg über den Faschismus brachte diese Allgemeine Erklärung der Menschenrechte weitgehend bereits menschenrechtliche Forderungen der Unterdrückten und Ausgebeuteten zum Ausdruck. Vor allem darin liegt die historische Bedeutung dieser Deklaration.

Sie war - nach der Oktoberrevolution von 1917 - ein gewichtiger Fortschritt auf dem Weg der weltweiten Verwirklichung der menschenrechtlichen Forderungen der Unterdrückten und Ausgebeuteten, ein unübersehbarer Sieg im Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte der Unterdrückten und Ausgebeuteten.

Um diesen Erfolg der Unterdrückten und Ausgebeuteten und ihren Siegen zu korrigieren, verstanden es die Herrschenden dieser Erde und ihre Ideologen, die Menschenrechte zu einer Waffe im "Kalten Krieg" gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder zu machen, wo die Menschenrechte, vor allem die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, wie sonst nirgends auf der Welt bereits verwirklicht wurden.

Gerade die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte stellt nämlich eine gewichtige Beschränkung der alten überkommenen Rechte und Möglichkeiten der Ausbeutung und Unterdrückung durch die Herrschenden dar.

Da die Herrschenden der Welt des Kapitals wegen dieser ihrer Interessen gerade diese wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte nicht gewähren und nicht gewährleisten wollen und können und im Wettstreit mit den sozialistischen Ländern auf diesem Gebiet von vornherein aussichtslos unterlegen waren und blieben, konzentrierten sie sich in diesem "Kalten Krieg" - unter Verletzung der der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zugrunde liegenden Prinzipien der Universalität, Gleichheit und untrennbaren Einheit aller Menschenrechte und sich von den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte abkoppelnd - einseitig nur auf die politischen und Bürgerrechte.

Der Grund dieser strategischen Vorgehensweise besteht nicht nur darin, dass die alten Kräfte, wo immer sie herrschen, in ihren Ländern die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte weder verwirklichen können noch wollen, sondern ganz wesentlich auch in folgendem: Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, so das Recht auf Arbeit, auf Gleichberechtigung von Mann und Frau, auf soziale Sicherheit, auf einen angemessenen Lebensstandard, auf Bildung, auf Teilnahme am kulturellen Leben usw., sind nämlich im Unterschied zu den politischen und Bürgerrechten weniger abstrakt, sondern konkreter und lebensnaher gefasst.

Hier ist für juristische Konstruktionen und Manipulationen weniger Raum.

Die traditionellen politischen und Bürgerrechte, wie etwa das Recht auf Meinungsfreiheit, zeichnen sich dadurch aus, dass infolge der abstrakten Formulierung dieser Menschenrechte insoweit besondere Spielräume für juristische Auslegungen, für juristische Konstruktionen und Manipulationen, ja auch für juristische Verdrehungen, bestehen, die auf eine lange und bewährte juristische Tradition des Umgangs der Herrschenden mit dem Recht zurückgreifen können.

Die (juristischen) Ideologen der alten herrschenden Kräfte beherrschen dieses Metier; sie verstanden und verstehen sich darauf, diese politischen und Bürgerrechte zu einer Waffe im Krieg gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder und die dort real existierenden Menschenrechte zu machen und zugleich die unübersehbaren Errungenschaften bei der Verwirklichung der Menschenrechte in diesen Ländern zu diffamieren.

Aus mehreren Gründen erwiesen sich die SU und die anderen sozialistischen Länder in dieser weitgehend ideologisch-politischen Auseinandersetzung als zu schwach. Ganz wesentlich spielte dabei die oben erwähnte Verdrehung von Recht, Gerechtigkeit und Freiheit durch die Ideologen der Herrschenden eine Rolle.

Deshalb ist auf diese Frage näher einzugehen.

Dabei besteht heute insofern ein besonderer Erfahrungsschatz der Unterdrückten und Ausgebeuteten in Deutschland, als sie in der jüngeren Geschichte neben vermittelten Erfahrungen der Weimarer und der Nazizeit auf Erfahrungen in der DDR und in der Bundesrepublik zurückgreifen können. Namentlich für die früheren DDR-Bürger ist das Erlebnis des radikalen Unterschieds der Gewährleistung von Menschenrechten eine außerordentlich spürbare, unter die Haut gehende Erfahrung. Diesen aus unmittelbarer Anschauung erlebten Erfahrungsschatz gilt es zu bewahren und fruchtbar zu machen.

Zuvor sei jedoch auf das Verhältnis der Unterdrückten und Ausgebeuteten, namentlich der Arbeiterklasse, zum Recht unter unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Lebensbedingungen eingegangen.

Wie erlebte und erlebt die Arbeiterklasse Recht und Justiz unter kapitalistischen Bedingungen, etwa in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik? Wie ging die Arbeiterklasse und ihre Partei, die SED, in der DDR mit Recht und Justiz um, wie nutzte sie diese im Staat der Arbeiter und Bauern?


III.

Im Kapitalismus, also im kaiserlichen Deutschland, dann in der Weimarer Zeit, danach im Hitler-Staat und dann in der Bundesrepublik erlebten und erleben die Arbeiter, die Ausgebeuteten und Unterdrückten, das Recht so, wie es Marx und Engels im Kommunistischen Manifest klassisch definiert haben. An die Adresse der Bourgeoisie erklärten sie: "Euer Recht (ist) nur der zum Gesetz erhobene Willen eurer Klasse". Dabei ergänzten sie, dass der Inhalt dieses Willens der Bourgeoisie "gegeben ist in den materiellen Lebensbedingungen eurer Klasse." Damit war wissenschaftlich klargestellt, dass es sich bei diesem zum Gesetz erhobenen Willen der Herrschenden, der Bourgeoisie, nicht um etwas Willkürliches, sondern um materiell objektiv Bedingtes handelt.

Das Recht der Bourgeoisie, besonders in Gestalt des im kaiserlichen Deutschland ausgearbeiteten und erlassenen grundlegenden Gesetzeswerkes, des BGB, ist der Masse des Volkes fremd; es ist volksfremd. Zu 90 Prozent betreffen seine Paragrafen nicht die Belange der Unterdrückten und Ausgebeuteten, der Arbeiter. Was haben diese ernstlich zu vererben, wovon die §§ 1922 - 2385 handeln? Über welches gewichtige Eigentum verfügen sie, für das die Vorschriften des Sachenrechts, die §§ 854 - 1296, vorgesehen sind? Über welche Vermögenswerte haben sie bei Eingehung einer Ehe und im Falle einer Ehescheidung zu verfügen bzw. sich auseinander zu setzen, wie das in den Bestimmungen des Familienrechts, besonders im ehelichen Güterrecht und vielen anderen Vorschriften des 4. Buches des BGB, das Familienrechts, in den §§ 1297 - 1921 geregelt ist? Über welche Vermögenswerte können sie Verträge abschließen, von denen die Vorschriften des Allgemeinen Teils und des Schuldrechts handeln, die in den §§ 1 - 853 zu finden sind?

Als lohnabhängige Arbeiter und Angestellten stehen sie (nach den wenigen Vorschriften der §§ 611 - 630 BGB) unter Dienstvertrag. Auch wenn inzwischen, besonders seit der Weimarer Zeit, verschiedene arbeitsrechtliche Regelungen zu Stande kamen und die Arbeitsgerichte in ihrer Rechtsprechung des öfteren arbeitnehmerfreundlich entscheiden, bleibt, dass das Arbeitsrecht eine vom bürgerlichen Gesetzgeber unterbelichtete Rechtsmaterie ist.

Als Mieter von schönen oder weniger schönen Mietskasernen erleben die Arbeiter, die Unterdrückten und Ausgebeuteten, praktisch das Vorrecht der Vermieter, der Grundstücks - und Hausbesitzer und ihrer Verwalter. Auch wenn im Laufe der Jahre, besonders seit der Weimarer Zeit, teilweise einige mieterfreundliche Reformen im Mietrechts vorgenommen wurden und die Gerichte keinesfalls stets auf der Seite der Vermieter stehen, ist den Regelungen des Mietrechts insgesamt deutlich anzusehen, dass es vor allem um die wirtschaftliche Verwertung der Mietsache durch den Vermieter geht.

Fremd ist dem Volke das Recht der Herrschenden vor allem durch seine juristische Sprache, durch die abstrakten auslegungsfähigen Formulierungen, wie sie dem BGB verbreitet sind.

Besonders hinzueisen ist - im Sinne des verfassungsmäßigen Gleichheitsgebotes - auf die abstrakt-juristische Gleichbehandlung und Gleichstellung grundverschiedener Verhältnisse und Personen. "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" seien "gleiche" Vertragspartner und - vor Gericht gleiche Prozessparteien. Die allgemeinen Regeln über Verkauf und Eigentumsübergang gelten für den Kauf eines Stückes Brot wie für den Kauf/Verkauf von Grundstücken, Unternehmen und anderen Millionenwerten.

Besonders deutlich erlebten und erleben die Arbeiter, die Unterdrückten und Ausgebeuteten, dieses ihnen fremde Recht vor Gericht in Verfahren mit besonders ausgeklügelten prozessualen Regelungen, die dem gewöhnlichen Bürger zu verstehen nach wie vor verschlossen bleibt. Ohne Rechtsanwalt, vornehmlich allerdings einen sog. "Armenanwalt" bzw. heutzutage schöner formuliert einen beigeordneten Rechtsanwalt auf der Basis von Prozesskostenhilfe, stünden sie - trotz formell prozessualer Gleichheit - faktisch absolut hilflos vor Gericht; indessen bleiben sie trotz beigeordneter Rechtsanwälte auch heute gegenüber den entsprechend honorierten Anwälten der Herrschenden meist unterlegen.

Noch krasser tritt der zum Gesetz erhobene Willen der Herrschenden auf dem Gebiete des Strafrechts, des Polizeirechts und teilweise des Verwaltungsrechts hervor. Die Auseinandersetzungen zwischen den Herrschenden und den Unterdrückten, der Klassenkampf, ist hier sehr deutlich zu sehen und zu erleben. Das gilt auch für den gesamten Bereich der allgemeinen Kriminalität, wie Diebstahl, Körperverletzung usw., soweit Unterdrückte und Ausgebeutete auf Grund ihrer Lebensverhältnisse zu strafbaren Handlungen kommen, in denen sich ihr dumpfer Protest gegen die unerträglichen Lebensverhältnisse ausdrückt, oder in die sie als Folge ihrer Lebensverhältnisse gerieten. (Auf die Verbrechen der Herrschenden, ihnen Nahestehender und von ihnen gedungener Krimineller ist hier nicht einzugehen, zumal in diesem Bereich in aller Regel auf die verschiedensten Weise das Strafrecht nur sehr schonend und eher zur Beruhigung der Öffentlichkeit herangezogen wird.)

Wo sich aber die Auseinandersetzungen deutlich zeigen, erlebten und erleben die Arbeiter, die Ausgebeuteten und Unterdrückten den Klassencharakter des Staates und seiner Institutionen, besonders der Polizei und der Gerichte sehr anschaulich.

Die Herrschenden schicken ihre Truppen in Gestalt von gut ausgerüsteter Polizei gegen die Arbeiter, die Ausgebeuteten und Unterdrückten vor; anschließend werden diese mit Strafverfahren überzogen. Vor allem ernsthafte politische Bestrebungen gegen die herrschenden Verhältnisse werden mit Straf- und Polizeirecht unterdrückt.

Vom Kölner Kommunistenprozess von 1850, über die Hochverratsverfahren gegen Bebel und Liebknecht, das Sozialistengesetz Bismarcks und die Klassenjustiz der Weimarer Zeit, über die brutale Hitler-Diktatur, später über die Kommunistenverfolgung in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik bis zur rechtswidrigen Verfolgung von DDR-Bürgern nach 1991 ist unübersehbar, in wessen Dienst dieses Recht und diese Justiz standen und stehen.

Immer dann, wenn die bestehenden politischen Verhältnisse direkt attackiert werden, tritt der Staat mit seinem Recht unmittelbar in Erscheinung.

Die nach der Verfassung bzw. nach dem Grundgesetz allen Bürgern zugestandenen Grundrechte zählen nicht, wenn diese nach Ansicht der Herrschenden verwirkt sind, wie es im Art. 18 des Grundgesetzes in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht bestimmt ist. Für den Ausspruch der Verwirkung dieser Grundrechte und ihres Ausmaßes ist das Bundesverfassungsgericht zuständig.

Die praktischen Erfahrungen der Unterdrückten und Ausgebeuteten, der Arbeiter, bestätigten die Erkenntnis von Marx und Engels über den Klassencharakter des Rechts der Bourgeoisie, der Herrschenden.

Dabei soll folgendes nicht übersehen werden: Obwohl das bürgerliche Recht auf die verschiedensten Gebieten den Willen und die materiellen Interessen der Herrschenden zum Ausdruck bringt, stellte es einen bedeutenden Fortschritt gegenüber früheren Zeiten, etwa dem Altertum und dem Mittelalter dar. Es handelt sich um zivilere Formen der Auseinandersetzungen zwischen den Interessengegensätzen der verschiedenen Klassen und Schichten. Mehr nicht, denn sehr zu betonen und zu beachten ist, dass sich auf der Grundlage dieses Rechts tendenziell und grundsätzlich immer das Interesse der Herrschenden durchsetzt. Obwohl in der Form ziviler, bleibt es der Sache nach das alte Faustrecht der Klassengesellschaft.

Vor allem darf nicht übersehen werden, dass der Einsatz und die Anwendung des Rechts maßgeblich von denjenigen abhängt, die es professionell betreiben, also von den Juristen, seien es Richter und Staatsanwälte oder auch Rechtsanwälte.

Die Juristen sind - gerade auch in Deutschland - traditionell mit den Herrschenden verbunden, sie entstammen überwiegend der Bourgeoisie oder ihnen nahe stehenden sozialen Schichten. Sie haben es - in der Sprache der Juristen - gelernt, letztendlich und oft unmerklich deren Interessen wahrzunehmen.

Wie bereits oben erklärte, spricht das Recht (der Bourgeoisie) niemals offen von den Herrschenden und den Ausgebeuteten und Unterdrückten. Nach der Rechtsordnung sind die Rechtsgenossen, die Rechtssubjekte gleichgestellt, hätten sie formell gleiche Rechte und Pflichten, hätten sie juristisch, vor dem Gesetz wie vor dem Gericht, die gleichen Chancen, Chancengleichheit. Ob der Einzelne von den betreffenden Rechten Gebrauch machen kann oder nicht, hängt nicht von der Formulierung des Gesetzes, der Rechtsvorschriften, sondern von seinen materiellen Lebensbedingungen und Möglichkeiten ab. Jedermann hat nach dem Gesetz das Recht, Eigentum zu erwerben und darüber zu verfügen. Fehlt ihm aber das Kapital, fehlt es ihm an den finanziellen Mitteln, ist dieses Recht für ihn ein Luftschloss. Gleiches gilt faktisch für alle anderen Rechte, etwa das Recht, eine (höhere) Schule zu besuchen oder besondere berufliche Ausbildung zu genießen, seine Meinung öffentlich breit kundzutun usw. und sofort.

Jedenfalls ist nachvollziehbar, verständlich und begrüßenswert, dass die Unterdrückten und Ausgebeuteten, die Arbeiter, dem geltenden kapitalistischen Recht mit Skepsis und Vorbehalt gegenüber stehen, es als etwas ihnen Fremdes und Feindliches ansehen, zumal es für sie undurchschaubar und undurchdringlich ist.

Erich Buchholz, Berlin


Anmerkungen

(32) Überschrift: Redaktion offen-siv

(33) Im zweiten Teil, den wir im nächsten Heft abdrucken werden, geht es um die Frage der Durchsetzung dieser Rechte in einer sozialistischen Gesellschaft (d. Red.).

Raute

CHINA

Reinhold Schramm: China 2010. Die Anzahl der verbliebenen Staatsbetriebe soll weiter sinken.

Chinas Staatsbetriebe produzieren 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und stellen 20 Prozent der Gesamtarbeitsplätze.

In den kommenden Jahren soll die Anzahl der Staatsbetriebe auf unter 50 sinken, erklärte Li Baomin, Leiter des Forschungszentrums bei der staatlichen Kommission für Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen.

Gegenwärtig gibt es noch 123 Staatsbetriebe, die der Zentralregierung direkt unterstellt sind. Außerdem gehören noch zahlreiche Unternehmen den Lokalregierungen. Bis Ende 2010 soll die Anzahl der Staatsbetriebe durch Umstrukturierung und Zusammenschlüsse auf 100 gesenkt werden. Die Regierung will in den kommenden Jahren die Reform (Transformation) der noch verbliebenen staatlichen Monopolbranchen beschleunigt vorantreiben.(34)

Chinas Staatsbetriebe sind im Besitz von 60 Prozent der nationalen Ressourcen. 80 Prozent der Staatsgewinne werden von zehn Betrieben erwirtschaftet, dies schließt die Staatsunternehmen Sinopec, CNPC und China Mobile ein. "Firmen wie PetroChina können von sich behaupten, dass sie zu den Firmen mit der höchsten Marktkapitalisierung gehören, dennoch produzieren sie nichts von Qualität", erklärte Li Rongrong, Vorsitzender der Kommission für Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen des Staatsrates.(35)

Im Jahr 1995 gab es noch 196 Betriebe im Staatsbesitz. Ihre Zahl sank durch die Integration kleinerer Betriebe, um eine Kosteneffektivität zu erreichen. Betriebe, welche die nationale Sicherheit betreffen, sollten im Staatsbesitz verbleiben, dazu gehörten Banken, Stromerzeuger, Petrochemie und der gesamte Zugverkehr (Auch Banken seit Jahren mit internationaler Beteiligung. - R.S.).(36)

Li Rongrong, Aufsichts- und Verwaltungskommission für Staatsvermögen, erklärte bereits im Dezember 2007: Die Umwandlung der staatseigenen Unternehmen zu Aktiengesellschaften soll beschleunigt vorangetrieben werden. China werde staatseigene Unternehmen für Investitionen von privatem Kapital und ausländischen Kapital öffnen. Die staatseigenen Betriebe sollen sich an Börsen im In- und Ausland notieren lassen.(37)


Auszug aus den aktuellen Wirtschaftsdaten Chinas:

- Der Anteil der Staatsunternehmen an der industriellen Wertschöpfung liegt bei ca. 35 % (2009). (Quelle: NBS)

- Der kumulierte offizielle Wert ausländischer Direktinvestitionen lag 2010/1.H. bei 1.011 Milliarden US$ (1,011 Billionen US$). (NBS)

- Chinas Direktinvestitionen im Ausland betrugen kumuliert Ende 2009 ohne Finanzsektor ca. 172 Mrd. US$; einschließlich Finanzsektor knapp 250 Mrd. $.

- Bruttoinlandsprodukt (BIP), 2009: BIP/Kopf [US-Dollar] 3.776 / 2010: (voraussichtlich:) 3.829 US$.

Nach der chinesischen Statistik entfallen auf den privaten Sektor 65 % des BIP; nach OECD-Schätzung 57 %.

- BIP nach sektoraler Entstehung - 2009: Industrie 46,8 %, Dienstleistung 42,6 %, Landwirtschaft 10,6 %.

- Erwerbstätige (2008): 775 Millionen, davon in den Städten 302 Mio.

- Anteil der Erwerbstätigen nach Sektoren (2007): Landwirtschaft 41 %, Industrie 27 %, Dienstleistung 32 %.

Anmerkung: Seit 2006 existiert ein Umfragemodell zur Messung der Arbeitslosigkeit, dessen Ergebnisse nicht komplett veröffentlicht werden. Die offizielle städtische Arbeitslosigkeit betrug 2009 rund 4,3 %. Die Asiatische Entwicklungsbank schätzt die städtische Arbeitslosigkeit auf mindestens 8,5 %, die ländliche Arbeitslosigkeit auf 30 % ("überschüssige Arbeitskräfte"). Die Zahl der Wanderarbeiter beträgt nach chinesischen Angaben 230 Millionen Menschen (165 Mio. in Städten, und 65 Mio. in ländlichen Gebieten. - R.S.). (Wirtschaftsdaten - Stand: 16.08.2010)

Reinhold Schramm, Berlin


Anmerkungen

(34) german.china.org.cn - am 01.11.2010. Zahl der Staatsbetriebe soll auf unter 50 sinken.
http://german.china.org.cn/business/txt/2010-11/01/content_21246143.htm

(35) Vgl. Global Times / CIIC, 26.07.2010: Anzahl der Staatsbetriebe soll weiter reduziert werden.

(36) ebenda

(37) Vgl. CRI / CIIC, 19.12.2007: Umbau staatseigener Unternehmen zu Aktiengesellschaften beschleunigt.


*


Reinhold Schramm: Chinas "knappes Budget" für die Bekämpfung der Armut.

Parallel dazu Reichtum und Korruption für die Bourgeoisie und die Aktionäre, deren ökonomische Administration und die Beamtenschaft.

Vorweg: Es gehört zum gesellschaftspolitischen Tagesgeschäft aller bürgerlichen und antikommunistischen Regierungs- und Konvergenzparteien der nationalen und internationalen Bourgeoisien und deren Administrationen, die sozialökonomische Armut der werktätigen Bevölkerungen in ihren Regionen über statistische Berechnungskünste zu verstecken, ideologisch-idealistisch und sophistisch zu beschönigen und mit Zukunftsversprechungen "noch zehn Generationen" zu verschleiern.

Im Bericht der "Global Times" und bei "german.china.org.cn" vom 29.10.2010 heißt es: "Die Zentralregierung erhöht die Armutsgrenze, trotz der Gefahr, dass das Budget zur Armutsbekämpfung deswegen knapp werden könnte."(38) Mit Bezug auf die Zeitung "21st Century" heißt es: die chinesische Regierung wird die Armutsgrenze und damit die statistische Berechnungsgrenze von 1196 Yuan auf 1400 Yuan jährlich erhöhen. - Demnach wird die offizielle Armutsberechnungsgrenze von 128,84 Euro auf 150,82 Euro jährliches Einkommen erhöht (monatlich von 10,74 € auf 12,57 € - bzw. Tagessatz: von 36 Cent auf 42 Cent.(39) Mit verweis auf "21st Century" wird berichtet: Die Zeitung berichtet, dass die staatliche Behörde zur Armutsbekämpfung nun Vorschläge unterbreitet, die auf die Armutsbekämpfung in ländlichen Gebieten für die nächsten 10 Jahre abzielen. Ein Beamter des Statistikamtes wird zitiert: "Die aktuelle Armutsgrenze ist lediglich aufgrund der grundlegenden Kalorieneinnahme, die jeder Mensch benötigt, festgelegt, aber jetzt brauchen wir ein neues Konzept für ein gesünderes Leben, so dass weitere Kriterien enthalten sein sollten und der Messstandard erhöht werden muss".

Ein Versuch der Annäherung an die Realität:

Bei "german.china.org.cn" heißt es weiterhin: Die Armutsgrenze Chinas, die tatsächlich nur 3 Yuan (0,36 Euro) pro Person und Tag beträgt, ist viel niedriger als der Weltstandard von 0,90 Euro.(40) Zur sozialökonomischen und gesellschaftspolitischen Wohltätigkeit heißt es, unter "Knappes Budget": Die Änderung der Berechnungsgrundlage für die Armut der Armen werde es "mehr unterprivilegierten Menschen ermöglichen, von staatlichen Hilfeleistungen zu profitieren, um ihre täglichen Lebensbedürfnisse zu erfüllen."

Wang Xiaolin, der Forschungsdirektor des "International Poverty Reduction Centers" (IPRCC), sagte, dass bei der Festlegung der Armutsgrenze die finanzielle Situation des ganzen Landes auch berücksichtigt werden sollte. Er erklärte, dass aufgrund des aktuellen Weltstandards mehr als 100 Millionen Menschen in China noch in Armut lebten, aber die Finanzen der Regierung nur für die Unterstützung der Hälfte dieser Menschen ausreiche.(41) Zur Armutsquote in den ländlichen Gebieten heißt es im Bericht weiterhin: "China hat seine Armutsgrenze seit den 1980ern mehrmals angepasst, der aktuelle Standard wurde im Jahr 2008 festgelegt, während die Armutsquote in ländlichen Gebieten von 18,5 Prozent im Jahr 1981 auf 2,8 Prozent im Jahr 2004 gesenkt und die Zahl der in Armut lebenden Bevölkerung von 152 Millionen auf 26 Millionen reduziert wurde."

"Chinas Reiche werden immer reicher", so heißt es am 30. Oktober 2010 beim "China Internet Information Center" (CIIC). Die Anzahl der offiziellen Milliardäre ist im bourgeoissozialistischen China von 79 im Jahr2009 auf 128 im Jahr 2010 gestiegen. Neun Milliardäre sind unter 40 Jahre alt, elf von ihnen sind Frauen. Das bourgeoissozialistische Privatvermögen in China von Konsumgüter- und Pharmaherstellern sowie Technologiemagnaten stieg im vergangenen Jahr, das von privaten Bauträgern fiel "aufgrund der Regierungspolitik zur Abkühlung des Marktes." (CIIC) Laut Veröffentlichung des Forbes Asia Magazin seiner jährlichen Liste mit Chinas 400 reichsten Personen, werden Chinas Reiche immer reicher(42). Das notwendige offizielle Mindestvermögen, um auf die Forbes-Liste zu kommen, ist von 300 Millionen US-Dollar (217 Millionen-Euro) im Jahr 2009 auf 425 Millionen US-Dollar (307 Millionen-Euro) im Jahr 2010 gestiegen. Russell Flannerx, leitender Redakteur bei Forbes und Chef des Büros in Shanghai, erklärte: "China ist bei Börsengängen in diesem Jahr weltweit führend. Die Wohlstandsexplosion und die Zahl der Milliardäre ist eng mit der großen Zahl der Börsengänge von chinesischen Unternehmen im vergangenen Jahr verknüpft". - Laut Forbes führt die südchinesische "Boomstadt" Shenzhen die Forbes-Liste mit 17 Milliardären an, gefolgt von Beijing mit 15 und Shanghai mit 10 Milliardären.

Ganz oben auf der Reichtums-Liste steht Zong Qinghou, Vorsitzender des führenden Lebensmittel- und Getränkeherstellers Wahaha, dessen Privatvermögen von 3,5 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden Euro stieg. Wang Chuanfu, 44, belegte in diesem Jahr 2010 nur Platz zehn, mit einem Privatvermögen von 3,01 Milliarden Euro. Wang Chuanfu ist Gründer und Miteigentümer von BYD, wovon zehn Prozent dem Milliardär Warren Buffetts Berkshire Hathaway gehört. Robin Li, Mitbegründer der Suchmaschine Baidu, ist der offiziell zweitreichste chinesische Privateigentümer mit einem Vermögen von 5,2 Milliarden Euro. Der Mitbegründer des Maschinenbauers Sany, Liang Wengen, belegt mit 4,3 Milliarden Euro Privatvermögen den dritten Platz. - "Das geschätzte Vermögen des 42-jährigen Li hat sich demnach im vergangenen Jahr dank der weltweit größten Zahl der Internetnutzer in China fast verdoppelt", erklärte Zhou Jiangong, Chefredakteur von Forbes-China. Und: "Der 53-jährige Liang notierte sein zweites Unternehmen an der Hongkonger Börse Ende des vergangenen Jahres (2009). Die Aktien des Unternehmens stiegen um 157 Prozent", sagte Zhou Jiangong. Die heutige "Immobilienkönigin" Wu Yajun ist die "reichste Frau Chinas". Wu Yajun stieg von Platz 29 im Jahr 2009 auf Platz acht der Forbes-Liste 2010. Ihr Privatvermögen von 3,4 Milliarden Euro "teilt sie mit ihrer Familie", heißt es im CIIC-Bericht. Und: Auch ihre Aktien von "Wus Long for Properties" stiegen seit dem Börsengang in Hongkong im vergangenen Jahr (seit 2009) um 30 Prozent.

Ein wichtiger Aspekt der privaten Reichtumsentwicklung (so laut CIIC-Bericht) ist, dass "zehn Prozent von Chinas 400 Reichsten ihr komplettes oder ein Teil ihres Vermögens aus dem Gesundheitswesen ziehen." Auch darunter der 46-jährige Li Li, der "reichste Newcomer dieses Jahres" (2010). Li Li belegt mit 3,9 Milliarden Privatvermögen Platz fünf auf der Liste. Li Li ist Chef des Unternehmens Shenzhen Hepalink Pharmaceutical, das im Mai 2010 an die Börse ging.(43)

"Chinas nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Aufwertung des Renminbi wird in den kommenden Jahren in einer atemberaubenden Geschwindigkeit eine noch größere Zahl an Milliardären hervorbringen", und u.a. "Dank der inländischen Konsumausgaben wird es mehr Magnaten aus der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, von Restaurantketten und Luxushotels geben. Derzeit sind sie, im Vergleich zu ihren US-Kollegen, auf der Liste der Reichen nur in geringer Zahl vertreten", sagte Zhou.(44)

Reinhold Schramm, Berlin


Anmerkungen

(38) Global Times / CIIC - german.china.org.cn am 29.10.2010. China: Regierung will Armutsgrenze anheben.
http://german.china.org.cn/fokus/2010-10/29/content_21231541.htm

(39) Siehe Bankenverband, Währungsrechner am 30.10.2010: 1 Yuan = 0,108 Euro.

(40) Global Times / CIIC - german.china.org.cn am 29.10.2010. China: Regierung will Armutsgrenze anheben.
http://german.china.org.cn/fokus/2010-10/29/content_21231541.htm

(41) Die "Beijing Rundschau" berichtete am 14.08.2009 über einen Brief zur "Rentenfrage" von Professor Hu Xingdou an Ministerpräsident Wen Jiabao. Der Brief wurde um die Jahreswende 2008/2009 geschrieben. Aus dem Bericht der "Beijing Rundschau" vom 14. August 2009: "Es heißt, die vor kurzem eingeführte Sicherung des Existenzminimums auf dem Lande könne das Problem einer würdigen Versorgung der Senioren lösen. Zwar werden von diesem im Jahr 2007 eingeführten System bereits 34,519 Millionen bäuerliche Haushalte abgedeckt. Diese machen jedoch nur etwa vier Prozent der gesamten Bevölkerung auf dem Lande aus. Der Anteil ist zu gering, und die Höhe des Existenzminimums ist zu niedrig. Nach einem Bericht der Weltbank lebten 2007, gemessen an der Kaufkraft (KKP), 135 Millionen Menschen in China, also zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, in absoluter Armut, d. h. ihr Lebensunterhalt pro Tag lag unter einem Dollar. 430 Millionen, also 32 Prozent der Gesamtbevölkerung lebten in Armut, sie konnten auf zwei Dollar pro Tag zurückgreifen. Die meisten Armen leben in ländlichen Gebieten. Deshalb muss das Existenzminimum erhöht und der Kreis der Personen, die in den Genuss von Versorgungsleistungen kommen, erweitert werden. Aber das Existenzminimum kann nicht ein leistungsfähiges System der Rentenversicherung ersetzen." (Beijing Rundschau)
Abschließend heißt es im Bericht der "Beijing Rundschau" vom 14. August 2009: "Alles in allem: Es ist höchste Zeit, ein allgemeines Rentensystem für Bauern einzurichten. Wenn sich dieser Plan verwirklichen ließe, wie glücklich würden die 900 Millionen Bauern Chinas sein! Und wir alle könnten uns mit ihnen freuen!" Anmerkung: Die Anzahl der Wanderarbeiter liegt nach der staatlichen Statistik derzeit bei 230 Millionen Menschen. Davon rund 165 Millionen Wanderarbeiter in den Städten und 65 Millionen in den ländlichen Gebieten Chinas. Zusätzlich sind viele Millionen Werktätige außerhalb Chinas - weltweit - beruflich tätig.

(42) Auch wenn es unserer konvergenzideologischen deutschen und italienischen pseudosozialistischen 'linken' wallfahrenden Freunde nicht wahrhaben wollen.

(43) Tageszeitung China Daily und CIIC - german.china.org.cn am 30.10.2010. Forbes China Milliardäre - "Chinas Reiche werden immer reicher" http://german.china.org.cn/fokus/2010-10/30/content_21234999.htm

(44) ebenda

Raute

IN LETZTER MINUTE

Irene Eckert: Lieber Frank, liebe offen-siv-Redaktion,

wie sich denken lässt, hat die Herausgeber-Kritik an meinen 12 Thesen vom Sommer 2010 nicht nur ein großes Unverständnis, sondern ein erhebliches Befremden ausgelöst. Ein gewisses, bis dato nicht benennbares Unbehagen hat sich allerdings jetzt substantiviert.

Anstelle einer umfänglichen Replik stelle ich mir und in dem offen-siv-team daher folgende Fragen:

1) Warum habt Ihr nicht einfach zur Diskussion der Thesen aufgefordert und konntet es nicht Euren Lesern überlassen, wie sie auf meine Überlegungen reagieren? Haltet Ihr so wenig von der Urteilsfähigkeit der offen-siv-Abonnenten?

(Kleine Anmerkung: In der offen-siv ist allerdings schon größerer Unsinn als in meinen, ja als Impuls verstandenen, Thesen leider dann doch unkommentiert durchgegangen. Ich habe mir dazu entweder eine eigene Meinung gebildet oder dagegen Stellung bezogen, wie es andere auch taten.)

2) Wie kommst Ihr auf die verstiegene Idee, Irene Eckert, von der Frank Flegel bisher alles ohne redaktionellen Eingriff, vor allem durchaus auch Betrachtungen zum giftigen Einfluss des Revisionismus in der Arbeiterbewegung, veröffentlicht hat, könnte - ganz im Gegensatz zu den in den Thesen zur Ausführung gebrachten Ideen, spalterische Absichten hegen? Wo keine Einheit ist und schon gar keine Klarheit, was sollte ich denn da zu Kleinholz spalten wollen, zumal ich mich ja bewusst aus den Querelen rausgehalten habe.

3) Frank, Du kanntest den Vorentwurf zu den Thesen, der ja als Diskussionsbeitrag zu einem angedachten KI-Manifest eingebracht worden war und meine Enttäuschung darüber, dass von der ins Leben gerufenen Manifest-AG, für die ich mich eingetragen hatte, keine inhaltliche oder sonstige Reaktion kam - warum hast nicht sachliche Kritik geübt?

4) Mit wem glaubst Du Frank, glaubt Ihr vom Herausgeberteam, könne ein Neuanfang gewagt werden, wenn Ihr alle, die nicht in Deinem/Eurem Sinne linientreu sind, vor den Kopf stoßt, sie entweder als "Revisionisten" oder "Spalter" abtut? Zählt in Deinen/Euren Augen unermüdliches Engagement, also tägliche Kleinarbeit für die Sache der Gerechtigkeit und des Friedens so wenig?

5) Sind Dir Frank eigentlich die Widersprüche in Deinem eigenen Text nicht aufgestoßen? Außerdem: Der KI-Aufruf war doch als Impuls für eine Einigungsbewegung aller Kommunisten auf der Basis von Prinzipien und ideologischer Klarheit gedacht und nicht als fertiger Entwurf, vor allem nicht hinsichtlich jeder Einzelfrage.

Bei allem Respekt für Deinen Einsatz, Frank, diesmal bist Du in Deinem Eifer zu weit gegangen, was in meinem Herzen ganz grundsätzliche Zweifel aufkommen lässt.

Ich erwarte, dass dieser "Leserbrief" von mir in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift erscheinen wird.

Mit kritischen Grüßen,

Irene Eckert, Berlin


*


Frank Flegel: Liebe Irene,

da wir die Druckvorlagen für den Abdruck Deines Leserbriefes noch mal aus der Druckerei zurückgeholt haben, nur ganz kurz ein paar Bemerkungen, denn die Zeit drängt:

1. Es ist keine Entmündigung der Leserschaft, eine Debatte darzustellen.

2. Zunächst: Wir haben doch auch jetzt Deinen Text ohne redaktionelle Eingriffe gedruckt - oder ist uns irgendwo ein unbeabsichtigter Fehler unterlaufen? Aber das nur am Rande. Grundsätzlich: Es gibt eine ausführliche inhaltliche Argumentation darüber, warum Deine Thesen unklar und schwammig sind (ich will und kann sie hier nicht wiederholen). Deshalb hat dieses Papier in der jetzigen Situation objektiv eine Spaltungsfunktion. Diese Feststellung hat mit Deinen persönlichen Absichten wenig bis gar nichts zu tun und ist deshalb auch keine Unterstellung. Und wenn ich Dir jetzt sage, dass ich durchaus davon überzeugt bin, dass Du persönlich keine Spaltungsabsichten damit verbunden hast, ist das auch kein Lob.

3. Ich habe mich zur besagten Zeit aus den Belangen der KI und so auch aus denen der Manifest-Arbeitsgruppe weitgehend herausgehalten, weil ich damals noch davon ausging, dass die KI funktionierte.

4. Eben weder mit Revisionisten und/oder Spaltern, was derzeit annähernd identisch ist. Und es geht nicht um Linientreue, sondern um den Wissenschaftlichen Sozialismus.

5. Nun muss ich auch Dir leider meinen Standardsatz vorhalten: wie wäre es denn mal mit einem Inhalt? Du sprichst Widersprüche in meinem Text an, sagst aber nicht, welche. Das ist wie ein Zitat ohne Quellenangabe. Ach Irene, ich wünschte mir wirklich so sehr, dass wir in eine inhaltliche Diskussion kämen, statt von Verprellen, Zweifeln, Eifer, Befremden und ähnlichem zu reden.

Dein Leserbrief kam spät. Wir haben ihn trotzdem noch - nachträglich - in das Heft genommen, weil Auseinandersetzung für den Klärungsprozess wichtig ist.

Schlusswort: Eine sachlich-inhaltliche Diskussion auf der Grundlage unserer wissenschaftlichen Weltanschauung ist gefordert, wenn wir die Sümpfe verlassen wollen. Befindlichkeit und Moral helfen da nur bedingt weiter.

Frank Flegel, Hannover

Raute

IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.

Geschäftsführung, Redaktion, Satz, Herstellung und Schreibbüro:
A. C. Heinrich und F. Flegel
Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen.
Bezugsweise: unentgeltlich, Spende ist erwünscht.

Postadresse: Redaktion Offensiv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
Telefon und Fax: 0511 - 52 94 782
E-Mail: redaktion@offen-siv.com
Internet: www.offen-siv.com

Spendenkonto Inland: Konto Frank Flegel,
30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80

Spendenkonto Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer.
(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort Offensiv

Freundeskreis offen-siv: A. Vogt,
Telefon und Fax: 0351 - 41 79 87 91
E-Mail: freundeskreis@offen-siv.com


*


Quelle:
Offensiv Nr. 8/2010 - Zeitschrift für Sozialismus und Frieden
Postadresse: Redaktion Offensiv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
Telefon und Fax: 0511 - 52 94 782
E-Mail: redaktion@offen-siv.com
Internet: www.offen-siv.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011