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OFFENSIV/098: Ausgabe September-Oktober 2011 6/11


offen-siv 6/2011
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe September-Oktober 2011 5/11


INHALT

Redaktionsnotiz

Europäische Union und deutscher Imperialismus
- Lord Ponsonby: Prinzipien der Kriegspropaganda
- Stefan Marx: Geschichte der deutschen Bourgeoisie von den Bauernkriegen bis heute
- Hermann Jacobs: Griechenland und der europäische Imperialismus
- Monika Voigt: Die Abwicklung des Staatseigentums Griechenlands nach
   dem Vorbild der Treuhandanstalt-Abwicklung des Volkseigentums der DDR
- Gerhard Feldbauer: Wie die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen wurde
- Gerhard Feldbauer: Machtvoller Generalstreik in Italien

Nachrichten aus dem Niedergang
- Michael Opperskalski, Frank Flegel: Der Niedergang reißt Grundprinzipien in den Abgrund

Antifa
- BK: Die Sozialdemokratie wurde ihrer historischen Verräterrolle mal wieder gerecht
- Torsten Reichelt: Faschisten - Profaschisten - Gleichgültige - Antifaschisten - Antikapitalisten - Kommunisten;
   oder: antifaschistische Bündnispolitik - Luca und Carsten: Dortmund stellt sich quer!
- Gerhard Feldbauer: Und die EU schaut zu - Faschisierungsprozesse in Europa

Stadtteilarbeit der KI
- KI NRW/Phil Ramcke: Auf dem richtigen Weg - von der spontanen Aktion einer neuen Gruppe bis zur systematischen Stadtteilarbeit

Neues von der Linkspartei
- Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba, Regionalgruppe Essen: Presseerklärung - Das Schweigen der PDL-Führung
- Nachtrag zur Presseerklärung
- Hermann Jacobs: Noch einmal: Zum besseren Verständnis der theoretischen Position von Sahra Wagenknecht

DKP
- DKP-Leipzig: Offener Brief der DKP-Parteigruppe Leipzig an die Mitglieder unserer Partei
- hth (.kommunisten.eu): Josef Stalin - der Verräter warst Du
- Kurt Gossweiler: Quo vadis, DKP?

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Wir legen Euch hiermit ein Heft vor, das sich thematisch vor allem auf die Themen der imperialistischen Aggression und der innerimperialistischen Konkurrenz konzentriert. Natürlich ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf die Kräfte des Widerstands zu werfen. Und so gibt es eine Mischung von Artikeln zu Griechenland, Italien, zu Faschisierungsprozessen in Europa, zum Antifaschismus in der BRD (Dresden, Gießen, Dortmund), zur Geschichte der deutschen Bourgeoisie, zur Partei Die Linke, zur DKP und zur Kommunistischen Initiative.

Ein Wort zum Artikel über die Geschichte der Bourgeoisie: wir mussten diesen Artikel wegen seiner Länge und den damit verursachten Platzproblemen teilen. In diesem Heft bringen wir den 1. Teil (von den Bauernkriegen bis zur Reichsgründung), in der November-Dezember-Ausgabe wird der 2. Teil erscheinen, der das Kaiserreich, die Weimarer Republik, den Hitlerfaschismus und den II. Weltkrieg sowie die Entwicklungen Nachkriegsdeutschlands umfasst.

Und eine zweite Bemerkung ist wichtig: wir drucken vor der Kritik Kurt Gossweilers an dem DKP-Machwerk "Stalin - Du warst der Verräter" selbiges ab. Das soll nicht als Äquidistanz aufgefasst werden. Wir tun dies nur, damit unsere Leserinnen und Leser verstehen, um was es geht und auf was sich Kurt Gossweiler bezieht.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir müssen über Finanzen sprechen und da gibt es nicht viel drumherum zu reden: Der Spendeneingang ist im Sommer recht spärlich gewesen, so dass wir zur Finanzierung dieser Ausgabe bereits gezwungen sind, an unsere Rücklagen zu gehen. Noch haben wir Rücklagen, aber auch die sind endlich. Deshalb unser eindringlicher Aufruf vor allem an diejenigen, die uns in diesem Jahr noch nicht mit einer Spende geholfen haben:

Bitte unterstützt uns, die Zeitschrift offen-siv muss weiter erscheinen können, der Anti-Revisionismus muss gesichert sein, viele Informationen, Analysen und Einschätzungen, die wir liefern, gibt es woanders nicht.

Für die Redaktion: Frank Flegel


Spendenkonto Offensiv:
Inland:
Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv
Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49,
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Raute

EUROPÄISCHE UNION UND DEUTSCHER IMPERIALISMUS

Lord Ponsonby: Prinzipien der Kriegspropaganda(1)

1. Wir haben den Krieg nicht gewollt!
2. Personifizierung des Feindes!
3. Unsere Zielsetzungen sind humanitärer Art. Man muss die Tatsache verschweigen, dass es wirtschaftliche
    Ziele des Krieges gibt. Man stellt nur humanitäre Ziele in den Vordergrund!
4. Berichte über die Grausamkeit des Gegners!


Stefan Marx: Geschichte der deutschen Bourgeoisie von den Bauernkriegen bis heute

1. Teil(2): Von den Bauernkriegen 1525 bis zur Reichsgründung 1871

Einleitung

Will man eine Sache, ein Ding oder ein Ereignis analysieren, sollte man nicht nur den gegenwärtigen Zustand, sondern auch seine Geschichte und Hintergründe kennen. In der deutschen Linken, insbesondere aber in der Arbeiterbewegung, wird immer wieder über die besondere Aggressivität des deutschen Kapitalismus - in seiner Entwicklungsgeschichte und in der Gegenwart - diskutiert.(3)

Wie ist es zu dieser besonderen Aggressivität gekommen? Welche Vergangenheit hat die herrschende Klasse dieses Landes?

Vorab einige Hinweise zum Begriffsverständnis und zur Vorgehensweise:

Wenn ich von Klassen spreche, dann in folgendem Sinne:

"Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem ... Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit einer andern aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft."(4)

Ich spreche also nicht von einzelnen "Bürgern" (Unternehmern oder dem einzelnen Bourgeois) sondern von der Klasse der Bourgeoisie in Gänze. Weiter gehe ich von gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen aus. Die politisch stärkste und ökonomisch am weitest entwickelte Klasse ist die bestimmende Kraft einer jeweiligen Gesellschaftsformation.

Damit ist auch der geschichtliche Standort auf der Entwicklungsleiter bestimmt. (Urgesellschaft, Stammesgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus/Kommunismus)

Die heute vorherrschende Klasse, die im Schoß der feudalistischen Gesellschaft heranreifte und dieses schließlich ablöste, ist die Klasse des Bürgertums oder der Unternehmer, auch Bourgeoisie genannt. Ihr Kampf gegen die Adelsherrschaft (Feudalismus) ist daher grundsätzlich positiv zu werten, hebt er doch die menschliche Gemeinschaft auf eine höhere Entwicklungsstufe.

Warum ist das so wichtig?

Erst nach der Entwicklungsstufe "Kapitalismus" wird es möglich, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu überwinden. Wie die Bourgeoisie im Schoß der feudalistischen Gesellschaft heranwuchs, wächst im Schoß der kapitalistischen Gesellschaftsformation die Kraft heran, die die Menschheit auf eine wiederum höhere Stufe ihrer Entwicklung heben und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen für immer beenden wird: Die Arbeiterklasse.

Dieser einführende Zusammenhang ist wichtig, um die Entwicklungsstufen des deutschen Bürgertums zu verstehen.


Kapitel 1

Zurück ins 16. Jahrhundert:

Wir sind beim deutschen Bauernkrieg, der demokratischen Revolution der Bauern, dem ersten großen Versuch, auf deutschem Boden dem feudalistischen Gesellschaftssystem den Garaus zu machen.

Die Bauern als größte der damaligen Klassen mussten alle anderen gesellschaftlichen Stände und Klassen ernähren, sie wurden von allen anderen ausgebeutet. Ihre Zersplitterung hatte bislang aber größere gemeinsame Aktionen gegen die herrschenden Verhältnisse verhindert. Sie waren, wenn auch auf niederster Ebene, Besitzer von Produktionsmitteln. Das spiegelte sich dann natürlich auch auf der Bewusstseinsebene wieder. Nur durch eine Allianz mit dem aufstrebenden Bürgertum war für die Bauern eine Veränderung ihrer sozialen Lage und Stellung möglich.

Dieser große und hoffnungsvolle Kampf wurde vom deutschen Bürgertum sehr zwiespältig betrachtet und schließlich verraten, obwohl er ja objektiv für die Zukunft des Bürgertums geführt wurde (was die Städtebürger zur damaligen Zeit aber natürlich nicht wussten, denn sie hatten keine materialistische Einsicht in den Gang der Geschichte).

Trotzdem bleibt festzustellen, dass das deutsche Bürgertum mit seinem Eintritt in die Geschichte versagte und damit den Grundstein legte, um als zu spät und zu kurz gekommene Kapitalistenklasse zur aggressivsten imperialistischen Macht des 20. Jahrhunderts aufzusteigen und um heute wieder an diese Zeiten anzuknüpfen.

Im Verlauf der Adelsherrschaft, der feudalistischen Gesellschaftsformation, gelang es, bedeutende Weiterentwicklungen der Produktivkräfte zu erreichen. Erfindungen wie etwa der Buchdruck, die "Drei-Felder-Wirtschaft", der Einsatz von Wasserkraft, eine sich immer weiter vertiefende Arbeitsteilung, usw. versetzte die Menschen in die Lage, ein gesellschaftliches Mehrprodukt in bisher ungekannter Größe zu erwirtschaften. Der Handel erblühte und führte in den Städten zur Bildung eines frühen Handelskapital und nach und nach zur Entwicklung bzw. rasanten Verbreitung der Warenproduktion. Mehr und neue Produkte wurden in den Warenaustausch hineingezogen. Handelsprofit wurde möglich. Durch die "Entdeckung" der Neuen Welt zum Ende des 15. Jahrhunderts entstand gleichzeitig eine frühe Form des Weltmarktes. Auch dieser Umstand verhalf dem Handelskapital, immer größere Warenmengen in den Zirkulationsprozess zu bringen.

Aber diese neuen Austauschverhältnisse stießen sehr bald an die Grenzen der politischen Verhältnisse.

Hörigkeit und Leibeigenschaft der Bauern, Zunftzwang der Handwerker sowie die auf dieser Basis extreme Individualisierung der landwirtschaftlichen und handwerklichen Kleinproduktion wurden zu Hürden für die entstehende und sich ausweitende kapitalistische Produktion, für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte und eine mögliche Großproduktion.

"Fungierte der kapitalistische Händler ursprünglich als Vermittler des Austausches von ihm unabhängiger Warenproduzenten, so wurde er in Folge Aufkäufer, Auftraggeber und schließlich Verleger der Produktion. Als Verleger stattete er die von ihm abhängig gewordenen kleinen Warenproduzenten mit Rohstoffen aus, die sie ihm gegen Lohn zu Fertigwaren verarbeiten mussten. Die in der vom Verlagssystem entwickelten Hausindustrie tätigen Produzenten verwandelten sich hierbei - vor allem dort, wo ihnen der Verleger nicht nur Rohstoffe, sondern auch Arbeitsmittel stellte, - aus selbständigen Warenproduzenten in abhängige Lohnarbeiter. Der Handelskapitalist wurde hierbei industrieller Kapitalist".(5)

Das Handelskapital wurde zur Ziehmutter des Industriekapitals. Allerdings blieb diese Entwicklung in den Kleinstaaten, die später zu "Deutschland" wurden, deutlich hinter anderen Ländern zurück.

Friedrich Engels schrieb in seiner Abhandlung "Der deutsche Bauernkrieg"(6): "Der Aufschwung der nationalen Produktion Deutschlands hatte indes noch immer nicht Schritt gehalten mit dem Aufschwung anderer Länder. Der Ackerbau stand weit hinter dem englischen und niederländischen, die Industrie hinter der italienischen, flämischen und englischen zurück, und im Seehandel fingen die Engländer und besonders die Holländer schon an, die Deutschen aus dem Felde zu schlagen. Die Bevölkerung war immer noch sehr dünn gesäet. Die Zivilisation in Deutschland existierte nur sporadisch, um einzelne Zentren der Industrie und des Handels gruppiert; die Interessen dieser einzelnen Zentren selbst gingen weit auseinander, hatten kaum hie und da einen Berührungspunkt. Der Süden hatte ganz andere Handelsverbindungen und Absatzmärkte als der Norden; der Osten und der Westen standen fast außer allem Verkehr. Keine einzige Stadt kam in den Fall, der industrielle und kommerzielle Schwerpunkt des ganzen Landes zu werden, wie London dies z.B. für England schon war. Der ganze innere Verkehr beschränkte sich fast ausschließlich auf die Küsten- und Flussschifffahrt und auf die paar großen Handelsstraßen, von Augsburg und Nürnberg über Köln nach den Niederlanden und über Erfurt nach dem Norden. Weiter ab von den Flüssen und Handelsstraßen lag eine Anzahl kleinerer Städte, die, vom großen Verkehr ausgeschlossen, ungestört in den Lebensbedingungen des späteren Mittelalters fortvegetierten, wenig auswärtige Waren brauchten, wenig Ausfuhrprodukte lieferten. Von der Landbevölkerung kam nur der Adel in Berührung mit ausgedehnteren Kreisen und neuen Bedürfnissen; die Masse der Bauern kam nie über die nächsten Lokalbeziehungen und den damit verbundenen lokalen Horizont hinaus."(7)

Politisch hatten diese Zustände bedeutende Folgen:

"Während in England und Frankreich das Emporkommen des Handels und der Industrie die Verkettung der Interessen über das ganze Land und damit die politische Zentralisation zur Folge hatte, brachte Deutschland es nur zur Gruppierung der Interessen nach Provinzen, um bloß lokale Zentren, und damit zur politischen Zersplitterung; einer Zersplitterung, die bald darauf durch den Ausschluß Deutschlands vom Welthandel sich erst recht festsetzte. In demselben Maß, wie das reinfeudale Reich zerfiel, löste sich der Reichsverband überhaupt auf, verwandelten sich die großen Reichslehenträger in beinahe unabhängige Fürsten, schlossen einerseits die Reichsstädte, andererseits die Reichsritter Bündnisse, bald gegeneinander, bald gegen die Fürsten oder den Kaiser. Die Reichsgewalt, selbst an ihrer Stellung irre geworden, schwankte unsicher zwischen den verschiedenen Elementen, die das Reich ausmachten, und verlor dabei immer mehr an Autorität; ihr Versuch, in der Art Ludwigs XI. zu zentralisieren, kam trotz aller Intrigen und Gewalttätigkeiten nicht über die Zusammenhaltung der östreichischen Erblande hinaus. Wer in dieser Verwirrung, in diesen zahllosen sich durchkreuzenden Konflikten schließlich gewann und gewinnen mußte, das waren die Vertreter der Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, der lokalen und provinziellen Zentralisation, die Fürsten, neben denen der Kaiser selbst immer mehr ein Fürst wie die andern wurde."

Alles in allem äußerst ungünstige Ausgangsbedingungen für das aufstrebende deutsche Bürgertum. Zu kurz gekommen und zurückgeblieben. Diese Schwäche bildete die Grundlage für die noch kommenden, unvorstellbaren Exzesse und Gewalttaten.

Eine bedeutende Persönlichkeit, später oft zum Nationalhelden hochstilisiert, begann in dieser Zeit ihre Tätigkeit. Die Rede ist von Martin Luther. Er spielte vor dem Bauernkrieg zunächst eine positive Rolle. 1517 hatte er mit dem Anschlagen seinen 95 Thesen an eine Kirchentür in Wittenberg, eine einigende und mobilisierende Wirkung auf die gesamte Opposition gegen die Vertreter der herrschenden katholisch-feudalen Adelsklasse.

Seine Bibelübersetzung führte zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache und hatte den Bauern und den besitzlosen eine geistige Waffe in die Hand gegeben, die sie im Kampf gegen die Feudalordnung und die diese aufrecht erhaltenden Kräfte stärkte.

Drei große gesellschaftliche Gruppen standen sich im wesentlichen Gegenüber:

"Während sich in dem ersten der drei großen Lager, im konservativ-katholischen, alle Elemente zusammenfanden, die an der Erhaltung des Bestehenden interessiert waren, also die Reichsgewalt, die geistlichen und ein Teil der weltlichen Fürsten, der reichere Adel, die Prälaten und das städtische Patriziat, sammeln sich um das Banner der bürgerlich-gemäßigten lutherischen Reform die besitzenden Elemente der Opposition, die Masse des niederen Adels, die Bürgerschaft und selbst ein Teil der weltlichen Fürsten, der sich durch Konfiskation der geistlichen Güter zu bereichern hoffte und die Gelegenheit zur Erringung größerer Unabhängigkeit vom Reich benutzen wollte. Die Bauern und Plebejer endlich schlossen sich zur revolutionären Partei zusammen, deren Forderungen und Doktrinen am schärfsten durch Münzer ausgesprochen wurden."

1525, mit Beginn des großen Aufstandes, zerbrach das bürgerliche Bündnis. Luther wurde die Geister, die er rief, nicht wieder los.

Als der Bauernkrieg losbrach, und zwar in Gegenden, wo Fürsten und Adel größtenteils katholisch waren, suchte Luther eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Er griff die Regierungen zunächst an. Sie seien schuld am Aufstand durch ihre Bedrückungen; nicht die Bauern setzten sich wider sie, sondern Gott selbst. Aber der Aufstand sei freilich auch ungöttlich und wider das Evangelium, hieß es auf der andern Seite. Schließlich riet er beiden Parteien, nachzugeben und sich gütlich zu vertragen.

"Aber der Aufstand, trotz dieser wohlmeinenden Vermittlungsvorschläge, dehnte sich rasch aus, ergriff sogar protestantische, von lutherischen Fürsten, Herren und Städten beherrschte Gegenden und wuchs der bürgerlichen, "besonnenen" Reform rasch über den Kopf. In Luthers nächster Nähe, in Thüringen, schlug die entschiedenste Fraktion der Insurgenten unter Münzer ihr Hauptquartier auf. Noch ein paar Erfolge, und ganz Deutschland stünde in Flammen, Luther war umzingelt, vielleicht als Verräter durch die Spieße gejagt, und die bürgerliche Reform weggeschwemmt von der Sturmflut der bäurisch-plebejischen Revolution. Da galt kein Besinnen mehr. Gegenüber der Revolution wurden alle alten Feindschaften vergessen; im Vergleich mit den Rotten der Bauern waren die Diener der römischen Sodoma unschuldige Lämmer, sanftmütige Kinder Gottes; und Bürger und Fürsten, Adel und Pfaffen, Luther und Papst verbanden sich 'wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern'".

Das ideologische Rüstzeug der Bauern war zwar im wesentlichen nur die Bibel, ihre zehn Forderungen aber enthielten für die damalige Zeit und für alle Ausbeuterklassen so Unfassbares wie z.B.: "Vom Zehnten sei bestimmt vom Bauern, was geschieht". Die "räuberischen Rotten" wollten also selbst bestimmen, was mit dem gesellschaftlichen Mehrprodukt gemacht wird. Das ging natürlich zu weit!

Feige und hinterhältig wandte sich die junge deutsche Bourgeoisie ab von der Revolution der Bauern, die ihre eigene hätte werden können, damit wandte sie sich ab vom Kampf um die eigene Herrschaft. Und Luther selbst verkündet das Urteil der sich lieber mit dem Adel arrangierenden Kapitalistenklasse gegen die aufständischen Bauern und Plebejer.

"Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muß!" ... "Darum, liebe Herren, loset hie, rettet da, steche, schlage, würge sie, wer da kann, bleibst du darüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmermehr überkommen." (Hervorhebungen im Original)(8)

Die Bauern konnten gegen die Übermacht der vereinigten reaktionären Kräfte nicht siegreich bleiben. Ihr Aufstand wurde zerschlagen. Sieger in diesem Kampf waren die weltlichen Fürsten, während die Kirchenfürsten gewaltig an Reichtum und Macht verloren.

Der Bourgeoisie hatte der feige Verrat nichts gebracht. Der Kampf um den gesellschaftlichen Fortschritt in Gestalt der Erringung eines einheitlichen Deutschlands, der Garantie bürgerlicher Rechte und vielleicht sogar der Errichtung einer bürgerlich-demokratischen Republik deutscher Nation, der so verheißungsvoll mitten in einem Europa des Feudalismus begann, rückte für Deutschland in weite Ferne. Das Land war zersplittert wie nie, die Fürsten bekämpften sich untereinander und behinderten weiter den freien Aufstieg der Bourgeoisie.

Einhundert Jahre später ruinierte der dreißigjährige Krieg von 1618-1648 das Land vollends. Beide Ereignisse hatten, wie Engels sagte, "zur Folge, dass Deutschland für 200 Jahre aus der Reihe der politisch tätigen Nationen Europas gestrichen wurde"(9).

Eine kurze Ergänzung zu Luther. Er gab der deutschen Bourgeoisie nicht nur die furchtsame Feindseligkeit vor den kämpfenden Bauern und Besitzlosen mit auf den Weg. Auch der mittelalterliche Judenhass wurde von ihm instrumentalisiert.

Die katholische Kirche als eine wesentliche Säule der feudalistischen Gesellschaft war klassischer Träger des Judenhasses. Verkörperten doch jüdische Menschen am ehesten den ökonomisch-bürgerlichen Fortschritt. Denn sie kannten sich, durch die katholische Kirche im Mittelalter in Gettos getrieben und zu für Christen unreinen Geldgeschäften gezwungen, besser aus mit den bürgerlichen Geschäften in einer feindseligen feudalen Umgebung.

So wurde "der Jude" zum unliebsamen Konkurrenten für das junge deutsche Unternehmertum, das sich selbst durch den Verrat im Bauernkrieg und das Kuschen vor den Fürsten um wichtige Möglichkeiten seiner eigenen Weiterentwicklung gebracht hatte. Die Juden mussten als Sündenböcke herhalten. Unfähig und unwillig, die Rolle der eigenen Klasse zu beurteilen, wurde der Judenhass zum wichtigen Ventil für das deutsche Bürgertum. Konnte doch aller Zorn gegen die unliebsamen Konkurrenten umgeleitet werden. Und Luther lieferte die Anleitung, die 400 Jahre später grausame Wirklichkeit wurde. Er forderte dazu auf, die Synagogen anzuzünden und die Häuser der Juden zu plündern. Kurz vor seinem Tod predigte er, dass alle Juden aus Deutschland vertrieben werden müssten.(10)


Kapitel 2

Die schwachen Bindungen der deutschen Fürstentümer wurden im Ergebnis des 30 Jährigen Krieges noch lockerer. Ein buntscheckiges Gemenge ohne Zentralgewalt, die Menschen der Willkür des Adels ausgeliefert, kein einheitliches Maßsystem, etliche verschiedene Zölle, Steuern und Währungen, so stellte sich Deutschland bis ins frühe 19. Jahrhundert dar. Während sich in den anderen europäischen Ländern nach und nach Zentralgewalten und moderne Nationalstaaten herausbildeten, die für die stürmische Entwicklung der Produktivkräfte und die vollständige Ausbildung der Bourgeoise breiten Raum ließen, blieb die politische und ökonomische Entwicklung Deutschlands weit hinter der von England, Frankreich oder Holland zurück.

Das lutherisch-evangelisch geprägte Preußen, gewann unterdes immer mehr an Einfluss, und konnte immer größere Teile der deutschsprachigen Länder, unter seine extrem rückständige Knute zwingen. Auch in diesem Prozess spielte die Ideologie der Lutherkirche(11) wieder ihre unrühmliche Rolle und zeigte sich in der Praxis gerade in Form der preußischen Verabsolutierung des Staates.(12)

In diesem geistigen Fahrwasser bildete sich auch das Beamtentum und ein beispielloses bürokratisches System heraus. "Während in England und Frankreich die absolutistische Monarchie eine zentralisierende Rolle spielte, die Bildung eines einheitlichen Nationalstaates förderte und dem bürgerlichen Fortschritt diente, artete der Absolutismus in Deutschland in Despotismus aus. Die Träger der absolutistischen Gewalt waren hier die Regenten der kleinen und kleinsten Staaten, die deutschen Fürsten, die in ihrer Politik die Interessen der reaktionären Klassen widerspiegelten. Der Absolutismus in Deutschland, der in die engen Rahmen der Kleinstaaten gezwängt war, und keine fortschrittlichen gesamtnationalen Aufgaben hatte, verwandelte sich in eine Tyrannei, die jedes Aufkommen einer Initiative und Aktivität der Massen unterdrückte, in eine kleinliche gehässige Bevormundung, die alle lebendigen Kräfte des Volkes fesselte. Das Produkt dieses so beschaffenen Absolutismus war eine sich maßlos verbreitende Bürokratie, eine Macht des Beamtentums, das hier immer mehr Einfluss auf den Gang des Staatslebens gewann. Das bürokratische System hat der Entwicklung Deutschlands so fest seinen Stempel aufgedrückt, dass ein spezifisch deutscher bürokratischer Beamtengeist entstanden ist mit seiner Verbeugung vor dem Buchstaben des Gesetzes, mit seiner sklavischen Unterwürfigkeit vor der Macht der Besitzenden. Diese bürokratische Maschine lastete mit ihrer ganzen Schwere auf den fortschrittlichen und revolutionären Elementen des deutschen Volkes und verstärkte die Kräfte der Reaktion."(13)

Die ökonomische Stütze des reaktionären Preußentums rekrutierte sich aus den so genannten ostelbischen Junkern. Ihre politisch-ökonomische Machtstellung speiste sich durch das spätere preußische Dreiklassenwahlrecht und durch ihren erheblichen Großgrundbesitz.

Dieser Landadel, sehr konservativ, antiliberal und antidemokratisch bildet die reaktionäre Stütze des preußischen Staats- und Militärwesens. Er dominierte praktisch die gesamte politische Elite der preußischen Stammlande. Die Herrschaft der Junker wurde durch die im ländlichen Raum tief verwurzelten aristokratischen Traditionen und die Verbundenheit der Familien mit dem preußischen Militär gestützt, in dem die Söhne seit Generationen als Offiziere dienten. Ihre Einkünfte bezogen die Junker vornehmlich durch die Ausbeutung der Bauern und Landarbeiter. In der Landwirtschaft, hatten sie eine monopolartige Stellung inne, welche sie nicht nur in den ostelbischen Gebieten, sondern auch im restlichen Preußen und später dann im gesamten Deutschen Reich erfolgreich zu behaupten wussten.(14)


Kapitel 3

Erst Anfang des 19. Jahrhunderts betrat das deutsche Unternehmertum wieder die politische Bühne, die Rolle die es zu spielen gedachte, war aber wenig besser als diejenige, die es einige Jahrhunderte vorher schon gespielt hatte. England hatte schon längst seine feudalistischen Fesseln abgestreift, Nordamerika war eine moderne bürgerliche Republik und in Frankreich besiegte unter der Losung "Liberté, Égalité, Fraternité"(15) die Bourgeoisie, den Feudalismus.

Der Kapitalismus brach sich überall Bahn und katapultierte, getrieben von immer neuen und verbesserten Produktionsmitteln, die Menschheit vom Mittelalter in die Neuzeit.

Die im 16. Jahrhundert beginnende Manufakturperiode, die in Frankreich, Holland und England die kapitalistische Produktion einleitete, ging an Deutschland aufgrund der territorialen und politischen Zersplitterung sowie der geistigen Verhaftung im Mittelalter nahezu vorbei. Erst ab Mitte des 18. Jahrhundert setzten sich in den deutschen Ländern Manufakturen durch.

Aus diesem Grund wurde es für das deutsche Bürgertum nun doch historisch notwendig, sich von den alten Fesseln zu befreien. Doch noch immer ging es zögerlich, zaudernd und dem Adel gegenüber kompromisslerisch voran.

Waren die Bauern und Besitzlosen des Mittelalters an ihre Lehnsherren und Fürsten unmittelbar gebunden, so verlangte die sich stürmisch ausweitende kapitalistische Produktion immer größere Menschenmassen, um die Maschinerien in Gang zu halten. Die doppelt freien Lohnarbeiter(16) und die Klasse des Proletariats entstanden.

Aber vor allem die aus dieser Entwicklung, der ureigenen Entwicklung der bourgeoisen Produktionsverhältnisse, entstehende Forderung nach formaler politische Gleichheit aller Menschen, eine der wesentlichen Voraussetzungen für die freie Entfaltung der kapitalistischen Produktion, löste beim deutschen Bürgertum eine eher ängstliche Zurückhaltung aus.

Ein Beispiel dafür ist die Haltung des deutschen Bürgertums zu der Entwicklung beim unmittelbaren Nachbarn Frankreich:

Die deutsche Bourgeoisie solidarisierten sich nicht mit ihren kämpfenden Klassengenossen im Nachbarland, im Gegenteil, die vertriebenen französischen Adeligen fanden in deutschen Ländern (Sammelpunkte waren unter anderen Mainz und Trier) Unterschlupf und wurden mit Geld und Waffen ausgerüstet, um damit in Frankreich wieder reaktionäre Verhältnisse herzustellen.

Wieder bedurfte es eines äußeren Impulses, um die politischen Kräfte des deutschen Unternehmertums in Bewegung zu bringen, endlich regte sich im deutschen Bürgertum so etwas wie eine bürgerlich-demokratische Bewegung. Dieser Impuls kam über die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft, die große Teile Europas umfasste.

Die Rolle des Bonapartismus, der häufig als Resultat der in Frankreich entstandenen Patt-Situation zwischen den alten Feudalklassen und dem aufstrebenden (und inzwischen sich reaktionär wendenden) Bürgertums bezeichnet wird, ist trotz der Eroberungskriege in fast ganz Europa nicht reaktionär, sondern durch die Verbreitung des Code civil, also des bürgerlichen Rechts und durch die Säkularisierung großer Kirchenbesitztümer als eine bürgerlich-fortschrittliche zu bezeichnen.

Für die bürgerlich-fortschrittlichen Kräfte in Deutschland - das war mit Nichten das gesamte Bürgertum - war so eine höchst dramatische Situation entstanden: Die Befreiungskriege gegen die napoleonische Fremdherrschaft wurden von den drei reaktionärsten Feudalherrschaften Europas angeführt: vom russischen Zarismus, der Monarchie der Habsburger in Österreich-Ungarn und den Hohenzollern aus Preußen. Zunächst stellte sich die Lage aussichtslos dar, was gut abzulesen ist an der rückwärts gewandten und schließlich vollends reaktionären deutschen Kulturepoche der Romantik (Anfang 19. Jahrhundert). Nationale Befreiung war da nur als eine Verklärung des Mittelsalters, nicht aber als ein Durchbruch ins Jetzt und in die selbst gestaltete Zukunft einer selbstbewussten Kapitalistenklasse denkbar.

Aber mit der Niederlage Napoleons entsteht eine andere Situation in Deutschland. Das so genannte Wartburgfest der deutschen Burschenschaften von 1817 markiert diesen Punkt in der Geschichte der deutschen Bourgeoisie.

Im Verlauf dieses Festes kam es zu einer Bücherverbrennung. Die Herren Jungbourgeois, brachten mit dieser scheinradikalen Maßnahme ihre gänzlich andere Richtung zum Ausdruck als z.B. das revolutionäre französische Bürgertum drei Jahrzehnte vorher.

Verbrannt wurde das erste Bürgerliche Gesetzbuch, der so genannte Code Napoleon, in dem die politische und juristische Gleichheit aller (männlichen) Menschen festgeschrieben war. Der Code civil, wie der Code Napoleon auch genannt wurde, garantierte: Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit für jeden, Schutz des Privateigentums, Vollkommene Trennung von Staat und Kirche, Abschaffung des Zunftzwangs, Gewerbefreiheit und freie Berufswahl, Schaffung der juristischen Basis für den Kapitalismus.

Diese Gesetze galten in einigen von Napoleon besetzten deutschen Ländern ebenfalls,(17) und wurde erst 1900 durch das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch) abgelöst. Die deutsche Bourgeoisie hat sich also nicht selbst die bürgerlichen Rechte erkämpft, sie mussten von außen quasi aufgezwungen werden.

Verbrannt(18) wurde beim Wartburgfest aber nicht nur das erste Bürgerliche Gesetzbuch, sondern auch Bücher jüdischer und anderer Schriftsteller. Das deutsche Bürgertum kam aufgrund seiner ökonomischen Rückständigkeit einfach nicht weg vom Judenhass(19).

Im Kampf gegen die sich aufbäumende Aristokratie, die 1848 überall in Europa eine letzte Schlacht für die Wiederherstellung ihrer Macht schlug, hatte auch die deutsche Bourgeoisie wieder die Chance, Anschluss an die Gegenwart zu finden, den Feudalismus endlich abzuschütteln. Ihr zur Seite stand als Bündnispartner die junge Arbeiterklasse, die ein besonderes Interesse an der schnellen kapitalistischen und bürgerlich-demokratischen Entwicklung in Deutschland hatte. Denn nur so konnte die Grundlage für ihre eigene Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung geschaffen werden. Aber gerade dieses Proletariat machte den deutschen Bürgern mehr Angst als Mut.

"Und zwar erschrak die deutsche Bourgeoisie damals nicht so sehr vor dem deutschen wie vor dem französischen Proletariat. Die Pariser Junischlacht 1848 zeigte ihr, was sie zu erwarten habe; das deutsche Proletariat war gerade erregt genug, um ihr zu beweisen, dass auch hier die Saat für dieselbe Ernte schon im Boden stecke; und von dem Tage an war der politischen Aktion der Bourgeoisie die Spitze abgebrochen. Sie suchte Bundesgenossen, sie verhandelte sich an um jeden Preis ... Diese Bundesgenossen sind sämtlich reaktionärer Natur. Da ist das Königtum mit seiner Armee und seiner Bürokratie, da ist der große Feudaladel, da sind die kleinen Krautjunker, da sind selbst die Pfaffen. Mit allen diesen hat die Bourgeoisie paktiert und vereinbart, nur um ihre liebe Haut zu wahren, bis ihr endlich nichts mehr zu schachern blieb. Und je mehr das Proletariat sich entwickelte, je mehr es anfing, sich als Klasse zu fühlen, als Klasse zu handeln, desto schwachmütiger wurden die Bourgeois." (Engels, Der deutsche Bauernkrieg, a.a.O.)

Wieder ging ein Kampf verloren, wieder blieb Deutschland weit hinter den anderen europäischen Ländern zurück, wieder war die deutsche Bourgeoisie zu spät und zu kurz gekommen, wieder hat die deutsche Bourgeoisie ihre eigenen und damit inzwischen auch die nationalen Interessen verraten, wieder hat sie sich lieber, auch auf die Gefahr des eigenen Untergangs, mit den überlebten Klassen verbunden und damit ihre eigenen Produktionsverhältnisse gehemmt und den überlebten Produktionsverhältnissen eine weitere Frist eingeräumt Wieder gelang es nicht, einen einheitlichen modernen Nationalstaat zu erkämpfen.

Es ist nach dem Bauernkrieg der zweite große Verrat des deutschen Bürgertums, das zweite große Versagen vor der Geschichte.

Aber die Ereignisse 1848/49 stehen auch für das erste größere Eingreifen der Arbeiterklasse in die deutsche Geschichte. Auf mit schwarz-rot-goldenen Farben geschmückten Barrikaden kämpfen Berliner Arbeiter gemeinsam mit mutigen, demokratisch gesinnten Bürgerlichen in einem 16 stündigen Gefecht gegen die preußische Armee, und schlugen diese in die Flucht.


Kapitel 4

Der Hauptunterschied zwischen dem französischen und deutschen Weg der bürgerlichen Revolution bestand darin, dass als Ergebnis in Frankreich zunächst die Republik und die volle Entfaltung der bürgerlichen Freiheit stand während in Deutschland 39 Einzelstaaten, eher lose und in ständiger Feindschaft um die Vorherrschaft rangen, Preußen sich schließlich durchsetzte, und die Monarchie ungebrochen blieb. Es kam wie Lenin es formulierte: "Zum Triumph des Polizeiwachtmeisters und des Feldwebels".(20)

Natürlich verlief die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft in den anderen europäischen Ländern nicht widerspruchsfrei. Auch dort gab es zeitweise Rückschläge.(21)

Die Industrialisierung schritt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stürmisch voran. Die Zersplitterung Deutschlands wurde mehr und mehr zum Hindernis für den Handel, die wirtschaftlichen Einheiten in Form der Kleinstaaten wurde zu eng, die große Menge der produzierten Waren konnte nicht abgesetzt oder konsumiert werden. Ein einheitlicher bürgerlicher Nationalstaat wurde zur dringenden Tagesaufgabe.

Während die anderen europäischen kapitalistischen Nationen zu diesem Zeitpunkt dabei waren, die Welt unter sich aufzuteilen und im großen Still Kolonien eroberten, blieb die deutsche Bourgeoisie gefangen in der eigenen Unfähigkeit, endlich den Feudalismus abzulösen.

1870/71 kam für die deutsche Bourgeoisie die historisch letzte Chance, durch einen revolutionären Akt den Anschluss an die Neuzeit zu finden. Noch war auch die deutsche Bourgeoisie tendenziell eine revolutionäre Klasse, noch bestand die Möglichkeit, gleich zu ziehen. Aber ihr Kampf um den einheitlichen deutschen Nationalstaat fand nicht als bürgerlich-demokratische Revolution statt, sondern als Annexionskrieg gegen Frankreich mit Blut und Eisen, unter der Führung Preußens und seiner vorherrschenden Junker.

Mit der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen, die wegen Streitigkeiten um die Besetzung des spanischen Throns ausgesprochen wurde, begannen die Geburtswehen, an deren Ende die Gründung des deutschen Reiches stand. Frankreich wurde militärisch besiegt, und eines Teils seines Territoriums beraubt - just in dem Moment, als die Französische Republik wieder hergestellt war.

Gleichzeitig gingen Teile der französischen Gesellschaft einen historischen Schritt auf der Entwicklungsleiter der menschlichen Gesellschaften weiter. Zum ersten Mal errichtete das Proletariat in Gestalt der Pariser Kommune im März 1871 die Diktatur des Proletariats, zum ersten Mal wurde, wenn auch nur kurz und auf niedrigem Niveau, die Macht der Arbeiterklasse materielle Gewalt.

Über zwei Monate gelang es den Pariser Arbeitern, sich gegen die Übermacht der französischen Reaktion, die im Bunde mit den deutschen Militaristen und Eroberern stand, zu behaupten. In den Kämpfen und den folgenden Massenexekutionen wurden etwa 30.000 Kommunarden getötet und etwa 40.000 inhaftiert. Die meisten gefangenen Kommunarden wurden entweder sofort standrechtlich erschossen, von Schnellgerichten abgeurteilt oder nach Versailles deportiert. Deutsche Militärs standen Pate bzw. leisteten wie es im schönsten Beamtendeutsch heißt: Amtshilfe

Mit dieser blutigen und rückwärts gewandten Hypothek beladen, gründete die deutsche Bourgeoisie ihren Nationalstaat. Zusammengefasst lässt sich sagen: Nicht durch eine Volksrevolution wurde dieser Staat ins Leben gerufen, sondern durch das Bündnis der Bourgeoisie mit den Resten des reaktionären Adels auf Kosten Frankreichs. Die Reichsgründung durch Bismarck im Spiegelsaal des Versailler Schlosses ist Ausdruck dessen.

Nicht die Durchsetzung bürgerlicher Rechte stand an deren Ende, sondern lediglich ein Dreiklassenwahlrecht. Die Zersplitterung in die vielen Teilstaaten wurde nur bedingt aufgehoben, die Vorherrschaft Preußens, deren Könige nun die Deutsche Kaiserkrone inne hatten, bleib gewährleistet. Die Staatsbürgerschaft wurde völkisch bestimmt und nicht durch das Territorialprinzip. Deutscher wurde, durch dessen Adern "deutsches Blut" floss und nicht der, der in den Grenzen des Deutschen Reiches lebte.(22)

Dieser Staat eröffnete für die Arbeiterklasse trotzdem bessere Kampfbedingungen. So konnten sich über das gesamte Reichsgebiet Gewerkschaften und Arbeitervereine bilden. Die Sozialdemokratische Partei als proletarisch-revolutionäre Massenpartei entstand.


Stefan Marx, Illingen


Anmerkungen

(1) Die Prinzipien der Kriegspropaganda sind zum ersten Mal von dem 1871 geborenen Lord Ponsonby (1871-1946) systematisch dargestellt worden.

(2) Der zweite Teil folgt im nächsten Heft; Red. offen-siv.

(3) Ein Aufsatz von Erika Wehling-Pangerl, gehalten bei einer KAZ-Konferenz zum deutschen Imperialismus im Jahr 2009, hat mich dazu gebracht, dies Thema näher zu bearbeiten. Dieser Vortrag war für mich das Grundkonzept, das ich in fehlenden Punkten ergänzt und um m.E. notwendige Einschätzungen erweitert habe (Stefan Marx).

(4) W.I. Lenin, Die große Initiative, Band 29, S. 408-417

(5) Politische Ökonomie Kapitalismus Sozialismus S. 53-54 Dietz Verlag Berlin 1979

(6) Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg, Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7, S. 327-413ff Dietz Verlag, Berlin 1960

(7) ebenda, wie auch die weiteren Zitate von Engels.

(8) Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525: Luther Deutsch, Bd. 7, S. 196

(9) Engels, Bauernkrieg, a.a.O.

(10) Martin Luther Von den Juden und Ihren Lügen 1543 Erlanger Ausg. Bd. 32. S. 244.
Erstlich, das man jre Synagoga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen will, mit erden überheufe und beschütte, das kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich Und solches sol man thun, unserm Herrn und der Christenheit zu ehren damit Gott sehe, das wir Christen seien.
Zum anderen, das man auch jre Heuser des gleichen zerbreche und zerstöre, Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in jren Schülen treiben Dafur mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall thun, wie die Zigeuner, auff das sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande.
Zum dritten, das man jnen nehme all jre Betbüchlein und Thalmudisten, darin solche Abgötterey, lügen, fluch und lesterung geleret wird.
Zum vierten, das man jren Rabinen beyleib und leben verbiete, hinfurt zu leren.
Zum fünften, das man die Jüden das Geleid und Straße gantz und gar auffhebe.
Zum sechsten, das man jnen den Wucher verbiete und neme jnen alle barschafft und kleinot an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwaren.
Zum siebenden, das man den jungen, starcken Jüden und Jüdin in die Hand gebe flegel, axt, karst, spaten, rocken, spindel und lasse sie jr brot verdienen im schweis der nasen.

(11) Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung. Die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut. Römerbrief des Paulus Kap.13

(12) Martin Luther, Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können 1526

(13) Marx und Engels über das reaktionäre Preußentum, Moskau 1947

(14) Siehe auch: René Schiller: Vom Rittergut zum Großgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert., Berlin 2003

(15) Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

(16) http://www.politisches-woerterbuch.de/index.php/Lohnarbeiter Der "doppelt freie" Lohnarbeiter ist Voraussetzung der kapitalistischen Produktion. Er ist "frei" in doppeltem Sinn:

1. Damit er als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt erscheinen kann, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person, sein. "Er als Person muß sich beständig zu seiner Arbeitskraft als seinem Eigentum und daher seiner eignen Ware verhalten, und das kann er nur, soweit er sie dem Käufer stets nur vorübergehend, für einen bestimmten Zeittermin, zur Verfügung stellt, zum Verbrauch überläßt, also durch ihre Veräußerung nicht auf sein Eigentum an ihr verzichtet" (Marx, MEW Bd. 23, S. 182), wie z. B. unter den Bedingungen der Sklavenhalterordnung, wo der Produzent als Person verkauft wird.

2. Damit der Kapitalist die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware vorfindet, muß ihr Besitzer seine eigene Arbeitskraft als Ware feilbieten. Er muß frei von Besitz an Produktionsmitteln sein. "Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen." (Marx, Kapital, Band 1, MEW Bd. 23, S. 183)

(17) http://de.wikipedia.org/wiki/Code_civil
Nach der Niederlage Napoleons galt der Code in vielen deutschen Gebieten (insbesondere am linken Rheinufer) zunächst fort. In Preußen wurde das ALR lediglich in den rechtsrheinischen altpreußischen Gebieten zum 1. Januar 1815 wieder eingeführt (nicht jedoch im linksrheinischen altpreußischen Teil des Herzogtums Kleve und in der altpreußischen Grafschaft Moers). Aufgrund der Empfehlung einer sog. Rheinischen Immediat-Justiz-Kommission verordnete 1818 Friedrich Wilhelm III., dass die in den Rheinprovinzen bestehende Gesetzgebung im wesentlichen beibehalten werden sollte. Während des 19. Jahrhunderts galt das französische Recht in Deutschland als so genanntes "Rheinisches Recht" daher insbesondere:

- im linksrheinischen und bergischen preußischen Rheinland (Rheinischer Appellationsgerichtshof Köln bzw. Rheinischer Revisions- und Kassationshof Berlin, ab 1850 fünfter ("Rheinischer") Zivilsenat des Preußischen Obertribunals Berlin),
- in der bayerischen Pfalz (Appellationshof Zweibrücken),
- in Rheinhessen (Obergericht Mainz),
- in hessen-homburgischen Meisenheim (Ober-Appellations- und Kassationsgericht Darmstadt, ab 1866 preußisches Ober-Appellationsgericht Kassel bzw. Preußisches Obertribunal Berlin),
- im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld (Oberappellationsgericht Oldenburg),
- im sachsen-coburg-saalfeldischen bzw. ab 1826 sachsen-coburg und gothaschen Fürstentum Lichtenberg (Appellationsgericht Gotha, ab 1834 preußisch) und
- als "Badisches Landrecht" in Baden (Badisches Oberhofgericht Mannheim, später in Karlsruhe) weiter,

ab 1871 kam als Geltungsgebiet das Reichsland Elsass-Lothringen (Obergericht Colmar) hinzu.

(18) Liste der verbrannten Bücher 1817

- Jean Pierre Frédéric Ancillon: Ueber Souverainitaet etc.
- F. v. Cölln: Vertraute Briefe. Freymüthige Blätter u. a.
- August Friedrich Wilhelm Crome: Deutschlands Crisis und Rettung im April und May 1813.
- Christoph Christian von Dabelow: Der 13e Artikel der deutschen Bundesacte
- H.: Die deutschen Roth- u. Schwarzmäntler
- Karl Ludwig von Haller: Restauration der Staatswissenschaft
- Harl: Die gemeinschädl. Folgen der Vernachlässigung einer den Zeitbedürfnissen angemessenen Policey in Universitätsorten überhaupt und in Ansehung der Studierenden ins Besondere - Janke: Der neuen Freyheitsprediger Constitutionsgeschrey
- August von Kotzebue: Geschichte des deutschen Reichs
- Ludwig Theobul Kosegarten: Rede gesprochen am Napoleonstage 1800
- ders.: Geschichte meines fünfzigsten Lebensjahres
- ders.: Vaterländische Lieder
- Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz: Codex der Gensd'armerie
- W. Reinhard: Die Bundesacte über Ob, Wann und Wie? deutscher Landstände
- Theodor Schmalz: Berichtigung einer Stelle in der Bredow-Venturinischen Chronik; und die beyden darauf - Saul Ascher: Germanomanie
- Karl Christian Ernst Graf von Bentzel-Sternau, Pseud. Horatio Cocles: Jason
- Zacharias Werner: Martin Luther oder die Weihe der Kraft
- ders.: Die Söhne des Thals
- K. v. Wangenheim: Die Idee der Staatsverfassung
- Der 'Code Napoléon'
- Justus Friedrich Wilhelm Zachariae: Über den Code Napoleon
- Carl Leberecht Immermann: Ein Wort zur Beherzigung, 1817 (gegen die Burschenschaft zu Halle)
- Wadzeck, Scherer u. a. gegen die Turnkunst
- Die Statuten der Adelskette
- Allemannia und andere Zeitschriften und Zeitungen.

(19) 2011 aber diskutieren die politischen Vertreter der Bourgeoisie über die "christlich-jüdischen Wurzeln" der deutschen abendländischen Kultur. Doch dazu später mehr.

(20) Über das reaktionäre Preußentum, a.a.O., S. 57,

(21) Um die Feudalherrschaft in Frankreich kurzzeitig nochmals aufrichten zu können waren die Niederlagen Napoleons und der Wiener Kongress notwendig.

(22) Grade dieser Umstand erlaubte es, die Deutschtümelei und den Judenhass auf die Spitze zu treiben, die ihren vorläufigen Höhepunkt in den Öfen von Auschwitz und Sobibor fand. Das Staatsbürgerprinzip der BRD ist im übrigem gleich geblieben. In unseren Reisepässen steht auf der letzten Seite: "Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher", und nicht "Der Inhaber dieses Passes ist Bürger der Bundesrepublik Deutschland". So konnten und können auch immer wieder Gebietsansprüche gegenüber anderen Staaten angemeldet werden. Ist es doch "heilige Pflicht" jeder bürgerlichen deutschen Regierung, die Brüder und Schwestern die unter fremder Herrschaft stehen, zu vertreten und notfalls mit Waffengewalt zu "verteidigen.

Raute

Hermann Jacobs: Griechenland und der europäische Imperialismus

Mit Griechenland, oder sagen wir der "griechischen" Krise oder auch der "Euro-Krise" tritt ein neuer Zustand in die noch kurze Geschichte der Staaten der "Europäischen Union" ein.

Es geht nicht um die Fähigkeiten oder Potenzen Griechenlands zu einer höheren Entwicklung, sondern umgekehrt um den Willen der "Europäischen Union", genauer: seiner maßgebenden, ökonomisch entwickeltsten Länder, jedes Land dieser Union nach Maßgabe ihres Willens zu entwickeln - oder auch nicht.

Angesichts Griechenlands gilt es, uns des Sinns der EU bewusst zu werden.

Was ist der Sinn der EU? Für eine kurze Zeit, sagen wir 20, 25 Jahre, schien es so, die EU würde die allgemeine und gleiche Entwicklung aller dieser in der EU zusammengefassten Länder Europas bedeuten. Dass sich nun nach so kurzer Zeit schon herausstellt, dass die ökonomische Ungleichheit dieser Länder sich nicht aufgehoben hat, sondern jetzt sogar verstärkt zu Buche schlägt, ist eine zwangsläufige Bedingung - ich betone: nicht für Griechenland, sondern für die Entwicklung der EU, richtiger noch: für die Politik der maßgebenden Länder der EU, also für die Politik Deutschlands und Frankreichs. Das sind die Kernländer der EU. Es entschlüsselt sich der tiefere Gedanke der Europäischen Wirtschaftsunion. Sie treibt die in der Voraussetzung ökonomisch schwächeren Teilnehmerländer in einen desaströsen, d.h. zahlungsunfähigen Zustand, der nun wieder die Voraussetzung wird für die zweite qualitative Etappe der EU; ich sage noch einmal: im Sinn der ökonomisch maßgebenden europäischen Länder, wesentlich Deutschland und Frankreich.

Die erste Etappe ist durch Kreditgabe - der Stärkeren an die Schwächeren - gekennzeichnet. Der Kredit im Allgemeinen ist das Lockmittel. Als schwächerer Staat weiß man natürlich, dass man die Kredite einst wieder zurückzahlen muß, aber die Hoffnung geht dahin, dass man mit Hilfe der über den Kredit in die eigene Wirtschaft eingebrachten stofflichen Mittel zu einer Wachstumsform findet, die die Rückzahlung der Kredite (plus des Zinses auf den Kredit) auch garantiert.

Aber im konkreten Fall der EU geht es darum, dass ihre Vergabe an eine Bedingung gebunden ist, die zum Gründungskonsens der EU gehört: zugleich mit der Möglichkeit, im Rahmen der EU an Kredite zu kommen, gerät man an die andere Bedingung der EU, nämlich den freien Handel aller EU-Staaten in jeden EU-Staat zu erlauben, so dass zwei Bedingungen aufeinanderprallen: Der Kredit verspricht die Stärkung der eigenen, nationalen Wirtschaft, der Freihandel setzt sie der offenen Konkurrenz der stärkeren EU-Länder aus und schwächt die eigene Wirtschaft. Der freie Zugang zu mehr Geld bedeutet für die schwächeren Länder der EU in Wahrheit, weil an eine schwächende ökonomische Bedingung geknüpft, die Gefährdung der eigenen ökonomischen Freiheit. Am Ende eines Kredits, der mit der Bedingung des Freihandels einhergeht, droht der Fall in eine besondere Form der ökonomischen Abhängigkeit; ich würde sie eine besondere Form der Kolonialisierung bezeichnen.

All jene Länder der EU, die erstens: über die Bedingung des Freihandels, zweitens: an einen defizitären Außenhandel, drittens: an eine Auslandsverschuldung des Staates gerieten, die viertens: von diesen Ländern nicht mehr zurückgezahlt werden können, stehen quasi vor einem ökonomischen Ende. So löst sich die hochgepriesene "Gemeinschaft" in ganz profanen Imperialismus auf, der zwei Jahrzehnte nach Beginn der Liaison ökonomische Endsituationen für einige Länder schafft, die ungünstiger sind als deren Ausgangssituation. Diese Länder können entweder in eine ökonomische Isolierung, d.h. Lösung vom EU-Verband zurückfallen, oder in eine neue Art ökonomisch-gesellschaftlicher Abhängigkeit, einen neuen Kolonialismus übergehen, dessen Charakteristika nun zu definieren wären. Und damit wären wir beim eigentlichen Sinn der EU.

Wie sieht dieser spezielle, neue Kolonialismus aus? Man muss von einer neuen Form der faktischen Kolonialisierung ausgehen. Eine alte Form, d.h. eine politisch-militärische Besetzung dieser Länder wird das nicht sein, aber eine ökonomische. Es entwickelt sich ein Neokolonialismus in seiner brutalsten, nämlich geräuschlosesten Form: allein durch die Herrschaft der finanzkapitalistischen Zentren (Lenin). Dem Süden Europas, also nicht nur Griechenland, droht eine Epoche der Kolonial-Kapitalisierung.(23) Es handelt sich nicht um einfachen Kapitalexport, sondern solche Form des Kapitalexports, die in einer Übernahme der Ökonomien dieser Länder durch die Kapitalexporteure mündet und es ist kein abrupter, optisch sichtbarer, sondern ein lang andauernder Prozess, der sich allmählich in alle Poren des anderen Landes eingräbt. Die Kreditform des Kapitalexports geht nur voran. Wichtig und bemerkenswert ist, dass diese Kapital-Einwanderung - oder eben Kolonialisierung - eine von hochentwickelten kapitalistischen Ländern in weniger entwickelte kapitalistische Länder ist.

Das also droht Griechenland - und nicht nur Griechenland, sondern der ganzen weniger entwickelten Zone der EU durch die stärker/höher entwickelte Zone der EU. Immer mehr Gebiete der Ökonomie dieser schwächeren, abhängig gewordenen Länder, genauer: in die Kredit- bzw. Schuldenfalle geratenen Länder geht in "ausländisches" Eigentum über; ich setze ausländisch in Anführungszeichen, denn bei der EU kann man ja nur noch bedingt von Ausland sprechen; sie ist keine formelle Aufhebung der Nation, aber ihre beginnende faktisch-ökonomische Aufhebung. Man ist eine "Gemeinschaft" eingegangen, man versprach sich von der neuen Gemeinschaft eigene Entwicklung, also eine Entwicklung zu mehr Eigentum, mehr Volk, mehr Nation, mehr Kultur auf eigener Basis - jedenfalls war an eine Aufgabe der Nation oder des "eigenen Eigentums" nicht gedacht worden, und gerät nun an das Gegenteil. Man hat ja Kredite, also "ausländisches Eigentum" aufgenommen, muß folglich "ausländisches Eigentum" zurückzahlen, und bezahlt letztlich, statt nur mit eigener Arbeit zurückzahlen zu können, mit eigenem Eigentum - an seinem Land, in allen Spielarten dieses Landes oder dieses Eigentums.

Unter der Bedingung des griechischen Kapitals / der griechischen Kapitalisten hat die griechische Arbeiterklasse einen bestimmten Lebensstandard erkämpft. Jedes Kapital innerhalb eines Landes muß eine Form der sozialen Bindung an die arbeitende Bevölkerung, die es ausbeutet, eingehen. Unter Bedingung der Umwandlung des griechischen in ein deutsch-europäisches Kapital ist dieser Status keineswegs sicher oder gesichert. Man muß die Umstände dieses Übergangs beachten. Ganz allgemein: Am Beginn der Zahlungsunfähigkeit (Rückzahlungsfähigkeit von Krediten beim Ausland) stehen zunächst umfangreiche Versuche des Staates, die Zahlungsfähigkeit unter allen Umständen zu halten, d.h. stehen so genannte Sparprogramme, auf gut deutsch: Kürzungsprogramme der Arbeits-, Sozial- und Renteneinkommen. Die Folge der Sparprogramme ist, dass die Löhne gesenkt werden, direkt durch Verringerung des Lohnes und/oder Arbeitszeitverlängerungen, indirekt durch die eben genannten Sozialkürzungen! Das Lohnniveau, auch Arbeitskosten-Niveau genannt, dieser Staaten sinkt.

Das ist das erklärte Ziel der Gläubigerstaaten, d.h. Deutschlands und Frankreichs. Man muß die Folge, den dritten Schritt in diesem Szenario beachten. Dass in Griechenland - Irland, Portugal, Spanien, Italien usw. - heute/jetzt die Arbeitskraft-Einkommen bzw. überhaupt die Sozialprogramme sinken, wäre rein formell eine Aufforderung an das Kapital, nach Griechenland - Irland, Portugal, Spanien, Italien usw. - einzuwandern. Immigration des Kapitals, Einwanderung des Kapitals könnte man das nennen. Hier ist aber nicht die Einwanderung an sich das Problem, sondern die neue Bedingung, unter der diese erfolgt. Die Einwanderung zementiert das niedrige Sozialniveau. Es ist Kapitaleinwanderung auf Kosten der Entwicklung, des schon erreichten sozialen Standes dieser Völker. Und das nenne ich Kolonialisierung, seine letzte, weil rein ökonomische Form.

Noch ist es beim griechischen (irländischen, portugiesischen etc.) Kapital nicht soweit, aber der Sozialabbau, der immer eine Bedingung für das Einströmen von ausländischem Kapital, eben eine allgemeine Bedingung der Kapitalwanderung aus den entwickelten in die unterentwickelten Länder ist, hat schon eingesetzt. Die Voraussetzung für die neue Form der Kolonialisierung, der Kolonialisierung direkt am Sozialstandard eines Volkes, stellt sich schon her. Nun braucht nur noch der andere Umstand einzutreten, dass sich zum inneren Prozess der äußere Prozess der Sozial-Kolonialisierung gesellt: Die Unmöglichkeit des griechischen Staates, mit Hilfe seiner Eingriffe in die Sozialhaushalte der griechischen Bevölkerung die Zahlungsunfähigkeit zu stoppen und einen ökonomischen Status, wie er am Beginn der EU gegolten haben mag, wiederherzustellen. Der Staat steht blank da; damit ist, so oder so, der Zustand hergestellt, dass die Karten für die Zukunft eines solchen Landes neu gemischt werden. Man muß sich das vorstellen: Nachdem das hunderte Jahre für Griechenland keine Frage war, ist es plötzlich eine Frage.

Das ausländische, also deutsche, französische und noch dieses oder jenes andere Kapital, kann zuschauen, wie sich die griechische Lage - oder soll man eher von einer neuen griechischen Tragödie sprechen? - entwickelt. Sicher, Griechenland kann zur Zahlungsfähigkeit zurückgehungert werden. Es kann aber auch dabei verlieren - und wo es jetzt bereits, um die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen, zur Privatisierung griechischen Eigentums unter ausländischer Teilhabe übergeht, verliert es schon! Griechenland ist nur das sprechende Beispiel dafür, welches neue allgemeine Schicksal den weniger entwickelten Staaten der EU unvermeidlich blühen wird. Man kann darüber streiten, ob das a priori eine Absicht der entwickelten kapitalistischen Staaten war, als die EU auf so ungleicher ökonomischer Basis gegründet wurde. Nichtsdestoweniger ist es das unvermeidliche Schicksal.

Aber noch ist es nicht ganz so weit. Es gibt Momente, die der beginnenden Umwandlung der EU in ein offen imperialistisches Gebilde auch im eigenen Inneren (nach außen war sie es schon immer) entgegenwirken: In anderen Ländern verspricht die Kapital-Expansion noch höhere Gewinne als sie selbst bei Senkung der Standards im Süden Europas möglich wären. Die Kapitalexpansion aus den Kernländern der EU in äußere Märkte ist nicht absolut auf den EU-internen Raum angewiesen. Außerdem stößt die EU bezogen auf ihre weniger entwickelten, daher kreditabhängigen Länder im Süden auf wirkliche ausländische Konkurrenz, z. B. chinesische. Trotz dieser Einschränkung muß man von der sich durchsetzenden objektiven Unvermeidlichkeit einer neuen Kräfteverteilung des Imperialismus in Europa im Rahmen des kapitalistischen Weltsystems sprechen.

Es kommt eine neue Aufteilung der Welt auf uns zu zwischen den USA und der EU. Dafür ist für die Führungsmächte der EU eine Neuaufteilung Europas eine Voraussetzung. Und deshalb wird Griechenland eine ökonomische Kolonie auf neue Art, nicht in der Peripherie, sondern nahe des Zentrums, es gerät in den Besitz ausländischen Kapitals. Es kann sich nicht durch Hunger vor diesem Schicksal retten. Nebenbei erwähnt: Ähnliches wurde nach der Konterrevolution bereits in Osteuropa mit für das Kapital gutem Erfolg ausprobiert.

Die Geschichte ist an einen Punkt geraten, ab dem die Entwicklung der Völker nur noch durch Formen einerseits des Widerstandes und deshalb und andererseits nur durch den Sozialismus und den proletarischen Internationalismus garantiert ist.

Der Mut der Völker ist ein Mut zum Internationalismus.

Hermann Jacobs, Berlin


Anmerkung

(23) Kolonien sind nichts weiter als besetzte Länder.
Das hatte früher seine höchste Form in einer einfachen Einwanderung des einen Volkes in das Land eines anderen Volkes. Die Geschichte der Menschheit ist voll solcher Immigrationen, die Antike ist durch sie gekennzeichnet, sie entriss oft Urzustände der Menschheit ihrem Dämmerdasein. In der modernen Zeit sind Amerika, Australien und Neuseeland solche Kolonie-Gründungen.
Die zweite Form war die politische Form der Kolonialisierung, verbunden mit nur partieller Einwanderung - Afrika und Südamerika sind dafür Beispiele. Die dritte und zugleich höchste wie auch letzte (!) Form ist die der Einwanderung des Geldes des einen in das andere Land, aber, und darauf kommt es nun an: zum Zwecke der Kolonialisierung, d.h. der Übernahme des einen Landes durch das Kapital eines anderen Landes bzw. eines imperialistischen Zentrums.

Raute

Monika Voigt: Die Abwicklung des Staatseigentums Griechenlands nach dem Vorbild der Treuhandanstalt-Abwicklung des Volkseigentums der DDR.

Seit Monaten wird von den Politikern der fünf mächtigsten EU-Staaten eine beispiellose Volksverhetzung gegen das griechische Volk inszeniert. Sie stigmatisieren die Griechen als nichtsnutzige Schmarotzer.

Dabei profitieren besonders die deutschen und französischen Banken und Politiker von dem Rettungspaket, sie sichern sich die größten Stücke (Tranchen) von diesem Geldsegen. Die Rettungspakete sind Kredite mit einem hohen Zinssatz, und sie werden nicht für die Löhne, Renten, Sozialausgaben oder Bildung eingesetzt.

Die Völker müssen die Zeche bezahlen. Mit einem Handstreich zwingt man die französischen und deutschen Arbeiter dazu, mit ihren Steuergeldern die Risiken der Banken für diese Kredite zu sichern. Und was auf das griechische Volk zukommt, zeigt das folgende Beispiel: für die erhaltene Summe von 110 Milliarden Euro muss Griechenland bis 2014 zur Refinanzierung und Tilgung 131 Milliarden Euro aufbringen, so die Schätzung des IWF.

Die Bevölkerung Griechenlands ist sich bewusst, dass der Imperialismus jedes Mittel der Bedrohung gegen die schwächeren EU-Staaten einsetzt, um seine ökonomische und politische Macht zu festigen. Die Bevölkerung Griechenlands setzt sich gegen diese Neokolonisierung, gegen diese Versklavung des Proletariats im 21. Jahrhundert zur Wehr.

Die Erpressung umfasst einen ausgeklügelten Plan zur Reprivatisierung:

- sie verläuft unter der Kontrolle ausländischer Agenten, die den Privatisierungsablauf des öffentlichen Eigentums forcieren und überwachen;
- der griechischen Treuhand (sie ist bereits vor Ort) gehören derzeit 15 Kraftwerke, das entspricht bei Neubau einem Wert von 19 Milliarden Euro;
- wertvolle öffentliche Güter werden in Privatbesitz überführt;
- der Verlust der wirtschaftlichen Souveränität zieht die Aufgabe der politischen und juristischen Selbständigkeit nach sich. Die "europäische Solidarität und gemeinsamer Wohlstand" sind zerplatzt wie eine Seifenblase und unter dieser Maske kommt die Fratze der Neokolonialisierung der kleineren, armen EU-Staaten zum Vorschein. Dabei spielen die Rating-Agenturen die Rolle, das Volksvermögen als minderwertig bis wertlos einzustufen und den Banken zum Fraß vorzuwerfen.
- Dagegen hilft nur eins, die Arbeiterklasse muss sich auf ihre Kraft besinnen, sie muss Widerstand leisten und nicht nur in Griechenland, der Widerstand muss von der KKE zusammen mit allen demokratischen Kräften organisiert werden.

Die EU will in Griechenland die gleichen Maßnahmen durchführen und nach dem gleichen Plan vorgehen wie bei der erfolgreichen Abwicklung des Volkseigentums der DDR, so der Vorschlag von Jean Claude Junker.

Das ist auch ein ideologischer Schachzug gegen die ehemaligen sozialistischen Staaten und somit auch Antikommunismus pur, so soll das Proletariat gar nicht erst über die Veränderung des derzeitigen Systems nachdenken.

Besser als in dem folgenden Zitat kann man die Misere nicht ausdrücken: Der ehemalige Chef der Treuhand, Detlef Rohwedder, in einer Besprechung: "Überlegen sie noch einmal: Kein Ossi, geben Sie das zu, hat irgend ein Rechtsmittel gegen den Ausverkauf des dortigen Volksvermögens an uns Landfremde, die wir allein die Ossis arm kaufen können, weil wir nicht 40 Jahre deklassiert, wirtschaftlich vernichtet wurden. Das ordnen Sie an, das vertreten Sie, das heißen Sie gut. Folglich: Sie werden daran sterben, dass Sie den Ossis 90% ihres Eigentums rauben."

Er klagte auch über das Benehmen seiner Privatisierungsmanager, die sich schlimmer als Kolonialoffiziere benehmen; Zitat: "Sie müssen mal wieder Ostweiber beschlafen!"

Dieser moralische Verfall wird systematisch in dieser Gesellschaftsordnung gefördert.

Das Drehbuch für den Masterplan-Ost stammt aus der Zeit des nationalsozialistischen Ostrausches. Der Plan der Treuhandpolitik wurde auf der Grundlage der von den Hitlerfaschisten ausgearbeiteten deutschen Raub- und Räumungsplanung bereits in den fünfziger Jahren von Dr. Friedrich Ernst in seinen Grundzügen festgelegt.(24) Dr. Ernst wurde bereits 1949 in den öffentlichen Dienst der Adenauer-Regierung geholt, um das Wirtschaftswunder anzukurbeln, seit 1952 war er Vorsitzender des Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands und behandelte erforderliche Sofortmaßnahmen, der Reprivatisierung der Industrie und Landwirtschaft. Dr. Ernst hatte die Schließung der Ostindustrie fest im Auge.

Nach Abschluss des Treuhand-Masterplanes nach obiger Vorlage fand eine fast friedliche Vertreibung der von "slawischen Schlendrian quasi durchseuchten Ostdeutschen" mittels Arbeitslosigkeit, Hartz-IV, Zwangsarbeit und Ernteeinsätzen sowie Aberkennung ihrer Bildung mittels ABM-Schulungsmaßnahmen statt. Die Arbeitsplätze der Bevölkerung wurden vernichtet, wo einst Gemüse und Kartoffeln für den Bevölkerungsbedarf angebaut wurden, bauen heute die Biber ihre Burgen und legen Sümpfe an. Im politischen Spektrum ist ein Ansteigen des Neonazismus zu verzeichnen, was belegt wird durch umherschweifende Schlägertrupps in der Tradition der Freikorps, der SA und SS.

Welche Aufgaben haben die Kommunistischen Parteien weltweit?

Sie müssen, wie die KKE, die Völker aufrufen zum Kampf gegen die Insolvenz des Proletariats. Die Kommunistischen Parteien müssen das Proletariat in diesem Kampf auf Marx.-Lenin.-Basis anführen. Daran erkennt man eine Kommunistische Partei.

Was müssen die Völker tun?

Die Völker müssen die gemeinsamen Interessen, die sie verbinden, auf die Tagesordnung setzen und sich in einer machtvollen Aktionseinheit verbünden. Für die bedrohten Staaten der EU, gibt es nur eine Rettung, den Austritt aus der EU, denn sonst gehen sie der Versklavung entgegen.

Rot Front, Monika Voigt, Treuen


Anmerkung

(24) Dr. Friedrich Ernst war Reichskommissar für das deutsche Kreditwesen ab 1935, wechselte dann zur Verwaltung des "feindlichen Vermögens", dazu erarbeitete er die Richtlinien zur Wirtschaftsführung in den unbesetzten Ostgebieten, die so genannte "Grüne Mappe" Hermann Görings, die Grundlage für den Wirtschaftsstab Ost. Eingeschlossen in diese Planung war auch die Vernichtung unnützer Esser, das war die planmäßige industrielle Ermordung von mehreren Millionen Juden, Roma und Sinti, Alten, Bettlern, Partisanen, Kindern.....

Raute

Gerhard Feldbauer: Wie die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen wurde

Im antifaschistischen Widerstand gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht und seine italienischen Vasallen entstand auf Initiative der PCI am 3. Juni 1944 der einheitliche Gewerkschaftsbund Italiens, Confederazione Generale Italiano del Lavoro (CGIL). Damit wurde der Versuch der angloamerikanischen Besatzungsmacht vereitelt, die faschistischen Pseudo-Gewerkschaften in "Freie Gewerkschaften" umzuwandeln. In den besetzten Gebieten leistete die CGIL einen bedeutenden Beitrag in der illegalen Betriebsarbeit zur Sabotage der Kriegsproduktion und im Frühjahr 1945 bei der Vorbereitung des Generalstreiks zum bewaffneten Aufstand.

Im Mai 1947 vertrieb Ministerpräsident Alcide De Gasperi auf Geheiß der Amerikaner Kommunisten und Sozialisten aus der faschistischen Einheitsregierung und leitete damit eine restaurative reaktionäre Wende ein. In diesem Prozess war die CGIL als stärkste Arbeiterorganisation ein entscheidendes Hindernis. Gehörten doch 55,8 Prozent ihrer Mitglieder der PCI an oder sympathisierten mit ihr. 22,6 Prozent standen der PSI nahe. Lediglich 13,4 Prozent orientierten sich auf die führende Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC). Mit der Gründung der Unione Italiana del Lavoro (UIL) am 5. März 1950, der am 1. Mai die Bildung der Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL) folgte, wurde die Gewerkschaftseinheit zerschlagen. Wie der "Corriere della Sera" 15 Jahre später, am 8. März 1975, enthüllte, hatte die CIA die Operation eingefädelt. Die Spaltung leitete ihr Agent, der Chef der AFL-CIO, Irving Brown, persönlich.

Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL dominierten die Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten, heute die aus der Fusion der exkommunistischen Linksdemokraten mit dem katholischen Zentrum hervorgegangene Demokratische Partei, in geringerem Maß die Linkspartei Umwelt und Freiheit. Die CGIL blieb mit annähernd fünf Millionen Mitgliedern nicht nur die zahlenmäßig stärkste, sondern auch politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand der IKP nahe, so lange diese existierte. Heute kommen ihre Mitglieder und Anhänger aus der PRC und der PdCI, den Linksdemokraten, aber auch aus der DP. Dabei entwickelten sich diese ursprünglichen Grenzen im Laufe der Zeit zunehmend fließend.

Lange Zeit gelang es über einen gemeinsamen Dachverband das einheitliche Wirken der drei großen Gewerkschaften zu gestalten. Im Sog des revisionistischen Kurses der PCI und ihres gescheiterten "Historischen Kompromisses", der Klassenzusammenarbeit mit der DC, setzten sich seit den 1980er Jahren auch Elemente der Sozialpaktstrategie in der CGIL durch. Das ermöglichte den Unternehmern Anfang der 1990er Jahre, die gleitende Lohnskala, mit der bis dahin die Löhne halbjährlich an die Inflationsrate angepasst werden mussten, zu beseitigen. Die Gewerkschaften, die CGIL eingeschlossen, nahmen die Liquidierung dieser größten Errungenschaft ohne nennenswerten Widerstand hin.

Beteiligten sich noch im Herbst 1994 an den Kampfaktionen, darunter ein Generalstreik, die im Dezember zum Sturz der ersten Regierung Berlusconi führten, die drei großen Arbeiterverbände gemeinsam, so ruft heute die CGIL allein zum Ausstand gegen den ungeheueren Sozialabbau des faschistoiden Berlusconi-Regime auf.

Mit rund 12 Millionen Mitgliedern weist Italien einen hohen Grad gewerkschaftlicher Organisation auf, wobei allerdings fast die Hälfte (47 Prozent) Rentner sind. Die CGIL nennt 5,7, die CISL 4,5 und die UIL 2,1 Millionen Mitglieder. Innerhalb der drei Dachverbände existieren Branchengewerkschaften, deren stärkste und am meisten links ausgerichtete mit der Metallarbeitergewerkschaft FIOM (Federazione Impiegati Operai Metallurgici) in der CGIL besteht. Ferner gibt es einige autonome Gewerkschaften, so in Südtirol und im Bankensektor die Federazione autonoma Bancari Italiani (BAFI). Im Widerstand gegen den Sozialpaktkurs, der durch die Klassenzusammenarbeit der PCI mit der DC Auftrieb erhielt, entstanden in den 1960/70er Jahren die links ausgerichteten Comitati Unitari di Base (COBAS).

Gerhard Feldbauer, Künzel

Raute

Gerhard Feldbauer: Machtvoller Generalstreik in Italien

Hoffnung auf Überwindung der Krise der Linken

Nach der traditionellen Arbeiterlosung: Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will, demonstrierte das arbeitende Italien am 6. September 2011 mit einem machtvollen achtstündigen Generalstreik seine ungebrochene Kampfkraft gegen den verschärften Ausbeuterkurs des faschistoiden Berlusconi-Regime.

Der Regierungschef will die Folgen seiner katastrophalen Wirtschaftspolitik mit einem gigantischen "Sparpaket" von über 90 Mrd. Euro auf die arbeitenden Menschen, auf die Rentner, die Armen und Ärmsten des Landes abwälzen. Gegen den Kahlschlag, der allen bisherigen Sozialenabbau noch in den Schatten stellt, hatte die CGIL für den 6. September zum landesweiten achtstündigen Generalstreik aufgerufen. Der Appell der mit zirka sechs Millionen Mitgliedern stärksten Gewerkschaft wurde von Einzelverbänden, darunter die kampfstarke FIOM (Metallarbeiter), den Basisgewerkschaften COBAS, den kommunistischen Parteien PRC, PdCI, und der 2006 entstandenen kommunistischen Arbeiterpartei (PCL) sowie der Linkspartei "Umwelt und Freiheit (SEL) unterstützt. Der SEL-Vorsitzende, der aus der PRC kommende Ministerpräsident von Apulien, einer der wenigen noch existierenden Mitte-Links-Regierungen, Nicola Vendola, nannte erst unlängst den Generalstreik als "wichtigstes Kampfmittel" der "stattfindenden Klassenkämpfe" und forderte, Gramscis Zivilgesellschaft "wieder mit Leben" zu erfüllen.(25) PRC-Sekretär Paolo Ferrero hatte angekündigt, es werde "der härteste Generalstreik in der Geschichte" sein, der in der schwersten Krise des Landes "ein Zeichen" setze. Die beiden anderen Gewerkschaften, die zur linksliberalen Demokratischen Partei (DP) neigende CISL und die katholische UIL setzen ihren Sozialpaktkurs der Gewerkschaftsspaltung fort und lehnen eine Teilnahme ab.(26)

Ein "Blut und Tränen"-Kahlschlag

Den Hintergrund des Ausstandes bildet die seit Monaten schwelende Krise des Berlusconi-Regimes, die längst nicht mehr nur eine der Regierung ist, sondern eine das politische System des Kapitals erschütternde. Führende Kapitalkreise haben Berlusconi bereits fallengelassen. Sein Ende in den nächsten Monaten ist gewiss, der Generalstreik könnte es beschleunigen, wie es bereits im Dezember 1994 einmal der Fall war. Aber das Kapital gewährt Berlusconi eine Galgenfrist. Um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden (mit einer Staatsverschuldung von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belegt Italien hinter Griechenland den zweiten Platz), soll er nach den Vorgaben aus Brüssel das gigantische, "Sparpaket" genannte Programm eines unvorstellbaren sozialen Crash nach dem Vorbild von Athen durchpeitschen. Das soll seinem Nachfolger eine Verschnaufpause beim Sozialabbau verschaffen und ihm insgesamt ermöglichen, Berlusconi die Schuld am wirtschaftlichen Desaster zu geben und zu erklären, es sei kaum möglich, eine rasche Änderung herbeizuführen.

Notverordnungen angekündigt

Der von Berlusconi zynisch "Blut und Tränen" genannte Kahlschlag trifft die Armen und den Mittelstand, während er die Reichen, die Großverdiener und die Steuerhinterzieher verschont. Im öffentlichen Dienst sollen 265.000 Stellen abgebaut werden, in den Regionen (Ländern), Provinzen und Kommunen über 50.000, was Universitäten und Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und alle Kulturbereiche trifft. Für jeden Arztbesuch, schon für das Ausstellen eines Rezepts, müssen in Zukunft 25 Euro gezahlt werden. Das Rentenalter wird für Männer auf 67, für Frauen auf 65 angehoben. Dadurch sollen 50 Mrd. Euro eingetrieben werden. Die Maßnahmen sollen durch Notverordnungen durchgesetzt werden.

Das Sparpaket gibt den Forderungen des Verbandes der Großindustriellen Confindustria Raum, die Tarifverträge und den Kündigungsschutz generell aufzuheben, die Gewerkschaftsrechte drastisch einzuschränken, um Entlassungen besser durchsetzen, das Arbeitstempo erhöhen und die Löhne einfrieren oder auch senken zu können. Unter Berlusconi wurden die Tarifverträge bereits durch befristete Arbeitsverträge ausgehebelt, Lohnsenkungen dergestalt verwirklicht, dass Arbeiter mit dem Versprechen, sie wieder einzustellen, gezwungen wurden, in Entlassungen einzuwilligen. Die Wiedereinstellung erfolgte dann mit niedrigeren Löhnen und weniger Rechten, z. B. beim Kündigungsschutz. Für Tarifkonflikte ernannte Berlusconi so genannte Collegato Lavoro (Schiedsrichter), die verhindern, dass die Beschäftigten vor Arbeitsgerichten klagen können.

Schon jetzt unvorstellbares Elend im Süden

Die arbeiterfeindliche Politik ermunterte schon bisher die Unternehmer zu immer rigoroserer Einschränkung der Arbeiterrechte. Im FIAT-Werk Pomigliano d'Arco bei Neapel protestierte die FIOM unlängst mit einem Streik gegen die Entlassung von Arbeitern, die Verlängerung der Arbeitswoche und die Verkürzung der Pausen (womit die 5.000 Beschäftigten pro Tag 25 Autos des neuen Panda mehr herstellen sollten). Direktor Sergio Marchionne drohte daraufhin, wenn die Arbeiter und die Gewerkschaften das nicht hinnähmen, werde die Produktion nach Polen oder Kroatien verlegt. Schützenhilfe kam vom Spiegel, der in seiner Ausgabe vom 18. Juli 2011 in seiner Titelgeschichte "Vom Niedergang des schönsten Landes der Welt" den skrupellosen Manager als einen "speziellen Hoffnungsträger" (für wen wohl?) vorstellte.

Welche Auswirkungen der neuerliche soziale Kahlschlag für die sozial Ausgegrenzten, für die Armen und Ärmsten haben wird, verdeutlichen einige Zahlen: Schon jetzt leben laut Statistisches Amt Istat 8,7 von zirka 60 Millionen Italienern in relativer Armut, 1,15 Millionen Familien sogar in absoluter Armut. In Süditalien, dem Armenhaus des Landes, sind es 47 Prozent der Familien mit drei und mehr Kindern. Das Elend, das dort herrscht, lässt sich kaum noch beschreiben. 29,4 Prozent Jugendliche unter 24 Jahren sind ohne Arbeit. In der Industrie verloren 2008/9 über 100.000 ihren Arbeitsplatz, was die Arbeitslosenzahl auf 1,7 Millionen ansteigen ließ. Das waren 20,6 Prozent mehr als 2007. Von denen, die eine Arbeit hatten, war jeder fünfte schwarz beschäftigt. 30 Prozent lebten an der Armutsgrenze, während es im Norden "nur" zehn Prozent waren. 17 Prozent konnten den Strom nicht bezahlen, 21 Prozent keine Heizkosten, jede fünfte Familie hatte kein Geld für einen Arztbesuch. Während das Bruttosozialprodukt insgesamt 2009 um 1,5 Prozent sank, waren es im Süden 4,5 Prozent.

Während des Generalstreiks demonstrierten in Rom etwa Einhunderttausend unter einem Meer von roten Fahnen, viele mit den Symbolen der Kommunisten Hammer und Sichel. In weiteren über Einhundert Städten und unzähligen Gemeinden gingen die Teilnehmerzahlen zusammen insgesamt über die Millionengrenze. Arbeiter, Lehrer der Hoch- und der allgemeinbildenden Schulen, Schüler und Studenten, Ingenieure, Bürgermeister, Staatsbedienstete, Mitarbeiter von Verkehrsbetrieben und weiteren Branchen, unter ihnen zahlreiche Frauen und Jugendliche, gingen auf die Straße. Die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, dass der von der CGIL ausgerufene Streik alle Sektoren der Wirtschaft, Transport und Verkehr, die Autobahnen, öffentliche Dienste, Post und Banken erfasste. Auf den Flughäfen der Hauptstadt mussten über 200 Flüge gestrichen werden.

69 Prozent Italiener gegen Sparpaket

Umfragen am Vorabend des Ausstandes besagten, dass 69 Prozent der Italiener das Sparpaket ablehnen, Berlusconi mit 22 Prozent den Tiefstwert seiner "Beliebtheit" erreichte und bei Neuwahlen 47 Prozent auf eine Mitte Links-Koalition entfielen, während die Berlusconi-Koalition auf noch ganze 27 Prozent käme. Die CGIL-Vorsitzende Susanna Camussi führte in Rom den Demonstrationszug an, der vor dem Kolosseum mit einer Kundgebung abschloss. Immer wieder von Beifall unterbrochen, rief sie aus, dass mit dem Generalstreik zum Gegenangriff übergegangen werde. Die Notverordnungen des Sparpakets nannte sie eine Ungerechtigkeit ohnegleichen und verfassungswidrig. Sie kündigte an, dagegen vor dem Obersten Verfassungsgericht zu klagen. Scharf wies die CGIL-Chefin die Meinung des Führers der CISL, Raffaele Bonani, zurück, der Generalstreik sei "ein Wahnsinn" und betonte, der Streik sei seit jeher ein Kampfmittel zur Verteidigung und Verbesserung der Rechte der Arbeiter. Entgegen der Ablehnung ihrer Führungen beteiligte sich jedoch die Basis der CISL und UIL sehr zahlreich an den Manifestationen.

Losungen und Sprechchöre prangerten den ungeheuerlichen neuen Sozialabbau an, die Misere im Bildungswesen, dass die Jugend ihrem Schicksal überlassen wird, die katastrophale Situation in den Gesundheitseinrichtungen, die Angriffe gegen den Antifaschismus und den Zerfall elementarerer Werte bürgerlicher Demokratie und forderten, dem entschieden Einhalt zu gebieten. Andere verwiesen auf das ungeheuere Elend, in dem die Menschen im Süden dahinvegetieren müssen, während die Reichen prassen und die Mafia das öffentliche Leben beherrscht. Die Teilnehmer konnten per SMS die Streikleitung anrufen und ihren Protest und ihre Solidarität übermitteln. Der Regierungschef wurde als Steuerbetrüger angeprangert, der sich aus dem Staatssäckel in die eigenen Taschen scheffelt, andere Forderungen lauteten Berlusconi vai via (hau ab) oder Schluss mit der Mediendiktatur. Dazwischen "Nein zu Entlassungen", "Hände weg vom Artikel 8" (Kündigungsschutz), "Verteidigt die Tarifverträge" und "bezahlen sollen die, die bisher nichts bezahlt haben". Losungen wanden sich auch gegen die Streichungen für die Kommunen. Das sind Ausgaben "für unser tägliches Leben", hieß es. Die antifaschistischen und Partisanenverbände warnten vor der faschistischen und rassistischen Gefahr, die unter dem Berlusconi-Regime erschreckend angewachsen ist. Nicht nur in ihren Reihen erklang das legendäre Partisanenlied "Bella Ciao".

Aufruf zur Einheit der Linken

Mitten im Zug der CGIL und auch an der Spitze waren führende Vertreter der Parteien von Mitte Links zu sehen, darunter Oliviero Diliberto (PdCI und Linksfederazione), Nichola Vendola von der Linkspartei, Angelo Bonelli, Grüne, Luigi Bersani (Demokratische Partei), aber auch der bekannte frühere Korruptionsermittler Antonio Di Pietro, Chef der Partei Italien der Werte (IdV). Selbst der Vorsitzende der konservativen katholischen Oppositionspartei Union Demokratischer Christen (UDC), Pierferdinando Cassini, bekundete Verständnis für den Ausstand, den Berlusconi provoziert habe. PRC-Sekretär Paolo Ferrero, der in der FIAT-Metropole Turin sprach, rief zur Einheit der Linken auf, um mit der Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiter und Rentner, während die Reichen verschont werden, Schluss zu machen.

Luigi Bersani, der sich gegen den Generalstreik ausgesprochen hatte, musste einräumen, der Streikaufruf der CGIL habe bei großen Teilen der DP Widerhall gefunden. Sein Parteifreund, der Parlamentarier Cesare Damiano, betonte, "die Linke muss sich von der Kultur und Logik des subalternen Liberalismus befreien" und zur Einheit finden. Mario Morcone vom DP-Vorstand, appellierte ebenfalls, die Meinungsverschiedenheiten beiseite zu lassen und gemeinsam zu handeln. Di Pietro rief auf, nicht auf das Parlament zu setzen, sondern Berlusconi "auf der Straße, auf Hunderten und Tausenden Plätzen davonzujagen". Nach seinem Sturz lehnte er eine Übergangsregierung ab und forderte sofortige Neuwahlen.

Der Ausstand und die Kundgebungen vermittelten die Hoffnung, dass das arbeitende Italien und seine Linke dabei sind, ihre Krise zu überwinden und zu alter Kampfkraft zurückfinden, was Voraussetzung ist, wieder Einfluss auf die einst traditionell zur Linken tendierende Mitte Italiens zu nehmen. "Wir brauchen eine außerordentliche Mobilisierung und eine Antwort, die sich nicht auf den Generalstreik beschränken kann", erklärte der Vorsitzende der FIOM in der CGIL. Maurizio Landini, der in Palermo sprach. Nach Berlusconi müsse es "eine echte Alternative" geben, die auf "einem Programm konkreter Veränderungen" basiere. "Deshalb müssen wir uns die Straßen und Plätze zurückerobern."

Generalstreik zeigte Wirkung

Susanna Camussi kündigte den Rücktritt der CGIL vom am 28. Juni 2011 mit der Confindustria geschlosenen Sozialpakt über Artikel 8 (Kündigungsschutz) des Arbeitsgesetzes an. Die "Liberazione" wertete den Generalstreik als "einen "großartigen Erfolg" und hob die geschlossene Teilnahme der Basiskomitees (COBAS) hervor, die unter der Losung demonstrierten, das Sparpaket "trieft vor Klassenhass gegen die Arbeiter". "Manifesto" stellte heraus, dass die CGIl "nicht allein steht" und forderte, die Militärausgaben zu senken, die 24 Milliarden Euro im Jahr betragen. Die Führungen der CISL und UIL gingen unter der Wirkung des Generalstreiks auf gewisse Distanz zum Sparpaket, dessen Änderungen nicht ausreichten.

Nach dem Generalstreik nahm die Regierung geringfügige "Korrekturen" vor, die bewirken, dass die Arbeiter und Rentner sogar noch mehr der Krisenlasten zu tragen haben. So durch die Erhöhung der Mehrwertssteuer um ein Prozent auf 21, womit vier Milliarden Euro eingetrieben werden. Der Beginn der Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre wird auf 2014 vorgezogen (vorher 2016), aber zunächst im privaten Sektor. Die nunmehr eingeführte Steuer für die Reichen, auf die nach Protesten der Unternehmer verzichtet worden war, wird jetzt ab einem Einkommen von über 300.000 Euro (vorher 150.000) um drei Prozent (vorher geplant 10) erhoben. Laut "Repubblica" betreffe das 34.000 der 41 Millionen Steuerzahler (ANSA nannte nur 11.000).

Das Sparpaket wurde im Senat von der rechtsextremen Mehrheit der Regierung am 7. September mit 164 gegen 141 Stimmen durchgepeitscht. Um einer Niederlage zu entgehen, hatte Berlusconi, der selbst nicht an der Sitzung teilnahm, die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden. Während bei der ersten Abstimmung in der Abgeordnetenkammer die bürgerlichen Oppositionsparteien "aus nationalem Interesse" sich der Stimme enthalten hatten, stimmten sie diesmal dagegen, was Kommentatoren auch als eine Auswirkung des Ausstandes bezeichneten. Die radikalste Haltung bezog IdV-Chef Di Pietro, der seine Forderung nach einem Ende der Berlusconi-Regierung bekräftigt, die unfähig sei, noch irgendwelche Aufgaben zu lösen. Das Sparpaket muss nun nochmals durch die Kammer angenommen werden.

Gerhard Feldbauer, Künzel


Anmerkungen

(25) Solche Worte erwartet man von der deutschen Partei Die Linke wohl vergeblich.

(26) Siehe Beitrag "Wie die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen wurde" in diesem Heft

Raute

NACHRICHTEN AUS DEM NIEDERGANG

Michael Opperskalski, Frank Flegel: Der Niedergang reißt Grundprinzipien in den Abgrund

Dieser Artikel ist keine Analyse der sich zuspitzenden ökonomischen, politischen und sozialen Krise des Imperialismus, seinem stetigen Abgleiten in die Barbarei. Doch gerade vor diesem Hintergrund machen sich die Chefideologen der deutschen Bourgeoisie strategische Gedanken über systemerhaltende Maßnahmen auf allen Ebenen. Ein sterbendes, barbarisches System hat immer noch Potenzen zur Systemerhaltung, wenn auch auf immer niedrigerer Ebene, zunehmende Barbarei, sich zuspitzende innerimperialistische Konkurrenz und Krieg als integraler Teil davon, eingeschlossen. Zu den strategischen Gedanken der Bourgeoisie gehört deshalb auch, jeden Ansatz einer revolutionären Alternative zu ihrer Barbarei im Keim zu ersticken - sei es mit repressiven Methoden, massiver ideologischer Beeinflussung, gezielter Desinformation, geheimdienstlicher Intervention oder dem Ausspielen systemintegrativer Mechanismen.

Nur so sind folgende Meldungen und Analysen in bürgerlichen Medien in jüngster Zeit zu erklären. Mit Blick auf die sozialdemokratische, nicht-marxistische Partei "Die Linke (PDL)" forderte die "Financial Times Deutschland" im kategorischen Imperativ am 25. August 2011: "Die Linkspartei muss endlich Konsequenzen ziehen und sich von den Kommunisten abgrenzen. (...) Die Kapitalismuskritik steuert derzeit eine unübersehbare neue Blüte an." Mit diesem Artikel spie der Teufel sozusagen das Weihwasser aus. Kritik in Oberflächlichkeiten ist für dieses System (noch) kein Ausnahmezustand, wohl aber solche, die an die Wurzeln des Systems, den Kapitalismus, geht und zugleich nach revolutionären Perspektiven sucht. Das ist an sich noch nicht einmal per se kommunistisch, wird aber dennoch so dargestellt. Denn eins ist für alle Flügel der BRD-Bourgeoisie glasklar: wenn Not am Manne, sprich am System, ist, dann helfen gegen Kommunisten oder solche, die dazu gemacht werden, eben nur Gefängnisse oder Erschießungspelotons. Es ist bestenfalls Ausdruck eines realitätsfernen Fiebertraums, anzunehmen, dass Kommunisten irgendeinen Einfluss auf die PDL hätten; Tatsache ist jedoch, dass es in dieser Partei immer noch kapitalismuskritische Strömungen und Gefühle gibt - wenn auch nicht eindeutig klar oder gar mehrheitsfähig. Doch schon diese Wenigkeit lässt die Herren der Barbarei angesichts der von ihnen durchaus erwarteten Widerstände aufhorchen. So macht sich die "Süddeutsche Zeitung" am 29. August 2011 in einem Leitartikel ("Links laviert") zerfurchende Gedanken über die Rolle und Perspektive der PDL: "Wenn der Linken nun die Gefahr droht zu verschwinden oder wieder zur Regionalpartei Ost zu schrumpfen, so steht jedem frei, das für eine gute Nachricht zu halten. Die katastrophale Lage einer Partei bedeutet noch nicht gleich eine Katastrophe für die deutsche Demokratie. Umgekehrt verspricht sie nicht zwingend einen Gewinn. Aus demokratischer Sicht war es in den vergangenen Jahren durchaus gesund - um nur ein Beispiel zu nennen -, dass es im Bundestag auch Nein-Stimmen gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gab. Das darf auch einräumen, wer die Argumente der Linken falsch oder gar verlogen findet. SPD und Grüne haben links einen Raum hinterlassen, den sie nicht mehr besetzen werden. Beide Parteien können sich strategisch nicht mehr wirklich weit entfernen von der Mitte, wo für sie die größten Potentiale stecken. Das Hoffen auf Peer Steinbrück zeugt davon. Ob weiter links eine gefährliche Leere entsteht, entscheidet letztlich die Partei, die sich so nennt (...)."

Was für ein unüberhörbarer Ruf nach der Rolle und dem - in Bezug auf die PDL - systemintegrativen Erhalt der Sozialdemokratie....

Für eine "gefährliche Leere"...

Angesichts der auf allen Ebenen eskalierenden Barbarei des Imperialismus/Kapitalismus nehmen bei den Betroffenen die Zweifel an diesem System zu. Das beweist inzwischen auch eine Unzahl von bürgerlichen Untersuchungen (mit welchen Fragestellungen im Einzelnen sie auch durchgeführt werden). Eine revolutionäre Alternative zu diesem System wird immer notwendiger. Daher gilt es, um in der bürgerlichen Terminologie zu bleiben, die "gefährliche Leere" zu nutzen und auszubauen. Angesichts der objektiv systemintegrativen Rolle der Sozialdemokratie (so auch der PDL) wäre dies Aufgabe und Herausforderung für die Kommunisten zugleich. Schon die Entstehungsgeschichte der kommunistischen Bewegung in Deutschland (KPD) belegt anschaulich und mit Blut geschrieben ihre Identität. Sie entstand aus dem systemintegrativen Verrat der Sozialdemokratie, als sie sich schon zu Beginn des ersten imperialistischen Weltkrieges offen auf Seiten der deutschen Bourgeoisie stellte. Damit verteidigte die KPD die besten Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung auf Basis des wissenschaftlichen Sozialismus. Der bürgerliche Historiker Sebastian Haffner hat dies sehr anschaulich beschrieben: "Dass die deutsche Revolution kein Hirngespinst oder Phantom war, sondern eine lebendige und robuste Wirklichkeit, dafür gibt es noch ein anderes Zeugnis: die Ströme von Blut, die es im ersten Halbjahr 1919 kostete, sie zurückzurollen und niederzuschlagen. Wer die Revolution niedergeschlagen hat, daran gibt es keinen Zweifel. Es war die Führung der SPD, es war Ebert mit seiner Mannschaft. Auch daran gibt es keinen Zweifel, dass die SPD-Führer, um die Revolution niederzuschlagen zu können, sich zunächst an ihre Spitze gestellt hatten, dass sie also verrieten. (...) Die sozialistische Einigkeit, für die sie so tapfer kämpfte und blutete, ist 1918 für immer verloren worden. Von dem großen Verrat datiert das große Schisma des Sozialismus und der unauslöschliche Hass zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten - ein Hass zwischen Wölfen und Hunden (Ein Hund ist bekanntlich ein ehemaliger Wolf, den der Mensch für seine Zwecke gezähmt hat. Die Sozialdemokratie ist eine ehemalige Arbeiterpartei, die der Kapitalismus für seine Zwecke gezähmt hat.)" (Sebastian Haffner: "Der Verrat", Berlin 1994, Seite 199ff.)

Ganz offensichtlich befindet sich die sozialdemokratische PDL im letzten Abschnitt der Zähmung. Dies lässt sich sehr anschaulich belegen, was wir an anderer Stelle schon mehr als oft und von Beginn des Prozesses an in unserer "offen-siv" getan haben.

Aber wo sind die Wölfe, die in die "gefährliche Leere" stoßen könnten?

Manchmal sind es Binsenweisheiten, die nicht oft genug wiederholt werden können, um Klarheit zu schaffen: der Prozess der Zähmung ist nicht frei von Widersprüchen, ist kein glatter Vorgang. Antikapitalistische, ja sogar ehrlich revolutionäre Stimmungen, Traditionen und Strömungen müssen, obwohl bereits in der Minderheit und ohne entscheidenden Einfluss, immer weiter niedergerungen werden, ohne zugleich zu deutlich zu demonstrieren, dass die Partei als Ganzes kapitalismuskompatibel ist. Schließlich verlöre sie ja sonst ihren objektiv systemintegrativen Charakter. Dies betrifft heute, ganz aktuell, (nicht nur) die PDL. Genau in diesem Spannungsfeld gilt es, für Kommunisten anzusetzen, um als Avantgarde all jene Kräfte unter Führung der Arbeiterklasse zusammenzuführen, die sich vor allem objektiv, aber auch subjektiv im Widerspruch zu Kapitalismus/Imperialismus befinden. Genau hier setzt die revolutionäre Strategie des Kampfes der Kommunisten für die Bildung einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront als notwendige Basis für die proletarische Revolution an. Kurzum, noch deutlicher und auf die heutige Situation bezogen: die Entlarvung der objektiven Rolle der sozialdemokratischen PDL muss einhergehen mit dem Ringen um den Aufbau dieser Volksfront durch das konkrete Eingreifen in die Entwicklung der Klassenkämpfe; dies schließt damit natürlich alle Versuche ein, dementsprechend ehrlich antikapitalistische Kräfte in der PDL einzubinden.

Eigentlich eine klare Aufgabenstellung wie Herausforderung für die Kommunisten in der BRD. Noch gibt es leider keine einheitliche Partei der Kommunisten, die diese Aufgabe bewältigen könnte. Deshalb beschäftigen wir uns in der "offen-siv" schon seit einiger Zeit mit dem anhaltenden Niedergang dessen, was nach dem Sieg der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Staaten Ost-Europas von der kommunistischen Bewegung im imperialistischen Deutschland übrig geblieben ist. Dieser Niedergang hat an Geschwindigkeit und Tiefe weiter zugenommen, betrifft nahezu alle Rest-Segmente und zerbröselt weiter grundsätzliche Positionen.

Betrachten wir in diesem Zusammenhang wieder einmal die (noch) größte Formation der Kommunisten, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Inzwischen kommt auch die DKP-Führung nicht darum herum, wenn auch in verklausulierten Formulierungen in ihrer Art, den anhaltenden Niedergang dessen, was von der kommunistischen Bewegung in der BRD noch am Leben ist (hier in Bezug auf die DKP natürlich), zu konzedieren. So hält die DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen in ihrer Rede auf der letzten Parteivorstandssitzung (PV-Sitzung vom 10./11. September 2011) fest: "Ich denke, der Streit in unserer Partei um einige inhaltliche Fragen führt mehr zur Lähmung als zu Aktionen. Hinzu kommt, dass viele GenossInnen nicht in die Debatten um Positionen einbezogen sind, und viele wollen sich laut eigener Aussage auch nicht ,schon wieder mit Auseinandersetzungen in der Partei' befassen. (...) Die Form der Debatten und Beiträge ist es, die vielen GenossInnen die Lust auf die Diskussion um inhaltliche Fragen nimmt und ihre Befürchtungen um die Einheit der Partei vertieft." Was immer noch zaghaft mit dem Wort "Lähmung" die Beschreibung des anhaltenden objektiven wie subjektiven Niedergangs auch der DKP beschreibt, wird von der DKP-Vorsitzenden lediglich oberflächlich erklärt. Es geht kaum um die Form der Debatten, die in der DKP immer deutlicher sichtbar sind, sondern um die in den DKP-Medien dominierenden Positionen, was die Unterdrückung und Ausgrenzung anderer Positionen ganz logisch einschließt. Die in den Medien der DKP vorherrschenden Positionen werden am deutlichsten durch die unsäglichen Thesen des ehemaligen DKP-Sekretariats ausgedrückt, die einen Generalangriff auf alle marxistisch-leninistischen Grundlagen einer kommunistischen Partei darstellen (wir haben bereits darüber inhaltlicher berichtet). Was die Form der Diskussionen angeht, so nutzen nachweislich vor allem einige Anhänger dieser Positionen in der DKP-Führung Methoden der auch "unter die Gürtellinie gehenden" Desinformation gegen Kritiker. Es wird versucht, durchzupeitschen und damit einhergehend auszugrenzen - mit allen Mitteln eben.

Die in den Sekretariats-Thesen formulierten und zugespitzten Aussagen rauben der DKP nicht nur jegliches marxistisch-leninistischen Grundgerüst, sie lassen als Konsequenz keinerlei eigenständige Orientierung auf kommunistische Aktionen und Aktivitäten zu, die jenseits der Sozialdemokratie, insbesondere der PDL liegen oder über diese hinaus gehen. So wird kommunistische Bündnispolitik ihres revolutionären Inhalts beraubt und degeneriert zur objektiven Unterordnung unter die sozialdemokratische PDL (siehe auch international in der DKP-Orientierung auf die so genannte "Europäische Linke"/EL). Auch das lähmt...

Letzteres wird außerdem in dem bereits erwähnten Referat der DKP-Vorsitzenden Jürgensen deutlich: Der ökonomische Teil ihrer Analysen und die daraus abgeleiteten Forderungen gehen, wenn überhaupt, höchstens in Spurenelementen über PDL-Positionen hinaus. Manche Aussagen sind gar auf erschreckende Weise klassenneutral, ähneln bis in die Formulierungen hinein bürgerlichen Analysen, so wenn die DKP-Vorsitzende einfach mal behauptet: "Die Entwicklung der gesellschaftlichen Umbrüche in Nordafrika, den arabischen Ländern, dem Nahen Osten machen ebenfalls klar, dass viele Menschen nicht länger bereit sind, die Sparprogramme auf ihre Schultern zu laden." Einmal abgesehen davon, dass sich bei diesen stinkbürgerlichen Positionen jedem Kommunisten die Nackenhaare sträuben müssten, es fehlt jede Art von Positionierung zur und gegen die sich verschärfende imperialistische Konterrevolution gerade in dieser Region. Mit ihrer Aussage könnte die DKP-Vorsitzende den von der NATO ausgehaltenen "Rebellen" (und nicht nur ihnen) die Hände reichen.

In der Parteizeitung "Unsere Zeit" (UZ) geschieht das im Fall Syrien bereits schon ganz öffentlich. Unter dem entlarvenden Titel "Das Volk will den Sturz des Regimes" unterstützt die UZ am 2. September 2011 inhaltlich die imperialistischen Forderungen nach einem "regime change" in Damaskus. Von dieser sehr konkreten pro-imperialistischen Positionierung zur ungebrochenen Kontinuität der DKP-Zusammenarbeit mit der imperialistischen Marionettenorganisation in Bagdad, die sich "Irakische Kommunistische Partei" nennt, gibt es "eine Linie". In dem erwähnten Artikel zu Syrien wird ganz offen auf eine Abspaltung von der KP Syriens schon aus den 70er Jahren orientiert. Diese Abspaltung, die so genannte "KP Syriens (Politbüro)", ist schon lange zu einer sozialdemokratischen Exilpartei verkommen und wird vor allem vom Yankee-CIA am Leben gehalten. Kommentar überflüssig...

Als die NATO/"Rebellen"-Offensive gegen die libysche Hauptstadt Tripolis begann, hatte die DKP-Homepage www.kommunisten.eu nichts anderes zu tun, als einen offen antikommunistischen Beitrag zu drucken, anstatt aktuell über die NATO-Aggression gegen Libyen zu berichten und sich klar zu positionieren. Stattdessen schreit dem Internet-Besucher der DKP-Webseite am 23./24. August 2011 entgegen: "... Stalin, der Verräter bist du!"(27). Aus der Mottenkiste bürgerlicher antikommunistischer Propaganda hatte ein anonymer Autor ganz einfach den Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion aus dem Jahr 1939 geholt...

Nicht nur die DKP betroffen

Bei diesen, nur kurz angerissenen, Entwicklungen der und in der DKP kann ganz offensichtlich die linke, ehemals marxistische Tageszeitung "junge Welt" nicht abseits stehen. In punkto Syrien fordert auch sie durch die Feder ihrer Nah-Ost-Korrespondentin Karin Leukefeld zum "regime change" auf. So interviewte die Autorin bereits mehrfach an prominenter Stelle der Zeitung (so u.a. am 16. und 17. August 2011) syrische "Oppositionelle", die unwidersprochen Propaganda zum "regime change" machen durften.

Auffallend ist zudem, dass gerade die Berichte zu Libyen, Syrien, aber auch anderen brennenden Problemen des Nahen Ostens, vielfach nur so von Äquidistanz durchzogen sind. Das geht bis zu der in Konjunktiven ertrinkende Wortwahl. Diese Berichte und Analysen werden deshalb von der aus bürgerlichen Medien bis zum Überdruss bekannten einseitigen Neutralität erschlagen, angereichert auch durch die Übernahme bürgerlicher Begrifflichkeiten. Gerade die jW-Autorin Leukefeld ist eine Meisterin darin.

Bei allen immer noch, wenn auch immer weniger zu findenden, positiven Berichten, die sich vom bürgerlichen Einheitsbrei wohltuend abheben: Es wird immer genauer zu beobachten sein, inwieweit und warum sich die "junge Welt" insgesamt wie weiterentwickeln wird...

Wenn sich auch die "junge Welt" nicht klar und eindeutig, mobilisierend und sensibilisierend positionieren will oder kann, was kann man da eigentlich noch von der "Friedensbewegung" verlangen bzw. von dem, was da noch kläglich übrig geblieben ist. Tatsache ist und bleibt, die politischen Linkskräfte in der BRD wie eben auch die "Friedensbewegung" haben vor der NATO-Aggression gegen Libyen in einer Art und Weise versagt, die fast schon einem Offenbarungseid gleich kommt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen waren klare, eindeutige Positionierungen nicht zu finden, von Aktionsorientierungen ganz zu schweigen...

Auch der antifaschistische Grundkonsens scheint zu zerbröseln

Über die Querfront und die Rolle des Ex-Linken Jürgen Elsässer beim Aufbau derselben haben wir bereits mehrfach berichtet. In diesem Zusammenhang ist unter anderem auch der Name des bräunlich befleckten Autors Klaus Blessing gefallen - einem aktiven Querfrontler, der sich auch nicht scheut, mit Personen aus neonazistischen Zusammenhängen und/oder mit einer solchen Vergangenheit Kontakt zu halten. Man verfolge nur seine Homepage. Unseres Wissens nach gibt es bisher keinerlei eindeutige Distanzierung von diesem dubiosen Herrn (schon gar keine aktive Isolierung innerhalb der Linken) durch diejenigen, die direkt von seinen Mitgliedschaften oder seinen Auftritten betroffen sind: so u.a. die ostdeutschen Verbände GBM/GRH oder der "RotFuchs". Ganz im Gegenteil - der "RotFuchs" druckte wohlwollend gehaltene Geburtstagswünsche an Blessing ab. Da wollte die "junge Welt" wohl nicht schweigen. Sie schenkte ihm immerhin eine ganze Seite in ihrer Ausgabe vom 6. September 2011 für seine Ergüsse. Wissen die dafür Verantwortlichen wirklich nicht, was sie und wie viel Schaden sie für die Linke in der BRD anrichten?

Schluss

Zum schlechten Schluss müssen wir noch kurz auf die Spalter-Truppe "KIG 2010" eingehen - nur deshalb, weil sie uns am 2. September per Mail eine "Richtigstellung" zuschickten.(28) (1) Bei der "KIG 2010" handelt es sich nicht wirklich um eine eigenständig wirkende Gruppierung/Bewegung/Organisation (oder wie immer man dieses objektive "Nichts" auch nennen mag), sondern um eine an der langen Leine von einigen Führungsmitgliedern der KPD, des "Rotfuchs" sowie weniger als einer Handvoll DKP-Mitgliedern geführten Gruppierung. Ihr Kern besteht aus einigen ehemaligen Unterstützern der KI, die sich abgespalten hatten, weil sie nicht mehr willens waren, die Grundorientierungen der KI mitzutragen und weil ihnen klar war, dass sie für ihre Positionen innerhalb der KI keine Mehrheit bekommen würden. Für sie hat nach eigenen Aussagen der Kampf gegen den Revisionismus keine zentrale Rolle in einer kommunistischen Organisation und sie sind immer noch auf der Suche nach dem revolutionären Subjekt, der Arbeiterklasse - alles deutlich in ihren Verlautbarungen nachzulesen. Sie orientieren auf die Zusammenarbeit mit und zwischen Führungsorganen existierender kommunistischer Parteien und Organisationen und träumen davon, dabei irgendeine "Rolle" zu spielen. Dies alleine ist schon ein kompletter Bruch mit den Grundorientierungen der "Kommunistischen Initiative (KI)", die bereits im Gründungsaufruf 2008 verankert waren. Weiteres wäre sehr leicht nachzuweisen, würde jedoch diese Truppe, die objektiv keine Eigenständigkeit hat, ohne Grund aufwerten. Noch nutzen sie, entgegen dieser Realität, Anklänge an die KI (so auch einen Internet-Namen für ihre Homepage, der gewollt dem der "Kommunistischen Initiative" ähnelt"), um objektiv zu verwirren. Das ist wohl ihre einzige Aufgabe...


Frank Flegel (Hannover), Michael Opperskalski (Köln)


Anmerkungen

(27) Siehe dazu genauer: Kurt Gossweiler, "Quo vadis, DKP?" in diesem Heft.

(28) Diese "Richtigstellung" enthält eine Reihe von sehr leicht zu widerlegenden Lügen, außerdem eine Behauptung, die sogar nach bürgerlichem Recht justiziabel ist, einmal völlig abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine diffamierende Lüge handelt. So behauptet der Vorsitzende von "KIG 2010" gegenüber der KI, diese habe den "Raub der KI-Spendensammlung in Höhe von 3000 Euro" zu verantworten. Wir wollen weder ein bürgerliches Gericht anrufen, um gegen diese Ungeheuerlichkeit vorzugehen, noch wollen wir diesen Leuten oder irgendjemand anderem Raum für Lügen, Verleumdungen und Desinformationen geben, Deshalb drucken wir diese "Richtigstellung" nicht ab und werden "KIG 2010" künftig als das (wenn überhaupt) behandeln, was sie objektiv sind: von anderen künstlich am Leben gehaltene Spalter, deren einzige Funktion es objektiv ist, der "Kommunistischen Initiative" (KI) zu schaden.

Raute

ANTIFA

BK: Die Sozialdemokratie wurde ihrer historischen Verräterrolle mal wieder gerecht

Bericht über den Naziaufmarsch in Gießen vom 16.7.2011

Trotz großer Bemühungen von Antifa und einem linken Bündnis in dem auch die KI und DKP vertreten waren und das sich zum Ziel gesetzt hatte, den Naziaufmarsch mit Blockaden zu verhindern, gelang es den Faschisten mit Hilfe der in Gießen regierenden Sozialdemokraten und einem unglaublichen Bullenaufgebot mit ca. 110 Leuten zu marschieren. Das Ziel unseres Bündnisses wurde leider nicht erreicht. Nun kommt es darauf an, die Situation zu analysieren, um zu begreifen, wie weit das Kapital in Krisenzeiten zu gehen bereit ist und wie es mit Hilfe der SPD seine Notstandsübungen dafür abhält.

Es hatte von Anfang an in Gießen zwei Bündnisse gegeben. Ein von Kirchen initiiertes und von bürgerlichen Parteien und dem ortsansässigen Einzelhandel gebildetes "Gießen bleibt bunt", dessen erklärtes Ziel es war, die Nazis lediglich nicht durch die Innenstadt laufen zu lassen. Das sollte mit allerlei folkloristischem und religiösem Brimborium verhindert werden. Das zweite Bündnis, "Gießen bleibt nazifrei", wurde durch die in Gießen recht aktive Antifa organisiert. Im Vorfeld hatte es zwischen den Bündnissen Verhandlungen und Übereinkunft darüber gegeben, sich im Interesse der Sache nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Diese Übereinkunft wurde vom Bündnis "Gießen nazifrei" auch eingehalten.

Probleme gab es schon, als wir forderten, die Stadt solle einen Verbotsantrag gegen die Nazidemonstration aussprechen und zum anderen Informationen darüber herausgeben, wie die angemeldete Route der Faschisten aussehen würde. Ein Verbot auszusprechen lehnte die Stadt wegen "Erfolglosigkeit" ab, was die Route des Aufmarsches betraf, mauerte sie. Ca. 4 Wochen vor dem Termin, wurde bekannt, dass ein vor einem Jahr angemeldetes und genehmigtes Fest von Eritreern genau an diesem Samstag stattfinden sollte. Dies wäre jetzt die Möglichkeit gewesen, dass das Ordnungsamt wegen nicht gewährleisteter Sicherheit den Naziaufmarsch verbot. Aber welch große Freude herrscht in der Stadtversammlung und ebenfalls im Bündnis "Gießen bunt", als die Eritreer aus Angst absagten. Ob ihnen das vielleicht sogar nahe gelegt worden war, war nicht herauszufinden. Das war der erste Sieg der Nazis mit Hilfe ihrer Steigbügelhalter. Als noch am Abend vorher von der SPD-OB ein totales Versammlungsverbot für Bahnhof und Bahnhofsvorplatz, wo wir demonstrieren wollten, weil wir dort die Ankunft der Nazis erwarteten, ausgesprochen wurde, konnte eingeschätzt werden, was beabsichtigt war.

Es waren diffuse Informationen nach außen gedrungen, die Stadt würde den Faschisten eine Route ermöglichen, die durch Sperrung von zwei dorthin führenden Brücken unerreichbar für evtl. Blockaden sei. Das Problem für uns war, dieser Weg war außer über die bewussten Brücken durch die Lahn und einen Bahndamm versperrt.

Nun zum Tag des Aufmarsches selber:

Was sich an diesem Morgen den Betrachtern bot, war das Bild einer Notstandsübung, das in seiner abgestuften Ausführung raffiniert und bis zum Äußersten durchgeplant war (Verantwortliche waren ein Major von Bieberstein und der Gießener Polizeipräsident). Es war bekannt, dass sich ca. 4000 Polizisten in der Stadt befinden sollten. Aber bei der Einfahrt mit dem Auto war das zuerst gar nicht zu erkennen. Die ganzen Einsatzfahrzeuge waren in Außenbezirken versteckt, die Innenstadt mit ihrem Hippiefest war kaum mit Polizeipräsens versehen. Dann kam der nächste Ring, wo die Demos stattfinden sollten, in diesem Bereich waren die Bullen, gelenkt durch einen ständig hoch kreisenden Hubschrauber, äußerst flexibel und mobil. Innerhalb von Sekunden waren sie vor Ort, lenkten durch Vorschriften und Blockaden den Demonstrationsverlauf. Gleichzeitig griffen Sie an Bahnhof und sonstigen nicht einzusehenden Orten brutal, unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken, anreisende BlockadeteilnehmerInnen an. Die Wege in die Innenstadt dagegen wurden frei gehalten, so dass dort hinwollende Besucher kaum eine Belästigung erfuhren. Die Wege in Geschäfte und Einkaufszentren waren ebenfalls frei. Weiträumig davor wurden offensichtliche Demoteilnehmer durchsucht und durften erst dann weiter gehen.

Wir waren mit ein paar Genossinnen und Genossen als Block mit Sowjet- und roter Fahne an der Demonstration beteiligt. Vorher schon war einer unserer Gruppe beim Verlassen des Autos sofort von der Polizei herausgegriffen und durchsucht worden. Ebenfalls durchwühlt wurden unser Auto und dann immer wieder unsere Rucksäcke.

Uns erreichte die Mitteilung, dass von einem "Gießen bunt" mit organisierenden Pfaffen Infoständen in der Innenstadt verboten wurde, durch Plakate zur Blockade aufzurufen. Das dazu, was von Vereinbarungen mit der christl. Propagandaabteilung zu halten ist.

Wir wurden abgesperrt während den aufmarschierenden Nazis von den Bullen erlaubt wurde, vor unseren Augen eine mind. halbstündige Kundgebung mit Hetzreden zu halten. Eine Provokation ohne Gleichen. Das Kapital lässt seine Kettenhunde noch nicht auf uns los, aber wir bekommen sie in ihrer ganzen Hässlichkeit und Brutalität schon einmal vorgeführt.

Während die Nazi-Horde erstmals nach 1945 durch Gießen marschiert, hält die "antifaschistische" SPD-OB auf dem Innenstadtfest der braven Bürger eine Rede, in der sie die gelungene Aktion gegen den Naziaufmarsch und natürlich sich selber feiert. Kurz davor war sie mit ihren Parteikumpanen gesichtet worden, als sie die Absperrung der Nazi-Route oder besser gesagt die Absperrung der Gegendemonstranten, abgeschritten war. Wahrscheinlich hatte sie ihrem Personal bei der Polizei viel Erfolg gewünscht. Als die Nazis dann liefen, war von ihr und ihrer Bagage nichts mehr zu sehen. Da sorgte sie für die nötige Verwirrung, indem sie gerade zu diesem Zeitpunkt ihre Rede auf einem entfernt liegenden Platz hielt, damit keinem ihrer Zuhörer bekannt wurde, dass genau zur gleichen Zeit die Faschisten ein paar hundert Meter weiter ihre Kundgebung abhielten.

Das Kapital hat geübt, wie mit zukünftigen Aufständen, die in Krisenzeiten selbst hier zu erwarten sind, umzugehen ist: durch Spaltung, Drohung mit Gewalt und wo das nichts mehr hilft durch ihre Option, den Faschismus. Übrigens wurde beobachtet, wie am Bahnhof von der Polizei die Nazianführer lächelnd und mit Handschlag begrüßt wurden.

Im Nachhinein wäre sicherlich eine Analyse der Angelegenheit notwendig geworden. Leider ist sie bis heute in Gießen nicht erfolgt. Eine Woche später zeigte sich die OB unberührt von den Ereignissen als Repräsentantin der weltoffenen Stadt Gießen und begrüßte nun die Eritreer.

Das Ziel, das Sozialdemokraten und das gesamte bürgerlich-reformistische Lager in antifaschistischen Bündnissen verfolgen, ist für sie erreicht worden. Ganz im Sinne der Totalitarismustheorie war es dank der Polizei gelungen herbei fantasierte "gewaltbereite Linke" und Rechte auseinander zu halten, was gleichzeitig heißt, sie haben links und rechts als zwei Extreme gleichgesetzt und damit die Faschisten verharmlost. Während der Bündnisgespräche wurde assistiert von der Kirchenfraktion der Fetisch "Gewaltfreiheit" benutzt und damit die Antifa immer wieder gezwungen, sich von "radikalen" Antifaschisten zu distanzieren, obwohl diese nicht zu sehen waren. Ständig wurden sie zu der Aussage gedrängt, wir werden nur legalen Widerstand leisten. Letztendlich half das aber auch nicht.

Für die Bürgerlichen war die schöne Veranstaltung lt. Einschätzung in Leserbriefen ein voller Erfolg gewesen, denn alles war so friedlich, da störte noch nicht mal die Tatsache, dass die Nazis marschiert waren. Allerdings war irgendwo noch eine Bankfensterscheibe zu Bruch gegangen. Das wurde sehr bedauert und die Antifa deshalb sehr angegriffen.

"Um also in der Politik nicht fehlzugehen, muss man Revolutionär sein und nicht Reformist" (Stalin)

Die Sozialdemokraten haben die Verharmlosung des Faschismus, der Faschisten und ihrer Verbrechen in Vergangenheit und Zukunft betrieben. Wie immer haben sie sich dem Kapital und seinen Zielen untergeordnet. Wie immer treiben sie ihr doppeltes Spiel, einmal fortschrittliche Kräfte der Arbeiterklasse zu binden, sich an die Spitze von Bewegungen zu setzen und diese dann im Interesse ihrer Herren zu manipulieren, zu spalten und zu schwächen.

Ohne die offensive Entlarvung dieser Taktik der Reformisten ist eine antifaschistische Bewegung nicht effektiv. Unser Ziel, eine kommunistische Gesellschaft aufzubauen, in der den faschistischen Verbrechern ein für alle Mal das Handwerk gelegt wird, müssen wir jederzeit deutlich machen. Denn es ist ein Irrtum zu glauben, im Kapitalismus den Faschismus erledigen zu können. Antifa muss revolutionär sein, sonst ist sie wirkungslos. Es wird darauf ankommen, diese Tatsachen in die antifaschistische Bewegung zu tragen, wieder und wieder die Erkenntnis Dimitroffs aufzuzeigen, wonach der Faschismus eine Machtoption des reaktionärsten Teiles des Finanzkapitals ist. Zu unserer Aufgabe bei zukünftigen Bündnissen gehört es auch, die Sozialdemokraten zu demaskieren. Natürlich sind sie nicht der "Hauptfeind", aber sie sind verheerend für die Arbeiterbewegung und auch Bündnispartner gegen die Faschisten sind sie nicht wirklich. Letztendlich schaden sie der antifaschistischen Bewegung, indem sie diese spalten und entschiedene Antifaschisten kriminalisieren.

Es wäre sehr interessant, die Erfahrungen von Genossinnen und Genossen in anderen Städten (z. B. Dresden, Hannover), die diese mit versuchten oder erfolgreichen Spaltungsversuchen der bürgerlichen Reformisten gemacht haben, zu erfahren und sich evtl. mal darüber auszutauschen, wie in Zukunft konkret damit umgegangen werden soll.

Wie sollte ein kommunistischer Antifaschismus aussehen?

Rot Front! BK

Raute

Torsten Reichelt: Faschisten-Profaschisten-Gleichgültige-Antifaschisten-Antikapitalisten-Kommunisten; oder: antifaschistische Bündnispolitik

Ihr werdet Euch wohl über die Aufzählung in der Überschrift wundern. Die beinhaltet eine grobe Abstufung der Kräfte, welche sich (oder auch nicht) mit dem Thema Faschismus in der BRD auseinandersetzen. Da die Einteilung in "links" und "rechts" verschwommener bürgerlich(-parlamentarisch)er Unsinn ist, nehmt Ihr mir wohl nicht übel, wenn die Reihenfolge nicht diesem Schema folgt.

Die Reihenfolge drückt aus, wie die verschiedenen lokalen Kräfte in Bezug auf antifaschistische Aktionen eingeordnet werden müssen. Diese Einordnung ermöglicht, Sinn oder Unsinn abzuschätzen, diese Kräfte in den antifaschistischen Widerstand einzubinden. Das kann sich von Ort zu Ort selbst bezüglich der gleichen Parteien und Organisationen deutlich unterscheiden. Klar sind nur die Positionen faschistischer und kommunistischer Kräfte, beispielsweise der NPD und der KI.

Ich möchte das anhand der größten europäischen Faschistenaufmärsche in Dresden erläutern, welche alljährlich um den 13. Februar stattfinden.

Am 13.-15. Februar 1945 wurde die kriegsunwichtige, überwiegend zivil bevölkerte, Dresdner Innenstadt durch britische und amerikanische Bomber in mehreren Angriffswellen in Schutt und Asche gelegt. Wenig abseits gelegene kriegswichtige Ziele wie eine große Raffinerie blieben unversehrt und waren auf den Angriffsplänen auch nicht als Ziele vorgesehen.

Faschisten und Profaschisten

Die Faschisten versuchen, ausgerechnet eine der für die deutsche Bevölkerung verheerendsten Folgen des faschistischen Vernichtungskrieges propagandistisch auszuschlachten, umzumünzen und damit faschistische Verbrechen zu relativieren. Das beste Beispiel für die beabsichtigte Relativierung ist der Begriff "Bombenholocaust". Damit soll die millionenfache industrielle Vernichtung von Menschen (Juden, Sinti, Roma, Kommunisten und anderen Gegnern der faschistischen Diktatur des Finanzkapitals, Behinderten und anderer unprofitabler Menschen) durch die Faschisten den angloamerikanischen Bombenangriffen auf Dresden mit etwa 35.000 überwiegend zivilen Opfern gleichgesetzt werden. Natürlich war auch die Bombardierung der Dresdner Innenstadt durch imperialistische Mächte ein Kriegsverbrechen, aber eben eine Folge des von den deutschen Faschisten begonnenen Krieges.

Die faschistischen Aktivitäten sind aber hier nicht das Thema. Interessanter für antifaschistische Bündnispolitik sind die profaschistischen Kräfte, welche sehr inhomogen und deren Akteure sich ihrer Rolle vielfach nicht einmal bewusst sind. Hierzu zählen Alle, welche durch ihr Handeln den Faschistenaufmarsch fördern und ermöglichen oder antifaschistische Kräfte abziehen, einschüchtern oder bekämpfen.

Das reicht von staatlichen Institutionen über bekanntermaßen reaktionäre Organisationen bis hin zu vorgeblich fortschrittlichen Organisationen, die sogar als Unterstützer des Bündnisses "Dresden nazifrei" den Aufruf zur Blockade unterzeichneten.

Fangen wir mal bei der Sächsischen Landeshauptstadt an. Sie genehmigt nicht nur alljährlich die Faschistenaufmärsche und organisiert die uniformierten gepanzerten Kräfte, welche ihnen den Weg freiprügeln und Nichtfaschisten überwachen, bedrohen und verletzen. Sie inszeniert auch seit mehreren Jahren mit großem Mediengetöse ein Händchenhalten fernab der Faschistensammelpunkte und -marschrouten. 2011 kam noch hinzu, daß das Händchenhalten am 13.02.2011 stattfand, der große Faschistenaufmarsch aber am 19.02.2011 (http://13februar.dresden.de/de/menschenkette.php). Gar nicht so dumm, denn dadurch täuscht die Stadtverwaltung einerseits vor, etwas gegen die Faschisten zu unternehmen und stellt Nichtfaschisten andererseits vor die Wahl, entweder aktiv etwas gegen die Faschistenaufmärsche zu tun und Erfassung, Verfolgung und Schädigung durch die Staatsschergen zu riskieren, oder sich einzubilden, etwas zu tun, und händchenhaltend Schutz und Wohlwollen der Profaschisten zu genießen.

Über die Rolle von Justiz und Polizei sind die meisten Leser sicher informiert. Ich erinnere nur an die Kriminalisierung und Verfolgung der Organisatoren und Teilnehmer der Blockaden, daran, daß am 19.02.2011 hunderte Faschisten in Sichtweite und beobachtet von Polizisten das "linke" Wohnprojekt "Praxis" in Dresden-Löbtau angriffen und verwüsteten
(http://dresden1302.noblogs.org/post/2011/02/24/nazi-angriff-auf-den-kiez-in-lobtau-nord-am-19-2-2011/), wovon auch Videoaufnahmen existieren, und an die rechtswidrige Verwüstung des "Haus der Begegnung" am Abend des 19.02.2011 durch die Polizei, welche sich damit vermutlich dafür rächte, dass sie den Faschistenaufmarsch nicht durchpeitschen konnte
(http://de.indymedia.org/2011/05/308837.shtml). Letzteres nutzte die Polizei zur Beschlagnahmung von Computern, vermutlich, um an Namen und Verbindungen von Antifaschisten und anderen fortschrittlichen Personen zu kommen. Gegen die illegale Erfassung tausender Mobiltelefonverbindungen am 19.02.2011 laufen bereits Strafanzeigen
(http://dresden-nazifrei.com/index.php?view=article&catid=1%3Aaktuelle-nachrichten&id=204%3Astrafanzeigen-gegen-ermittlungsbehoerden-gestellt&format=pdf&lang=de). Bis heute dauert die Verfolgung der Aktivisten an und gipfelte erst kürzlich wieder in der Heimsuchung des Jenaer Jugendpfarrers König, der sich erdreistete, in einem SPIEGEL-Interview das Handeln der Staatsschergen anzuprangern (http://www.jungewelt.de/2011/08-13/059.php). Offenbar gehen Staatsanwaltschaft und Polizei bei ihrer psychischen und physischen Terrorisierung von Nichtfaschisten nach dem Motto "Nach der Blockade ist vor der Blockade" vor. (Wir natürlich auch.)

Wie breit das Spektrum profaschistischer Kräfte ist, mögen folgende Tatsachen belegen: Bei der Suche nach Informationen über das Bündnis "Dresden nazifrei" gab ich in der Suchmaschine http://www.google.com "Dresden nazifrei" als Suchbegriffe ein. Überrascht stellte ich fest, daß die Internetseite des Bündnisses auf den ersten drei Seiten gefundener Verknüpfungen gar nicht erscheint, auf der 4. Seite der Suchergebnisse dann nur eine Unterseite, deren Internetadresse anders beginnt. Dass das nicht an der Unauffindbarkeit der Bündnisseite liegt, beweist die gleiche Suche mit http://de.search.yahoo.com, welche die richtige Adresse gleich auf dem 1. Platz auflistet. Ähnliches wie bei Google erlebt man bei Wikipedia. Während man dort Informationen über jeden Kaninchenzüchterverein mit mehr als zwei Mitgliedern findet, liefert eine Suche nach dem Bündnis "Dresden nazifrei" - nichts. Ein Schalk, der Böses dabei denkt!

Zuletzt möchte ich noch die sich sonst so oppositionell gebende Piratenpartei erwähnen. Schon auf einer Vorbereitungssitzung der Blockaden äußerte ihr Vertreter, die "Piraten seien ja für die freie Verbreitung von Informationen." Offensichtlich gehören faschistische für sie dazu. Doch nicht nur das: am 19.02.2011 veranstalteten sie in der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein (einer der großen faschistischen Vernichtungsstätten Behinderter im Rahmen der T4-Euthanasie) einen Rundgang. Sicher kann an dieser Stätte hervorragend auf die faschistischen Verbrechen aufmerksam gemacht werden, aber ausgerechnet an diesem Tag Antifaschisten aufzufordern, statt an den Blockaden in Dresden teilzunehmen, nach Pirna zu fahren, lässt arge Zweifel an der antifaschistischen Zielstellung aufkommen.

An dieser Stelle das Verhalten aller Parteien und Organisationen und ihrer verschiedenen Strömungen zu analysieren, wäre mit viel Zeitaufwand möglich. Aber ich möchte hier anhand von Beispielen nur einige Eckpunkte aufzeigen, um mögliche und weitgehend auszuschließende antifaschistische Bündnispartner ausfindig zu machen. Also weiter:

Gleichgültige

Hiermit wären wir bei den Gleichgültigen. Sicher sind die Erfolge der Dresdner Blockaden mit etwa 12.000 Teilnehmern im vergangenen und 20.000 in diesem Jahr ebenso beeindruckend wie die Tatsache, dass die großen Faschistenaufmärsche nun schon zweimal hintereinander verhindert werden konnten. Angesichts der Einwohnerzahl Dresdens von etwa 500.000 und der Tatsache, dass die meisten Blockierer keine Dresdner waren, wird aber deutlich, dass die überwiegende Mehrheit (mehr oder weniger) gleichgültig ist. Jedenfalls gleichgültig oder eingeschüchtert genug, um nicht aktiv zu werden. Und das, obwohl gerade auch Dresdner verheerende Erfahrungen mit den Folgen der faschistischen Diktatur des Finanzkapitals machen mussten.

Selbstverständlich erklären Viele, daraufhin angesprochen, dass sie keine Faschisten mögen, die sie selten Faschisten, sondern meist unisono mit den bürgerlichen Propagandisten "Neo-Nazis", "Rechtsextreme" oder "Rechte" nennen. Aber ihnen ist gleichgültig, ob die Faschisten marschieren oder nicht. Andererseits greift die staatliche Einschüchterung und die städtische Ablenkung (in Form der erwähnten faschistenfernen Menschenkette).

Die verschiedenen politischen Orientierungen und Motive der übergroßen Masse Gleichgültiger zu erfassen, würde nichts an ihrer objektiven Funktion ändern.

Antifaschisten, Antikapitalisten und Kommunisten

Selbstverständlich sind Antikapitalisten wie Kommunisten naturgemäß Antifaschisten - falls sich Jemand fragt, warum ich sie gesondert aufführe. Aber auch die Gruppe der Antifaschisten ist sehr inhomogen, weshalb ich sie hier nochmals untergliedere, nämlich anhand ihrer abgestuften Erkenntnis des Charakters des Faschismus als gesellschaftliche Erscheinung des Imperialismus in der Krise.

Viele tun im Rahmen faschistischer Großveranstaltungen etwas gegen diese Veranstaltungen. Allerdings ist den Wenigsten davon klar, dass bei Beibehaltung des Kapitalismus dieser immer seine imperialistische Phase erreichen, in eine schwere allgemeine Krise geraten und damit zwangsläufig den Faschismus hervorbringen wird. (Manche unterscheiden hierbei noch die faschistische von der Militär- und Präsidialdiktatur, was aber aufgrund des gemeinsamen Charakters als "die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" [Georgi Dimitroff] nur formale Unterschiede beinhaltet sowie durch die Herausstellung von Militär oder einer Person von der Herrschaft des Finanzkapitals ablenkt).

Wer eine Aufstellung der antifaschistischen Kräfte sucht, findet sie auf der Seite des Bündnisses "Dresden nazifrei"
http://dresden-nazifrei.com/ in Form der Unterzeichner des Aufrufs zur Faschistenblockade. Unter den Erstunterzeichnern finden sich Vertreter der Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die LINKE sowie der Gewerkschaften ver.di, NGG, DGB Jugend, DGB, GEW und der Organisationen Zentralrat der Muslime, Pax Christi, VVN-BdA, Zentralrat der Juden, des Bundesausschusses Friedensratschlag und der Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), weiterhin verschiedene Künstler. Weitere 1.015 Personen und insgesamt 287 Organisationen unterzeichneten. Ihr seid sicher froh, wenn ich die hier nicht im Einzelnen darstelle, was mich und Euch auf Jahre ohne tatsächlichen Informationsgewinn beschäftigte.

Zumindest lässt sich über die Unterzeichner aussagen, daß sie wissen, was ihnen in einer faschistischen Diktatur blüht. Die deutsche Geschichte verlief in dieser Beziehung ja nicht gerade subtil.

Gleichzeitig ist auch klar, daß die Angst vor und Ablehnung der faschistischen Diktatur bürgerliche Parteien und Gewerkschaften selbstverständlich nicht zu Kämpfern gegen den Kapitalismus und schon gar nicht zu Kommunisten macht. Im Gegenteil, viele davon sitzen ja am Fressnapf des bürgerlichen Parlamentarismus oder der Asozialpartnerschaft zwischen Finanzkapital und verräterischen Gewerkschaftsspitzen. Aus anderen Zusammenhängen kennen wir viele Unterzeichner ja als knallharte Antikommunisten (ich denke da nur an die (Anti-)Kommunismusdebatte, welche schon die bloße Erwähnung von "Wege[n] in den Kommunismus" durch Gesine Lötzsch (Die LINKE) auf der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz hervorrief).

Wie die Entwicklung in der BRD trotz der Erfahrungen im faschistischen Deutschen Reich zeigte, ändert selbst die Erfahrung der eigenen Verfolgung kaum etwas am Drängeln an die scheindemokratischen Fressnäpfe des bürgerlichen Parlamentarismus, sobald diese Wiege des Faschismus den deutschen Michel wieder in den Schlaf schaukelt.

Wer sind aber nun die Antikapitalisten, welche keine Kommunisten sind? Das ist ein Problem, denn aus dem Kapitalismus führt nunmal nur die proletarische Revolution, die wiederum nur unter Führung einer kommunistischen (also marxistisch-leninistischen) Partei etwas wird. Was ist aber mit Jenen, welche den Kapitalismus und Kommunismus gleichermaßen ablehnen oder die klassenlose Gesellschaft ohne vorherige Diktatur des Proletariats wollen oder etwas "ganz Anderes", den berühmt-berüchtigten "Dritten Weg"? Ich denke da vordergründig nicht an festgefahrene Anarchisten, Trotzkisten oder Reformisten verschiedener Richtungen, sondern an die vielen jungen (und manchmal auch älteren) Suchenden, die sich dorthin verirrt haben. Sie sind zumindest an antifaschistischen Aktionen Teilnehmende, welche gleichzeitig den Kapitalismus ablehnen, sie haben den Zusammenhang zumindest teilweise mitbekommen - von verstanden will ich da nicht gleich reden.

Das ist ein guter Punkt, um mal auf das alternative Thema zu kommen: Antifaschistische Bündnispolitik. Und hier besteht bei vielen "Linken", darunter auch sich als Kommunisten Sehenden, ganz offensichtlich das Problem, zwischen Aktionseinheit und Einheit der Kommunisten zu unterscheiden. Dabei ist das ganz einfach.

Bündnisse

Zunächst müssen wir uns bewusst sein, dass wir innerhalb antifaschistischer Aktionsbündnisse in der BRD derzeit weder die Hauptkräfte mobilisieren noch die Richtung bestimmen können. Ich erinnere mich da an Fotos von einem Streik, ich weiß nicht genau welchen, auf dem urplötzlich die MLPD auftauchte und ihn als maßgeblich von ihr initiiert und dominiert verkaufen wollte. Ich war schwer beeindruckt (von soviel Schaustellerei).

Selbstverständlich streben wir an, antifaschistische Aktionen organisieren und führen zu können. Aber das ist Zukunftsmusik. Derzeit müssen wir uns an bereits existierenden Bündnissen beteiligen und versuchen, sie über ganz praktische Vorschläge zu beeinflussen. So brachte ich bei einem Vorbereitungstreffen der Blockaden 2010 den Vorschlag für eine zentrale Losung ein: "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!", der dann wohlwollend diskutiert wurde und auf dem Fronttransparent der größten Blockade am Platz der Einheit (derzeit Albertplatz) stand. Vielleicht aufgrund meiner Anregung, vielleicht auch nicht. Jedenfalls war die Losung gut. Bei solchen Aktionen müssen wir pragmatisch vorgehen und jeden Bündnispartner unterstützen, der in unmittelbaren Zielen und Mitteln mit uns übereinstimmt. Bei antifaschistischen Aktionen kann das sogar Bündnisse mit Antikommunisten beinhalten. Ansonsten sind wir entweder draußen und/oder stehen weitgehend allein da.

Aber auch hier sind Grenzen gesetzt. Eine Unterstützung der städtischen Menschenkette oder anderer Aktionen, welche Kräfte von den antifaschistischen Blockaden abziehen sollen (ich erwähnte bereits die Piratenpartei) und damit die Faschistenaufmärsche fördern, ist keine antifaschistische Bündnispolitik. Geheuchelte Lippenbekenntnisse wie z.B. der mit großem Gedöns im Dresdner Rathaus aus der Taufe gehobenen aufgeblähten Totgeburt "Dresden für Demokratie" (http://www.dresden-fuer-demokratie.de/) sind nicht unterstützenswert. Auch wenn ewige Optimisten wie das "Kommunistische Aktionsbündnis Dresden" Jahr für Jahr neue erfolglose Reanimationsmaßnahmen versuchen. Die darin gesammelten Kräfte reichen bis weit in das erwähnte profaschistische Spektrum hinein (ich meine hier "Dresden für Demokratie", nicht das KAD).

Aufgaben der Kommunisten

Selbstverständlich sind Veranstaltungen wie die Dresdner Blockaden der Faschistenaufmärsche geeignet, über die gesellschaftlichen Ursachen des Faschismus aufzuklären, kommunistische Kräfte bekannt zu machen und neue Mitstreiter zu gewinnen. Vor Allem in den Reihen der antifaschistischen und antikapitalistischen Kräfte, welche ich bereits erwähnte. Hierzu sind die Verteilung von Flugblättern und Aufklebern sowie persönliche Gespräche geeignet.

Aufgrund der sehr inhomogenen Teilnehmer sind dabei aber keine Wunder zu erwarten. So wurden während der Blockaden 2011 durch einen Genossen etwa 350 Flugblätter verteilt, verbunden mit der Bitte um eine Rückmeldung per eMail. Ergebnis: keine einzige Antwort.

Sicher lässt sich das durch koordiniertes Handeln verbessern.

Unabdingbar ist, bereits an den Vorbereitungen solcher antifaschistischer Aktionen sichtbar teilzunehmen und als Kommunisten erkennbar aufzutreten, vorwiegend in den Reihen der antifaschistischen Aktivisten. Zu den Aktionen selbst müssen wir alle verfügbaren Kräfte mobilisieren. Dort, bei den Aktionen, aber mittels beispielsweise auffälliger, provokanter Transparente die Aufmerksamkeit der Faschisten, der bürgerlichen Medien und der Staatsmacht auf uns zu lenken, halte ich aufgrund unserer geringen personellen Möglichkeiten für kontraproduktiv. Besser wären hier als Propagandamittel Flugblätter oder Minibroschüren einzusetzen, begleitet von persönlichen Gesprächen, während wir uns mit den Transparenten an die im Bündnis beschlossene Linie halten. Das gilt zumindest für die Blockaden der größten europäischen Faschistenaufmärsche in Dresden.

Selbstverständlich können sich die Bedingungen von Region zu Region unterscheiden. Die Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen Profaschisten und Antifaschisten sowie Antikommunisten und Kommunisten können jeweils nur die Genossen vor Ort treffen. Weshalb ich mich hier auf die Dresdner Verhältnisse beziehe.

Wie ich schon schrieb: Nach den Blockaden ist vor den Blockaden. Der Stand der Vorbereitung für die Blockade des Faschistenaufmarsches 2012 kann der Seite des Bündnisses "Dresden nazifrei" entnommen werden. Genauso, wie die Faschisten und der Staat ihre Strategie und Taktik aufgrund der zwei erfolgreichen Blockaden 2010 und 2011 verfeinern, steht diese Aufgabe der Verfeinerung unserer Strategie und Taktik selbstverständlich auch vor uns. Dazu gehört selbstverständlich auch die Mobilisierung von bisher Gleichgültigen, auf welche ich hier nicht eingegangen bin, und welche NUR im Vorfeld erfolgen kann.

Ach ja, wem die vielen "ich" in meinem Artikel sauer aufstoßen: Er entstand unter ein klein wenig Zeitdruck und ist nunmal kein Standpunkt einer Organisation und schon gar kein Allgemeingut kommunistischer Ideologie.

Torsten Reichelt, Dresden

Raute

Luca und Carsten: Dortmund stellt sich quer!

Am 3. September wurde Dortmund Schauplatz eines Aufmarsches der deutschen Faschisten, die auch dieses Jahr erneut durch die bürgerliche Polizei geschützt ihre reaktionären und volksfeindlichen Parolen durch Dortmund tragen konnten. Unter der Losung eines so genannten "nationalen Antikriegstages" marschierten die Faschisten ausgerechnet an jenem Tage, der uns an den Überfall des Hitlerfaschismus auf Polen und somit an den Beginn des Zweiten Weltkrieges erinnert. Mit etwa 700 Neonazis aus der gesamten BRD erreichten die Veranstalter jedoch nicht die erwarteten 1000 Demonstrationsteilnehmer.

Wie jedes Jahr organisierte sich allerdings auch ein Gegenprotest von über zehntausend Demokraten aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und verschiedener Weltanschauungen, um zu demonstrieren: Keinen Fußbreit den Faschisten in Dortmund! Bereits im Vorfeld erstellte das antifaschistische Bündnis "Dortmund stellt sich quer!" ein Blockadekonzept, welches NPD und Konsorten am 3. September daran hindern sollte, ungestört durch Dortmund marschieren zu können. Für die Blockaden warben antifaschistische Organisationen und Gruppen bundesweit durch verschiedene Aktionsformen. Allerdings wusste die BRD mit 5.000 hoch gerüsteten Polizisten diese Pläne der Antifaschisten zu verhindern. Der Naziaufmarsch konnte zwar stellenweise gestört, jedoch nicht blockiert oder gar verhindert werden.

Auch die faschistischen Volksfeinde mobilisierten schon in den Wochen vor dem 3. September für ihren Aufmarsch: Sie verteilten Flugblätter in der Dortmunder Innenstadt, führten Aktionen mit Transparenten durch, veranstalteten eine Kundgebung und eine Vorabend-Demo und schreckten auch nicht davor zurück, Dortmunder Kommunisten und andere Linke mit Hakenkreuzschmierereien zu bedrohen.

Der 3. September

Trotz des gewaltigen Polizeiaufgebots gelang es vielen Antifaschisten, die Nazidemo durch Blockaden zu stören und zu verzögern. Die Anwohner vor Ort reagierten solidarisch und unterstützten die Blockadeteilnehmer mit Speisen und Getränken. Der gesamte Gegenprotest hat deutlich gemacht, dass der Faschismus auch unter den Werktätigen Dortmunds trotz massivster Bemühungen keine Massenbasis gefunden hat, dass die Faschisten nicht im Stande war, die Werktätigen einzulullen und vor den Karren ihrer Agenda des Chauvinismus und des imperialistischen Krieges zu spannen.

Mit 5000 Polizeikräften riegelten die bewaffneten Organe der BRD die Dortmunder Innenstadt hermetisch ab, ihre Strategie für diesen Tag machten sie bereits zu Beginn der Gegendemonstrationen klar: Pfefferspray und Schlagstockeinsätze gegen Antifaschisten, um den Faschisten freies Geleit zu gewährleisten. Auch im weiteren Verlauf des Tages kesselte die Polizei hunderte Demonstranten ein und ließ Dutzende von ihnen in Gefangenentransportern abführen. Die Antwort der Polizei auf den friedlichen Protest tausender Bürger war also stets Gewalt.

Auf der andereren Seite muss auch eine solidarische Kritik angebracht werden: Der 3. September war fest in der Hand der bewaffneten Organe der BRD, sie waren die bestimmende Kraft des Tages. Der Gegenprotest stand i.d.R. vollkommen ohnmächtig vor Polizeikette und Wasserwerfer, war zum Teil desorientiert und führungslos, was dazu führte, dass hunderte Antifaschisten an den Kundgebungsorten hingehalten wurden und nicht wussten: Wohin und was nun? Offensichtlich war es keinem der antifaschistischen Bündnisse gelungen, die Massen erfolgreich zur Blockade zu bewegen.

Allen aufrechten Demokraten sagen wir: Nur Disziplin und Einigkeit macht uns stark. Lernt vom Genossen Lenin, wenn er sagt: "Das Proletariat besitzt keine andere Waffe im Kampf um die Macht als die Organisation."

Die "linken" Phrasen der Faschisten

Ziel der Propagandatätigkeit der Kommunistischen Initiative auf den antifaschistischen Demonstrationen war das grundsätzliche Demaskieren der leidigen "linken" Schutzbehauptungen der faschistischen Volksfeinde von "Nationalismus" und "Sozialismus", um hinter diesen die wahren Wurzeln des Faschismus, seine Klassenwurzeln, zu Tage zu fördern.

"Und wenn diese abgefeimten Imperialisten und schlimmsten Reaktionäre immer noch fortfahren sich in die Toga von 'Nationalisten' und 'Sozialisten' zu hüllen so tun sie das zu dem Zweck, das Volk zu betrügen, einfältige Leute zum Narren zu halten und mit der Flagge des 'Nationalismus' und 'Sozialismus' ihr imperialistisches Räuberwesen zu tarnen. Krähen, die sich mit Pfauenfedern schmücken .... Aber wie sehr sich Krähen auch immer mit Pfauenfedern schmücken mögen, sie hören deswegen nicht auf, Krähen zu sein."

Mit diesen Worten beendete Genosse Stalin eine schonungslose Entlarvung des "Sozialismus" und "Nationalismus" der Hitlerfaschisten in seiner Rede vor dem Moskauer Sowjet zum 25. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, dem 6. November 1941, in der er die Quellen des zwangsläufigen Scheiterns des Hitlerkrieges aufzeigte, während die faschistische Wehrmacht noch blind und siegessicher die Sowjetunion verwüstete. An der aktuellen Propaganda des deutschen Faschismus gemessen haben diese Worte eine unveränderte Gültigkeit, auch für den antifaschistischen Kampf unter den heutigen Bedingungen.

Der Faschismus, Kampfreserve der Monopole, Träger der wütendsten nationalen Unterdrückung der Völker und sozialen Versklavung der internationalen Arbeiterklasse, des imperialistischen Krieges in seinen bestialischsten Formen und eines entmenschten, mittelalterlichen Progromwesens, ist der größte Feind der nationalen und sozialen Befreiung Deutschlands. Jeder Antifaschist, der diese Lügen durchschaut, erfüllt seine nationale Pflicht im schonungslosen Kampf an der Seite aller demokratischen Kräfte unseres Volkes gegen den Faschismus und gegen alle Versuche der herrschenden Klasse zur weiteren Entdemokratisierung und Faschisierung der BRD.

Allen durch den Faschismus Irregeführten und Mitläufern rufen wir zu: Macht euch frei von denen, die euch belügen und benutzen wollen als Totengräber Deutschlands und Mörder eurer Landsleute, die Euch als Knüppelgarde und Terrorbande bereit halten wollen für etwaige Zeiten, in denen den Monopolen die Merkels, Wulffs, Gabriels, Schröders und so weiter nicht mehr hinreichen, um ihre Macht zu sichern.

Die "Zukunft unserer Kinder", eine Parole, mit der die NPD Dortmund schon auf Wahlplakaten hausieren ging, lässt sich in Verdun und Auschwitz besichtigen.

Fazit

Auch 2012 wird uns ein "nationaler Antikriegstag" unter den Fahnen des imperialistischen Gemetzels in der BRD nicht erspart bleiben. Erster Garant dafür ist die Demokratieauffassung der herrschenden Klasse, sich Keimzellen zur Zerschlagung der Demokratie und Aufrichtung der offenen terroristischen Diktatur in aller Freiheitlichkeit warm zu halten, auf Distanz und wenig liebevoll, aber doch geschützt genug, um von den wahrhaft demokratischen Kräften nicht vor der Zeit zu Recht zertreten zu werden.

Wenn auf deutschen Straßen Faschisten marschieren, rücken sie all zu leicht in den Hintergrund: die neuen Umtriebe und Kriege des deutschen Imperialismus, dem seit der Konterrevolution in der DDR keine Nationale Volksarmee der Arbeiter und Bauern mehr gegenüber steht, bereit dem gierigen Räuber gestützt auf ein mächtiges Weltfriedenslager in den Arm zu fallen. So greift er im Verein mit dem NATO-Kriegspakt nacheinander nach dem Balkan, Afghanistan, dem Golf von Aden und anderen strategischen Zielen der Monopole.

Unsere Kampfaufgabe muss heißen, mehr noch der volksfeindlichen Kriegspolitik der BRD-Regierung als dem "nationalen Antikriegstag" der Faschisten einen Weltfriedenstag des ganzen Volkes gegen Faschismus und Krieg entgegen zu setzen. Wir appellieren daher an alle aufrechten Antifaschisten und Antimilitaristen, an alle Demokraten: Mögen die Ziele, die Methoden und die Sprache vieler unserer Weltanschauungen unterschiedlich sein, so ist es doch zwingendes Gebot der Stunde, zu gemeinsamen Zielen, zu einer einheitlichen Methode und einer gemeinsamen Sprache zu finden. Die antifaschistisch-demokratische Ordnung, die wir erkämpfen wollen, ist dieselbe, so wie der Hass gegen Mord, Elend und Unrecht derselbe ist.

Was gewinnen wir, wenn noch mehr junge deutsche Männer und Frauen als Besatzer in fremden Ländern, noch mehr afghanische Familien unter deutschen Bomben oder durch deutsche Kugeln sterben, nur weil wir uns für das Lebensrecht dieser Menschen nicht einigen können?

Organisieren wir uns besser, damit nicht mehr die bewaffneten Organe der BRD uns diktieren können, wohin wir zu gehen und wo wir uns den Kriegshetzern entgegen zu stellen haben und wo nicht, sondern damit wir in der Lage sind, von der Straße aus der Regierung der BRD eins zu diktieren: den Frieden! Dies soll aus unserer Sicht unser gemeinsames Ziel für die nächsten Jahre sein. Die kraftvollen Proteste am 3.9. lassen für seine Umsetzbarkeit Gutes hoffen.

Auf eine erfolgreiche Blockade des Faschistenaufmarsches 2012!

Raute

Gerhard Feldbauer: Und die EU schaut zu - Faschisierungsprozesse in Europa

Die sozialistische Niederlage 1989/90 in Europa, die der Imperialismus in frenetischem Antikommunismus feiert, gibt bis heute weltweit faschistischen und reaktionärsten Kräften verschiedenster Couleur Auftrieb. Die Faschisten, engste Verbündete des Imperialismus in dessen Kampf gegen den Sozialismus, beanspruchen ihren Platz in der ersten Reihe der vorgeblichen "Sieger der Geschichte". Wie zu Hitlers und Mussolinis Zeiten bildet der Antikommunismus in Politik und Ideologie die tragende Säule. Das war keine ausschließlich auf Italien bezogene Entwicklung und sie setzte schon früher ein. Auch in der Bundesrepublik wurde der Boden fruchtbar gehalten. Bereits in den 1970er Jahren gab ein CSU-Freundeskreis für alle NPD-Sympathisanten die Parole aus "Wählt CDU/CSU, stärkt die Opposition, verhelft ihr wieder zur Macht! Franz Josef Strauß ist der kommende Mann". Mit dieser Stoßrichtung trat Franz Josef Strauß auf dem Parteitag in Nürnberg 1970 an die Spitze der "Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes", die der CSU NPD-Mitglieder zuführte. 1974 stellte er in seiner berüchtigten Sonthofener Rede klar, aufzuräumen, dass "bis zum Rest dieses Jahrhunderts von diesen Banditen es keiner mehr wagt, in Deutschland das Maul aufzumachen." Gemeint waren nicht nur Kommunisten, sondern die SPD und viele andere.(29) Das war über drei Jahrzehnte bevor Berlusconi 2001 auf einem EU-Gipfel in Göteburg den damals noch mehrheitlich sozialdemokratischen Regierungschefs damit drohte, mit der "Hinterlassenschaft der Linken" aufzuräumen und Italien "von Kommunisten und Ex-Kommunisten (den Linksdemokraten) zu befreien".

Diese Entwicklung wurde in Europa wie in den USA, darunter auch in Regierungen begrüßt und gefördert. Ebenso bezog sich das auf die EU und ihre Vorläufer.(30)

Deutschland/Italien

In Italien bildete der Mediendiktator Silvio Berlusconi, der seit den 1970er/80er Jahren dem Dreierdirektorium der faschistischen Putschloge Propganda due (P 2) angehörte, im April 1994 mit der faschistischen Partei Alleanza Nazionale (AN), die aus der Mussolini-Nachfolgerpartei Movimento Sociale Italiano (MSI) hervorging, und der offen rassistischen Lega Nord eine Regierung. Die FAZ begrüßte diese erste mit den Faschisten gebildete Regierung als Bruch eines "Tabu des Vergangenheitserbes", feierte Italien als neue "Avantgarde" und frohlockte, das werde "Auswirkungen im ganzen 'westlichen' Europa" haben.(31)

Die FAZ hatte zweifelsohne im Auge, dass Italien nach dem Machtantritt Mussolinis 1922 eine Vorreiterrolle für die Etablierung faschistischer Regimes in Europa (Ungarn, Bulgarien, Portugal, Spanien), und dann vor allem im Januar 1933 unter Hitler in Deutschland gespielt hatte. "Das Braunhemd", so räumte Hitler in seinen "Monologen im Führerhauptquartier" noch 1941 ein, wäre vielleicht nicht entstanden ohne das Schwarzhemd". Er gestand ebenso, dass Mussolini einmal für ihn "eine ganz große Persönlichkeit" darstellte.(32) Besonders aber waren führende Kreise des Industrie- und Finanzkapitals in Deutschland damals beeindruckt, wie es dem "Duce" gelang dem italienischen Imperialismus in Gestalt der faschistischen Partei eine Massenbasis zu verschaffen, über die er vorher nie verfügt hatte. Von da an unterstützten Ruhrschwerindustrielle um Thyssen und Stinnes Hitler finanziell kräftig, um ihn auf einem ähnlichen Weg an die Macht zu verhelfen.(33)

In der Bundesrepublik konnte die MSI(34) schon in den 1960er Jahren ein Netz von Auslandsleitungen bilden, die sich zwar verharmlosend Trikolorekomitees nannten, aber als regelrechte Parteibüros fungierten und unter den Hunderttausenden italienischen Gastarbeitern MSI-Ortsgruppen bildeten, so in München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Augsburg, Köln, Wolfsburg und in zahlreichen weiteren Städten. Sie gaben die Monatszeitschrift Oltreconfine (Jenseits der Grenzen) heraus und konnten viele faschistische Propagandamaterialien verbreiteten. Auch die CISNAL-Gewerkschaft der MSI war mit einem Nationalen Verein für sozialen Beistand (Ente Nazionale Assistenza Sociale) vertreten, der 20 Büros unterhielt. 1995 wurden die faschistischen Auslandsorganisationen von der MSI in die AN überführt, ihre Zeitschrift erschien danach als Nuovo Oltreconfine. Vom regen Austausch von Delegationen und Studiengruppen zeugte im September 1977 der offizielle Gastbesuch einer MSI-Delegation auf dem CSU-Parteitag in München. Das MSI-Blatt Secola d'Italia würdigte am 27. September "die Führung von Strauß" bei "der Vereinigung der Rechten Europas im Kampf gegen die kommunistische Gefahr" und hielt fest, die CSU gebe den Rechten Europas "einen starken Anstoß". Im April 1979 nahm eine Abordnung der MSI am Bundeskongress der Habsburgischen Paneuropäischen Union in Wiesbaden teil und traf mit deren Vizepräsidenten, dem CSU-Abgeordneten Alfons Goppel zusammen. Der Vorwärts schrieb, MSI-Leute und CSU-Vertreter stimmten im "allgemeinen antikommunistischen Konsens" überein, "das Netz linksradikaler Systemveränderer auszuschalten". MSI-Chef Giorgio Almirante, unter Mussolini Staatssekretär, der noch kurz vor Kriegschluss einen Genickschusserlass gegen Partisanen unterzeichnet hatte, konnte im italienischen Fernsehen die "guten Kontakte zur bayerischen CSU" und die Übereinstimmung in "politischen Fragen" würdigen. Gute Beziehungen unterhielt die MSI auch zur Hans Seidel-Stiftung der CSU, die in 76 Ländern Büros unterhielt und Kontakte zur Militärjunta Pinochets, zu anderen diktatorischen Regimes in Südamerika und zu den Rassisten in Südafrika unterhielt. In den Räumen der Stiftung in Rom waren die italienischen Faschisten stets gern gesehene Gäste.

Ein nützliches Bindeglied für die MSI war in der Bundesrepublik die Italienisch-Deutsche Freundschaftsgesellschaft, auf deren Gründung Pino Rauti, die Nummer Zwei der Bewegung und Chef der faschistischen Terrorbanden, persönlich Einfluss genommen hatte. In den 1960er Jahren stand an der Spitze des Vereins der berüchtigte Terrorist Giovanni Ventura, der 1979 in Abwesenheit wegen Teilnahme an dem Bombenanschlag auf die Mailänder Landwirtschaftsbank auf der Piazza Fontana (16 Tote, über 100 Verletzte) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er war vorher nach Bad Tölz geflohen, von wo aus der über Interpol gesuchte Verbrecher später außer Landes gebracht wurde. "In der Bundesrepublik haben italienische Neofaschisten schon immer den notwendigen Beistand, alle Mittel und auch die Pässe erhalten, um sicher weiterfliegen zu können", kommentierte der römische Messagero am 26. Januar 1979.

Die Kontakte der MSI erstreckten sich ebenso auf Industrielle, die CDU/CSU und nicht zuletzt auf Bundeswehr und BND. Diese Beziehungen hatte der Nazi-General Reinhard Gehlen, als er den BND aufbaute, zum Chef des italienischen Geheimdienstes SID, General Vito Miceli, einem früheren Mussolini-Offizier und späteren MSI-Mann, hergestellt. Es belastete die deutsch-italienische Geheimdienstzusammenarbeit nicht im Geringsten, dass in der Organisation Gehlen (dem Vorläufer des BND) alte Kameraden verwendet wurden wie der SS-Mann Johannes Clemens, der zu dem Kommando gehörte, das im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom 335 Geiseln ermordet hatte.(35)

Von den guten Beziehungen zur Bundeswehr zeugte, dass Rauti zusammen mit dem Terroristenführer und CIA-Agenten Guido Giannettini im Herbst 1969 an einem Lehrgang für psychologische Kriegführung an der Bundeswehrschule in Euskirchen teilnahm. Auf dem Programm stand auch ein Besuch in der Schule der Panzertruppen, wo die Gäste den damals "streng geheimen" Panzertyp "Leopard" besichtigen konnten. Nach dem Studienaufenthalt begab sich Rauti nach Calabria in Süditalien, wo er die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen organisierte, die den Boden für einen von NATO, CIA und Faschisten geplanten Putsch bereiten sollten. Im Frühjahr 1972 entdeckte die italienische Polizei in der Nähe von Rom ein umfangreiches faschistisches Waffenlager (Karabiner, MPs, Maschinengewehre, Handgranaten, Minen und selbst Artilleriegeschosse). Ein Großteil der Waffen stammte aus der Bundesrepublik.(36) Ans Licht kam, dass einer der Drahtzieher derartiger Waffenlieferungen der frühere SS-Standartenführer Otto Skorzeny war, der in Padua und Bari Büros unterhielt. Die Unita enthüllte am 28. Dezember 1974, dass Waffenlieferungen aus der Bundesrepublik für die italienischen Faschisten schon seit Jahren einträfen und nannte es seltsam, dass derartige Transporte in der BRD noch nie aufgeflogen seien.

Offizielle Kreise der Bundesrepublik waren an der Flucht des Nazikriegsverbrechers Herbert Kappler, Obersturmbannführer und Polizeichef der SS während der Hitlerokkupation in Rom,(37) beteiligt. Der römische Europeo berichtete, dass dem Stab, der Kapplers Flucht organisierte, etwa 40 deutsche Nazis, Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes und alte Kameraden des SS-Regiments Bozen angehörten, die mit dem italienischen Geheimdienst SID zusammenwirkten.(38)

Der Bogen der deutschen Sympathien für Italiens Faschisten und ihre Steigbügelhalter spannte sich nahtlos zum bereits erwähnten Amtsantritt Berlusconis im Frühjahr 1994. Helmut Kohl empfing ihn im Juni 1994 in Bonn mit Sympathie und Verständnis. Berlusconi und seine Regierung waren damals noch bei Staatsmännern wie Mitterand und Delor, in Belgien und Skandinavien isoliert. Kohl holte ihn aus diesem Abseits und machte ihn salonfähig. Während die faschistischen Koalitionspartner des Italieners Mussolini und seine "guten Taten" priesen, auf dem Balkan Grenzrevisionen forderten und Konzentrationslager für Homosexuelle verlangten, tönte der deutsche Kanzler von einem "historischen Augenblick" für Italien und kaschierte die rechtsextreme Wende mit Sprüchen vom "gemeinsamen Aufbau der Demokratie in beiden Ländern". Der römische Regierungschef konnte auf der Bonner Bühne propagieren, dass seine faschistischen Bündnispartner keine Neofaschisten seien und eine "saubere Weste" hätten.

1998 ritt Kohl eine neue Attacke für Berlusconi, als er mit den Stimmen der CDU/CSU in Straßburg die Aufnahme der faschistoiden Forzapartei Berlusconis in die Fraktion der Europäischen Volksparteien durchsetzte. Mit der Erklärung, er habe "Europa nicht geschaffen, um es den Sozialisten zu überlassen", bekannte der deutsche Kanzler unverblümt seine Übereinstimmung mit der von Berlusconi in Italien geführten Hetze gegen Kommunisten und Linksdemokraten, um diese aus Regierung und Parlament auszuschließen. 1999 traf Kohl auf dem römischen Capitol mit dem wegen Zusammenarbeit mit der Mafia und der Anstiftung zum Mord zur Vertuschung seiner Verwicklung in das Komplott gegen den christdemokratischen Parteiführer Aldo Moro(39) angeklagten früheren Ministerpräsidenten Giulio Andreotti zusammen und bekundete öffentlich "sein Vertrauen in dessen Unschuld".(40) Die Zeit gewährte Fini 2000 ein Interview, in dem dieser unwidersprochen seine Faschisten als "glaubwürdige Demokraten", die nie "ein anderes als das demokratische System gewollt" hätten vorstellen, den Faschismus als "nur eine Art Ritual (...) und einfach nostalgisch" verharmlosen und entgegen der Wahrheit behaupten konnte, "keine Gebietsansprüche auf Dalmatien und Istrien gestellt" zu haben.(41)

Als der Mediendiktator im Mai 2001 mit Faschistenchef Fini als Premier erneut die politische Exekutive übernahm drückte die CDU/CSU die Hoffnung aus, mit dieser Regierung möge in der EU die Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierungen beginnen. Der damalige CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber lud den faschistoiden Regierungschef zum Staatsbesuch nach München ein. Eine weitere Einladung folgte demonstrativ nach den blutigen faschistischen Ausschreitungen der Berlusconi-Polizei auf dem G8-Gipfel in Genua für den Besuch des CSU-Parteitages in Nürnberg im Oktober 2001. Nach entschiedenen antifaschistischen Protesten, darunter in der Bundesrepublik, wurde sie dann stillschweigend nicht wahrgenommen.(42)

Keine Einwände in Brüssel

Die EU, wo nicht nur rechte, sondern auch rechtsextreme Parlamentarier zunehmend an Einfluss gewannen, trug das ihre dazu bei, Berlusconi und seine Bündnispartner hoffähig zu machen. Weder 1994 noch 2001 und schon gar nicht 2008 gab es Einwände gegen die Aufnahme bekannter und bekennender Faschisten, darunter frühere SS-Offiziere und Revanchisten oder offene Rassisten in die Regierungen Berlusconis. Widerspruchslos wurde auch 2002 die Nominierung des Führers der AN-Faschisten Gianfranco Fini für den Straßburger Konvent zur Ausarbeitung einer europäischen Verfassung hingenommen. Proteste, wenn auch nur partiell, gegen die Berufung Berlusconis als Ratspräsident(43) im Sommer 2003 nahm man in Straßburg nicht zur Kenntnis. Um das Amt antreten zu können, hatte der kriminelle Regierungschef, gegen den vor einem Mailänder Gericht gerade wieder ein Korruptionsverfahren lief, seine berüchtigte Lex Berlusconi angewendet. Der stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion in der EU, Martin Schulz von der SPD, übte scharfe Kritik an dem Ausnahmegesetz und nannte das eine Manipulierung der Justiz. Berlusconi diffamierte ihn daraufhin mit den Worten, er solle in den Dreharbeiten zu einem laufenden italienischen Film über Konzentrationslager die Rolle des "Kapo" spielen. Die Äußerungen lösten einen Proteststurm über Strassburg hinaus aus. Die großbürgerliche Turiner La Stampa schrieb, dass der italienische Regierungschef "nicht berechtigt sei, Europa zu repräsentieren". Nichtsdestotrotz konnte der Medientycoon unbeschadet seine Amtszeit in der EU überstehen.

2004 zog die faschistische Hardlinerin,(44) die Enkelin des "Duce", Alessandra Mussolini, ins Europa-Parlament ein und wurde auch noch in den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres delegiert. Es gab nicht den geringsten Einwand. Ebenso verhielt es sich, als der AN-Faschist Giovanni Alemanno im April 2008 die Wahl zum Bürgermeister von Rom gewann und die Mussolini seinen Einzug ins Capitol mit Tausenden Anhängern mit Faschistengruß und "Viva il Duce"-Rufen als "Befreiung" Roms von kommunistischer Herrschaft, die nie existierte, feierte.(45) Im März 2011 bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Freispruch des Carabiniere Marco Placanica, der den Studenten Giuliano während der Proteste gegen den G8-Gipfel im Juni 2001 erschoss.(46)

Großbritannien, Österreich,

Inzwischen schlagen sich Tendenzen schleichender Faschisierung von Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien über Schweden, Polen und Tschechien bis in die Schweiz und nach Ungarn nieder. Großbritanniens Premier Tony Blair schloss bei einer Visite 2002 in Rom mit dem Mediendiktator ein Reformprogramm über mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, durchgehende Privatisierungen öffentlicher Unternehmen und weitere Maßnahmen des Sozialabbaus.

In Österreich wurde die FPÖ unter Jörg Haider bereits 1999 mit 26,9 Prozent Wählerstimmen zweitstärkste Partei und beteiligte sich von Februar 2000 bis 2002 an der Regierung der ÖVP. Nach einem Abstieg auf zehn Prozent und einer Spaltung holte sie 2008 im Bündnis "Zukunft Österreich" wieder zum alten Stand auf. Zu den Begleiterscheinungen gehört, dass sich Gemeindeverwaltungen noch immer weigern, die Straßennamen von Hitler u. a. Nazi-Größen oder Ehrenbürgerschaften zu tilgen. Selbst in der Bezirkshauptstadt Völkermarkt ist eine Strasse noch immer nach dem in Nürnberg zum Tode verurteilten und hingerichteten, aus Oberösterreich stammenden SS-Führer Kaltenbrunner benannt.(47)

Lettland, Litauen

In Lettland erhalten die Veteranen der SS-Legion, in der 140.000 Letten an der Seite der Hitlerwehrmacht kämpften und viele sich an Kriegsverbrechen beteiligten, Renten, während Partisanen diskriminiert und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. Wie der Wiener Neue Mahnruf berichtete, billigte der Straßburger EGMR, dass sowjetische Partisanen, die gegen die deutsche Besatzung kämpften, unter der Regierung in Riga als "Kriegsverbrecher" verurteilt wurden.(48)

In Litauen wurden zum 70. Jahrestag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion rechtsextreme Milizen, die bei Beginn der Aggression einen Aufstand gegen die Rote Armee begannen, als "Freiheitskämpfer" vorgestellt, der Holocaust relativiert und die Kollaboration mit den deutschen Faschisten gefeiert. Ungehindert kann der Holocaust zu einem "Mythos" erklärt werden, der zum Kassieren von Entschädigungen erfunden worden sei. In einem Vorort von Vilnius, wo 70.000 Juden ermordet wurden, sprühten Neonazis Hakenkreuze auf die Gedenksteine und dazu Sprüche wie "Hitler hatte Recht". Angehörige der litauischen Streitkräfte zeigten sich auf Facebooks mit tätowierten Hakenkreuzen und Nazisymbolen. Der Verteidigungsminister wiegelte ab: Tattoos seien "eine private Angelegenheit".(49)

Ungarn

In Budapest hat im Ergebnis wachsenden rechtsextremen Einflusses offener Antisemitismus an Boden gewonnen, ist ein Paragraf gegen die Leugnung des Holocaust aufgehoben worden, werden die Verbrechen der Horthy-Faschisten geleugnet und Kommunisten wieder verfolgt. Der frühere Direktor und als Forschungsprofessor abgesetzte Philosoph G. M. Tamás verwies auf die Säuberungen in öffentlich-rechtlichen Medien und im öffentlichen Dienst, wo Tausende entlassen und durch Parteileute der Rechten und auch der extremen Rechten ersetzt wurden. Die "antidemokratische Wende" habe sich - wie in Italien auch - "im Rahmen der Verfassung" vollzogen. Nationalismus, Rassismus und Pseudo-Antikapitalismus ergäben, von reichen Kapitalisten gesponsert, "eine sehr gefährliche Mischung", schätzte Tamás ein. "Noch nie war es so schlimm wie heute. Außer unter Horthy und der deutschen Okkupation".(50)

Im April 2011 verabschiedete der mit Zweidrittelmehrheit regierende Ministerpräsident Viktor Orbán von der ultrarechten Fidesz-Partei mit seinem Koalitionspartner, der Christlich-Demokratischen Volkspartei, an Stelle der bisherigen Verfassung ein Grundgesetz, das sich an deutsch-völkischen Gesichtspunkten orientiert, in eine "einheitliche ungarische Nation" die ungarischsprachigen Minderheiten der Nachbarstaaten einverleibt, die Staatsform "Republik" aus dem offiziellen Staatsnamen tilgt und parlamentarisch-demokratische Grundsätze aushebelt. Eine von der linken Opposition geforderte Volksabstimmung hatte Orbán als "zu nichts nutze" abgelehnt. Nach eigenem Bekunden knüpfen die Urheber des Grundgesetzes an die Zeit der faschistischen Diktatur von 1920-1945 des Reichsverweser Miklós Horty an.(51) Die den Fideszisten sonst zur Seite stehende neofaschistische Jobbik-Partei, die ein Sechstel der Parlamentssitze belegt, stimmte gegen das Grundgesetz, da es ihr nicht rechtsradikal genug war. Sie demonstriert ihren Rassismus mit der Jagd ihrer "Bürgerwehren" auf Zigeuner. Maßgeblich an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt war der EU-Abgeordnete der Fidesz-Partei Jozsef Szajer, der dem Verfassungsausschuss vorstand. Den deutschen Außenminister Guido Westerwelle hinderte das nicht, die derzeitige ungarische Ratspräsidentschaft der EU als "bemerkenswert erfolgreich" zu loben.(52) Professor Thomas Metscher erklärte, was da nicht nur bei uns, sondern in vielen Teilen Europas abläuft ist "eine schleichende Faschisierung unserer Gesellschaft, kein offener Faschismus, der hätte heute noch keine guten Karten, aber ein Prozess, der sich wie eine Krebserkrankung unter der Oberfläche vollzieht" und führte als Beispiel das Sarrazin-Syndrom an.(53)

USA und NATO

In den USA und der NATO zeigen sich in der Außen- und Militärpolitik seit langem in Terror und Massenmord faschistoide Züge. Seitdem die Ereignisse vom 11. September 2001 als Vorwand weltweiter Expansionskriege (von Irak und Afghanistan über Sudan und Somalia bis jüngst nach Libyen) dienen, werden sie in Missachtung eigener Verfassungsrechte und nahezu jeglichen Völkerrechts immer offensichtlicher. Es hat sich eine regelrechte Doktrin der Unterjochung der Völker unter USA-, NATO- und EU-Diktat herausgebildet.

Ähnliches trifft auf den barbarischen israelischen Terror gegenüber dem palästinensischen Volk zu.

Der Wiener Historiker Hans Kalt(54) warnte bereits 2000 mit Blick auf die faschistische Herrschaft in Deutschland und Italien, "nur mit Vorbehalt" sei zur Kenntnis zu nehmen, dass "gegenwärtig keine Bedingungen zur Wiederholung eines solchen Szenarios bestehen". Ausgehend von dem Weltherrschaftsstreben der USA meinte er, dass auf die Menschheit "eine neue qualitativ noch viel schrecklichere Phase imperialistischer Herrschaft (zukommt), für die eine adäquate Charakterisierung erst gefunden werden muss."(55)

Manfred Weißbecker verwies 2003 darauf, "dass das zur Zeit existierende politische und gesellschaftliche System in den USA wie auch in vielen europäischen Staaten Möglichkeiten genug besitzt, um in der Außenpolitik solche Praktiken und Ziele zu adaptieren, von denen bisher geglaubt wurde, sie wären mit dem ,klassischen' Faschismus untergegangen und ein für allemal diskreditiert."(56)


Gerhard Feldbauer, Künzel


Anmerkungen

(29) Renate Münder: Von Hitler zu Strauß. jW, 23. Febr. 2011.

(30) Die Übersicht konzentriert sich auf die Haltung der EU und auf einige Länder (Deutschland, Italien, Ungarn, Lettland, Litauen), bezieht nicht Frankreich ein, wo die Entwicklung (Front National) allgemein bekannt ist.

(31) FAZ, 23. April 1994. Siehe auch Feldbauer: Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien. Berlin 1996.

(32) Zit. nach Gerhard Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. München 1996, S. 13.

(33) Feldbauer: Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien. Köln 2002, S. 38 ff.

(34) Für "das Movimento" oder "der Partito" wird der deutsche Artikel benutzt.

(35) Braune Wurzeln. Der Spiegel, 7/2011.

(36) Vorwärts, 31. Okt. 1972.

(37) Kappler befehligte u. a. im März 1944 das eben erwähnte Massaker in den ardeatinischen Höhlen bei Rom. Dabei brachte er selbst mehrere Geiseln durch Genickschuss um.

(38) Nr. 44/1977.

(39) Moro, der mit der IKP eine Regierungszusammenarbeit eingeleitet hatte, fiel im Mai 1978 einem von der CIA, der geheimen NATO-Truppe Stay behind (die in Italien Gladio hieß) zusammen mit der P2 und italienischen Geheimdienstkreisen inszenierten Mordanschlag zum Opfer. Siehe Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro. Rote Brigaden und CIA: Köln 2000.

(40) "Italienische Verhältnisse", Ossietzky, 2/2000.

(41) Wiedergegeben in Nuovo Oltreconfine, 1/2000.

(42) "Eine Warnung vor Stoiber", Ossietzky, 19/2002.

(43) Es ging um den turnusmäßigen halbjährigen Vorsitz des Gremiums.

(44) Aus Protest gegen Finis partielle Distanzierungen vom Mussolini-Faschismus trat sie aus der AN aus und gründete eine eigene Partei Azione Sociale, die eine Fraktion in Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) bildet.

(45) Das letzte Stadtoberhaupt war der frühere Linksdemokrat und spätere Vorsitzende der Demokratischen Partei (DP), Walter Veltroni.

(46) A&K, 15. April 2011.

(47) Der neue Mahnruf, Nr. 3-4/2011.

(48) Ebd.

(49) Frank Brendle: Litauen ehrte seine Nazis, jW, 24. Aug. 2011.

(50) G. M. Tamás: Noch nie war es so schlimm. ND, 14. Jan. 2011.

(51) Arnold Schölzel: Verfassungsputsch. JW, 19. April 2011.

(52) Newsletter German Foreign Policy, 12. April 2011.

(53) Gespräch mit jW, 18. Dez. 2010. Von T. Metscher erschien das Buch "Logos und Wirklichkeit", Frankfurt/M. 2010.

(54) 2009 verstorben.

(55) Hans Kalt: Zur Faschismus-Diskussion, MB 5/2000, ferner Das Phänomen Jörg Haider, MB-Flugschriften 03.

(56) Manfred Weißbecker: God bless Amerika, jW, 23. Juli 2003.


Auf das Thema stoßen interessierte Leser auch in dem Buch unseres Autors: Geschichte Italiens. Vom Risorgimento bis heute. PapyRossa, Köln 2008.


Raute

STADTTEILARBEIT DER KI

KI NRW/Phil Ramcke: Auf dem richtigen Weg - von der spontanen Aktion einer neuen Gruppe bis zur systematischen Stadtteilarbeit

Im der Weimarer Republik waren die Kommunisten in vielen Städten bei Wahlen die stärkste Kraft. Aber nicht nur zur Entlarvung des Parlamentarismus als Deckmantel der Bourgeoise war die KPD angetreten, sondern zur Schaffung eines neuen Gesellschaftssystems: des Sozialismus. Deshalb war sie in vielen Städten, vor allem in den Arbeitervierteln, als Leiterin einer aufkommenden proletarischen Kultur mit dabei, den Menschen Hoffnung und Selbstvertrauen im täglichen Arbeitskampf zu geben, aber vor allem die Perspektive auf den Sozialismus auszurichten.

Arbeitersportvereine, eine revolutionäre Gewerkschaft und Arbeiterwehrorganisationen sind nur einige Realitäten, die die KPD hervorgebracht hat. Doch warum führt heute nur die Bourgeoise den Klassenkampf ð und den natürlich von oben?

Parteien, die sich im Sozialdemokratismus befinden oder auf konsequenten Weg sich dahin bewegen, sind noch sehr präsente Kräfte. Nicht weil ihr momentaner Weg richtig ist, sind sie noch präsent, sondern weil sie Überbleibsel von ehemals starken, revolutionären und marxistisch-leninistischen Parteien sind. Aber ihre Stärke befindet sich im steilen Abwärtstrend. Zwei Beispiele seien hier genannt: von der SED zur PDL und von der KPD zur DKP. Die Hinwendung zum Sozialdemokratismus macht eben diese Formationen für die Arbeiterklasse überflüssig. Der Niedergang ist bereits so weit fortgeschritten, dass die DKP in sehr vielen Orten nicht mehr existent ist.

Aber warum ist dieser Revisionismus eine solche Tragödie und warum siegt der Marxismus-Leninismus, der wissenschaftliche Kommunismus, doch?

Der wissenschaftliche Kommunismus ist, wie der Name schon sagt, eine Wissenschaft. Eine Wissenschaft - von der Analyse der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bis hin zum revolutionären Sturz des Kapitalismus und warum er historisch notwendig ist. Der Marxismus-Leninismus ist eine Wissenschaft ð beispielsweise wie die Mathematik: 1+1=2. Wenn man anfängt darüber zu philosophieren, ob das "+" noch zeitgemäß ist oder nicht, wird die Rechnung keinen Sinn mehr ergeben. Genau so ist es mit dem Klassenkampf.

Die Tragödie des Revisionismus zieht sich durch fast alle grundlegenden Themen der kommunistische Partei: Die Partei soll nicht mehr das Proletariat leiten, für manche gibt es gar kein Proletariat mehr, der Sturz des Kapitalismus wird zur "Überwindung der Profitgier", eine Kommunistische Partei soll "Fraktionen" haben, der ideologische Kampf soll zu Gunsten von vermeintlicher "Bündnisfähigkeit" aufgegeben werden (wobei ich mich frage, ob Bündnispartner mit Prinzipienlosen zusammen gehen?). Das sind die bedeutsamsten revisionistischen Entartungen. Von dort ausgehend schleichen sich diese Entartungen natürlich auch in die strategischen Überlegungen. Eine revisionistische, sozialdemokratische Partei hat kein klares Ziel, kann das Ziel nicht genau definieren oder vereint unter einem Begriff verschiedenste moralische Vorstellungen. Eine solche Partei kann Kämpfe nicht ausrichten und so geschieht es, dass man mal um Wohnungsmieten, mal für die Reform der UNO und ein anderes Mal gegen das "Gänse-Morden"(57) kämpft. Kurz: Das Mittel, nämlich der Kampf um Reformen als Schule des Klassenkampfes, verkommt zum Zweck. Natürlich können diese Formationen nicht erklären, warum sie nicht wie die revolutionäre KPD unter Ernst Thälmann sind.

Die leicht dahergesagte Losung "Kampf dem Revisionismus" wird umso notwendiger, je sichtbarer dessen Tragödie in der Realität wird.

Die BRD hat keine revolutionär-kommunistische Partei, das ist leider eine Tatsache. Sie hat einige Formationen, die offen antikommunistische agieren wie die PDL oder Parteien, die sich kommunistisch nennen, sich dabei aber in revisionistischer Aufweichung befinden und kaum mehr vertreten als Positionen des linken Flügels der PDL, wie die DKP und KPD(OST). Diese Tragödie bedeutet, dass fortschrittliche Kommunisten resignieren und in die Inaktivität verschwinden. Diejenigen, die das nicht tun, werden dann irgendwann zu Wendehälsen.

Daran hat sich kaum etwas verändert seit der ersten Analyse der Kommunistischen Initiative aus dem Jahre 2008. Aber seitdem hat sich viel getan: Die Kommunistische Initiative ist stark geworden, eine kontinuierliche Kraft aus der Mitte unserer Klasse. Sie ist mit ihren klaren Aussagen, mit dem KI-Info, mit ihrem Organs "Einheit" und der Wiederauflebung des Schwarzen Kanals eine präsente Kraft in der BRD geworden.

Warum diese lange Einleitung? Sie soll vor allem den jungen, neu hinzu gestoßenen Lesern der "offen-siv" einen Einstieg geben, was die sich kommunistisch nennende Bewegung in der imperialistischen BRD und wer die Kommunistische Initiative ist. Sie soll auch alle erfahrenen Lesern darauf vorbereiten, welche inhaltlichen Probleme bei den im Text auftauchenden Organisationen existieren und warum die praktischen Erfolge der Kommunistischen Initiative der Beweis für die Richtigkeit des Marxismus-Leninismus sind.

Folgender Text wird die Arbeitsmethodiken und Analysevorgänge der KI-NRW beschreiben und die bereits erreichten ersten Erfolge aufzeigen.

Die KI-NRW ist der Regionalverband der KI für Nordrhein-Westfalen und existiert bereits seit zwei Jahren. Anfang des Jahres beschlossen wir, Stützpunkte an Orten zu gründen, an denen Genossen aktiv sind. Diese Stützpunkte sind relativ gleichmäßig über NRW verteilt und die aktive Stützpunktarbeit wurde begonnen. Allerdings verlief diese relativ ungeplant und eher spontan.

Die Regionale Mitgliederversammlung in NRW (RMV) diskutierte darüber, dass eine systematische Schwerpunktarbeit entwickelt werden müsse mit guten Analysen und einer vernünftiger Systematik, um sich an einem Ort zu verankern.

In unserem ersten Gedankengang nahmen wir uns eine Karte von Nordrhein-Westfalen vor. Wir schauten, wo es überall Stützpunkte gibt und wo Genossen aktiv sind. Schnell stellte sich ein Ballungszentrum heraus: nördliches Rheinland und westliches Ruhrgebiet. Es kamen vier Städte in Frage: Düsseldorf, Duisburg, Mühlheim und Essen. Nach vernünftiger Überlegung entschieden wir uns für Düsseldorf. Die ausschlaggebenden Gründe waren die meisten und aktivsten Genossen, das Büro der Kommunistischen Initiative und unsere ziemlich guten logistischen Vorraussetzungen.

Es wurde beschlossen, dass zur nächsten RMV eine komplette Analyse Düsseldorfs, Stadtteil für Stadtteil, stattfinden sollte. Mit der Analyse wurde die Regionalleitung NRWs beauftragt. Die Regionalleitung ordnete für sich drei Sondersitzungen an. Auf der ersten Sitzung wurde festgehalten, was für die Analyse Düsseldorfs wichtig ist. Es sollte eine statistische Übersicht vorliegen, wie viele Einwohner die Stadt und die Stadtteile haben oder ob es Schulen, soziale Einrichtungen, usw. gibt. Es sollte des Weiteren eine genaueste Übersicht über die politischen Organisationen und Zusammenhänge in Düsseldorf vorgestellt werden, die durch konkrete Erfahrungen im politischen Engagement gewonnen werden konnte, aber auch durch die Stadt- und Stadtteilhomepages der Parteien. Der dritte Teil sollte die Gewerkschaftaktivitäten sowie die Betriebsratsarbeit in Düsseldorf umfassen, deren Recherche sich aber über das Internet als sehr schwerfällig und mühsam herausstellen sollte und später nicht das gewünschte Ergebnis brachte.

Zu allererst brauchte man einen groben Gesamtüberblick über die Stadt: 588.735 Einwohner, 10 Stadtbezirke mit 49 Stadtteilen, 52.000 Menschen ohne Arbeit, nur 11.000 Kindergartenplätze und so weiter. Bei der letzten Ratswahl entfielen knapp 43% der Stimmen auf die CDU. Als nächstes wurden alle 49 Stadtteile, jeder einzelne für sich, nach diesem Schema vorgenommen.

Dabei hat sich ein grobes Bild heraus gestellt: Düsseldorf hat einen, im Vergleich zu andern Städten, relativ hohen Anwohneranteil an Bourgeoise und Kleinbürgertum. Der Westen und Teile des Nordwestens sind vor allem deren Siedlungsgebiete, wie zum Beispiel die "Altstadt", "Medienhafen" und "Oberkassel". Diese Stadtteile wurden sehr schnell gestrichen.

Im Südwesten herrscht eine andere Situation vor. Diese Teile sind durch die Heinrich-Heine-Universität sehr von Studenten geprägt. Hier haben verschiedene anarchistische und sozialdemokratische Organisationen ihren Schwerpunkt, wie z.B. die FAU/IAA oder die Linke. Von proletarischen Strukturen ist hier nicht viel zu finden, aber dafür umso mehr Arbeiteraristokratie, so genannte "Alternative" und Neureiche. Klassisch ist dafür der Stadtteil "Bilk". Diese Stadtteile wurden ebenso gestrichen.

Ganz im Norden und ganz im Süden gibt es Viertel, in denen sich das Lumpen-Proletariat sammelt. Die Stadtverwaltung lässt diese Stadtteile systematisch zerfallen. Diese Stadtteile wurden ebenso gestrichen, da es dort keinerlei soziale Strukturen mehr gibt, individuelle Bereicherung das Ziel vieler Bewohner und deshalb die Kriminalitätsrate dort sehr hoch ist. Viele Bewohner sind sozial vollkommen kaputt.

In die engere Auswahl fielen sechs Stadtteile, die einst eine Art "Industrie-Gürtel" durch Düsseldorf legten. Sie befinden sich in der geografischen Mitte bis Osten Düsseldorfs. Seit den 70er Jahren wurden aber viele Fabriken in umliegende Städte (z.B. Neuss) verlegt und in diesen Stadtteilen verzeichneten wir eine hohe Arbeitslosigkeit und den damit einhergehenden Zerfall des sozialen Zusammenhalts.

Wir haben uns diese Stadtteile besonders genau angeschaut. Wir wollten einen Stadtteil finden, in dem eine noch vorhandene eigene Kultur vorherrscht, in der sich damit vor allem proletarische Strukturen finden lassen.

Unser Augenmerk fiel direkt auf einen Stadtteil, nämlich Gerresheim: 28.117 Einwohner, die Glashütte als größter ehemaliger Arbeitgeber mit dem Hüttenviertel als traditionelle Arbeitersiedlung, reiches Vereinswesen, das von der Sana-Kliniken-AG betriebene Krankenhaus als einer der größten Arbeitgeber, rund 3.200 Schüler in einem breiten Schulangebot, auch vorhanden Gastronomie, Einzelhandel und Handwerk, eine Arbeitslosenquote von etwa 16% und so weiter. Zu der politischen Zusammensetzung im historischen Kontext:

Gerresheim war bis 1909 eine eigene Stadt, die vor allem durch die dort ansässige Glashütte schnell zu mehreren Zehntausend Einwohnern anwuchs. Das "alte" Gerresheim liegt in den Ausläufern des Bergischen Landes, also auf einer Anhöhe, die Glashütte allerdings im flachen Land, an der Bahnlinie Düsseldorf-Wuppertal. So entstand Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts ein "Unteres" Gerresheim, das maßgeblich durch die Glasarbeiter geprägt war. "Oben" wohnten die Reichen und "Unten" wohnten die Arbeiter. So war die Klassenzugehörigkeit auch geographisch nachempfindbar.

Der "Glaskönig" Ferdinand Heye bekämpfe von Anfang an konsequent jegliche Gewerkschaftsbewegung und verhalf damit indirekt der SPD zu einer festen Mitgliedschaft im unteren Gerresheim. Nach dem schändlichen Verrat der SPD von 1914 wechselten zwischen 1918 und 1920 sehr schnell viele Arbeiter in die KPD. "Die SPD macht Verräterpolitik" hieß es dort. Die KPD war in Gerresheim sehr bald die stärkste Arbeiterpartei und dann auch die stärkste aller Parteien. 60 bis 70% der Wählerstimmen waren dann für die KPD-Abgeordneten keine Seltenheit!

Die KPD durchdrang das Leben der Arbeiter und gab ihnen wieder Hoffnung. Es bildeten sich Arbeitersportvereine, die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition war die stärkste Gewerkschaft und der Rote Frontkämpferbund sorgte für Sicherheit in Gerresheim. "Kein uniformierter Faschist und kein SPDler kann Gerresheim betreten" hieß es im Volksmund. Am Heyebad, gegenüber der Glasfabrik, entstand der "Rote Platz". Die Reaktion nannte Gerresheim fortan "Klein-Moskau".

1933 rächten sich die Faschisten vor allem an Gerresheim. Sie riegelten die Stadt für einige Jahre ab, jeder wurde kontrolliert, da sie vermuteten dass "von Gerresheim aus die Revolution für Deutschland starten wird" (Quelle: Düsseldorf zu Fuß). Viele mutige antifaschistische Helden fielen hier den Nazi-Horden zum Opfer.

1945 wurde die KPD sehr schnell wieder zur bedeutenden Kraft. Nach dem KPD-Verbot 1956 konnten sich die Genossen der Hilfe der Gerresheimer gewiss sein. 1968 wurde die DKP neu konstituiert. In Gerresheim war sie ein bedeutender Faktor, aber verlor sich im revisionistischen "Kleingarten-Kampf".

Die DKP verlor von Jahr zu Jahr Mitglieder und Einfluss in Gerresheim. KPD und DKP waren im Gerresheimer Stadtrat von 1918 bis heute (mit Unterbrechung der Faschisten-Zeit) fast durchgängig vertreten. Heute hat die früher starke DKP-Gerresheim zwar noch eine erscheinende Zeitung, die "Flaschenpost", die sie aber nur noch mit Hilfe umliegender DKP-Gruppen verteilt kriegt. Die DKP-Gerresheim ist faktisch nur noch auf dem Papier existent.

Die Glashütte Gerresheim wurde 2005 geschlossen. Damit verlor auch Gerresheim den bedeutenden Faktor des Zusammenhalts. Aber im Gegenzug zu anderen Stadtteilen liegt deren Schließung nicht 30 Jahre zurück, sondern nur sechs.

Damit war für uns der Fall klar, dass Gerresheim der Favorit ist. Auch alle Kriterien in den Kategorien erfüllt Gerresheim. Damit beschlossen wir, Gerresheim zum ersten Schwerpunkt der Stadtteilarbeit der KI-NRW zu machen.

Einige Genossen wollten sofort ihre persönlichen Vorstellungen auf Gerresheim übertragen. Es erwies sich aber als richtig, nicht am Schreibtisch im Nebel zu stochern, sondern die Gerresheimer sprechen zu lassen und dann zu planen.

Die erste Aktion bestand darin, in Gerresheim sich alles genau anzugucken und alle gemachten Analyse-Faktoren kritisch nachzuprüfen. Sie hielten dem Test an der Realität stand. Wir besuchten diverse Lokale, Kneipen, Vereine und andere Möglichkeiten, sich von dort aus zu organisieren.

Der zweite Schritt war, einen genauen Aktionsplan zu erstellen, wie wir in Gerresheim Fuß fassen können:

Stützpunktarbeit

Ab sofort sind alle Kandidaten und Mitglieder dazu angehalten sich nach folgenden Vorgaben in ihrer Stützpunktarbeit zu richten, um ihren Stützpunkt und unsere KI zu stärken.

• jedes Mitglied ist dazu angehalten seinen Stützpunkt aufzubauen

• Aufgaben der Stützpunkte:
  1. Einen Ansprechpartner für Interessenten stellen
  2. Eigene Aktivitäten entwickeln
  3. Als Basis für einen Gruppenaufbau dienen

• jeder Stützpunkt berichtet auf der RMV über seine Aktivitäten

jeder Stützpunkt braucht einen Stützpunktleiter als Ansprechpartner

Schwerpunkt: Düsseldorf

Um unser Zentrum, Düsseldorf, maßgeblich zu stärken, eine Massenbasis von hier aus für ganz NRW aufzubauen und neue kaderfähige Sympathisanten zu finden, hält sich jeder Genosse bereit, nach folgenden Maßgaben mit besten Kräften mitzuwirken und mitzugestalten:

Die außerordentliche RMV vom 04.06.2011 beschließt: Der zentrale Schwerpunkt in Düsseldorf sind die Stadtteile Gerresheim und Vennhausen. Zuallererst jedoch bedarf es einer groben Einschätzung dieser Stadtteile: Der Norden bürgerlich, der Süden proletarisch. Deshalb hat die außerordentliche RMV NRW die Ausklammerung des Nordens Gerresheims, aber die Hinzufügung des Nordens Vennhausens beschlossen.

Zur systematischen Bearbeitung des Stadtteils bedarf es eines Startpunktes, von dem aus wir alles beginnen. Nach einer ersten Überprüfung von mehreren Möglichkeiten hat sich eindeutig der uns "bekannte Treffpunkt" (von der Redaktion verändert) herausgestellt. Ein regelmäßiges Besuchen, sei es privat, durch die RLS, RMV oder für die Stützpunktarbeit, ist dabei die Grundlage zur Schaffung eines Arbeitsumfeldes. Nicht nur der soziale Kontakt, sondern auch die regelmäßige Präsenz im Stadtteil selbst ist die Grundlage zur Eroberung Gerresheims.

Unser Vorgehen ist allerdings in drei Phasen zu teilen: "Sehe uns", "Rede mit uns", "Wir kommen zu Dir"

Sehe uns

Die Menschen in Gerresheim müssen uns sehen. Egal, wo sie in Gerresheim entlang gehen, unsere Losungen und unsere Propaganda müssen präsent sein. Dabei sind es zuerst nur Aufkleber und Plakate und später Transparente und Aktionen. Der Effekt hierbei ist, dass einerseits bewusstere Teile der Gerresheimer unsere Losungen erkennen und verstehen, sich anfangen inhaltlich mit uns zu identifizieren, andererseits unbewusste Teile durch die regelmäßige Präsenz beeinflusst werden und eine unbewusst-emotionale Verbindung zwischen ihnen und uns entsteht. Dafür ist es notwendig, dass für Gerresheim spezifisches Propagandamaterial erstellt wird.

Rede mit uns

Nachdem dieser Zustand nach mehreren Monaten Arbeit hergestellt wurde, ist es an der Zeit, den Leuten die Möglichkeit zu geben, auf uns zuzugehen und dann eventuell auch auf uns einzugehen. Dazu gehört z.B.: einmal pro Monat einen Stand zu machen, auf aktuelle Fragen einzugehen und der Situation angepasste Flugblätter, meistens kombiniert durch eine Aktion, zu verteilen. Das Ergebnis muss sein, dass wir Kontakt zu breiten Teilen der Bevölkerung erhalten, dadurch Informationen bekommen und die für die KI notwendige Massenverankerung erreichen. Dies ist bis Dezember 2012 realisierbar.

Wir kommen zu Dir

Nun werden wir von uns aus aktiv. Zum Sommer 2013, im Rahmen des Projekts der Kaderschulung, sollten wir es schaffen, das Kulturprojekt nach Gerresheim zu holen und ein Stadtteilfest zu veranstalten. Damit gehen wir direkt auf die Menschen zu. Diese Chance sollten wir nicht verpassen!

Als nächstes haben wir natürlich begonnen, unseren Plan umzusetzen. Eine erste gute Möglichkeit bestand darin, am Friedhof Gerresheims am Jahrestag des Überfalls des deutschen Faschismus auf die Sowjetunion den ermordeten sowjetischen Zwangsarbeitern zu gedenken. KI-TV berichtete darüber.

Wie wir richtig analysierten, waren wir als Kommunisten in Gerresheim sehr willkommen. Dies ergab sich aus diversen Gesprächen. Viele Arbeiter stimmten unseren Forderungen und Losungen zu und nahmen unsere Propagandamaterialien sogar mit, um sie bei sich im Betrieb zu verteilen! Diverse Arbeiter forderten uns dazu auf, nicht zu lange mit der Gründung einer revolutionären Partei zu warten und gaben uns Tipps, wie wir am besten anfangen können zu kämpfen. Sie nannten uns Plätze und Orte.

Die mit uns im Gespräch befindlichen Arbeiter erstellten dann mit uns ein gemeinsames Flugblatt. Wir waren ihnen ja nicht fremd, sie kannten uns Kommunisten aus den Berichten ihrer Eltern und Großeltern. (Das Flugblatt findet Ihr im Anhang an diesen Bericht.). Sowohl diesen Arbeitern als auch uns war es wichtig, das Grundübel, den Kapitalismus, klar herauszustellen und keinen Zweifel daran zu lassen, dass die genannten Probleme nur durch die Vernichtung des Kapitalismus beseitigt werden können!

Wir erstellten ein eigenes Plakat und Aufkleber mit der Thematik der Schließung der Glashütte in Gerresheim. Heute ist die Präsenz der Kommunistischen Initiative unübersehbar und wir sind in Gerresheim bekannt. Wir beginnen uns langsam aber stetig und systematisch in Gerresheim zu verankern. Dies wäre ohne eine solch ausführliche Planung und Vorbereitung sicherlich nicht möglich gewesen.

Vorwärts mit der KI in Gerresheim! Vorwärts zu einer revolutionären Partei!

Phil Ramcke, Düsseldorf


Die jungen Genossen brauchen auch weiterhin Unterstützung für ihr Büro und ihre Arbeit in Gerresheim. Wenn Du diese Arbeit unterstützen möchtest, sei es durch Bücherspenden, Vorträge oder Deine eigenen kreativen Ideen, dann melde Dich unter: Kommunistische Initiative, Postfach 104213, 40033 Düsseldorf. Wenn Du ihnen mit Spenden helfen möchtest, überweise bitte auf das Konto Torsten Reichelt, Kt.-Nr.: 4202321850 bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, BLZ: 850 503 00, Kennwort: KI Gerresheim


Flugblatt (im Original handelt es sich um eine Din-A-4-Flugblatt, was in unserem Format nur schlecht originalgetreu wiedergegeben werden kann; Red. offen-siv):


Gerresheim, fang an zu kämpfen!

Die Vertreter der Kapitalisten behaupten auf der Insel, in der Neustadt, im Neubau, auf der Nachtigall, ja in ganz Unter-Gerresheim würde "Aufwertungsbedarf" bestehen. Meinen diese Vertreter also eine Verbesserung oder Verschlechterung unserer Situation? Wie geht es weiter mit unserem Gerresheim?

Was haben die hohen Herren Kapitalisten uns nicht alles versprochen?

Der Glaskönig Heye hat unseren Großeltern versprochen, ihnen würde es besser gehen, wenn sie bei ihm arbeiten würden... Bekommen haben sie Hungerlöhne, Repression, schlechte Wohnungen und Armut! Danach haben die Kapitalisten unsere Großeltern erst in den Faschismus gestürzt und dann in den Krieg geschickt!

Als der verloren war, haben sie unseren Eltern versprochen, der Kapitalismus sei nun, nach dem Faschismus, sozialer, würde "Freiheit" und "Wohlstand" für alle bringen. Sie haben gesagt, wir dürften jetzt unter verschiedenen Parteien wählen... Was ist dabei herausgekommen? Steigende Preise, sinkende Löhne, schlechtere Bildung, der Zerfall unseres Gerresheims und soziale Ausgrenzung! Was bringen uns Wahlen, wenn alle Parteien Marionetten der Kapitalisten sind, wenn wir nicht wissen, was morgen mit uns ist?

Die Herren Kapitalisten haben uns versprochen, wenn sie die Glashütte an andere Kapitalisten verkaufen, dann würde sich die Arbeit in der Gerresheimer Glashütte "mehr lohnen"... Und was haben wir bekommen? Sie haben uns Arbeiter gegeneinander ausgespielt, schrittweise kleine Gruppen von uns entlassen, bis keiner mehr übrig war. 8000 Arbeiter haben dort einst gearbeitet, nun keiner mehr!

Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, soziale Ausgrenzung, Zukunftsangst, drohender Faschismus, Zerstörung der Natur, Krise und Krieg: das ist das Wesen des Kapitalismus! Nach 100 Jahren muss es auch dem Letzten klar sein: Der Kapitalismus ist unser Untergang!

Die hohen Herren Kapitalisten sind nichts, wenn wir nicht wollen!

Wir Arbeiter schaffen die Werte! Nur weil die Kapitalisten uns ausbeuten, sind sie so reich. Sie versuchen uns zu spalten und in die Einsamkeit zu drängen, so dass auch dem letzten Menschen der Mut zur Gegenwehr und damit die Hoffnung genommen wird. Damit sie auch noch den letzten Cent aus uns herauspressen können! Damit muss Schluss sein!

Wenn wir fest zusammen stehen, wenn uns niemand zertrennen kann, wenn wir in Gerresheim wieder anfangen zu kämpfen, wie es unsere Großväter in der KPD und den kommunistischen Organisationen taten, dann werden wir wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder haben: den Sozialismus! Wir Kommunisten sagen nicht "Wählt uns, dann wird es euch besser gehen...". Wir Kommunisten sagen "Auf uns alle kommt es an!" Gestalten wir unsere Zukunft und unser Gerresheim selbst!

Unterschätzen wir niemals unsere Kraft! Unterschätzen wir niemals die Solidarität!

Im Geiste Ernst Thälmanns, dem Vorsitzenden der KPD (1924-1944):
"Einen Finger können sie brechen, doch fünf Finger sind eine Faust!"
Schluss mit Armut und Krise! Schluss mit dem Kapitalismus!
Arbeiter, Angestellte und Arbeitslose auf der Insel, der Neustadt, dem Neubau, auf der Nachtigall und in ganz Unter-Gerresheim:

KÄMPFT MIT BEI DEN KOMMUNISTEN!

Kommunistische Initiative


Anmerkung

(57) Am Düsseldorfer "Unterbacher See" wurden seit 2009 systematisch Gänse geschossen, damit der See nicht durch die übermäßigen Mengen von Vogel-Kot umkippte. Die sich dort entwickelnden Bakterien bedrohten nämlich die Gesundheit von älteren Menschen und kleinen Kindern. Trotz des von sozialen Widersprüchen brisanten Stadtteils wählte die DKP in Düsseldorf-Eller als Hauptwahlkampfthema das "Gänse-Morden"

Raute

NEUES VON DER LINKSPARTEI

Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba, Regionalgruppe Essen: Presseerklärung - Das Schweigen der PDL-Führung

Am 13.08.2011 konnte der cubanische Revolutionsführer Fidel Castro seinen 85. Geburtstag begehen. Eine Woche später, am 20.08., skandalisierte die »Bildzeitung«, dass die PDL-Vorsitzenden dem Jubilar ein höfliches Glückwunschschreiben gesandt hatten. Ab dem 21.08. beteiligten sich zahlreiche elektronische und Print-Medien sowie Politiker aller Bundestagsparteien an der vom Gossenjournalismus angezettelten Kampagne.

Tag für Tag knickte die PDL-Führung weiter ein. Nun wurde eingeräumt, dass der Brief nach Havanna gar nicht persönlich, sondern von einem Automaten unterzeichnet worden war. Und schließlich hieß es dann am 26.08.: »Linken-Chef bereut Jubelbrief an Castro (...) Linksparteichef Klaus Ernst bedauert die Form des umstrittenen Glückwunschschreibens (...) "Es ist einfach ein Fehler passiert" (...) "Es ist doch schon durchgesickert, dass der Text nicht über unseren Schreibtisch gegangen ist und im übrigen auch so nicht gegangen wäre"«(Spiegel-online).

Am 30.08. wandte sich daher die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen, mit zwei Fragen an den PDL-Parteivorstand. Da dieser sich auch nach einer Woche Wartefrist in Schweigen hüllt, wurde er darüber informiert, dass wir diese Fragen nunmehr öffentlich stellen:

Wer informiert den Adressaten, dass »alles gar nicht so gemeint war«, das Glückwunschschreiben an ihn in der Bundesrepublik öffentlich zurückgezogen wurde? Oder fehlt dem Parteivorstand der PDL auch dafür die nötige Courage?

In dieser ganzen unappetitlichen Affäre wurde der Eindruck vermittelt, als könne man hierzulande mit Cuba und seinen Repräsentanten umspringen, wie es gerade beliebt. (Man stelle sich nur mal vor, was los wäre, wenn es um bspw. den amtierenden französischen Präsidenten Sarkozy oder einen beliebigen elder statesman irgend einer Industrienation gegangen wäre.) Wer entschuldigt sich bei dem cubanischen Revolutionsführer Fidel Castro und der cubanischen Regierung dafür, dass sie auf höchst unwürdige und ehrlose Art und Weise nicht nur von der bürgerlichen Presse, sondern auch und gerade von Führungskräften der PDL für parteitaktisches Gerangel instrumentalisiert wurden?

Es ist bedauerlich, dass gerade die Führung einer Partei, die die Internationale Solidarität auf ihre Fahnen geschrieben hat, sich zunächst an dieser unwürdigen Veranstaltung beteiligt und dann nicht dazu bereit oder in der Lage ist, auf kritische Fragen zu antworten.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen, i.A. Heinz-W. Hammer, Vorsitzender


Nachtrag zur Presseerklärung

Am 07.09.2011 um 06:24 Uhr versandten wir unsere Presseerklärung »Das Schweigen der PDL-Führung«. Nun erhielten wir ein Schreiben aus dem Büro von Herrn Ernst, datiert auf den 07.09.2011, 16:34 Uhr (s.u.), das wir hiermit der Fairness halber im Wortlaut an den selben Verteiler weiterleiten.

Eine Kommentierung der darin enthaltenen Worthülsen unsererseits erübrigt sich.

i.A. Heinz-W. Hammer


Von: DIE LINKE - Romana Dietzold Gesendet: Mittwoch, 7. September 2011 16:34 An: fg.essen@tele2.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Hammer,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 30. August. In Anbetracht der vielen Wahlkampfveranstaltungen der beiden Parteivorsitzenden im Vorfeld der Landtagwahlen Mecklenburg-Vorpommern komme ich erst jetzt dazu, Ihnen zu antworten.

Es ist nicht zutreffend, dass Klaus Ernst den Glückwunsch an Fidel Castro öffentlich zurückgezogen hat. Vielmehr - und das ist den Äußerungen von Klaus Ernst zu entnehmen - ist für beide Vorsitzende völlig unstrittig, dass DIE LINKE Fidel Castro zum Geburtstag gratuliert. Im Übrigen steht DIE LINKE in einem kontinuierlichen Kontakt und Austausch mit der kubanischen Botschaft.

Mit freundlichen Grüßen,

Romana Dietzold
Büroleiterin des Vorsitzenden, Klaus Ernst, MdB; Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE; Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin

Raute

Hermann Jacobs: Noch einmal: Zum besseren Verständnis der theoretischen Position von Sahra Wagenknecht

Leser meines Beitrages über eine Idee von Sahra Wagenknecht(58) werden das PS vermisst haben, das ich ankündigte (S. 73). Ich hatte es nachgesandt - zu spät für den Redaktionsschluß. Ich wollte im PS einen theoretischen Standpunkt von Sahra Wagenknecht aus früherer Zeit wiedergeben, der verständlicher macht, wie sie überhaupt auf die Idee eines im Kapitalismus realisierbaren Belegschaftseigentums kommen konnte. Das hat, so meine Meinung, seinen Ausgangspunkt in bestimmten Reformen der DDR der 60er Jahre bzw. darüber hinaus in einem Denken, das in den letzten Jahren des Sozialismus in Osteuropa um sich griff. Es handelt sich einfach um die Wende-Euphorie, die, wie es zunächst schien, den Sozialismus "erneuern" sollte (dann wurde es ja der Kapitalismus). Es geht um den Gedanken, von der zentralen Planung der Wirtschaft wegzukommen und stattdessen, ausgehend von Betrieben, deren Belegschaften, ein besonderes Verhältnis zur Arbeit zu begründen; auch Sahra Wagenknecht hat diesen Gedanken verinnerlicht, wie der nachstehende Auszug aus einer ihrer Publikationen nach 1990 beweist.

Dieser Gedanke hat sie nicht wieder losgelassen, was sie heute und in Bezug auf den Kapitalismus sagt, ist nichts als eine Adaption dessen, was sie gestern und in Bezug auf den Sozialismus gesagt hat, womit sie allerdings - im Gegensatz zu früher, muß man sagen - noch ziemlich allein dasteht.

Zunächst das Postskriptum:

"PS. Zur Positionierung von Sahra Wagenknecht zu Reformen im Sozialismus/in der DDR will ich folgendes Zitat aus einer Publikation anführen, die der Verlag KVV konkret Hamburg 1996 unter dem Titel "Vorwärts und vergessen?" veröffentlichte.

Sie sagt dort, die "Wirtschaftspolitik des untergegangenen Sozialismus (krankte daran) - je später, desto mehr (! J.) - die Marxschen Bestimmungen ungenügend beachtet zu haben". (Dieses Zitat von S.71). Gemeint ist das Marxsche Leistungsprinzip.

Und weiter zur NÖS-Reform der DDR insbesondere: "Aus der Einsicht in diese Tatbestände (einer am Bedürfnis vorbeilaufenden Planung, die auf zentraler Verantwortlichkeit über die Produktion beruhte, wie sie weiter oben ausgeführt hatte und wie sie ihre Kritik ansetzt, J.) war speziell in der DDR der sechziger Jahre die Diskussion um ein 'Neues Ökonomisches System' der Planung und Leitung der Volkswirtschaft entstanden. Seinen Kern bildete die Überlegung, die zentrale Planung auf die Festlegung allgemeiner Proportionen der Produktion und die Grundrichtung ihrer Entwicklung (im besonderen auf die Prioritäten wissenschaftlich-technischer Forschung usw.) zu beschränken, diese Proportionen im Detail aber nicht durch staatliche Vorgaben, sondern durch ein 'System ökonomischer Hebel' zu realisieren. Im Konkreten sollte vor allem die Konsumgüterproduktion wieder von den Rückkoppelungsmechanismen des Marktes abhängig und damit den konkreten Bedürfnissen - die einzuschätzen eben keine Zentralbehörde in der Lage ist - orientiert werden.

Das hieß: Die Betriebe erhielten erhöhte Entscheidungsspielräume, wurden von der Erfüllung abstrakter Plankennziffern auf die Erwirtschaftung von Gewinn umgestellt und hatten sich mit ihren Produkten gegen konkurrierende Betriebe auf dem Markt zu behaupten. Damit wurde (! J.) das Wertgesetz tatsächlich wieder zum Regulator des Austausches und der Preisgestaltung; es allein (! J.) gewährleistet immerhin ein Interesse der Betriebe an der Erhöhung ihrer (! J.) Produktivität. Von dem auf diesem Wege (?! der Erhöhung der Produktivität der Betriebe? J.) zusätzlich erwirtschafteten Gewinn (! J.) sollten dann allerdings nicht nur die Betriebsleiter, sondern im Besonderen die Belegschaften selbst profitieren - eben entsprechend ihrem Leistungsanteil". (ebda. Seite 72).

Wie man sieht, dieselben prinzipiellen Gedanken bzw. Ansätze in Bezug auf ökonomische Systeme, einmal in Bezug auf den Sozialismus, andermal nun in Bezug auf den Kapitalismus. Es sind immer - ihrer Meinung nach - die realen Systeme, die an den Bedürfnissen (der Produzenten) vorbei produzieren.

In dem einen Fall mag das ja stimmen. Aber im Sozialismus? Was waren das nur für "abstrakte Plankennziffern", die die Betriebe im Sozialismus angehalten wurden zu erfüllen?

Und in noch einem irrt Sahra Wagenknecht: Das NÖS blieb auf halber Strecke (bei einer halben Preisreform) stecken. Es wurde nie Praxis. Es ist manches Reform, was nur Idee ist."

Soweit das PS.

Ich hatte in meiner Kritik an der Idee von Sahra Wagenknecht zu erkennen gegeben, dass es ihr überlassen ist, ihr politisches Leben dem Gedanken eines im Kapitalismus realisierbaren Belegschaftseigentums - vermittels einer vom Staat erhobenen Steuer auf Kapitalgewinne und deren Überführung in die Hand der Arbeiter der Betriebe - zu widmen.

Und ich sagte weiter: Sie würde andererseits mit dieser Orientierung den gedanklichen Ansatz, wie er einst in der Frage des Eigentums von Marx und Engels ausgegangen ist, verlassen.

So bleibt uns einerseits zu sagen: Mach doch mal, mach das Belegschaftseigentum noch hier im Kapitalismus! Setz es durch! Wir sind gespannt. Und andererseits bleibt zu fragen: Muss man an dieser Stelle das Verständnis dessen, was nun Marx zur Eigentumsfrage nach dem Kapitalismus gesagt hat, verteidigen? Ist das nicht mehr bekannt? Oder ist das wieder unbekannt geworden, oder sagen wir auch: gibt es hier Verwirrung, ist es deshalb ungesichert, d.h. in Frage gestellt?

Mancher könnte ja durch die Forderung eines Belegschaftseigentums, entweder überhaupt oder - im Kapitalismus - im Rahmen des Eigentums des Kapitalisten selber, verlockt sein. Verlockender Gedanke: Eigentümer sein. Dahinter steckt die Utopie, der Kapitalismus in der Warenproduktion hätte nicht über die Schicht der Geldeigentümer entstehen dürfen, sondern über die Arbeiterkooperative. Also statt Einzel- bzw. Kapitalgesellschafts-Kapitalismus kollektiver Kapitalismus in Arbeiterhand, Kapitalismus durch Arbeitskollektive!?

Kapital allerdings ist immer Kapital = sich selbst verwertender Wert = Wert, der unbezahlte Mehrarbeit in sich aufsaugt. Sowohl Prinzip/Ziel des einzelnen wie des kollektiven Geldanwenders.

Die Utopie eines Fritz Behrens(59): Kollektive von Warenproduzenten hätten sich zusammenschließen und einen Betrieb in eigener Regie gründen müssen. Als zugleich Eigentümer des ganzen Wertes durch Arbeit hätten sie sich nicht ausbeuten können - sie hätten ja so zusagen keinen "Chef". Die Ausbeutung wäre entfallen. Der Kapitalismus als nicht behaftet mit dem Makel der Ausbeutung. Verblüffend einfache Lösung einer ganzen Geschichtsmisere, wie sie eingetreten ist. Und solch kalter Kaffee wird heute, im Jahr 2011, von sich Kommunisten nennenden Parteivorstandsmitgliedern der Linkspartei wieder aufgewärmt. Genossenschafts-Kapitalismus als Alternative!? Und zwar als Alternative sowohl zum real existierenden Kapitalismus als auch zum Kommunismus!? Das sagt Sahra Wagenknecht.

Wir sagen: Dritte Wege enden immer in der Konterrevolution.


PS (auch in diesem Falle): Ich würde immer Marx verteidigen, vielleicht ein wenig besser, gesicherter als Marx dies schon konnte, denn wir haben inzwischen praktische Erfahrung. Ist es nachweisbar, dass die Betriebe auch unter der Bedingung eines allgemeinen Volkseigentums ein Interesse daran haben, ihre Produktivität zu erhöhen, Mehrproduktionen zu erzielen, Löhne/Einkommen in Gütern zu vermehren? Können wir das, was bei Marx nur Theorie, Vision sein konnte, mit dem, was bei uns im sozialistischen Weltsystem schon Praxis, Realität geworden war, belegen? Wie war es nun? Die Sowjetunion hat den Zweiten Weltkrieg gegen vor allem Deutschland und auch Japan gewonnen. In den 50er, 60er und 70er Jahren errang das sozialistische Weltsystem großartige Erfolge. Ein allgemeines Verhältnis zur Arbeit hebt den Fortschrittstrieb der Menschheit also nicht auf. Erst der Rückschritt mit der Wiedereinführung von allseitiger Warenproduktion, Geltung des Wertgesetzes, persönlicher Bereicherung, Individualismus und Schacher bremste den Fortschritt der Produktion und brachte den Sozialismus zum Wanken.

Das sollte reichen als Antwort von unserer Seite.

Hermann Jacobs, Berlin


Anmerkungen

(58) Siehe: Hermann Jacobs: "Sahra Wagenknecht hat eine Idee - die Marx nicht hatte / Zu ihrem neuen Buch 'Freiheit statt Kapitalismus'", in offen-siv, Heft 5/2011.

(59) Fritz Behrens (1909-1980), Wirtschaftswissenschaftler der DDR. Von 1946 bis 1954 Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig, später Leiter der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik und damit Mitglied des Ministerrates der DDR, Stellvertretender Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften.

Das wissenschaftliche Wirken von Fritz Behrens ist unter einem doppelten Gesichtspunkt zu betrachten. Einerseits schrieb er wertvolle Arbeiten zu praktischen Fragen einer sozialistischen Ökonomie - Messung der Arbeitsproduktivität, Arbeitszeitmessung, Verhältnis von Nationaleinkommen und Lohnentwicklung und zu vielen anderen Fragen, veröffentlicht von ihm wurde ein vierbändiger "Grundriss der Geschichte der Politischen Ökonomie" (1962-1982), andererseits entwickelte er sich ab 1957 - beginnend mit der Arbeit "Zur ökonomischen Theorie und ökonomischen Politik in der Übergangsperiode" (zusammen mit A. Benary) und endend mit der Arbeit "Abschied von der sozialen Utopie" (Akademieverlag, Berlin, erst 1992 veröffentlicht), - zum wohl maßgebenden DDR-Kritiker des Sozialismus seiner Realität nach, d.h. des Sozialismus als gesellschaftlich geleitete Planwirtschaft. Er propagierte (zu guter Letzt) einen Marxismus ohne Leninismus und einen Sozialismus ohne Zentralismus. Er gab dem Sozialismus in seinen Werken eine ganz andere Grundlage als sie Marx - und die Geschichte - ihm gegeben hat: Statt einer gemeinschaftlich betriebenen und verantworteten Ökonomie nämlich die einer Warenproduktion ohne Ausbeutung. D.h. er verlangte vom Sozialismus, ein anderer Geschichtsanfang nach der einfachen Form der Warenproduktion als der Kapitalismus zu sein - eine ... Utopie!

Er kann als einer der geistigen Väter überhaupt einer Revision des realen Sozialismus, d.h. der ökonomischen Form des Revisionismus gesehen werden; eine gründliche Auseinandersetzung mit Fritz Behrens fehlt bisher. Die in der DDR geübten Kritiken an ihm können nicht als grundlegend betrachtet werden, da sie eine Selbstkritik - an adäquaten eigenen Theorien über die Warenproduktion im Sozialismus - einbezogen hätten. Eine gescheute Konsequenz, die eben Anhängern dieser Theorie, auch wenn sie Fritz Behrens namentlich nicht erwähnen bzw. ihn nun variieren, entgegenkommt.

Raute

DKP

Offener Brief der DKP-Parteigruppe Leipzig an die Mitglieder unserer Partei

Liebe Genossinnen und Genossen!

Wir erleben mit wachsender Sorge, dass eine Mehrheit des eben erst neu gewählten Parteivorstand eine Politik praktiziert, die sich inhaltlich nicht am Programm unserer Partei, sondern an den von der Mehrheit der Delegierten des XIX. Parteitages abgelehnten politischen Thesen des Sekretariats vom Januar 2010 orientiert. Besonders deutlich wurde und wird das in der Stellungnahme des Parteivorstandes der DKP zu den Briefen der Kommunistischen Partei Griechenlands KKE vom 1.12.2010 und 3.1.2011.

Auf dem Parteitag wurden für die politische Resolution des Parteivorstandes 83 Stimmen für, 80 gegen und 2 Enthaltungen gezählt. Bei dem vom Parteivorstand eingebrachten Antrag für das Forderungsprogramm wurden 81 Stimmen für, 79 gegen und 1 Enthaltung gezählt. Das waren zweimal 50,3% für die Dokumente, die der alte Vorstand eingebracht hatte. Bei der Abstimmung über die Thesen wurde nicht ausgezählt, weil das Abstimmungsergebnis per Handzeichen offensichtlich gegen deren Annahme sprach.

Mit dem Beschluss des Vorstandes zu den Briefen unserer griechischen Genossen wird deutlich, dass den Verfassern dieses Dokumentes (und den 21 Mitgliedern des Vorstandes, die ihm warum auch immer zugestimmt haben) die Orientierung an den Positionen der Europäischen Linken näher steht als die Orientierung auf die Kräfte, die sich der sozialen Demontage und der Macht der Banken im offenen Kampf entgegenstellen. Das wird insbesondere durch die Art und Weise demonstriert, in der Leo Mayer mit der KKE, mit diesen Briefen und dem Parteivorstand umgegangen ist.

In seinem Interview zum 3. Kongress der EL hat er sich deren Argumente zu eigen gemacht, dass sich "die Regierungen gegenseitig stützen und sich dabei auf den anonymen Zwang der Finanzmärkte bei der Durchsetzung ihrer Politik berufen können." Die Behauptung, dass sich die EL seit ihrer Gründung ,nach links bewegt' habe, können wir nicht nachvollziehen. Zugleich wird die Einschätzung der KKE, dass die EL ein Instrument sei, "um die revolutionären Kräfte im Rahmen des Kapitalismus gefangen und als Anhängsel der europäischen Sozialdemokratie zu halten" von ihm ohne Begründung als "unwahr und haltlos" bezeichnet. Aber das ist nicht der Standpunkt, der die Haltung der Mitglieder unserer Partei repräsentiert.

Ganz in diesem Stile wurden und werden der Beschluss unserer Parteigruppe vom 27.1.2010, unser Antrag an den XIX. Parteitag vom 28.6.2010 und unsere Stellungnahme zur Arbeit unseres Parteivorstandes und zu den Beschlüssen der 3. Tagung ignoriert. Es gab und es gibt dazu keine einzige Reaktion. Wir bringen das jetzt in Erinnerung, weil wir der Meinung sind, dass wir die Ursachen dieser verfehlten Politik mehrfach angesprochen haben.

Uns geht es um den Fortbestand der DKP, um eine kommunistische Partei, die diesen Namen verdient. Es ist schlechterdings unsinnig, wenn wir uns nur noch oder vorwiegend mit innerparteilichem Streit befassen. Aber eben so unübersehbar war und ist das Bestreben der reformistischen Gegner des im Programm unserer Partei formulierten Kompromisses, ihre Position mit dem Hinweis auf eine ansonsten drohende Spaltung durchzusetzen.

Der davon ausgehende Versuch, die inhaltliche Orientierung der DKP auf ein reformistisches Programm durchzudrücken und unsere Partei von ihrer kommunistischen Identität abzudrängen wurde mit den Thesen des Sekretariats dokumentiert. Dieser Streit erhält durch den Diskussionsbeitrag des Vertreters der DKP, Genossen Listl, auf dem Parteitag der KPÖ einen höheren Stellenwert. Denn bei den von ihm dort im Widerspruch zur Entscheidung des Parteitages vertretenen Thesen geht es nicht um eine wissenschaftlich fundierte historisch-materialistische Analyse. Dieses Papier beinhaltet eine nicht mehr zu entwirrende Gemengelage 'kommunistisch' erscheinender Sprachhülsen, 'Anleihen' am Reformismus, an spätbourgeoisen ideologischen Konstrukten des Neoliberalismus und die kritiklose Übernahme regierungsoffizieller Lügen. Sie weisen keinen 'Weg aus der Krise' dieser Gesellschaft, hier wird eine ideologische Krise der Partei provoziert. Es wird unterstellt, dass "der Zusammenbruch des globalen Finanzsystems ... nur dadurch verhindert worden (ist), dass in den USA wie in Europa die Banken mit Finanzhilfen in astronomischen Größenordnungen gestützt oder ... wichtige Teile des Bankensystems verstaatlicht wurden."

Aber der Zusammenbruch des globalen Finanzsystems wurde nicht verhindert, sondern nur verzögert. Die Instrumente, die den Fast-Kollaps verursacht haben, werden nach wie vor angewandt. Die ersten Opfer dieser Manipulationen sind lohnabhängig Arbeitende, Rentner und sozial Schwache aus Griechenland, Portugal, Spanien. Das eigentliche Ziel ist die Demontage der sozialen Standards in allen Ländern der EU. Verstaatlicht - d.h. zu Lasten der Steuerzahler übernommen - wurden wertlose 'Wertpapiere'. Die dafür Verantwortlichen, d.h. die, die mit kriminellen Spekulationen für den Ausbruch dieser Krise verantwortlich sind, bleiben ungeschoren. Dabei wird ,vergessen', dass die Schalthebel der europäischen Macht weder in Brüssel und Strassburg noch bei den Regierungen in Paris und Berlin, sondern bei den Banken in Frankfurt am Main und Paris liegen.

Auch die EU ist ein Machtorgan der herrschenden Klasse. Deshalb kann die Verantwortung der DKP nicht auf die stromlinienförmigen Positionen der EL eingeschränkt werden. Da wird behauptet: "Der moderne Kapitalismus hat die soziale Basis der Arbeiterbewegung zersetzt und aufgelöst. Mit der Folge, dass 'die' Arbeiterbewegung als klassenautonome politische, gewerkschaftliche und kulturelle Bewegung nicht mehr existiert."

Bleibt die Frage wer hier warum der absoluten Mehrheit der Menschheit beibringen will, dass sie ohnehin keinen Einfluss hat. Wer besorgt da wessen Geschäft, was hat das noch mit der Identität einer Partei zu tun, die das Wort 'kommunistisch' im Namen führt??

In den Thesen gibt es das Wort 'Verbrechen' nur im Kontext von 'im Namen des Sozialismus'. Wer sich mit der Geschichte des XX. Jahrhunderts und den imperialistischen Kriegen der Gegenwart, mit den Dimensionen von Ausbeutung, Armut und all dem, was hinter der verlogenen Fratze bürgerlicher 'Werte' befasst, kann sich nur wundern.

Im Programm werden die Erfahrungen der DDR gewürdigt. In den Thesen wurde die Deutsche Demokratische Republik völlig entsorgt. Ganz im Stile Kinkels: "Es muss gelingen, das SED-System zu delegitimieren."

Mit Artikel 17 des Einigungsvertrages wurde die DDR zum Unrechtsstaat erklärt. Generalstaatsanwalt Christoph Schaefgen hat für einen kleinen Kreis interessierter Juristen geschrieben: "Nach dem Stand von Anfang 1999 sind etwa 62.000 Ermittlungsverfahren bundesweit gegen ungefähr 100.000 Beschuldigte eingeleitet worden. Davon wurden bisher nur etwa 300 Personen rechtskräftig verurteilt." Von dem in den Massenmedien immer wieder vorgebrachten 'Schießbefehl' ist nichts geblieben. In Ermangelung rechtskräftiger Tatsachen und Beweise wird von einem 'ideologischen Schießbefehl' geschwätzt.

Das, was hier vorgelegt und ursprünglich zum Beschluss des Parteitages erhoben werden sollte, liegt deutlich unterhalb des Niveaus der Linkspartei.

Aber wir haben die Entwicklung dieser Partei aus eigener Erfahrung erlebt. Viele von uns waren Mitglieder der PDS und wir wissen, wohin die Linie führt, die in den jetzt hier vorliegenden Thesen beschrieben wurde. Unsere Parteidisziplin, unser Gewissen, unser im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte angeeigneter und erprobter Klassenstandpunkt, die Erfahrungen unseres Lebens gestatten es uns nicht, tatenlos zuzusehen, wie hinter dem verlogenen Vorhang, Verteidiger der Partei zu sein, ihr marxistisch und klassenmäßig begründeter Charakter, ihr Wesen und ihre daraus folgende Politik einer Revision unterzogen werden sollen.

Aber was ist das Ziel der für Oktober geplanten theoretischen Konferenz, welchen Nutzen soll eine Orientierung bringen, die an den eigentlichen Meinungsverschiedenheiten vorbei geht?

Was aber sind die wichtigsten Fragen?

Aus dem Programm und aus dem Streit um die 'Thesen' geht hervor, dass es nach wie vor tiefgreifende Unterschiede in der Einschätzung der Geschichte und der Ursachen des Scheiterns des realen Sozialismus in Europa gibt.

Nicht weniger prinzipiell sind die Unterschiede in Analyse und in Einschätzung der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Imperialismus und des Charakters der Krise.

Als dritter Themenkreis sind Fragen zur aktuellen Entwicklung der Arbeiterklasse, zu den arbeitsteiligen und sozialökonomischen Veränderungen in den Lebensbedingungen der lohnabhängig Arbeitenden und zur Rolle der und zu unserer Haltung zu den Gewerkschaften von äußerster Aktualität.

Schließlich konzentriert sich alles das in einem vierten Problemkreis: Wodurch, durch welche programmatischen Grundlagen definiert sich hier und jetzt und in ihrer Verantwortung für die Zukunft eine kommunistische Partei? Welche programmatischen und organisatorischen Forderungen sind heute an eine Partei neuen Typus zu stellen? Was ist schließlich zu tun, damit unsere Partei dieser historischen Verantwortung gerecht werden kann?

Unsere Besorgnis ist tiefgründig und ernst gemeint. Aber ohne eine gravierende Richtungsänderung im Sinne von Marx, Engels und Lenin, unserer Klassiker, getreu dem Manifest der Kommunistischen Partei und nicht zuletzt im thälmannschen Kampfgeist ist es um die Zukunft der DKP geschehen.

Wenn sich dieser Stil des Umgangs miteinander fortsetzt, wird es zu einer Selbstdemontage unserer Partei kommen. Wer sich derart zofft, ist nur noch mit sich selbst beschäftigt, kann nicht in der Lage sein, auf die drängenden politischen Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren.

Aber: Eklatante Verletzungen der Prinzipien des demokratischen Zentralismus und der innerparteilichen Demokratie können und wollen wir Leipziger Kommunisten nicht mehr länger hinnehmen. Dieser Vorstand ist in seiner derzeitigen Zusammensetzung weder willens noch in der Lage, eine Lösung anzugehen, die den Herausforderungen an eine Partei gerecht wird, die sich kommunistisch nennt. Deshalb ist die Klärung grundsätzlicher Fragen unerlässlich.

Deshalb spricht unsere Parteigruppe den Mitgliedern des Vorstandes, die sich im Widerspruch zu den Abstimmungsergebnissen des XIX. Parteitages entschieden haben, unser Misstrauen aus. Wir schlagen den Mitgliedern unserer Partei vor, einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen, diesen unter Kontrolle der Mitgliedschaft vorzubereiten und durchzuführen und aus den in den Parteigruppen gewählten Delegierten eine neue Leitung zu wählen.


Herbert Spalt, Heinz Hässelbarth, Rolf Kasper, Günter Mensch, Bernd Neudeck, Klaus Hesse, Eberhard Kornagel, Kurt Walther, Manfred Brauner, Dieter Itzerott

Raute

hth: Josef Stalin - der Verräter warst Du

23.08.2011: Mit diesem - in der vorstehenden Überschrift zitierten - Protestschrei reagierte vor fast genau 72 Jahren, im September 1939, der bedeutende antifaschistische Propagandist und Kommunist Willi Münzenberg in der Exilzeitschrift 'Die Zukunft' auf den Abschluss des sich am heutigen Tag jährenden 'Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes' und auf seine anschließende Umsetzung im Angriffskrieg der deutschen Faschisten gegen Polen. Damals erschütterte der genannte Vertrag nicht nur die bürgerlichen, sondern auch große Teile der linken und kommunistischen Kräfte in Europa, machte er doch vorerst jede Hoffnung auf eine breite staatliche Einheitsfront gegen den Hauptaggressor Deutschland zunichte. Und bis heute liegt das Erbe der unter dem Namen 'Hitler-Stalin-Pakt' bekannt gewordenen Abkommen zwischen der Sowjetunion und dem faschistischen Deutschen Reich jener Tage wie ein Alp über der kommunistischen Bewegung in Mittel- und Osteuropa.

In den ehemaligen westlichen Bündnisstaaten der Sowjetunion und den baltischen Staaten werden der Pakt und seine Umsetzung von den um 1990 an die Macht gelangten bürgerlichen Kräften zur gnadenlosen Verleumdung der kommunistischen Bewegung und zu entsprechenden Unterdrückungsmaßnahmen genutzt. Bürgerliche Wissenschaftler im übrigen Europa und den USA tragen zwar viel Material zusammen, bleiben in ihren Bewertungen aber auf abstruse 'Totalitarismustheorien' oder auf oberflächliche Darstellungen der Abläufe und Prozesse orientiert, da ihnen kommunistische Grundsätze und Prinzipien wesensfremd sind. An einer umfassenden und tief gehenden dialektisch-materialistischen Aufarbeitung, Analyse und Bewertung dieses so verhängnisvollen Paktes fehlt es noch immer. Die nachstehende Analyse soll - aus Anlass des heutigen Jahrestages - ein Beitrag zum Schließen dieser Lücke sein. Der Schwerpunkt wird dabei der Entstehungsprozess der eigentlich drei zusammenhängenden Verträge jener Tage zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich sein.

Diese drei Verträge sind das Deutsch-Sowjetische Wirtschaftsabkommen vom 19./20. August, der Deutsch-Sowjetische Nichtangriffsvertrag vom 23./24. August und der Deutsch-Sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939, die als solche - inklusiv ihrer Zusatzprotokolle - und in ihren Umsetzungen das Ergebnis eines in sich einheitlichen Prozessablaufes und der in diesem Verlauf zueinander gefundenen Strategien zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich waren. Sie stellen nur die formelle Gliederung der Teilergebnisse eines Gesamtabkommens dar, und sollen daher auch in der Folge in dieser Gesamtheit gemeint sein, wenn vom 'Hitler-Stalin-Pakt' die Rede ist. Diese Personenbezogenheit ist allemal berechtigt, wenn man berücksichtigt, welch kleiner Personenkreis an dem Entstehungsprozess dieses Paktes beteiligt war und dass es im Kern die beiden Staatsführer allein waren, die über Inhalt und Unterschriften entschieden.

Auf sowjetischer Seite bestand der Personenkreis der Gestalter und Entscheider aus dem sogenannten Fünfer-Kreis des Politbüros mit Josef Stalin, Wjatscheslaw Molotow, Andrej Schdanow, Klimt Woroschilow, Anastas Mikojan. Hinzu kamen noch der Botschafter Alexej Merekalow in Berlin, der dortige Geschäftsführer Georgij Astachow und (nachgeordnet) der stellvertretende Leiter der sowjetischen Handelsvertretung Barbarin. Der am 3. Mai 1939 in seiner Funktion als Außenminister durch Molotow abgelöste Litwinow spielte keine wesentliche Rolle.

Auf deutscher Seite waren die Entscheider Adolf Hitler, Reichaußenminister Joachim von Ribbentrop, sein Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, Hermann Göring, der deutsche Botschafter in Moskau, Graf von Schulenburg, der Vortragende Legationsrat und Leiter der Wirtschaftpolitischen Abteilung Ost im Reichsaußenministerium, Julius Schnurre und (nachgeordnet) der Dolmetscher und Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau, Gustav Hilger.

Die diplomatischen Prozesse, die zum Hitler-Stalin-Pakt führten, begannen mit den Vorüberlegungen des deutschen Reiches zur Gestaltung und Regelung eines neuen Wirtschaftsvertrages für das Jahr 1939. Der Außenhandel Deutschlands mit der Sowjetunion war 1938 weiter drastisch eingebrochen: Exporten im Umfang von 50 Mio. Reichsmark nach Deutschland standen klägliche Importe in Höhe von 32 Mio. Reichsmark in die Sowjetunion entgegen. Dabei war der Rohstoffimport aus der SU für das Deutsche Reich von höchster Bedeutung - für die interne Kriegswirtschaft und im Fall eines Krieges im Westen als Ausgleich für wahrscheinliche Blockaden durch die Westmächte. Besonders bewusst war das den Kreisen um Hermann Göring und den Wirtschaftfachleuten im Außenministerium um Julius Schnurre. Schnurre entwickelte bereits im Dezember 1939 einen Vertragsplan, der im August 1939 dann auch weitgehend in dieser Form zur Unterzeichnung kam. Der Kern dieses Wirtschaftsvertrages war ein Kompensationsgeschäft: Aufnahme eines deutschen Kredit durch die Sowjetunion zum Import von Technologie und Maschinen aus Deutschland und Rückzahlung des Kredits durch Rohstoff- und Warenlieferungen.

Die deutsche Haltung im Prozess bis zum Abschluss dieses Vertrages war dabei nicht gradlinig, sondern von unterschiedlichen Widersprüchen und Interessen geprägt. Da war die Gier nach den kriegswichtigen Rohstoffen; doch gab es auch die Sorge, dass die umfangreichen Technologie- und Maschinenlieferungen in die Sowjetunion gerade die Kriegsindustrie und -produktion schwächen könnten; da erschienen der deutschen Führung der Preis bzw. die Kreditwünsche der SU lange Zeit als zu hoch. Im ersten Quartal 1939 glaubte von Ribbentrop zudem noch, Polen nach Art der Tschechoslowakei mit Zuckerbrot und Peitsche einfangen zu können und wollte alles vermeiden, was Polen in die Arme von Groß-Britannien und Frankreich treiben könnte. Aus diesem Grunde wurde eine erste Verhandlungsrunde in Moskau Ende Januar 1939 unter Leitung von Schnurre nach einer Veröffentlichung des Krakauer Kuriers kurzfristig abgesagt.

Dann gab es in der deutschen Führung die Rücksichtnahme auf Italien und mehr noch auf Japan, die einer Annäherung Deutschlands an die SU kein Verständnis entgegen brachten. Davon ließ sich von Ribbentrop zeitweise beeindrucken, bis hin zu Entwürfen von Anweisungen, alle Verhandlungen mit der SU zu dem Wirtschaftsabkommen einzustellen (Ende Juni 1939). Dagegen stand Göring, der Mitte Juni in einem Gespräch mit einem Vertrauensmann Mussolinis angab: "Mir ist es wurscht, was der japanische Botschafter sagt und macht, ich werde auf meiner Straße weitergehen, um den für Deutschland lebenswichtigen russischen Markt zu erschließen." Eine Zeitlang interpretierte die deutsche Führung zudem die Forderung der Sowjetunion nach einer zwingend begleitenden politischen Vereinbarung als Signal von Desinteresse auf sowjetischer Seite.

Und dann zeigte sich im zweiten Quartal 1939 für die deutsche faschistische Führung, dass im angesagten Krieg gegen Polen wohl kaum mit einem einfachen Zuschauen von Groß-Britannien und Frankreich zu rechnen war. Im Gegenteil, besonders die britische Haltung gegenüber einer weiteren Aggression Deutschland verhärtete sich ständig. Die wachsende Dringlichkeit bei der Vermeidung eines Zwei-Fronten-Krieges und einer Rohstoffabschneidung im Westen zwang zu Zugeständnissen bei den Kredit- und Lieferwünschen der Sowjetunion. Zudem begannen die deutsche Führung und deren Diplomaten im Juni und Juli allmählich zu begreifen, dass sie über eine mögliche politische Vereinbarung mit der Sowjetunion noch ganz andere, als nur wirtschaftliche Gewinne erzielen könnte.

Dabei waren besonders von Schulenburg und Schnurre treibend und klärend aktiv. Am 17. Juni 1939 besprach Schulenburg mit Astachow Ansätze einer politischen Verständigung, bei der neben einer Fortsetzung des Berliner Vertrages von 1926 auch bereits von einem Nichtangriffspakt gesprochen wurde. Und am 26. Juli lud Schnurre Astachow und Babarin zum Abendessen in ein Berliner Restaurant ein. Im Verlaufe dieses Gespräches wurde bereits die gesamte Grundskizze des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes vom 23./24. August besprochen, inklusive der groben Klärung der Hegemonieansprüche der Sowjetunion über die baltischen Staaten und der Teilung Polens.

Das Agieren der Führung der Sowjetunion war in dem Entstehungsprozess des 'Hitler-Stalin-Paktes' im Gegensatz zu dem der deutschen Seite klar orientiert und nicht im Mindesten schwankend oder von widersprüchlichen Interessen erkennbar beeinflusst. Und von Anfang an entsprach dieses Agieren gegenüber der deutschen Führung an keiner Stelle dem, was der stellvertretende sowjetische Außenminister Krestinski dem polnischen Botschafter bei dessen Amtsantritt im Jahre 1936 gegenüber erklärte, und was unzweifelhaft dem Geist der Linie des 7. Weltkongresses der KI entsprach: "... wir kämpfen gegen alle Formen des Angriffs und alle Arten des Faschismus. Wir betreiben augenblicklich eine anti-deutsche, anti-italienische und anti-japanische Politik."

So erhöhte die Sowjetunion ihr Angebot zur Lieferung von Rohstoffen nach der Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen am 10. Februar 1939 auf Drängen der deutschen Seite umgehend von 50 Mio. Reichsmark pro Jahr auf 200 Mio. Reichsmark in den nächsten beiden Jahren, wenngleich verbunden mit der gleichzeitigen Forderung einer wesentlichen Anhebung der Kreditbedingungen zum Import deutscher Technologie und Maschinen.

Auf dem 18. Parteitag der KPdSU am 10. März 1939 setzte Stalin ein weiteres positives Signal in Richtung Deutsches Reich, als er in seinem politischen Bericht als Aufgabe der Partei in der Außenpolitik u.a. formulierte: "Die Friedenspolitik fortzuführen und die wirtschaftlichen Beziehungen mit allen Ländern zu stärken; vorsichtig zu sein und nicht zuzulassen, dass unser Land in Konflikte durch Kriegstreiber verwickelt wird, die gewohnt sind, andere für sich die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen." Das konnte sinnvoll nur als andeutende Absage an Groß-Britannien und Frankreich gedeutet werden. Bei dem Festgelage nach der Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages vom 23./24. August 1939 bezog sich Molotow explizit auf diese Interpretation der Aussagen Stalins: "Ferner hob Herr Molotow sein Glas auf Herrn Stalin, wobei er bemerkte, dass es Stalin gewesen sei, der durch seine Rede vom März d. J., die in Deutschland gut verstanden worden sei, den Umschwung der politischen Beziehungen eingeleitet habe." Und Ribbentrop erinnerte sich später (in den Nürnberger Prozessen) an die Ergänzung Stalins "Genau das war meine Absicht!"

Am 17. April 1939 erklärte Merekalow in einem Gespräch mit von Weizsäcker, "es bestehe für Russland kein Grund, warum es nicht mit uns (Deutschland) auf einem normalen Fuße leben sollte. Aus normalen Beziehungen könnten auch wachsend bessere werden." Das alles nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei Mitte März 1939 und fast gleichzeitig mit dem Beginn von Gesprächen mit Groß-Britannien und Frankreich über eine 'Anti-Aggressor-Koalition'.

Mit der Ablösung Litwinows als Außenminister durch Molotow wurde nicht nur die Außenpolitik direkt in die Steuerung des Fünfer-Kreises des Politibüros der KPdSU übernommen. Es wurde gleichzeitig erreicht, dass bei evtl. höchstrangigen politischen Verhandlungen mit dem Deutschen Reich die Faschisten nicht mit einem Juden verhandeln mussten.

Einen entscheidenden Schritt weiter ging Molotow dann in einem Gespräch am 20.5.1939 mit Graf von Schulenburg, aus dem dieser die Erkenntnis nach Deutschland weitergab: "Es ist gar nicht anders zu verstehen, als dass ihm die Wiederaufnahme unserer Wirtschaftverhandlungen als politische Geste nicht genügt und dass er offenbar weitergehende Angebote politischer Art von uns haben will." Das bedeutet, dass Stalin und Molotow bereits zu diesem Zeitpunkt einen (im Einzelnen noch zu verhandelnden) politischen Pakt als Preis für das Wirtschaftsabkommen mit dem Deutschen Reich anstrebten und forderten.

Die positiven Zeichen und Signale der sowjetischen Führung in Richtung der Führung Deutschlands erfolgten aber auch indirekt und über Mittelsmänner. So erklärte am 15. Juni 1939 Georgi Astachow, der sowjetische Botschaftsrat in Berlin, gegenüber dem bulgarischen Botschafter Parvan Dragonow aus eigener Initiative: "Wenn Deutschland die Erklärung abgibt, die Sowjetunion nicht angreifen zu wollen, oder mit ihr einen Nichtangriffspakt abschließt, so wird die Sowjetunion wohl von dem Vertragsabschluss mit England absehen." Dragonow gab diese Information - wie offensichtlich gewollt - direkt an das deutsche Außenministerium weiter. Eine gleichartige Aussage machte der sowjetische Luftattache Ivan Cherny in London am 29. Juni 1939 gegenüber dem Assistenten des deutschen Luftattaches: Die SU habe eigentlich kein Interesse an einem Abschluss der Verhandlungen mit Frankreich und England und käme lieber mit Deutschland zu einem Abkommen.

Außerordentlich ungewöhnlich war ferner der Artikel von Andreij Schdanow am 29. Juni 1939, in dem er sich über widersprüchliche Einschätzungen der Chancen für ein 'Anti-Aggressor-Abkommen' mit Großbritannien und Frankreich seinerseits und seitens seiner 'politischen Freunde' (womit ja nur der Fünfer-Kreis des Politbüros gemeint sein konnte) ausließ und seine Meinung darlegte, dass so ein Abkommen keine ganz günstigen Aussichten habe. Für wen sollten solche starken Signale gedacht sein, wenn nicht für die deutsche Reichsführung?

Nach all diesen Zeichen und Positionierungen ergiffen die deutschen Entscheider jetzt die gereichten Hände (s.o.), man einigte sich auf die Wiederaufnahme konkreter Verhandlungen zu dem Wirtschaftsvertrag am 22. Juli 1939 und klärte in dem Gespräch von Schnurre mit Astachow und Babarin am 26. Juli 1939 die Grundkonzeptionen des politischen Rahmens, den Molotow am 20. Mai gegenüber von Schulenburg gefordert hatte. Anfang August, und zwar unmittelbar zu Beginn der Verhandlungen mit GB und Frankreich über eine konkrete Militärstrategie am 12. August, verständigten sich das deutsche Reichsaußenministerium und die sowjetische Führung über die Aufnahme von politischen Vertragsverhandlungen durch höchstrangige Persönlichkeiten.

Damit und noch bevor die Verhandlungen der SU mit GB und Frankreich definitiv gescheitert waren, waren im Kern die Würfel zugunsten der ersten beiden Teile des 'Hitler-Stalin-Paktes' bereits gefallen. Es ging nur noch um die Ausformulierung und um die Dringlichkeit der Vertragsunterzeichnung (Deutschland drängte wegen des Angrifftermins auf Polen; Molotow taktierte hinhaltend), die dann auch in den nächsten 10 Tagen keine Probleme mehr aufwarf.

Die klare und zu keiner Zeit in diesem wirklich meisterlich gesteuerten Prozessverlauf schwankende Zielorientierung des Fünfer-Kreises des Politbüros der KPdSU auf den politischen Pakt mit dem Deutschen Reich wird noch deutlicher, wenn man die von sowjetischer Seite in die Verhandlungen mit GB und Frankreich zwischen April und Mitte August 1939 eingebrachten Barrieren und Blockaden betrachtet. Das war anfangs die Forderung nach einer Behandlung einer "inneren Aggression" in den westlichen Nachbarstaaten der SU, vor allem in den baltischen Staaten, wie eine "äußere Aggression" gegen die SU. Da konnte der am 23./24. Juli fast fertige Vertragsentwurf eines politischen 'Anti-Aggressionsabkommens' wegen der unnachgiebigen Forderung Molotows nach einem zuvor festzulegenden militärischen Umsetzungsabkommen nicht unterzeichnet werden - kurz nach dem Beginn der abschließenden Wirtschaftsverhandlungen mit dem Deutschen Reich am 22. Juli. Und zwei Tage nach der Verständigung zwischen Molotow und von Ribbentrop über die abschließende Verhandlungen eines politischen Rahmenabkommens (Nichtangriffsvertrag) durch "höchstgestellte Persönlichkeiten" erhob Woroschilow in den militärischen Verhandlungen mit GB und Frankreich am 14. August die ultimative Forderung nach einem Einmarsch- und Durchmarschrecht gegen Deutschland in Rumänien, Litauen und Polen. Dabei war seitens Polens eine Zustimmung so gut wie ausgeschlossen. Solches Agieren der sowjetischen Entscheider diente erkennbar nur dem Zustandekommen des von Molotow am 20. Mai gegenüber von Weizsäcker geforderten politischen Abkommens mit dem Deutschen Reich.

Betrachtet man die wesentlichen Elemente der beiden ersten Vertragswerke des Hitler-Stalin-Paktes, so ergab sich für die deutschen Faschisten die Gewissheit der Rohstoffversorgung insbesondere ihrer Kriegsmaschinerie aus dem Osten bei einer West-Blockade durch GB und Frankreich, die Sicherheit der Vermeidung einer echten zweiten Kriegsfront im Osten bei dem geplanten Überfall auf Polen, ja mehr noch die quasi garantierte Option auf die Zerschlagung Polens mit Hilfe der SU (diese Option wurde denn auch umgehend ab dem 3.9.1939 in Anspruch genommen), und die deutsche Wehrmacht konnte ihre Kräfte - abgesehen vom Angriff auf Polen - ohne Sorge gegen die kriegsdrohenden Westmächte wenden.

Die Sowjetunion dagegen hatte sich einen (selbstbetrügerischen) Frieden an ihrer Westseite, die Garantie für ihre Hegemonieansprüche an der Westgrenze (Finnland, baltische Staaten, Polen Rumänien) und die Option für die gemeinsame Zerschlagung des polnischen Staates, sowie günstige Zulieferungszusagen für den sozialistischen Aufbau durch deutsche Technologie und Maschinerie vertraglich gesichert (die jedoch bis Juni 1941 nur eher marginal erfüllt wurden). Die Lieferung von kriegsentscheidenden Rohstoffen an Deutschland sah Stalin zweifellos als günstig an, um die Staaten Mitteleuropas im Krieg zu binden (und sich schwächen zu lassen).

Dass es sich bei diesen letzten Feststellungen keineswegs um Vermutungen und Unterstellungen handelt, belegen dokumentierte Äußerungen der Entscheider des Hitler-Stalin-Paktes. So wurde das Zusatzprotokoll des Nichtangriffspaktes (in dem die Hegemonieansprüche formuliert sind) von Molotow und Stalin höchstpersönlich formuliert und redigiert - denn das RAM wusste nach eigenen Angaben "nicht so recht, was die russische Seite dort hinein schreiben" wollte. Am 7. September 1939 unterwies Stalin persönlich Georgi Dimitrow als Leiter der KI über seine Sicht und Strategie: "Der Krieg verläuft zwischen zwei Gruppen kapitalistischer Staaten ... um die Umgestaltung der Welt, um die Herrschaft über die Welt! Wir sind nicht dagegen, dass sie einander ordentlich an die Gurgel fahren und sich gegenseitig schwächen ... Wir können manövrieren, eine Seite gegen die andere anstacheln, damit sie sich möglichst gründlich zerfleischen." Und am 30.9.1939 prahlte Molotow vor dem Obersten Sowjet der SU damit, dass man gemeinsam mit der deutschen Wehrmacht nach jeweils einem nicht zu kräftigen Stoß "Polen, diese hässliche Ausgeburt des Versailler Vertrages" zerschlagen habe. Und viel später, am 29.11.1974 gab Molotow in seinen Gesprächen mit Felix Chuev an: "Meine Aufgabe als Außenminister war es, die Grenzen unseres Vaterlandes zu erweitern. Und es scheint so, als ob Stalin und ich mit dieser Aufgabe ganz gut fertig wurden."

Der zentrale und grundlegende Kern solcher Positionierungen und der dementsprechenden Handlungen ergab sich bereits 1939 aus Erklärungen Molotows vor dem Obersten Sowjet der SU am 31.8.1939: "Es ist unsere Pflicht, an die Interessen des Sowjetvolkes zu denken, an die Interessen der UdSSR. ... Ist es wirklich schwer zu verstehen, dass die UdSSR bisher und weiterhin ihre eigene unabhängige Politik verfolgt, die sich auf den Interessen der Völker der UdSSR und nur auf ihren Interessen gründet." Was hier so selbstverständlich klingt und unter 'normalen' Bedingungen möglicherweise wenig Schaden bewirkt, ist in seinem egoistisch-selbstbezogenen Prinzip das genaue Gegenteil des schon im Kommunistischen Manifest betonten und sich aus den realen Verhältnissen der menschlichen Organisation in Staaten ergebende Grundsatzes der Kommunisten, dass ihr Kampf der Form nach zwar national, dem Wesen und Inhalt nach aber international sein müsse. Letzteres bedeutet - wenn es nicht leere Floskel sein soll - dass dem Wirken des Imperialismus als Weltsystem auch eine entsprechende, das Ganze berücksichtigende Strategie der Kommunisten gegenüber stehen muss.

1939 konnte der erwähnte Grundsatz des Kommunistischen Manifestes nur alternativlos bedeuten: alle Kräfte, auch auf bürgerlich staatlicher Seite, gegen den Hauptaggressor in Europa - den Hitler-Faschismus - zusammen zu schließen. Der 7. Weltkongress der KI 1935 hatte die Generallinie der antifaschistischen Einheitsfront richtig vorgegeben, die Erweiterung dieser Orientierung und aller Kräfte auf den Zusammenschluss auch der nicht-aggressiven und durch den Faschismus in ihrer Existenz bedrohten Staaten wäre die einzig richtige kommunistische Politik im Europa des Jahres 1939 gewesen. Josef Stalin und der Fünfer-Kreis des Politbüros der KPdSU haben diese Anforderung bewusst und planmäßig mit Füßen getreten, und sie haben in diesem Sinne das zuvor sinngemäß zitierte hochrangige Prinzip der Kommunisten beiseite geschoben und verraten - mit verheerenden Folgen für ganz Europa. Daran lassen die Fakten des oben beschriebenen Prozesses zum Abschluss des 'Hitler-Stalin-Paktes' keinen Zweifel.

Aber es wurden noch weitere kommunistische Prinzipien der stalinschen Führung verletzt: durch die schon von Lenin vehement verurteilte Geheimdiplomatie und durch die geheimen Zusatzprotokolle (des Nichtangriffspaktes und des Grenz- und Freundschaftsvertrages), durch das in diesem Zusammenhang und später erfolgte Belügen des eigenen Volkes und der eigenen Partei und Arbeiterklasse (insbesondere über Inhalte und Existenz der Zusatzprotokolle), durch das bewusste Fördern eines mitteleuropäischen Krieges, in dem sich nicht in erster Linie die Bourgeoisien, sondern die Arbeiterklassen und die Werktätigen der kriegführenden Länder zerfleischten.

Deswegen hat das, was Willi Münzenberg im Oktober 1939 in der antifaschistischen Einheitsfrontzeitung 'Die Zukunft' so emotional formulierte, unverändert und tief begründet Gültigkeit: "Josef Stalin - der Verräter warst du!"

hth, offizielle Internetseite der DKP: www.kommunisten.ede

Raute

Kurt Gossweiler: Quo vadis, DKP ?

Aus vielen Anlässen sah ich mich schon veranlasst, zum deutsch-sowjetischen Nichtangiffsvertrag vom August 1939 Stellung zu nehmen.(60)

Dabei konnte ich mich auf die hervorragende sowjetische Veröffentlichung "Geschichtsfälscher" stützen.(61)

Die Anlässe wurden von Mal zu Mal unerfreulicher.

Ging es zuerst darum, die bürgerlichen Geschichtsfälschungen zur Verleumdung der Sowjetunion zurückzuweisen, so trat 1956 der nie für möglich gehaltene Fall ein, dass die historische Wahrheit über die Politik der Sowjetführung unter der Führung Stalins insgesamt, besonders aber auch den Nichtangriffsvertrag betreffend, gegen deren skrupellose und bösartige Entstellung durch keinen anderen als Stalins Nachfolger als Generalsekretär der KPdSU, durch Chruschtschow, verteidigt werden musste.

Das ist schon vielfach geschehen.(62) Zu nennen wäre hier auch noch als eine der neuesten Beiträge eine Ausarbeitung von Hans-Jürgen Falkenhagen: "Der sogenannte 'Hitler-Stalin-Pakt' (Nichtangriffsvertrag)"(63)

Aber die Impfung der kommunistischen Bewegung mit dem Gift des als "Anti-Stalinismus" verpackten Antikommunismus durch Chruschtschow wirkt noch immer verhängnisvoll.

Und der Nichtangriffvertrag, vorsätzlich den Tatbestand verfälschend als "Hitler-Stalin-Pakt" bezeichnet - ein Pakt ist ein Bündnis zu einem gemeinsamen Tun, ein Nichtangriffsvertrag dagegen ein Abkommen über ein beiderseitiges Nicht-Tun, - wird noch immer als ein Hauptargument ins Feld geführt.

Wie die meisten kommunistischen Parteien übernahm auch die nach dem Verbot der KPD 1956 im Jahre 1968 gegründete DKP weitgehend die von Chruschtschow verfälschte Darstellung der Geschichte und Politik der KPdSU unter Stalins Führung.

Aber Kurt Bachmann - ihr erster Vorsitzender bis 1973 - schrieb 1988 in einem Artikel zum Nichtangriffsvertrag: "Der Nichtangriffsvertrag war, so habe ich es 1939 gesagt und davon bin ich auch heute zutiefst überzeugt, weder unter den damaligen Bedingungen noch aus heutiger Sicht ein Fehler, sondern kluge Einsicht in das damalige Notwendige."(64)

Und sogar Willi Gerns, in der DKP Fachmann für die Geschichte der Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten und das Gegenteil eines Kritikers des XX. Parteitages der KPdSU und Chruschtschows, verteidigte im September 2009 in der UZ den Nichtangriffsvertrag gegen den russischen Ministerpräsidenten Putin, als der in Polen anlässlich des 70. Jahrestages des Überfalles der Hitler-Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 den Nichtangriffsvertrag als "unmoralisch" bezeichnet hatte. Gerns stimmte der Kritik des ZK-Mitglieds der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation S.P. Obuchow zu, der sich gegen Putin mit der Erklärung gewandt hatte: "Die strategische Entscheidung, die der UdSSR eine fast zweijährige friedliche Atempause und die Vorbereitung auf die Verteidigung ermöglichte, die einen Zweifrontenkrieg verhinderte und damit das Fundament für unseren Sieg 1945 legte, - soll unmoralisch gewesen sein?"

Gerns bekräftigte diese Kritik Obuchows an Putin: "Der Hervorhebung dieser strategischen Seiten des Vertrages muss man meiner Überzeugung nach zustimmen. ... Wie hätte sich der Krieg entwickelt, wenn der Überfall der Naziwehrmacht auf die Sowjetunion 1941 seinen Ausgang hunderte Kilometer weiter östlich vor den Toren von Minsk und Leningrad genommen hätte? Und übersehen werden sollte auch nicht, dass die Gebiete, die die Sowjetunion 1939 in Ostpolen besetzte, zuvor während des Bürger- und Interventionskrieges von den polnischen Nationalisten annektiert worden waren.[2]

[2] Siehe in: "http://kritische-massen.over-blog.de/article-willi-gens-der-deutsch-sowjetische-Nichtangriffs-Vertrag."

Die Aussagen von Bachmann und Gerns belegen, dass in der DKP der Nichtangriffsvertrag als eine richtige, den damaligen Bedingungen entsprechende Maßnahme eingeschätzt wurde und auch noch wird, obwohl die DKP programmatisch die revisionistischen Entstellungen der Geschichte der KPdSU durch Chruschtschow übernommen hat.

Das aber scheint sich inzwischen grundlegend geändert zu haben. Denn im Internet-Portal der DKP "kommunisten.de" erschien am 24. August 2011 ein Artikel, überschrieben " ... Stalin, der Verräter bist du!", der die kaum noch überbietbaren infamen Chruschtschow'schen Verleumdungen noch übertrifft.

Der Verfasser der antikommunistischen Schmähschrift zieht es vor, durch ein Kürzel "hth" anonym zu bleiben. Aber er ist natürlich der Parteiführung bekannt, da sie ihm schon mehrfach diese Internet-Seiten des Parteiorgans zur Verfügung stellte, (oder hat sie ihn gar zu diesen Artikeln aufgefordert?)

Nur einige Zitate seine hier angeführt, um deren feindlichen, antikommunistischen Gehalt zu offenbaren. Da wird gleich zu Anfang erklärt, der Nichtangriffsvertrag habe "vorerst jede Hoffnung auf eine breite staatliche Einheitsfront gegen den Hauptaggressor Deutschland zunichte" gemacht.

Kein Wort davon, dass es die Sowjetunion war, die seit Jahren sich darum bemühte, eine solche Einheitsfront zustande zu bringen, aber am ablehnenden Verhalten ihrer westlichen Verhandlungspartner scheiterte.

1) Die Bemühungen der Sowjetunion begannen mit ihrem Eintritt in den Völkerbund 1935. - dieser Schritt wurde aber von der englischen Regierung beantwortet mit dem Abschluss des berüchtigten Flottenabkommens mit Hitlerdeutschland im gleichen Jahr.

Seit ihrem Eintritt in den Völkerbund trat die Sowjetunion dort immer wieder mit dem Vorschlag zur Bildung eines Systems der kollektiven Sicherheit zur Abwehr von Aggressionen auf

2) Als Franco mit direkter Unterstützung Hitlers und Mussolinis die spanische Volksfront-Regierung bekämpfte, war die Sowjetunion der einzige Staat, der die spanische Republik politisch, materiell und militärisch unterstützte.

Die "befreundeten" Westmächte, darunter die Volksfront-Regierung des benachbarten Frankreich, unterließen nicht nur vereinbarte Hilfe, sondern unterstützten Franco und seine deutschen und italienischen Verbündeten durch die so genannte "Nichteinmischungspolitik"

3) Statt auf die sowjetischen Vorschläge zur Abwehr der Aggressoren durch ein System der kollektiven Sicherheit einzugehen, ließen die Westmächte 1935 den Bruch des Versailler Vertrages durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland zu, 1936 den Überfall Italiens auf Abessinien, 1938 den "Anschluss" Österreichs an Deutschland und im Oktober 1938 segneten sie mit dem berüchtigten "Münchener Abkommen" die Annexion des Westgebietes der Tschechoslowakei ("Sudetengebiet") durch Deutschland ab.

4) Als dann nach dem Münchener Schand-Abkommen die Rest-Tschechoslowakei von Hitler-Deutschland immer mehr bedroht wurde, war es - als einziger Staat! - wiederum nur die Sowjetunion, die der Prager Regierung militärischen Beistand anbot.

5) Die weiteren Bemühungen der Sowjetunion und die Reaktion der Westmächte schildert Falkenhagen (65) wie folgt: "Im März 1939 nahm die Sowjetunion erneut Verhandlungen auf, um eine antifaschistische Allianz zu bilden. Großbritannien und Frankreich ließen die Dinge schleifen und manövrierten. Hitler wurde zu verstehen gegeben, dass er gegen die Sowjetunion marschieren kann. Von Juni bis August 1939 fanden geheime deutsch-britische Verhandlungen statt, in deren Verlauf die Briten Hitler Handlungsfreiheit im Osten im Austausch gegen die Garantie der Unversehrtheit des Britischen Empires zusagten. Das Britische Empire war damals durch zunehmende Unruhen und Aufstände in seinen Kolonien bedroht.

Am 29. Juli 1939 führte Charles Roden Buxton eine geheime Mission für den britischen Premierminister Chamberlain in der deutschen Botschaft durch. Er entwickelte den Plan:

Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des britischen Empire durch Deutschland und seitens der Antikominternpakt-Staaten (Deutschland, Japan, Italien, Ungarn, Spanien u.a.).

Großbritannien verpflichtet sich, die deutschen Interessensphären in Süd- und Osteuropa zu respektieren mit der Konsequenz des Verzichts von Garantien, die es gewissen Staaten gewährt hatte.

3. Die Gespräche zum Abschluss eines Paktes mit der UdSSR werden von Seiten Großbritanniens eingestellt.

Stalin wurde von seinen Geheimdiensten darüber genau informiert.

Im August 1939 traten die Verhandlungen zwischen Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion in eine Schlussphase." Soweit Falkenhagen.

Wie die Westmächte und Polen den Abschluss eines Abkommens sabotierten, das ist schon in so vielen Veröffentlichungen - auch in den von mir genannten zum Nichtangriffsvertrag - geschildert worden, dass es hier nicht wiederholt werden muss.

Von alledem aber kein Wort im "kommunisten.de"-Artikel der Internetzeitung der DKP! Und das nicht aus Unwissenheit, kommt der hth-Anonymus doch auf diese Verhandlungen und ihr Scheitern zu sprechen, aber wie? Er kehrt in unglaublicher Dreistigkeit und Verlogenheit die Tatsachen in ihr Gegenteil um: Ihm zufolge sabotierten nicht die Westmächte ein Abkommen mit der Sowjetunion, um ihr Ziel zu erreichen, Hitlerdeutschland zum Angriff auf die Sowjetunion zu bringen, sondern die Sowjetunion sabotierte ein mögliches Abkommen mit den Westmächten, weil Stalin unbedingt ein Abkommen mit Hitler-Deutschland gewollt haben soll.

Als "Beweise" für diese Behauptung führt hth Aufzeichnungen über Gespräche sowjetischer mit deutschen Diplomaten an, die beweisen sollen, dass die Sowjetunion eine politische Verständigung mit Hitlerdeutschland für einen Nichtangriffsvertrag einem Abkommen mit den Westmächten gegen eine deutsche Aggression vorgezogen habe.

Wer sich so eingehend mit der Vorgeschichte des Nichtangriffsvertrags beschäftigt, dem kann eigentlich nicht entgangen sein, dass es dazu seit langem eine ausführliche Monographie des sowjetischen Autors V. J. Sipols gibt.(66) Und wer dort nachliest, der findet die Belege dafür, dass der DKP-Autor hth ein übler Demagoge ist, der aus dem Zusammenhang eben jene Fakten herausreißt, mit denen er vorgibt, dem Leser die historische Wahrheit vorzutragen.

Die ist aber das Gegenteil von dem, was hth vorbringt., wie bei Sipols nachzulesen ist. Von ihm erfahren wir:(67)

"Am 17. April 1939 unterbreitete die Sowjetunion der britischen und der französischen Regierung konkrete, weitreichende Vorschläge, in denen vorgesehen war:

- Abschluss eines Abkommens über gegenseitige Hilfe zwischen Großbritannien, Frankreich und der UdSSR;
- Hilfeleistung der drei Mächte für die osteuropäischen Nachbarländer der UdSSR im Falle einer Aggression gegen diese Länder.

Im Einklang mit den sowjetischen Vorschlägen sollten die drei Mächte in kürzester Frist Umfang und Formen der militärischen Hilfe erörtern und festlegen, die jede von ihnen dem Aggressionsopfer zu leisten hätte, d.h. eine militärische Konvention abschließen. Der Vertrag über gegenseitigen Beistand und die militärische Konvention sollten gleichzeitig unterzeichnet werden und eine Gültigkeit von 5 bis 10 Jahren haben. Im Falle eines bewaffneten Konflikts durfte kein Sonderfrieden mit dem Aggressor geschlossen werden. Bei der Übergabe dieser Vorschläge an den britischen Botschafter W. Seeds hob der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR insbesondere die Bedeutung der gleichzeitigen Unterzeichnung beider Abkommen, sowohl des politischen als auch des militärischen, hervor. ...."

Die sowjetischen Vorschläge fanden jedoch bei der britischen und der französischen Regierung keine Unterstützung. Es mag heute noch so paradox erscheinen, aber sie fanden diese Vorschläge unakzeptabel. Der ständige stellvertretende Außenminister Großbritanniens, A. Cadogan, verfasste augenblicklich eine Mitteilung über die sowjetischen Vorschläge, die er dem außenpolitischen Ausschuß der Regierung zustellte. Dieses Dokument zeugt davon, wie groß der Hass der britischen regierenden Spitze gegen die UdSSR war.

Der sowjetische Vorschlag bringt uns in eine "äußerst schwierige" Lage, schrieb Cadogan. "Wir müssen den Nutzen von den papierenen Verpflichtungen(!) Rußlands, sich uns im Kriege anzuschließen, und den Schaden(!) abwiegen, den uns die offene Vereinigung mit Rußland bringt." Cadogan meinte ferner, vom praktischen Standpunkt aus spreche alles "gegen die Annahme des russischen Vorschlags." Er stellte jedoch fest, dass die linksorientierten Kreise bemüht sein werden, die Zurückweisung des Vorschlags im Kampf gegen die Regierung auszuschlachten. Lehnt Großbritannien den sowjetischen Vorschlag ab, besteht außerdem die Gefahr, dass die Sowjets irgendein "Nichteinmischungsabkommen" mit Deutschland schließen könnten." (S. 252f.)

Bei der Erörterung der sowjetischen Vorschläge sprach sich Lord Halifax auf der Sitzung der britischen Regierung vom 26. April gegen ein 'umfassendes' Abkommen mit der UdSSR aus. Das Hauptargument des britischen Außenministers lautete, die Unterzeichnung eines Bündnisses mit der UdSSR durch Großbritannien und Frankreich könnten sich negativ auf die britisch-deutschen Beziehungen auswirken, d.h. das Zustandekommen einer neuen britisch-deutschen Vereinbarung - das Hauptziel der britischen Regierung - unmöglich machen. Die sowjetischen Vorschläge wurden auf jener Sitzung als unannehmbar bezeichnet.

Der Leiter des Norddepartments im britischen Außenministerium, L. Collier, stellte zur Haltung der britischen Regierung fest, dass sie sich nicht an die UdSSR binden, wohl aber 'Deutschland die Möglichkeit geben will, seine Aggression ostwärts auf Kosten Russlands zu entfalten.'

N. Chamberlain orientierte sich in seiner Politik weiterhin auf die Möglichkeit eines sowjetisch-deutschen Konfliktes. Hätte aber Großbritannien ein Abkommen mit der UdSSR geschlossen, wäre es ein gewisses Hindernis bei der Verwirklichung der deutschen Aggressionspläne gegen den Sowjetstaat. Ein Abkommen über Zusammenarbeit mit der UdSSR stand folglich im Widerspruch zu dem gesamten politischen Kurs der britischen Regierung. .....

I. Maiski (der sowjetische Botschafter in London) berichtete in jenen Tagen nach Moskau, die Idee von einem Bündnis mit der UdSSR ist '...sehr populär.' ...

Nichtsdestoweniger hielt die britische Regierung weiter an dem Standpunkt fest, es genüge schon, dass zwischen Großbritannien, Frankreich und der UdSSR irgendwelche Verhandlungen im Gange sind, damit Hitler zur Unterzeichnung eines britisch-deutschen Abkommens bewogen wird.

Der sowjetische Vorschlag wurde auf der Sitzung der britischen Regierung am 3. Mai erörtert. E. Halifax und andere Regierungsmitglieder äußerten die Hoffnung, dass man mit Hitler trotz alledem eine Übereinkunft erreichen kann, wenn man ihm die Handlungsfreiheit im Osten gewährt, und sprachen sich gegen eine Änderung der britischen Politik aus. Sie äußerten erneut die Befürchtung, dass sich die Sowjetregierung angesichts der britischen Haltung gezwungen sehen wird, sich um eine Normalisierung der Beziehungen zu Deutschland zu bemühen. Obwohl dies als kaum wahrscheinlich betrachtet wurde, hielt man es dennoch für zweckmäßig, die Verhandlungen (mit der UdSSR) noch eine gewisse Zeit lang weiterzuführen, um einer Normalisierung der sowjetisch-deutschen Beziehungen entgegenzuwirken." (S. 254ff.)

Inzwischen wuchs die Besorgnis in der britischen Öffentlichkeit immer mehr...

Chamberlains Politik wurde von D. Lloyd George, W. Churchill, C. Attlee und anderen Abgeordneten, die für den möglichst baldigen Abschluss eines britisch-französisch-sowjetischen Abkommens eintraten, scharf kritisiert. ......

Gegen ihren Wunsch sah sich die Regierung N. Chamberlain schließlich gezwungen, einem britisch-französisch-sowjetischen Pakt zuzustimmen; (wie die weiteren Ereignisse zeigen, war das leider nur eine verbale Zustimmung). .........

Am 27. Mai verständigten der britische Botschafter, W. Seeds und der französische Geschäftsträger, J. Payart, W. Molotow, der Anfang Mai zum Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten ernannt worden war, dass ihre Regierungen 'einverstanden sind', den sowjetischen Vorschlag zum Abschluss eines britisch-französisch-sowjetischen Vertrags anzunehmen, jedoch die oben genannten Vorbehalte geltend machen. Die Sowjetregierung war sich selbstverständlich dessen bewusst, dass diese Vorbehalte den Vertrag zu einem Fetzen Papier degradieren, was dem britischen und dem französischen Diplomaten auch direkt erklärt wurde. (S. 257ff) .........

Der Sekretär des ZK der KPdSU(B), A. Shdanow, schrieb mit Recht in einem "Prawda"-Artikel,(68) die britische und die französische Regierung wollten ja gar keinen gleichberechtigten Vertrag mit der UdSSR, sie zögen die Verhandlungen vielmehr in die Länge und würden künstliche Komplikationen in Fragen erfinden, die sich beim guten Willen Großbritanniens und Frankreichs ohne Verzögerungen und Hindernisse regeln ließen.

'Mir scheint', schrieb Shdanow, 'dass die Engländer und die Franzosen keinen echten, für die UdSSR annehmbaren Vertrag, sondern lediglich Gespräche über den Vertrag wollen, um, mit der angeblichen Unnachgiebigkeit der UdSSR vor der Öffentlichkeit ihrer Länder spekulierend, sich den Weg zu einer Abmachung mit den Aggressoren zu erleichtern.'" (S.261)

Die Sowjetunion befand sich durch dieses falsche Spiel der Westmächte in einer Situation hoher Gefährdung, die von Sipol zutreffend wie folgt beschrieben wird: "Die Sowjetunion befand sich im Grunde genommen auch jetzt noch im Zustand der internationalen Isolierung, in den sie im Herbst 1938 durch das Münchener Komplott Großbritanniens und Frankreichs mit den deutschen und italienischen Aggressoren geraten war. Mehr noch, die Sowjetunion musste dem Umstand Rechnung tragen, dass sich im Falle eines deutschen Überfalles einige westliche Nachbarstaaten sowie Japan durchaus den deutschen Angreifern anschließen konnten. Wie gesagt, sah sich der Sowjetstaat der Gefahr eines Zweifrontenkrieges gegenüber, wobei außerdem noch die Gefahr eines antisowjetischen Komplotts des gesamten imperialistischen Lagers existierte." (S. 291)

Wie sollte und wie konnte die Sowjetunion aus diesem Dilemma herauskommen? Natürlich nur auf dem Wege, dem die Sowjetunion - zusammen mit der internationalen Solidarität der Freunde der Sowjetunion in der ganzen Welt - ihr mehr als zwanzigjähriges Überleben mitten in der feindlichen imperialistischen Umkreisung verdankte, durch die Ausnützung der innerimperialistischen Gegensätze.

Das bedeutete in der konkreten Situation des Jahres 1939 die Ausnutzung der Furcht der Westmächte vor einer deutsch-sowjetischen Verständigung auf der einen, und der Furcht Nazideutschland vor einem Bündnis der Westmächte mit der Sowjetunion gegen den deutschen Aggressor auf der anderen Seite.

Die Furcht der ersteren ließ diese darauf eingehen, das sowjetische Bündnisangebot zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen - aber nur mit dem Hintergedanken, dadurch die deutsche Seite zur Annahme des westlichen Angebots zur Zusammenarbeit auf Kosten der Sowjetunion zu verführen bzw. zu erpressen.

Die Furcht der anderen Seite, also Nazi-Deutschlands, veranlasste diese zu dem Angebot an die Sowjetunion zu einer Verständigung bis hin zu einem Nichtangriffsvertrag.

Sipols schildert (ab S. 291) eingehend die deutschen Schritte dahin, von den ersten Angeboten im Mai 1939 zu einem Wirtschaftsabkommen in Gesprächen zwischen dem Mitarbeiter des deutschen Außenministeriums Schnurre mit dem sowjetischen Vertreter Astachow, den Unterredungen Schulenburgs, des deutschen Botschafters in Moskau, mit dem sowjetischen Außenminister Molotow über nicht nur verbesserte wirtschaftliche, sondern auch politische Beziehungen und den diplomatischen Verhandlungen bis zum Abschluss des Nichtangriffsvertrages am 24. August 1939.

Die Sowjetunion verhielt sich - solange sie noch einen Erfolg der Verhandlungen mit den Westmächten für erreichbar hielt, dem Werben den Nazidiplomaten gegenüber kühl zurückhaltend, worüber Schulenburg sich in seinen Berichten nach Berlin bitter beklagte. So berichtete er am 4. August 1939 nach Berlin, dass die "Sowjetregierung gegenwärtig entschlossen ist, mit England und Frankreich abzuschließen."

Drei Tage später schrieb er: "Bei jedem Wort und bei jedem Schritt merkt man das sehr große Misstrauen uns gegenüber. Dass dem so ist, wussten wir ja seit langem. Das Unglück dabei ist nur, dass das Misstrauen ... sehr leicht entflammt und nur sehr schwer und langsam wieder beseitigt werden kann.". (S. 299.)

Hätten die Westmächte es ernst gemeint mit ihrem Eingehen auf das sowjetische Bündnisangebot - dann wäre es in kurzer Zeit zustande gekommen - denn ein antifaschistisches Bündnis entsprach der Natur der Sowjetunion. Aber weil es wider die Natur der imperialistischen Mächte war, musste es ihnen aufgezwungen werden.

Das geschah und konnte nur dadurch geschehen, dass die Westmächte sich schon mit Nazideutschland im Kriege befanden, als Hitler auch die Sowjetunion überfiel. Jetzt konnten sie schon nicht mehr - wie das unter Chamberlain nicht unmöglich gewesen wäre - die Front wechseln und gemeinsam mit Hitlerdeutschland den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führen - ihrer Völker hätten das nicht zugelassen, sondern sie davon gejagt.

Sie mussten vielmehr mit der Sowjetunion die Anti-Hitlerkoalition bilden.

Der Nichtangriffsvertrag war also in Wahrheit die Grundsteinlegung für die Anti-Hitlerkoalition!

Der hth-Anonymus wirft der Sowjetunion dagegen vor, sie habe das Zustandekommen einer solchen Koalition schon im Jahre 1939 verhindert. Als "Beweis" dafür führt er unter anderem eine Erklärung des sowjetischen Außenministers Molotow vor dem Obersten Sowjet am 31. August 1939 an, in der es hieß: "Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass die UdSSR bisher und weiterhin ihre eigene unabhängige Politik verfolgt, die sich auf den Interessen der Völker der UdSSR und nur auf ihren Interessen gründet."

Der hth-Schreiberling behauptet, diese Erklärung bringe ein "egoistisch-selbstbezogenes Prinzip" zum Ausdruck, welches das genaue Gegenteil des Grundsatzes des Kommunistischen Manifestes sei, wonach der Kampf der Kommunisten seinem Inhalt nach international sein müsse. Und er fährt fort: "1939 konnte der erwähnte Grundsatz des Kommunistischen Manifestes nur alternativlos bedeuten: alle Kräfte, auch auf bürgerlich-staatlicher Seite, gegen den Hauptaggressor in Europa - den Hitler-Faschismus - zusammen zu schließen."

Genau das hat die Sowjetführung im Jahre 1939 über viele Monate hindurch hartnäckig versucht. Nachdem dieser Versuch an der hinterhältigen Sabotagepolitik der "bürgerlich staatlichen Seite" gescheitert war - bestand die alternativlose Aufgabe von Kommunisten darin, die Existenz des ersten sozialistischen Staates gegen einen drohenden gesamtimperialistischen Vernichtungsschlag zu sichern, und sei es auch nur für einen beschränkten Zeitraum. Das war unter den damaligen Umständen nur durch die Annahme des deutschen Angebotes eines Nichtangriffsvertrages möglich.

Dieser Schritt widersprach keineswegs den Grundsätzen des kommunistischen Manifestes, sondern folgte geradezu wortwörtlich Weisungen, die ein Karl Marx und ein Lenin gegeben hatten.

Die Marx'sche Weisung lautet: "In der Politik darf man sich, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, mit dem Teufel selbst verbünden - nur muss man die Gewissheit haben, dass man den Teufel betrügt, und nicht umgekehrt." (MEW, Bd. 8, S.392, Brief von Karl Marx an den Redakteur der "New York Tribune".)

Und Lenins Weisung an Moskauer Parteifunktionäre am 26. November 1920: "Vorläufig sitzen die Imperialisten da und warten auf einen günstigen Augenblick, um die Bolschewiki zu vernichten. Wir aber schieben diesen Augenblick hinaus. ... Noch mehr würde uns der Umstand retten, wenn die imperialistischen Mächte sich in einen Krieg verwickelten. Wenn wir gezwungen sind, solche Lumpen wie die kapitalistischen Diebe zu dulden, von denen jeder das Messer gegen uns wetzt, so ist es unsere direkte Pflicht, diese Messer gegeneinander zu richten. Wenn zwei Diebe streiten, so gewinnen dabei die ehrlichen Leute."(69)

Der Abschluss des Nichtangriffsvertrages entspricht exakt diesen Weisungen.

Da bleibt nur zu sagen: Ruhm und Ehre und Dank der Sowjetführung, die diese Weisungen von Marx und Lenin so klug, kühn, konsequent und erfolgreich in die Tat umgesetzt hat!

Was aber ist zur DKP zu sagen, die es zulässt, dass in ihrer Internet-Zeitung ein Artikel erscheint, in dem der Nichtangriffvertrag als Pakt zwischen Hitler und Stalin dargestellt wird, ein Artikel also, dessen ideologische Grundlage die Totalitarismus-Doktrin, "Rot gleich Braun, Stalin gleich Hitler" ist?!

Glücklicherweise ist dieser Artikel nicht unwidersprochen geblieben, sondern hat DKP-Genossen zum Widerspruch und Protest veranlasst. So gibt es zum Beispiel ein Schreiben des DKP-Kreisvorstandes Gießen an die Mitglieder des Parteivorstandes der DKP, in dem festgestellt wird, dass der Artikel "Stalin, der Verräter bist du" nichts mehr mit kommunistischen Positionen zu tun hat und die Geschichte in unsäglicher Weise verfälscht. Der Parteivorstand wird aufgefordert, den bisherigen Verantwortlichen für "kommunisten.de", Michael Maercks, durch einen anderen Genossen zu ersetzen. Hans-Günter Szalkiewicz, DKP Berlin, hat an die Parteivorsitzende Bettina Jürgensen und die Mitglieder des Sekretariats ein Schreiben gerichtet mit der Bitte, die Tätigkeit des Internet-Publikationsorgans "kommunisten.de" einzuschätzen und diese Einschätzung den Mitgliedern bekannt zu geben. Und auch Hans Peter Brenner hat gegen diesen Artikel, den er eine "provokative Dummheit" nennt, protestiert.

Was aber bisher völlig fehlt, ist eine öffentlich bekannt gegebene Stellungnahme der Parteiführung der DKP zu diesem antikommunistischen Artikel in einem Organ der Partei.

Das wirft dringender als je vorher die seit langem akute Frage auf: Quo vadis, DKP?

Kurt Gossweiler, Berlin


Anmerkungen

(60) Siehe meinen Artikel "Betrachtungen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag von 1939", in: "Wider den Revisionismus", München 1997, S. 167-172. Ferner: die Veröffentlichungen in "Offensiv": Heft 7/2006 mit dem Briefwechsel zwischen mir und Robert Steigerwald, und Heft 4/2011 mit meinem Artikel: "Ist Gewalt zur Verteidigung des Kommunismus unmoralisch?"

(61) Geschichtsfälscher. Aus Geheimdokumenten über die Vorgeschichte des 2. Weltkrieges. Dietz Verlag, Berlin 1952

(62) Ich führe hier nur zwei der wichtigsten Veröffentlichungen dazu an: - Ludo Martens, Stalin anders betrachtet, EPO Verlag Berchem, Belgien, 1998, Kapitel 9, S.269 ff. - Holger Michael, Die Legende vom Hitler-Stalin-Pakt. Kai Homilius Verlag 2008

(63) Vortrag, gehalten am 1. Oktober 2009 im ND-Gebäude in Berlin im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins "Mütter gegen den Krieg. Berlin-Brandenburg.", zitiert nach: http://www.nato-tribunal.de/Nichtangriffsvertrag.htm

(64) Aus: Kurt Bachmann, Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein. Pahl Rugenstein Verlag, Bonn 1999, Artikel "Streit um den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag".

(65) a.a.O.

(66) V. J. Sipols, Die Vorgeschichte des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags, Pahl-Rugenstein Verlag Köln 1981, S.251 ff.

(67) Sipols, S. 251 ff.

(68) Vom 29.6.1939.

(69) Entnommen dem Buche des Schweizer Historikers Walther Hofer: Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt am Main und Hamburg 1967, S. 102 f.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2011