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ROTFUCHS/114: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 160 - Mai 2011


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

14. Jahrgang, Nr. 160, Mai 2011



Inhalt
Die Himmelsstürmer von Paris
Gisela Tews: Warum wir uns befreit fühlten
Die weiße Fahne auf dem Kirchturm
Dorfschmied für Kascha-Lohn
Ermutigendes und Beunruhigendes aus der PDL
"Anders denken" ist kein wertneutraler Begriff
Wenn einst die Pflicht zur Freude wird
Ein Leiharbeiter im Zeugenstand
Nachsinnen über ein Einstein-Wort
Festakt in der Cafeteria
Agenda 2010: Aufstieg erwies sich als Talfahrt
Antibolschewistische "Forscher" als Selbsttorjäger
Geleitschutz für ein jüdisches "U-Boot"
Marxismus für Einsteiger: Basis und Überbau
Süßes Wortspiel wird bitterer Hohn:
Fischers Fritz fischt frische Fische gern
Unterbelichtet trotz Lichtermeer
Leben in der DDR: Alles grau und trist?
Ein Buntmetalldieb als "politischer Flüchtling"
Die Warnung des Viehhändlers
Als Bernhard Quandt im Dunkeln saß
RF-Extra Sie reden vom Kriegsende - wir sprechen von Befreiung
RF-Extra Wählte die Welt einen "Unrechtsstaat"?
US-Journalistin über Chavez: Diktatoren sehen anders aus
Tunesien: Zwischen Ben Ali und der Freiheit
Belgiens PTB: Kommunismus für Debütanten
"RotFuchs" auf Ukrainisch
KP Japans hilft Katastrophenopfern
China 2010: Kräftiges Wirtschaftswachstum
Die Ahnen kamen mit Sklavenschiffen
Einmal mehr: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen
Neustadts Segen und Fluch
Rudi Kurz: 42 Regisseure und ein Besen
Béla Illés, ein Ungar, dessen Bücher die Welt eroberten
Größe durch Schlichtheit: Erwin Strittmatter
Bewegende Post aus Bad Saarow
Archie über zwei Kampfhähne
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Rot oder grün?

Als mich Ende Juni 1946 - wenige Wochen nach dem Tod des Dichters der "Weber" - dessen Witwe Margarete in Gerhart Hauptmanns "Wiesenstein" nach Agnetendorf (heute: Jagniatków) einlud, sprach man dort von einer echten oder zumindest gut erfundenen Begebenheit. Danach hatte sich ein Fremder, der den Riesengebirgsort besuchte, bei einem Einheimischen nach dem Haus des Dramatikers erkundigt. "Hauptmann? Wir haben hier zwei, der eine heißt nur so", lautete die Antwort.

Als ich Claudia Roths triumphalistischen Fernsehauftritt nach dem Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg verfolgte, kam mir die kleine Geschichte unwillkürlich in den Sinn. Nomen ist nicht immer omen - manch einer heißt nur so ...

Die Niederlage der CDU im "Ländle", das seit den 50er Jahren als deren uneinnehmbare Trutzburg galt und mit so belasteten Namen wie dem des Nazi-Blutrichters Filbinger verbunden ist, sowie der in dieser Höhe frappierende Sieg der Grünen waren bemerkenswerte Vorgänge. Den Stuttgarter Regierungswechsel indes als "historisches Ereignis" zu betrachten, wie es die zum Überschwang neigende Claudia Roth tat, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn statt der Wachablösung ein Machtwechsel stattgefunden hätte.

Davon kann allerdings keine Rede sein. Der grüne Paukenschlag, der etwas gedämpfter auch in Mainz zu vernehmen war, wo die FDP des blassen Brüderle mit einem Fußtritt der Wähler aus dem Landtag flog und auch der als Dauerabonnent auf das Amt des rheinland-pfälzischen Regierungschefs gehandelte SPD-"Landesvater" Beck tüchtig Federn lassen mußte, war der Widerhall des Geschehens auf der "anderen Seite der Welt": Für Deutschlands Grüne schlug der Amoklauf der Natur und die durch menschliche Kapitalistengier heraufbeschworene Reaktorkatastrophe im fernöstlichen Japan an den Wahlurnen mächtig zu Buche. Der von Fukushima drohende und an Hiroshima erinnernde Strahlentod stellt schon jetzt Tschernobyl in den Schatten.

Angela Merkel, die gerade erst den Befehlen der durch ihren Umweltminister Norbert Röttgen im Kabinett vertretenen Stromlobby gefolgt war und die Laufzeiten mordsgefährlicher Meiler ohne Skrupel verlängert hatte, trat eiligst auf die Notbremse. Das wahltaktische Drei-Monats-Moratorium wurde von den Bossen der Nuklear-"Branche" unverzüglich mit gerichtlichen Klagen unterlaufen.

Doch zurück zu den Grünen. Da ist bei aller Genugtuung über das herzerfrischende Wahldebakel der CDU Vorsicht geboten. Das Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Winfried Kretschmann dürfte als Baden-Württembergs neuer Ministerpräsident kaum weniger schwarz sein als der geschaßte Stefan Mappus, dem er die Show stahl.

Die Geschichte jener Partei, die heute vor allem den mit der Öko-Industrie und dem Bio-Schwindel verbundenen Flügel der deutschen Bourgeoisie repräsentiert, bedarf ausgewogener Bewertung. Der kometenhafte Aufstieg einer basisdemokratischen Bewegung und ihr Erscheinen auf der Bonner Parteienbühne nährten die Illusion eines politischen Klimawandels. In ihren Reihen war anfangs auch echtes Alternativpotential versammelt. Menschen wie Jutta Ditfurth, Petra Kelly und Gerd Bastian drückten ihr damals den Stempel auf. Heute erinnern an den Geist der grünen Gründergeneration wohl nur noch so redliche Politiker wie Christian Ströbele. Bisweilen vermitteln bestimmte Äußerungen Jürgen Trittins einen Hauch jener verflossenen Periode.

Die in nach links tendierende "Fundis" und stramm in Reih und Glied hinter der Fahne des deutschen Imperialismus marschierende "Realos" zerfallende Partei gehört längst zum offiziellen Farbenfächer der BRD. Das zeigt die prinzipienlose Koalitionskungelei heute im Saarland und gestern in Hamburg. Die Truppe von Frau Roth und Herrn Özdemir, deren Vertreter man sich durchaus auch in einer schwarz-grünen Bundesregierung vorstellen könnte, will im Herbst den rosa-rötlichen Berliner Senat durch eine Kandidatin mit ausgeprägt sprödem Charme zu Fall bringen. Renate Künast erinnert in gewisser Weise an Joschka Fischer, der es vom Turnschuh-Revoluzzer bis zu Schröders Außenminister brachte und als einer der fanatischsten Befürworter des Überfalls auf Jugoslawien galt.

Die heutigen Grünen, unter denen sich engagierte und Respekt verdienende Öko- und Friedensaktivisten befinden, sollte man nicht über einen Kamm scheren. Bei der Verteidigung der grundgesetzgemäßen Ordnung der BRD gegen den immer bedrohlicheren faschistoiden Ansturm sind viele von ihnen als potentielle oder tatsächliche Verbündete zu betrachten. Zugleich aber ist offensichtlich, daß die grüne Partei keine über den Kapitalismus hinausweisende systemverändernde Kraft darstellt.

Da wir nicht farbenblind sind, können wir grün und rot gut auseinanderhalten. Als Kommunisten und Sozialisten vertreten wir die Interessen der durch den Kapitalismus Ausgebeuteten, Unterdrückten und Entrechteten, wobei wir auch die grüne Maskerade gewisser Politiker durchschauen. Wie eh und je halten wir uns an kräftiges Rot, nicht aber - um im Bild der Agnetendorfer Hauptmann-Episode zu bleiben - an jene, die nur so heißen. Doch zur unverfälschten Farbe der Ökologie wollen wir uns dennoch bekennen, sollte doch ein in der Wolle gefärbter Roter stets auch ein bißchen grün sein.

Klaus Steiniger

Raute

Vor 140 Jahren triumphierte und unterlag die erste proletarische Revolution

Die Himmelsstürmer von Paris

Ende Mai 1871 wurde die Pariser Commune, die Marx als eine wirkliche proletarische Revolution betrachtet und Lenin als Vorläuferin des Roten Oktober bewertet hatte, nach zwei heroischen Monaten ihres Bestehens in Strömen von Blut ertränkt. Im Sommer 1870 war Frankreich durch Napoleon III. in einen aussichtslosen Krieg gegen Bismarcks Preußen gestürzt worden. Doch schon am 1. und 2. September erlitten seine Truppen bei Sedan eine schwere Niederlage, der Monarch selbst geriet in Gefangenschaft. Nur zwei Tage später wurde in Paris das Zweite Kaiserreich durch die 3. Republik ersetzt. Im Rathaus etablierte sich eine "provisorische Regierung", der überwiegend hauptstädtische Advokaten angehörten.

Doch der Krieg nahm seinen Fortgang. Am 19. September schloß Preußens Armee Paris ein und begann eine schwerste soziale Belastungen für die ärmeren und armen Bevölkerungsschichten mit sich bringende Belagerung der französischen Metropole. Dennoch widersetzten sich die Pariser allen Versuchen der Regierung, einen Waffenstillstand mit den Deutschen auszuhandeln. Unterdessen stiegen die Lebensmittelpreise ins unermeßliche, was besonders die Arbeiter und kleinbürgerliche Schichten traf. Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit und einem demokratischen Staat wurden nun immer lauter erhoben.

Am 26. Februar unterzeichnete Frankreichs Staatschef Thiers ein provisorisches Friedensabkommen mit Deutschland, durch das Frankreich das Elsaß und große Teile Lothringens abtreten mußte. Den Belagerern wurde ein symbolischer Einmarsch in Form einer Parade auf den Champs-Élysées zugebilligt. Als tags darauf französische Regierungstruppen sich der Geschütze der Pariser Nationalgarde auf dem Montmartre bemächtigen wollten, stießen sie auf heftige Gegenwehr. Massen empörter Einwohner eroberten sich binnen Stunden protestierend die Straße. Die französische Regierung ließ das Feuer auf die Demonstranten eröffnen. Es gab Tote und Verwundete, doch ein großer Teil der Soldaten ging schon bald auf die Seite des Volkes über.

Zwei Generäle, die sich dem entgegenstellten, wurden an Ort und Stelle erschossen. Thiers mußte sich mit der regulären Armee nach Versailles zurückziehen. Die Pariser Bevölkerung nahm ihr Schicksal nun in die eigenen Hände. Ein Zentralkomitee der Nationalgarde übte zunächst provisorisch die Macht aus. Nach den Wahlen vom 26. März ging diese dann an eine demokratische Verwaltungsstruktur, die sich als "Commune" bezeichnete, über. Sie bestand aus 90 Mitgliedern, die am 28. März ins Pariser Rathaus einzogen und dort unter roten Fahnen ihre Beratungen abhielten. Versuche, auch in Marseille, Lyon, Toulouse und anderen französischen Städten revolutionäre Machtorgane zu etablieren, wurden durch die "Versailler", wie das Thiers-Regime bald allgemein genannt wurde, massiv unterdrückt. Paris blieb isoliert.

In der Commune gaben vor allem Arbeiter und Handwerker den Ton an. In der äußerst kurzen Zeitspanne ihres Bestehens setzten die nun machtausübenden Kräfte historische Veränderungen durch: das Frauenwahlrecht, ein garantiertes monatliches Mindesteinkommen, die "Sozialisierung" jener Betriebe, deren Besitzer geflohen waren, den obligatorischen und kostenlosen Besuch staatlicher Schulen, eine Rente für Witwen gefallener Nationalgardisten, die Gleichstellung ehelicher und außerehelicher Kinder, die Trennung von Kirche und Staat sowie die Ersetzung der regulären Armee durch die Nationalgarde.

Doch Thiers sah dem Geschehen im "roten Paris" nicht mit verschränkten Armen zu. Auch Bismarck wurde zum Handeln veranlaßt. Kurzerhand ließ er eine erhebliche Anzahl kriegsgefangener französischer Soldaten frei, die den Todfeinden der Commune übergeben wurden. So konnten die Versailler eine reorganisierte Armee mit über 100.000 Mann gegen höchstens 40.000 Pariser Nationalgardisten in den Kampf werfen. Dabei wies Thiers seine Truppen an, keine Gefangenen zu machen. Um dem zu begegnen, nahmen die Nationalgardisten der Commune ihrerseits Geiseln, darunter den Erzbischof von Paris. Diese wurden später - nachdem die Versailler einen Austausch von Gefangenen abgelehnt hatten - exekutiert.

Am 21. Mai drangen die Weißen über die Porte de Saint-Cloud in Paris ein. Die Rückeroberung der Hauptstadt durch Thiers - auch die "blutige Woche" genannt - nahm ihren tödlichen Lauf. Während die Einheiten der Konterrevolutionäre in den bürgerlichen Vierteln als "Befreier" begrüßt wurden, setzte sich das Pariser Proletariat heldenhaft zur Wehr. Auf über 500 Barrikaden, die in den Arbeiterbezirken errichtet worden waren, lieferten die Verteidiger der Commune den Angreifern erbitterte Gefechte. Um deren weiteres Vordringen zu erschweren, wurden an einigen Stellen öffentliche Gebäude in Brand gesteckt. Die Kämpfe verliefen mit solcher Härte, daß die Weißen sogar Artillerie einsetzen mußten. Das proletarische Belleville war die letzte rote Bastion. Besonders blutig verliefen die Auseinandersetzungen, die oftmals mit blanker Waffe geführt wurden, auf dem unweit davon gelegenen Friedhof Père-Lachaise, wo Honoré de Balzac, aber auch Heinrich Heine bestattet sind. 147 gefangengenommene Revolutionäre wurden hier an einer Wand niedergemetzelt, die als "Mauer der Füsilierten" in die Geschichte eingegangen ist.

Auf die Niederlage des "roten Paris" folgte eine bis dahin beispiellose Welle des weißen Terrors. In aller Eile geschaffene Militärräte ließen die in die Hände der Versailler gefallenen Kämpfer der Commune an Ort und Stelle erschießen. Während man offiziell von 17.000 Hinrichtungen sprach, gehen seriöse Historiker von einer Zahl aus, die 25.000 übersteigen könnte. Weitere 40.000 Männer, Frauen und Kinder wurden zu einem qualvollen Marsch nach Versailles gezwungen. Viele von ihnen erhielten langjährige Freiheitsstrafen, mehr als 7000 wurden zur Zwangsarbeit in französische Überseekolonien verschickt.

Niedergeworfen von der Konterrevolution, besiegt und im Blut ertränkt, war die Commune - der erste gültige Befreiungsversuch in der Geschichte des internationalen Proletariats - ein Fanal. Marx und Engels bezeichneten ihre Akteure mit Fug und Recht als "die Himmelsstürmer von Paris".

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Frauen verteidigten die Barrikade an der Place Blanche

Raute

Nach 12 Jahren brauner Schreckensherrschaft kam die Erlösung

Warum wir uns befreit fühlten

Wer Hitler wählt, wählt den Krieg", hatte Thälmann gesagt. Mein Vater gab ihm deshalb seine Stimme. Dann war er da - der Krieg. Jede Nacht wurde Fliegeralarm ausgelöst, später auch am Tage. Einmal kam ich aus der Schule, hatte es gar nicht mehr weit nach Hause, als die Sirenen aufheulten. Ich rannte, um noch den heimischen Keller zu erreichen, als ich sie plötzlich über mir sah - die Bomber. Wie zur Parade flogen sie, soweit das Auge reichte. Es mögen wohl an die tausend Maschinen gewesen sein. Versteinert blieb ich stehen. So muß einem zumute sein, der vor dem Erschießungskommando an der Wand steht. Werfen sie jetzt ihre tödliche Last hier oder in einem anderen Stadtbezirk auf Frauen und Kinder? Die Vorstellung, durch das Töten von Zivilisten den Widerstand gegen Hitler anzufachen, erwies sich als Irrtum. Das Gegenteil trat ein. Ich erlebte, wie ein Wehrmachtsurlauber vorzeitig an die Front zurückkehren wollte. Dort habe er wenigstens ein Gewehr und einen sichtbaren Gegner, sagte er, hier aber müsse er sich im Keller wehrlos abschlachten lassen.

Der Verlag, in dem ich lernte, warb für die deutsche Wirtschaft im Ausland. Er wurde während des Krieges in das vogtländische Plauen verlagert. Ich ging dorthin mit. Als später auch dieses Textilzentrum angegriffen wurde, stellte man mir frei, in Plauen zu bleiben oder nach Berlin zurückzukehren. Ich entschied mich für die Heimreise.

In Berlin herrschte eine Art Ausnahmezustand. Für die S-Bahn gab es gelbe und rote Karten. Mit gelben durften Berufstätige fahren. Wer nicht arbeitete, hatte keinen Anspruch auf Benutzung dieses Verkehrsmittels. Schließlich durften nur noch Inhaber roter Karten die Züge benutzen. Dabei handelte es sich um Beschäftigte in lebenswichtigen Versorgungsbetrieben.

Am 21. April rollten sowjetische Panzer von Wartenberg aus in Richtung Berlin-Weißensee. Mindestens 100 wollte jemand gesehen haben. Auf einer Wiese hinter unserer Wohnblocksiedlung stand ein einzelnes Geschütz. Ein Flugzeug mit dem roten Stern warf eine einzige Bombe - und die Kanone war weg. Die "Russen" führten keinen Krieg gegen Frauen und Kinder, wie das die USA und Großbritannien taten.

Ein paar alte Männer mit Armbinden ließen sich blicken - sie gehörten augenscheinlich zum letzten Aufgebot, dem "Volkssturm". Meine Mutter verstand es, sie davon zu überzeugen, sich nach Hause zu begeben. Es war ja keine SS in der Nähe, die sie wegen Wehrkraftzersetzung hätte aufhängen können. Sie überredete auch die Hausbewohner, nicht dem für alle geltenden Befehl zu folgen, sich in die Innenstadt zu begeben. Nur unser Nachbar - ein "Goldfasan", wie man die "Amtsträger" der Nazipartei nannte - kläffte noch auf der Treppe, die "Armee Wenck" käme bald zur Entsetzung, so daß der Krieg noch lange nicht verloren sei.

Dann sahen wir die ersten Rotarmisten, hörten russische Laute auf der Straße - und lagen uns in den Armen. Endlich fühlten wir uns von der Angst befreit. Und das, obwohl die "Stalinorgel", ein so benanntes Raketengeschütz, nur etwa 500 Meter vor unserer Siedlung in Richtung Zentrum feuerte. Sämtliche Fensterscheiben gingen dabei im Umfeld zu Bruch.

Meine Mutter meinte, man würde nun wohl alle zur Rechenschaft ziehen. Zumindest arbeiten müßten wir als Wiedergutmachung. Es begann damit, daß ab 15. Mai jeder eine Tätigkeit aufzunehmen hatte, sonst gab es nur die niedrigste Lebensmittelkarte, die zum Existieren nicht ausreichte. Arbeitende und Schwerstarbeiter erhielten hingegen Karten, die wenigstens ein Überdauern mit Hunger ermöglichten. Für "Angestellte" gab es 7 Gramm Fett pro Tag, 15 Gramm Nährmittel, 400 Gramm Brot. So viele Scheiben ißt heute keiner mehr, aber wir hatten ja nichts zum Draufschmieren oder Drauflegen.

Anfangs arbeitete ich in einer Gärtnerei, pikierte und zählte junge Pflanzen. Jede Wiese wurde jetzt umgegraben, da man mit etwas selbst angebautem Gemüse den schlimmsten Hunger zu mildern vermochte. Eines Tages lud mich eine Bekannte ins Bezirksamt ein, wo man die Nazibonzen durch unbelastete Menschen ersetzt hatte. So begann ich als Stenotypistin im Sozialamt Prenzlauer Berg. Jeden Tag brauchte ich zwei Stunden Fußweg - eine Stunde hin und eine zurück. Öffentliche Verkehrsmittel fuhren ja noch nicht.

Ich arbeitete dort, wo sich aus den Lagern und Zuchthäusern zurückkehrende politische Gefangene meldeten, um mit einer Zusatzration an Lebensmitteln sowie mit Kleidung, Schuhen und Wohnraum versorgt zu werden. Viel Grauenvolles erfuhr ich in dieser Zeit. Da sagte ich mir: Wenn Menschen in der Lage sind, so etwas zu ertragen, muß ihre Weltanschauung wohl die richtige sein. Doch in den Köpfen vieler Jugendlicher sah es finster aus. "Ihr seid die Herrenmenschen, alle anderen nur Untermenschen", hatte man ihnen eingebleut. Da war die Rückkehr zur Normalität unerhört schwer.

Wir gründeten die "Antifa-Jugend". Zuerst wurde nur getanzt, dann fand sich ein literarisch gebildeter Vater, der uns Bücher von Heinrich Heine brachte. Begierig stürzten wir uns darauf. Inzwischen waren auch erste Schriften von Erich Weinert, Bert Brecht und Erich Kästner herausgekommen, dazu viel Antikriegsliteratur. Wir nutzten sie zu Heimabenden, lasen bei Kerzenlicht vom sinnlosen "Heldentod". So wuchsen in uns allmählich neue Erkenntnisse.

Unterstützt wurden wir von zwei sowjetischen Jugendoffizieren. Schließlich benötigten wir Räume, Heizmaterial und Veranstaltungsgenehmigungen. Hauptmann Mitja Kolomiewski stammte aus Kiew. Seine gesamte Familie war von den Faschisten umgebracht worden. So hatte er sich vorgenommen, bis nach Berlin zu gelangen und mit Deutschen nur noch in der Sprache der Pistole zu verhandeln. Doch statt dessen erinnerte uns Mitja in ausgezeichnetem Deutsch daran, zum Volk der Dichter und Denker zu gehören. Er zitierte Goethe, und als ihn einige provozieren wollten und zum Englischen übergingen, wußte er auch da zu parieren.

Vieles änderte sich dann für uns. Nicht mehr das Geld der Eltern, sondern unsere eigene Leistung war fortan entscheidend. Einer aus meiner Gruppe wurde Neulehrer, andere holten ihr Abitur und die Studienvorbereitung an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät nach. Manche wurden später Ärzte, einer ein bekannter Architekt, ein anderer leitender Mitarbeiter im Außenministerium der DDR. Niemand hatte Mühe, eine Lehrstelle zu bekommen. Ich selbst verwirklichte meinen Traum und wurde Journalistin.

Gisela Tews, Berlin

Raute

Gransee: Die weiße Fahne auf dem Kirchturm

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind 66 Jahre vergangen. Ich wollte erfahren, wie dieser schreckliche Feuersturm in meiner märkischen Heimatstadt Gransee geendet hat. An Berichte von Zeitzeugen zu gelangen, war schwieriger, als ich zunächst angenommen hatte. Viele von ihnen sind entweder verstorben oder erinnern sich nicht mehr an Details. Andere wollen sich möglicherweise nicht mehr entsinnen. Doch mit etwas Glück konnte ich einiges herausfinden.

Der Krieg ging an Gransee nahezu spurlos vorüber. Noch heute bietet die von Theodor Fontane beschriebene historische Altstadt ein idyllisches Ensemble aus alten Bürgerhäusern, der gotischen Marienkirche und der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Warum blieb Gransee am Ende eigentlich verschont?

Seit Januar 1945 zogen endlose Flüchtlingstrecks durch die Stadt. Ende März folgten ihnen zurückweichende Truppen der faschistischen Wehrmacht, die sich rücksichtslos den Durchmarsch erzwangen. In der NS-Bauernhochschule hatte man ein Lazarett eingerichtet. Der dortige Stabsarzt flüchtete bald und ließ die Verwundeten unversorgt zurück. Bis Ende April wurden die Zustände immer chaotischer. Weitere Wehrmachtsund SS-Einheiten tauchten auf, nahmen kurz Quartier und verschwanden wieder.

Vom 27. bis zum 29. April suchte das 4. SS-Panzerregiment Gransee heim und plünderte im Verein mit Wehrmachtsangehörigen für Lazarettzwecke eingelagerte Lebensmittelvorräte. Der Bahnhof wurde vom Meldekopf der 7. Panzerdivision besetzt. Auf den Gleisen konnten aufmerksame Granseer das Schicksal ablesen, das man ihrer Stadt zugedacht hatte. Waggons mit riesigen Seeminen standen für eine "Taktik der verbrannten Erde" bereit. Sämtliche leitenden Nazi-Beamten und "Amtsträger" der NSDAP flüchteten, an ihrer Spitze Ortgruppenleiter Schenk. Wenige Stunden nach seinem Durchhalte-Appell machte sich der Nazi-Häuptling - von Beruf Kürschnermeister - in einem pelzbeladenen Wagen aus dem Staub. Bürgermeister Kluge hingegen blieb in Gransee.

Am 29. April begaben sich beherzte Bürger zum Stadtkommandanten und forderten ihn auf, Gransee kampflos zu übergeben. Der versprach, einen Melder zum Stab nach Menz zu schicken, um dort die Erlaubnis zu einem solchen Schritt einzuholen. Doch es war kein Durchkommen mehr.

Schulrat a. D. Schulze suchte daraufhin den Bürgermeister auf, um von ihm als Sprecher etlicher Einwohner das Hissen der weißen Fahne zu erbitten. Ein angetrunkener Polizist bedrohte ihn mit der Waffe, so daß er flüchten mußte.

Gegen 23 Uhr wollte die SS mit der Sprengung des Rathauses, der Schule, des Elektrizitätswerkes und der Post beginnen. Mutige Bürger konnten das verhindern.

Am 30. April verließen viele Granseer die Stadt, gingen in die Wälder oder schlossen sich den Flüchtlingsströmen an. Die Rote Armee war nur noch wenige Kilometer entfernt, der Donner ihrer Geschütze unüberhörbar. Am Nachmittag gingen vor allem Frauen zur Marienkirche und verlangten vom Küster die Herausgabe der Schlüssel des Südturmes, um dort die weiße Fahne zu hissen. Sie drohten sogar damit, notfalls das Hauptportal zu sprengen. Schulrat Schulze beruhigte die Gruppe, da sich noch immer Wehrmachts- und SS-Einheiten, die das Feuer eröffnen würden, in der Stadt befänden. Nur mit Mühe konnte er die Menge zurückhalten. Möglicherweise hat er ein Blutbad verhindert.

Eine Delegation forderte kurz danach den Stadtkommandanten abermals auf, Gransee kampflos zu übergeben. Dieser verhielt sich zunächst abweisend und erklärte, daß ihn eine Kapitulation Kopf und Kragen kosten könne. Nach dieser Weigerung befahl er dann aber unter dem Druck vor allem der Frauen, die um ihre Kinder bangten, den verbliebenen Wehrmachtseinheiten und einer SS-Radfahrerkolonne, Gransee unverzüglich zu räumen. Dann verließ auch er mit seinem Stab die Stadt.

Am Abend wählte Bürgermeister Kluge unter den Männern Freiwillige als Parlamentäre aus. Sie sollten der Roten Armee mit einem Übergabeschreiben in deutscher und russischer Sprache entgegengehen.

Am Morgen des 1. Mai machten sich die sieben Männer auf den Weg. Gegen fünf Uhr hißte ein Stadtbote die weiße Fahne auf dem Turm der Marienkirche.

Den Parlamentären gelang es, mit der Roten Armee Verbindung aufzunehmen. Kurz danach erschien deren Vorhut am Stadteingang. Ohne Blutvergießen, ohne daß auch nur eine Fensterscheibe zu Bruch gegangen wäre, erfolgte die Übergabe Gransees. In meiner Heimatstadt war der Krieg zu Ende.

Heute erinnert dort nichts mehr an mutige Bürger wie Schulrat Schulze. Nach der Befreiung vom Faschismus schrieb dieser als Granseer Stadtchronist: "Der objektiv Urteilende kann der russischen Besatzung Anerkennung und Dank für diszipliniertes und korrektes Verhalten nicht versagen."

Das aber paßt natürlich nicht in das verordnete Geschichtsbild der Berliner Afghanistan-Kriegshelden unserer Tage. Sie zelebrieren im Granseer Heimatmuseum lieber einen irrationalen, alle vernünftigen Maßstäbe sprengenden Kult um Königin Luise. Deren "Verdienst" um die Stadt bestand darin, daß ihr Leichnam während der Überführung von Hohenzieritz nach Berlin eine Nacht lang in Gransee aufgebahrt wurde.

Preußenkitsch, wohin man schaut. Die alten Kriegerdenkmäler sind aufwendig restauriert. Und auch die nach der Annexion der DDR durch die BRD flugs aus dem Westen aufgetauchten Nachfahren des "heldenhaften" NSDAP-Ortsgruppenleiters Schenk haben längst als Alteigentümer ihr Anwesen zurückbekommen.

Ulrich Guhl

Raute

Hönow: Dorfschmied für Kascha-Lohn

Ein vergilbtes Foto zeigt meinen Vater inmitten sowjetischer Soldaten. Sie wirken recht unmilitärisch, arbeiteten sie doch im Sommer 1945 in der Dorfschmiede von Hönow bei Berlin.

Dort wohnten wir. Vater hatte das Glück, nicht eingezogen zu werden. So war er in den Tagen des Kriegsendes bei uns. Am 21. April erreichte eine Einheit der Roten Armee den Hönower Ortskern. Wir saßen gerade in einem zum Schutz gegen Fliegerangriffe errichteten Erdbunker.

Sowjetsoldaten durchsuchten ihn zunächst nach Waffen und möglicherweise dort versteckten Wehrmachtsangehörigen. Später gesellten sich ihnen auch Zivilisten, offenbar befreite Zwangsarbeiter, hinzu. Deren Haß auf Deutsche war gewaltig. Sie wollten meinen Vater sogar erschießen. Doch Rotarmisten verhinderten das. Unter ihrem Schutz gelangten wir dann auf die völlig verstopfte Straße. Dort stauten sich Soldatentrupps, Pferdewagen und Kraftfahrzeuge. Mitten in unserem Garten stand ein Geschütz.

Daran, daß wir wieder in unser Haus durften, hatte vermutlich auch meine kleine, erst wenige Monate zuvor geborene Schwester Anteil. Die oft beschriebene Liebe russischer Menschen zu Kindern wurde auch ihr zuteil. Ein sowjetischer Offizier - er sagte in gebrochenem Deutsch: "Ich Kommunist, Bolschewik" -, erwies uns seine Hilfe.

Etwas später begann sich das Leben in Hönow allmählich wieder zu normalisieren. Da erschienen eines Tages Rotarmisten bei uns. Ihr barscher Ton ließ nichts Gutes ahnen. "Du Ortmann? Du Schmied? Du mitkommen!" Die Männer suchten einen Fachmann für unsere Dorfschmiede. Mein Vater wurde schnell als Spezialist anerkannt. Übrigens arbeitete er für die beste "Währung", die es damals gab: Essen. Es gab Kascha in vielen Variationen. Das bewahrte unsere Familie vor dem Hunger. Selbst meine kleine Schwester gewöhnte sich an die deftige Soldatenkost. Sie wohnt übrigens noch heute im Hönower Elternhaus.

Joachim Ortmann, Berlin

Raute

Ermutigendes und Beunruhigendes aus der PDL

Die Gründung der Partei Die Linke (PDL) als erster bedeutender parlamentarischer Kraft und kapitalismuskritischer Opposition seit dem KPD-Verbot vom August 1956 ist ein Meilenstein für die Entwicklung antifaschistisch-demokratischer Politik in Deutschland nach der Zerschlagung der sozialistischen Staaten Europas. Sie war als völlig neuartige Massen- und Wahlplattform sowie als Sammelbecken unterschiedlicher linker Kräfte und deren Interessenvertretung in Kommunal-, Landes- und Bundesparlamenten angedacht. Nicht mehr und nicht weniger. Durch ihren Widerstand gegen verschärften Sozial- und Demokratieabbau, Imperialismus, Krieg und Repression, die seit den 90er Jahren zur neuen Phase der BRD-Innen- und Außenpolitik gehören, ist sie für die gesamte Linke unentbehrlich. Das gilt auch für revolutionäre Kräfte, die auf Systemüberwindung setzen.

In den Metropolen des Kapitals verschärfen sich die Klassenwidersprüche durch die von einem Quantensprung der Produktivkraftentwicklung ausgelösten Prozesse der Globalisierung und Umverteilung des Volkseinkommens. Die Änderung der politischen Landschaft und der Wirtschaftsstandorte vollzieht sich mit Vehemenz. Während in der Dritten Welt die Arbeiterklasse quantitativ wächst, sinken kleinbürgerliche Schichten Europas in Lohnabhängigkeit oder Armut ab. In einer solchen Situation bedarf es einer "linken Volksfrontbewegung" unter unerläßlichem Einschluß von Marxisten.

Andererseits enthält das Konzept der PDL, das eine sich bietende Chance wahrnimmt, von Beginn an auch Widersprüche, die mögliche Gefahren signalisieren. Die Partei umfaßt derzeit aus meiner Sicht drei grundverschiedene Strömungen.

Zunächst einmal jene, welche systemkritisch über eine Vorstufe, genannt "demokratischer Sozialismus", eine nichtkapitalistische Gesellschaft auf parlamentarischem Mehrheitsweg erreichen möchten, ohne das System selbst in Frage zu stellen. Ihnen scheint dabei Chiles Unidad Popular unter Salvador Allende vor Augen zu stehen, der sich auch Kommunisten und andere Marxisten in der Hoffnung anschlossen, auf diesem Wege weitergehende Veränderungen erreichen zu können. Natürlich darf hierbei keinesfalls die Illusion verbreitet werden, die fundamentalen Probleme der Menschheit seien im Rahmen des Kapitalismus lösbar.

Gegenpol zur erstgenannten Gruppe sind Kräfte, die bürgerliche Politikerfolge, Regierungsbeteiligungen und hohe Wählerzahlen selbst um den Preis programmatischer Anpassung und Unterwerfung, ja sogar des Bruchs eigener Wahlversprechen, als opportunen Weg anpreisen. Sie agieren im Rahmen der Herrschaftsform der Bourgeoisie und betrachten die parlamentarische Demokratie als Panier. Da wird die Katze, die Mäuse fangen soll, leicht selbst zum Rattenkönig.

Im Spannungsfeld dieser Antipoden bewegt sich eine dritte Gruppe, um die es uns vor allem gehen muß. Sie besteht aus neugewonnenen Mitgliedern, Stammwählern, jungen Leuten und aufmüpfigen Bürgern, denen reale Nöte im Genick sitzen. Sie wollen etwas gegen die bestehenden Verhältnisse unternehmen und lernen auch, wie man das tut, wobei sie von der PDL einige weiterführende Erkenntnisse vermittelt bekommen.

Die Gefahr des Opportunismus und des ideologischen Andockens bei der Bourgeoisie liegt in der Zementierung systemkonservierender falscher Ansichten. Dazu gehört vor allem auch die These, der Kapitalismus sei lediglich "krank" und bedürfe dringend "ärztlicher Hilfe", um mit seinen "Schattenseiten" wie giftiger Nahrung, Niedriglöhnen und "Ausflügen nach Afghanistan" fertig zu werden.

Die von St. Just, Babeuf, Roux und Marx als Herrschaft der Bourgeoisie erkannte "Idealform" parlamentarischer Parteien-Demokratie wird Irregeführten als immerwährender Quell der Freiheit und Gerechtigkeit vermittelt, als hätte sie seit 1793 nicht schon allzu oft ihre "plötzliche Ersetzbarkeit" durch halbe oder ganze Diktaturen ohne solches Dekor bewiesen. Durch das Bemühen um möglichst viel Wählerzuspruch - und sei es von der nach rechts offenen bürgerlichen Flanke - droht ein Übergewicht jener "realpolitischen" Opportunisten, die EU-Politik, NATO und Kapitalismus nicht nur als zeitweilige Erscheinungen, sondern nach dem "erwiesenen Mißerfolg" des Sozialismus in Europa auch als stabile Grundlage zur Zukunftsgestaltung betrachten. Das war der Weg der deutschen Sozialdemokratie in die Katastrophen von 1914 und 1933.

Das bisher breiteste Bündnis aller linken Kräfte in Deutschland - die bayerische Räterepublik von 1919 - nahm wie Chiles Unidad Popular ein grausiges Ende. Das ist das Schicksal, das die Reaktion in der Mehrzahl der Länder der Welt den Kommunisten und anderen Verfechtern revolutionärer Zielsetzungen zugedacht hat.

Was die PDL betrifft, so sollte sie durch Marxisten und konsequente Linke auf keinen Fall bekämpft werden - trotz der Eskapaden gewisser "Köpfe" ihres rechten Flügels. Es gilt, die progressiven Kräfte in den Reihen der Partei zu ermutigen und zu stärken.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Raute

Barrikaden haben nur zwei Seiten

"Anders denken" ist kein wertneutraler Begriff

Als ich 1929 geboren wurde und sich die braune Pest der Nazis in Berlins Straßen ergoß, waren meine Eltern Andersdenkende. Ich war vier und plapperte "Rot Front!" Mutter und Vater reagierten prompt: "Sag das nie wieder!" Ich spürte ihre Angst.

Ich war fast zehn, da warf man Extrablätter aus einem langsam fahrenden Auto. "Krieg! Krieg mit England und Frankreich!", riefen die Männer darauf. Da empfand auch ich deutlich Angst.

Dann hörte ich im Radio die Sondermeldungen über Wehrmachtssiege und glaubte, etwas wie Nationalstolz zu empfinden. Doch mein Vater sprach von Thälmann und sagte Hitlers Niederlage voraus.

Als ich elf war, unternahm unsere Familie einen Ausflug nach Strausberg. Vater war als Spulenwickler bei "Telefunken" UK gestellt. Mein Bruder und ich rannten durch den Wald und gelangten zu einem steilen Abhang. Unten lag ein Steinbruch. Dort schufteten KZ-Häftlinge. Wir waren auf verbotenes Gelände geraten. SS-Männer traten uns drohend entgegen. Da empfand ich Angst um meinen Vater, den Andersdenkenden.

Als Zwölfjähriger hörte ich über den Hof hinweg eine Frau im Nachbarhaus herzzerreißend schreien. Ihr Sohn war "für Führer Volk und Vaterland" an der Ostfront gefallen. Das wiederholte sich in Abständen noch zweimal. Von den vier Söhnen der Frau Parlitz kam nur der jüngste heim.

Dann schlug der Krieg auf Deutschland zurück. Zunächst fielen Bomben. Sie waren anfangs nur Nadelstiche, und wir suchten am nächsten Morgen die Straßen nach Splittern ab. Bald aber hieß es am Tage im Drahtfunk: "Nordamerikanische Bomberverbände im Anflug auf Nordwestdeutschland!" Und in der Nacht: "Verband schneller Kampfflugzeuge nähert sich der Reichshauptstadt!" Es folgten die Jahre der lichtlosen Fenster, der abgeblendeten Straßenlaternen, der Leuchtplaketten an Mänteln und Jacken, welche die Annäherung von Menschen erkennen ließen. Fast jede Nacht saßen wir stundenlang im Luftschutzkeller. Zuletzt hieß der Abschiedsgruß in Berlin: "Bleib übrig!"

Ende 1944 kam mein Vater mit einer Schachtel Kriegszigaretten nach Hause. Die Marke hieß STAMBUL. Er buchstabierte: "Stalins Armeen marschieren bis Untern Linden".

Als Vierzehnjähriger sah ich beim nächtlichen Alarm herabschwebende "Christbäume" - die Markierungszeichen der Masterbomber. Es war der Auftakt zu einem Großangriff der Royal Air Force. Ich glaubte, es sei schon die Hölle. Aber die Luftüberfälle der Amerikaner am Tage waren noch viel schlimmer. Am 3. Februar 1945 war ich mitten im Inferno am Spittelmarkt. Im Keller einer Firma, nur wenige Meter von einer erst zwei Tage später entdeckten Zeitzünderbombe entfernt, befand ich mich unter gequälten, schreienden, verwundeten, verwaisten, verwitweten oder Angehörige suchenden Menschen. Der Tag war zur Nacht geworden. Flammenwände und Trümmerberge überall.

Rund 500mal wurde in Berlin Fliegeralarm ausgelöst. Ich war fast ausnahmslos dabei und wurde auch dadurch ein Andersdenkender.

Als ich fünfzehn war, erhielt ich nach der Musterung bereits einen Wehrpaß. Die Nazis schämten sich nicht, ihn mit dem Foto eines Zwölfjährigen zu versehen. Vor der "Lieblingstruppe des Führers", der Waffen-SS, in die man mich "freiwillig" pressen wollte, und vor dem "Volkssturm" retteten mich erkrankte Kniegelenke. Die Mehrzahl meiner Klassenkameraden, die den Dienst mit der Panzerfaust antreten mußte, starb den "Heldentod".

Mit dem Einzug der Roten Armee endeten für mich der Nazismus und der Bombenhagel. Nie wieder habe ich jene einzigartige Stille empfunden, die eintrat, als der letzte Schuß verhallt war. Nach dem Abzug der sowjetischen Kampftruppen kehrte das Leben allmählich zurück, erwachte in mir inmitten der Ruinen und bei Hunger im Bauch so etwas wie Verantwortungs- und Pflichtgefühl. Aufräumen! Auch mit dem faschistischen Gedankengut!

Der Andersdenkende fühlte sich auf einmal frei. Der Antifa-Jugend folgte die Gründung der FDJ. Aus den KZs befreite Kommunisten stellten sich an die Spitze der "Aktivisten der ersten Stunde". Ich las Marx, Engels, Lenin und natürlich auch Stalin - den Sieger über Hitler. "Enteignung der Kriegsverbrecher und Rüstungsgewinnler zugunsten des Volkes! Brechung der Macht der Banken und Monopole, Bodenreform und Volksherrschaft!" So sollte es künftig sein. War das "verordneter Antifaschismus", wie heute behauptet wird?

Als ich fast sechzehn war, kamen die westlichen Alliierten nach Berlin. Sie brachten uns Kaugummi, Camel und Chesterfield, Schwarzmarkt, Schieber und Spekulanten, "Veronikas" und Nutten. Antikommunismus und Antisowjetismus blühten abermals auf. Die "freien" Andersdenkenden tolerierten mich nicht. Als ich 1946 bei den Berliner Wahlen in Neukölln SED-Plakate klebte, mußte ich vor den Jeeps der U.S. Army flüchten.

Als ich achtzehn war, entließ man mich, den angeblich besten Lehrling des Betriebes, wegen "Arbeitsmangels". Ich war dem FDGB nach der Westberliner Abspaltung einer "Unabhängigen Gewerkschaftsopposition" - der sogenannten UGO - treu geblieben und überdies Vertrauensmann. Mein Lehrausbilder aber gehörte zu den Rechten in der SPD.

Als ich neunzehn war, zogen meine Eltern nach Treptow im Osten. Dort war mein weiteres Leben von Arbeit, Hoffnung und Sorge um meinen Staat DDR erfüllt. Als Aufbauhelfer klopfte ich Steine an der Weberwiese, rückte dem riesigen Schuttberg auf dem Gendarmenmarkt gemeinsam mit unserem damaligen Berliner FDJ-Vorsitzenden Heinz Keßler zuleibe. Heute packt mich die Wut, wenn ich sehe, wie sich die "Reichen und Schönen" dort wieder spreizen.

Ich war mit meiner DDR zufrieden und sah ihr manche Schwäche nach, wußte ich doch, wie schwer sie es in jenen Jahren hatte. Sie glich einem Hausbau, bei dem man auf manche Bequemlichkeit freiwillig verzichtet. Die DDR war ärmer als die größere BRD, ihr wurde vom Westen ein unerbittlicher Rüstungswettlauf aufgezwungen - Rohstoffarmut, das Embargo der CoCom-Listen und die technische Überlegenheit des Westens blieben nicht ohne Wirkung. Doch sie wuchs trotz empfindlicher Demontagen in den Jahren 1945/46 und der vom Osten für ganz Deutschland erbrachten Reparationszahlungen.

Als ich vierzig war - und auch das soll nicht verschwiegen werden -, sah ich mich so manchen Ungereimtheiten gegenüber. Wort und Tat klafften immer öfter auseinander. Ich hoffte, daß die versprochene Vervollkommnung von Demokratie und Mitbestimmung endlich umgesetzt würde. Doch der Hochmut mancher Leiter, die selbst oft genug "von oben" entmündigt wurden, wog schwer. Viele duckten sich weg und wichen ins Private aus. Eigentlich Unverzichtbares wurde immer häufiger zur Phrase. Da war ich in meiner DDR plötzlich der Andersdenkende.

Als ich fünfzig war, verkündete der polnische Papst den "Kreuzzug gegen den Kommunismus". Und Ronald Reagan - ein besonders übler US-Präsident - traf Vorbereitungen für seinen "Krieg der Sterne".

Als ich sechzig wurde und die DDR vierzig, war es für Korrekturen bereits zu spät. Ihre Klassenfeinde hatten die UdSSR totgerüstet. Die historische Chance eines mit lebendiger Demokratie gepaarten Sozialismus war für lange Zeit vertan.

Inzwischen mit über achtzig, muß ich widerwillig in einem Staat leben, dem meine Weltanschauung nicht paßt und der abermals Kriege führt. Wahre Freiheit kann es für die Andersdenkenden, zu denen ich erneut gehöre, erst geben, wenn die Macht der Ausbeuter überwunden und ihrem System endgültig das Rückgrat gebrochen sein wird.

Horst Jablonski, Berlin

Raute

Wenn einst die Pflicht zur Freude wird

Friedrich Engels schrieb einmal sinngemäß: Trotz aller Beherrschung der Natur soll der Mensch nicht vergessen, daß er selbst Teil der Natur ist. Das wird auch im Kommunismus nicht anders sein.

In einem Interview zur gegenwärtigen K-Wort-Debatte fragte der ungarische Philosoph G. M. Tamas, ein linker Grüner, nach dem Inhalt des Begriffs "Natur des Menschen", ohne dafür selbst eine schlüssige Erklärung geben zu können. Er vertrat die Auffassung, im Kapitalismus werde "dem menschlichen Wesen durch die Pflicht zur Arbeit Gewalt angetan". Tamas führt das auf die in dieser Gesellschaftsordnung bestehende Arbeitsteilung zurück. Ganz davon abgesehen, daß dieser Begriff hier die Trennung des Produzenten von den Produktionsmitteln bedeuten soll (in der marxistischen Philosophie ist damit der technische Prozeß gemeint), kann man durchaus geteilter Meinung über die Frage einer "Pflicht zur Arbeit" sein. Weiter konstatiert Tamas: "Es ist höchste Zeit, daß wir ein Leben führen, in dem wir nicht nur frei sind, sondern Genugtuung erfahren, Vergnügen und Glückseligkeit. Auch bei der Arbeit."

Der Gedanke, den Menschen von der Pflicht, vom Zwang zur Arbeit zu befreien, wird auch von Politikern der Partei Die Linke und anderen Teilnehmern an dieser Debatte gefordert. - Das bedarf nach meiner Überzeugung genaueren Durchdenkens. Wenn wir der Diskreditierung des Kommunismusbegriffs entgegentreten wollen, dann müssen wir uns so ausdrücken, daß die Menschen klare Vorstellungen von dessen Bedeutung erhalten, um den Antikommunismus ad absurdum führen zu können.

Wenn heute jemand eine Klinik betritt und vor dem Chefarzt steht, wird er zunächst Achtung vor dessen Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten empfinden und es nicht wagen, in den Operationssaal mit der Forderung zu stürmen, seinen Blinddarm selbst herausnehmen zu wollen. Bei komplizierten Problemen der gesellschaftlichen Entwicklung aber meint jeder, er könne dank seiner Erfahrung, instruiert von den Massenmedien und auf der Basis solider Allgemeinbildung, mitreden und sich ein sicheres Urteil bilden. Doch das allein genügt nicht. Wenn wir den Menschen sagen, wir wollten eine andere Welt, müssen wir auch versuchen, ihnen diese zu beschreiben. Es genügt nicht zu sagen, wogegen wir sind, wenn wir nicht zugleich erklären, wofür wir kämpfen. (Das ist leider auch ein großes Manko des spontanen Aufbegehrens der arabischen Völker in unseren Tagen. So forderten sie zum Beispiel den Rücktritt Mubaraks, ohne zu wissen, daß dieser lediglich als ein Sachwalter des Reichtums der Kapitalisten, der ihre Armut bewirkt, sein Amt versah.)

Ein Recht auf Arbeit zu fordern, aber im selben Atemzug die Pflicht zur Arbeit abzulehnen, ist kontraproduktiv. Denn die Pflicht zur Arbeit ergibt sich aus dem Wechselverhältnis des Menschen zur Natur, aus seiner Beschaffenheit. Auch im Kommunismus ist der Sprachwissenschaftler "gezwungen", sich Vokabeln anzueignen. Der Spitzensportler erreicht seine Leistung vielleicht zu 20 % aufgrund seines Talents, zu 80 % aber im Ergebnis harten Trainings. Er "muß" üben. Es ist noch ein sehr langer Weg, bis die Menschen bei der Arbeit "Genugtuung erfahren, Vergnügen und Glückseligkeit". Dafür sind etliche Voraussetzungen erforderlich.

Natürlich ist das in erster Linie eine Gesellschaftsstruktur, die es dem Menschen ermöglicht, für sich, für die Gesellschaft tätig und nicht gezwungen zu sein, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. Darüber hinaus ist ein weit gespanntes Bildungs- und Erziehungssystem erforderlich.

Eine solche Entwicklung kann sich unmöglich in einem Land allein vollziehen. Schon Marx rief die Proletarier aller Länder auf, sich zu vereinigen. Doch die Veränderung der Welt kommt nicht von allein. Man muß etwas dafür tun. "Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ward Freude." (Rabindranath Tagore)

Gerda Huberty, Neundorf

Raute

Ein Leiharbeiter im Zeugenstand

Mit großem Interesse habe ich den RF Nr. 157 gelesen. Es war mir wieder ein Vergnügen, darin zu schmökern. Der Leserbrief von Gerhard Masuch aus Leipzig zum Thema "Leiharbeit" hat mich besonders angesprochen. Seit etwa einem Jahr bin ich Leiharbeiter bei einem Erfurter Personaldienstleister. Daher weiß ich, was "moderne" Sklaverei bedeutet. Doch was will man als 42jähriger anderes erwarten? Es war der einzige Strohhalm, an den ich mich klammern konnte, um überhaupt aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.

Seitdem ich als Leiharbeiter unterwegs bin, habe ich nicht nur unendlich viele Kilometer geschrubbt, sondern bin auch in verschiedenen Industriezweigen tätig gewesen.

Ich war Berufskraftfahrer, Bauhelfer, Produktionsgehilfe in der Lebensmittelindustrie, habe Computer und Fernseher zusammengeschraubt und wurde sogar in der Kampfmittelräumung eingesetzt. Das alles für einen Hungerlohn, der gerade mal die Fahrtkosten deckt. Denn für Wünsche und Träume, die man sich gerne erfüllen würde, reichen 6,40 brutto auf keinen Fall. Meine Lebensgefährtin verdient etwas zuviel, so daß mir nicht einmal Hartz IV zusteht.

Überdies muß man sich dann auch noch aus dem Bekanntenkreis anhören: "Mensch, sei doch froh, daß du überhaupt Arbeit hast." Leiharbeiter müssen stets zur Stelle sein. Selbst wenn ich Urlaub beantragen möchte, heißt es vom Verleiher: "Aber Sie halten sich bitte auch in dieser Zeit zur Verfügung."

Händeringend suche ich eine andere Arbeit, aber die meisten Unternehmen greifen längst auf Leiharbeiter zurück. Warum wohl?

Wir sind schnell verfügbar, aber ebenso schnell auswechselbar. Und als ob das noch nicht genug wäre, müssen wir obendrein den Mund halten.

Bei der Leiharbeit gibt es keine Demokratie! Das ist das vielbesungene neue "Wirtschaftswachstum nach der Krise"! Niemand redet darüber, daß Tausende Leiharbeiter durch ihren Sklavenlohn dieses Wachstum aufrechterhalten.

Mario Landgraf, Clingen

Raute

Ist menschliche Dummheit das Haupthindernis bei der Überwindung des Kapitalismus?

Nachsinnen über ein Einstein-Wort

Sollte Albert Einstein, der Vater der Relativitätstheorie, mit seiner überlieferten Meinung recht haben, daß es zwei unendliche Dinge gibt - das Weltall und die menschliche Dummheit?

Was das Weltall betrifft, so gibt es keinen Zweifel: Es ist unendlich, war immer da und wird ewig Bestand haben. Was sollte denn nach einer unterstellten Endlichkeit passieren? Die Anerkennung der Unendlichkeit der Welt ist die einzig wissenschaftlich begründete Auffassung zu dieser Thematik. Sollte Einstein aber auch mit der Unendlichkeit der Dummheit der Menschen recht behalten?

Das zu vermuten, würde bedeuten, einen Stillstand in der Entwicklung von Wissenschaft und Technik zu akzeptieren. Doch beide - von Menschen betrieben - schreiten stürmisch voran. Fast ununterbrochen gibt es technische Neuerungen und eine Zunahme an wissenschaftlicher Erkenntnis. Auf diesen Gebieten dürfte es also keine Unendlichkeit menschlicher Beschränktheit geben. Oder versteht Einstein darunter etwa das Relative der Erkenntnis und die Tatsache, daß es auch in wissenschaftlich-technischer Hinsicht absolute Grenzen nicht geben wird? Es ist keinesfalls vorauszusagen, welche Neuerungen und Entdeckungen es in einhundert, fünfhundert oder gar zehntausend Jahren geben wird.

Wie aber verhält es sich mit dem Verstand der Menschen in bezug auf das Erfassen und Durchdringen gesellschaftlicher Realitäten und damit verbundener Probleme? Auch hier müßte Einsteins Auffassung kritisch hinterfragt werden. Hat der Unwissenheitsgrad zu- oder abgenommen?

Relativ dumm und isoliert waren die Menschen in grauer Vorzeit, als sie in Gruppen und Stämmen verstreut auf der Erde lebten. Sie konnten sich viele Naturerscheinungen nicht erklären. Angst mag bei Blitz und Donner, bei Stürmen und Überschwemmungen noch viel mehr als heute eine Rolle gespielt haben. Ohne wissenschaftliche Erklärungsmuster nahmen die Menschen Zuflucht zu von ihnen selbst erfundenen Religionen und Göttern. Aberglaube und Götzenanbetung gaben ihnen Halt. Erste Erkenntnisse, die den Rahmen der Unwissenheit sprengten, führten zu Folter, Scheiterhaufen und erzwungenem Abschwören. Dennoch setzten sich nach und nach wissenschaftlich begründetes Denken ebenso wie soziale Veränderungen durch.

Heute gilt als Allgemeingut fortschrittlicher Gesellschaftswissenschaft: Die Entwicklung der Produktivkräfte, zu denen in erster Linie die menschliche Arbeitskraft gehört, macht Veränderungen in den Produktionsverhältnissen erforderlich.

Schlüssige Beweise dafür lieferten Marx und Engels, die dieses dialektische Wechselverhältnis exakt belegten. Als Friedrich Engels am 17. März 1883 am Grab von Karl Marx sprach, stellte er fest: "Wie Darwin das Gesetz der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte." Einer der beiden Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, gelangte Marx zu der Erkenntnis, daß die Produktionsverhältnisse stets mit dem Stand der Produktivkräfte übereinstimmen müssen und eine Veränderung der einen die Umstellung der anderen erfordert. Dem entsprach der gesamte Geschichtsverlauf, wenn das den Menschen auch nicht immer bewußt wurde. Auf die Sklavenhalterordnung folgte der Feudalismus, dessen Ablösung durch die kapitalistische Gesellschaft stattfand.

Marx und Engels haben im Kommunistischen Manifest angesichts der stürmischen Entwicklung der Produktivkräfte Mitte des 19. Jahrhunderts berechtigterweise noch ein Hohelied auf den Kapitalismus angestimmt. Nun sind dessen Produktionsverhältnisse, wie Lenin beim Studium des Imperialismus beobachtete, auf vielen Gebieten längst zu einem Hemmnis für die Entwicklung der Produktivkräfte geworden, was den Sozialismus historisch auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Von bürgerlichen Ökonomen und Politologen wird dies unter Hinweis darauf bestritten, daß sich in der kapitalistischen Welt nach wie vor eine beispiellose Entwicklung von Wissenschaft und Technik vollziehe, von einem Blockieren der Produktivkräfte also gar keine Rede sein könne. Deren Behinderung zeigt sich vorerst indes darin, daß der Kapitalismus außerstande ist, elementare soziale Probleme zu lösen. Hinzu kommen eine sinnlose Überproduktion, die damit verbundene Vergeudung von Produktivkräften sowie eine nicht mehr zu behebende Dauerarbeitslosigkeit, die zur Brachlegung menschlicher Potentiale führt, und die gezielte Zerstörung von Teilen des geschaffenen Reichtums, z. B. in Kriegen.

Doch kehren wir zu Albert Einstein zurück. Hat er mit seiner These von der Unendlichkeit menschlicher Dummheit absolut recht oder kann zumindest einschränkend gesagt werden, daß diese im Hinblick auf notwendige gesellschaftliche Veränderungen nachläßt und immer mehr Erdenbürger zu der Erkenntnis gelangen, eine neue soziale und humane Ordnung müsse den Kapitalismus ablösen?

Schon 1949 verwies Einstein in einem Beitrag für die wirtschaftspolitische Zeitschrift "Monthly Review" auf die Notwendigkeit des Wandels. "Das Gewinnmotiv", schrieb er, "ist in Verbindung mit der Konkurrenz für Instabilität in der Akkumulation und Verwendung des Kapitals verantwortlich. ... Es führt zu einer riesigen Verschwendung von Arbeit und zur Lähmung des sozialen Bewußtseins. Diese Lähmung des einzelnen halte ich für das größte Übel des Kapitalismus. ... Ich bin überzeugt, daß es nur einen Weg gibt, es loszuwerden, nämlich den, ein sozialistisches Wirtschaftssystem zu etablieren, begleitet von einem Bildungssystem, das sich an sozialen Zielsetzungen orientiert."

Dieser Blick in die Zukunft verdeutlicht wohl am besten, daß Einstein in gewisser Weise gegen seine eigene These von der Unendlichkeit der menschlichen Dummheit angeschrieben hat. Damit näherte er sich der Vision des tschechischen Kommunisten Julius Fucik, "daß der tiefgebeugte Greis, der für Millionen Not und Elend bedeutet, die Welt verlassen wird. In ihrem Interesse muß er gehen. Dieser Greis ist der Kapitalismus."

Welch tiefe Wahrheit steckt doch in den Worten der Arbeitermarseillaise: "Der Feind, den wir am tiefsten hassen, der uns umlagert schwarz und dicht, das ist der Unverstand der Massen, den nur des Geistes Schwert durchbricht."

Dr. Rudolf Dix

Raute

Warum ich als Kriegsgegner aus der alten BRD dem NVA-Traditionsverband beigetreten bin

Festakt in der Cafeteria

Während diese Zeilen entstehen, rollen die ersten Angriffswellen der Operation "Odyssee Morgendämmerung" der westlichen "Militärkoalition" gegen Libyen und bringen Tod und Zerstörung. Was von der Propaganda der NATO-Staaten als "Schutz der Zivilbevölkerung" verkauft wird, ist in Wahrheit neokoloniale Militärpolitik zur strategischen Veränderung der Machtverhältnisse im Nahen Osten und in Afrika. Zu diesem Zweck wird die berechtigte Forderung der Völker dieser Region nach Veränderungen ausgenutzt.

Nicht zufällig erinnert dieser neue Angriffskrieg an die NATO-Bombardierung der Föderativen Republik Jugoslawien 1999 unter Teilnahme der Bundeswehr. Diese Kriege wurden erst möglich, seitdem es weder das Warschauer Vertragsbündnis noch die Nationale Volksarmee der DDR gibt, denen es gelungen war, die Kriegsgefahr einzudämmen und Kriege wie diesen zu verhindern.

Der Verteidigungskrieg der Sowjetunion gegen die Aggression der faschistischen deutschen Wehrmacht war ein gerechter Krieg. Persönlich verdanke ich mein Leben einem unbekannten Partisanen, der meinem Vater, einem 19-jährigen Wehrmachtsoldaten aus dem Rheinland, 1944 nahe Minsk ins Bein schoß. Mein Vater entging so dem sicheren Tod, denn während er über Warschau ins Lazarett nach Sachsen kam, wurde seine Einheit von der Roten Armee völlig aufgerieben. In Sachsen lernten sich meine Eltern kennen, zogen bald ins Rheinland, und so nahm nach dem Krieg unsere Familiengeschichte ihren zweigleisigen Verlauf in den beiden deutschen Staaten BRD und DDR.

Durch Geburt war ich Bundesbürger, aber ich verbrachte schon als Kind viel Zeit bei der Großfamilie meiner Mutter nahe Karl-Marx-Stadt, lernte Land und Leute lieben, hatte viele Freunde und entwickelte starke Heimatgefühle. Die emotionale Verwurzelung als Jugendlicher wurde durch politisches Bewußtsein über das Warum der deutschen Teilung ergänzt: hier das Drängen der Westmächte, die Teilung 1948 mittels Währungsreform, Gründung der BRD und Einbindung in den Westblock zu zementieren, dort die Traditionen der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandes als Kerne der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949.

Klassenbewußtsein ist nicht ohne Schmerzen zu haben. Von meinen Familien hüben und drüben lernte ich, warum sie gegen die Nazis und deren Krieg waren, wie sie diese Zeit als Arbeiter unter der Knute der Herrenmenschen erlebt hatten. Meinem sächsischen Großvater, vor 1933 Arbeiter und in der SPD, war es nach 1949 noch ein paar Jahre vergönnt, in Gewerkschaft und SED aktiv zu sein, bevor er an den Spätfolgen des Krieges starb.

Die Soldatenschicksale in meiner Familie, die Wiederaufrüstung der BRD im Kalten Krieg und die Zurichtung der Bundeswehr als Notstandsarmee ließen in mir den Entschluß reifen, mich gegen die Militärpolitik Bonns und der NATO zu engagieren. Niemals wollte ich auf meine Brüder in den Armeen anderer Länder oder gar der Nationalen Volksarmee der DDR schießen müssen.

Zur Nagelprobe kam es jedoch nicht: 1974 wurde ich wegen meiner politischen Arbeit vom Wehrbereichskommando als "Sicherheitsrisiko" ausgemustert. Wie zahlreiche andere Genossen der organisierten Westlinken stuften Militärführung und Militärischer Abschirmdienst (MAD) auch mich als "Unruhestifter" ein, weil sie die Gründung von Soldatenkomitees fürchteten.

Unser anfänglicher Pazifismus hatte sich mit der Teilnahme an den Kampagnen gegen den Völkermordkrieg der USA in Vietnam und zur Unterstützung der Befreiungskämpfe in Afrika, Asien und Lateinamerika verändert. Wir begriffen, daß sich die unterdrückten Völker nicht durch gute Worte allein vom Joch des Kolonialismus befreien konnten. Auch die Lehren unserer eigenen jüngeren Geschichte trugen zu dieser Erkenntnis bei: Der 8. Mai 1945 wurde als der Tag der Befreiung vom Faschismus nur möglich, weil sich die Sowjetunion bewaffnet gegen den Überfall der faschistischen Wehrmacht verteidigt und den maßgeblichen militärischen Beitrag zum Sieg über Hitlerdeutschland geleistet hatte.

Jene, die 1945 als Widerstandskämpfer, KZ-Überlebende, Emigranten, Angehörige des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) und deutsche Rotarmisten in die zerstörte Heimat zurückkehrten, wollten ein neues Deutschland aufbauen - demokratisch, antifaschistisch und sozialistisch. Ein solcher Neuanfang mußte geschützt werden.

Einer dieser Genossen, der spätere Minister für Nationale Verteidigung der DDR, der heute 91jährige Armeegeneral a. D. Heinz Keßler, erinnerte in seiner beeindruckenden Rede zum 55. Jahrestag der am 1. März 1956 gegründeten NVA an diese Ursprünge. Ausgerichtet wurde das feierliche Begehen des Jubiläums am 5. März 2011 in Berlin vom Traditionsverband Nationale Volksarmee e. V. Dazu mietete man die Cafeteria im Berliner Tierpark an.

Gemeinsam mit mehr als 200 Mitgliedern und Gästen nahm auch ich an dieser Festveranstaltung teil, nachdem ich mich zuvor entschlossen hatte, dem Traditionsverband als Sympathisant beizutreten und seine Arbeit zu unterstützen.

Was hat mich dazu bewogen? Die NVA war die einzige deutsche Armee, die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen ist. Sie hat den Frieden gesichert und keinen Krieg geführt. Sie ist auch 1989 nicht gegen die Bevölkerung der DDR eingesetzt worden. Ihr antifaschistischer und humanistischer Geist ist jenem der Bundeswehr, die personell und ideell aus der Wehrmacht hervorging, diametral entgegengesetzt. Die NVA muß gegen jegliche Fälschung der Geschichte verteidigt werden.

Der Umbau der Bundeswehr zur Berufs- und Interventionsarmee für kapitalistische Macht- und Wirtschaftsinteressen erfordert eine kritische Aufarbeitung deutscher Militär- und Bündnistraditionen vor dem Hintergrund des Gegenentwurfs einer sozialistischen Militärwissenschaft.

Ehemalige NVA-Angehörige müssen ihre Erfahrungen und Überzeugungen sowie ihr Wissen in die aktuelle Debatte um Krieg und Frieden einbringen können, denn: "Der Traditionsverband Nationale Volksarmee tritt für die Ächtung jeglicher Art von Kriegseinsätzen und die friedliche, diplomatische Lösung aller Probleme und Konflikte in der Welt ein." Die Kriege seit 1999 zeigen eindringlich, wie wichtig ein solches Engagement ist.

Jürgen Heiser

Raute

Wie Gerhard Schröders Agenda 2010 zum Jobkiller Nr. 1 wurde

Der Aufstieg erwies sich als Talfahrt

Die Agenda 2010 war eine politische Erfindung der rechten SPD-Führung aus dem Jahre 2003. Der inzwischen zu einem der ganz großen Bosse des europäischen Energiegeschäfts aufgestiegene einstige Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen "Team", zu dem auch Arbeitsminister Olaf Scholz gehörte, nannten als Grundziele der "Agenda" die Schaffung der "Rahmenbedingungen von mehr Wachstum und mehr Beschäftigung" sowie für den "Umbau des Sozialstaates" und dessen "Erneuerung".

Insbesondere ging es darum, die Leistungen des Staates, wo immer möglich, zu kürzen und die Bedingungen des Arbeitsmarktes zugunsten der "Arbeitgeber", also der Ausbeuter, und zum Nachteil der "Arbeitnehmer" - der Ausgebeuteten - zu verändern. Der damalige Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen war mit im Boot. Auch die Parteien der CDU/CSU-FDP-Opposition befürworteten als Interessenvertreter des Kapitals die einschneidenden Veränderungen. Die traditionell von der SPD dominierten Gewerkschaften unterstützten ebenfalls den historisch wohl einmaligen Vorgang einer derart umfassenden Sozialdemontage und die damit verbundene Umverteilung von unten nach oben.

Die "Agenda" wird von ihren "Vätern" gern als Grundlage für das angeblich eingetretene "Jobwunder" dargestellt. Ein Schwindel ohnegleichen! 2003 lag die durchschnittliche Arbeitslosigkeit nach offizieller Verlautbarung bei 3,7 Millionen Betroffenen, was einer Rate von etwa 8,8 % entsprach. 2010 betraf sie rund 3,3 Millionen Menschen, was ca. 7,7 % ausmachte.

Simple Tricks schönen die Zahlen. So werden statistisch 1,5 Millionen Erwerbslose, die in "arbeitsmarktpolitische Maßnahmen eingebunden" sind, überhaupt nicht als solche ausgewiesen. Viele Jobsuchende über 58 führt man einfach nicht mehr auf. In Wahrheit dürfte die Arbeitslosigkeit also mehr als 5,5 Millionen Frauen und Männer in der BRD betreffen.

Obwohl die Zahl der Erwerbstätigen seit 1992 von ca. 38 Millionen auf über 40 Millionen (2010) gestiegen ist, haben immer weniger Menschen Vollzeitjobs. Die rosige Ziffer, die man derzeit zu suggerieren versucht, entsteht also auch durch eine um sich greifende Aufspaltung von Arbeitsplätzen. Es gibt immer weniger "Fulltime-Jobs". Zwischen Juni 1990 und Juni 2008 ist die Zahl der ganztägig Beschäftigten um 1,4 Millionen (6 %) auf 22,4 Millionen gesunken. Parallel dazu entstanden "atypische Tätigkeiten" wie Minijobs, Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Scheinselbständigkeit. Der Anteil solcher Formen an der Gesamtzahl der Arbeitsverhältnisse wuchs von 15 % (1996) auf 22 % im Jahre 2009, während der normaler unbefristeter Vollzeitarbeitsverhältnisse von 75 % auf 66 % sank. Seit Einführung der Hartz-IV-Gesetzgebung (2005) ist die Zahl der Niedriglohnempfänger unter den Vollzeitbeschäftigten rasant gestiegen. Sie nahm um 400.000 zu und betrifft jetzt bundesweit 4,5 Millionen Menschen.

Hohe Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungen und Niedriglöhne sind die wesentlichsten Ursachen dafür, daß im Zeitraum von 2000 bis 2009 die inflationsbereinigte Lohn- und Gehaltsentwicklung rückläufig war. Sie lag bei minus 4,5 %, wie die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) nachweist.

Das war indes kein europaweiter Trend. Im gleichen Zeitraum stiegen beispielsweise die Löhne und Gehälter in Norwegen um 25,1 %, in Schweden um 14,4 %, in Großbritannien um 14 %, in Dänemark um 10,7 % und in den Niederlanden um 4,8 %.

Während BRD-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der Opposition im Bundesrat um eine "fulminante" Hartz-IV-Erhöhung von 5 oder 8 Euro pro Monat "rang", prophezeite der Chef der Bundesagentur für Arbeit, der zeitweilig auch als neuer Bundesverteidigungsminister gehandelt wurde, sinkende Löhne durch weiteren Ausbau des Niedriglohnsektors und Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse. Die Eurokrise und nachlassende Exporte könnten den Arbeitsmarkt ebenfalls nachteilig beeinflussen.

Der Ausweg aus dieser Misere kann also nur in der Aufhebung der Hartz-IV-Gesetze, der Abschaffung von Minijobs und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 10 Euro pro Stunde bestehen. Die Leiharbeit muß eingeschränkt werden. Das schließt gleiche Bezahlung von festangestellten Arbeitskräften und Leiharbeitern ein. Richtig wäre auch der Ausbau von Unternehmen der Daseinsvorsorge und deren Rückverwandlung in staatliches oder kommunales Eigentum. Nur so könnte der Arbeitsmarkt mehr Beschäftigung und bessere Bezahlung bieten.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

Raute

Antibolschewistische "Forschers" als Selbsttorjäger

Die Ironie der Dialektik bewirkt, daß selbst die emsigsten Antikommunisten objektiv zum Weiterleben des Kommunismus beitragen. Zu jeder "Forschung" gibt es eine Antirecherche, zu jedem "Schwarzbuch des Kommunismus" entstehen drei Rotbücher. Selbst biedere Institute und Stiftungen haben sich so auf den Kommunismus fixiert, daß man meinen könnte, es habe immer nur ihn gegeben oder man könne die übrige Neuzeitgeschichte getrost den Professoren Manfred Weißbecker, Kurt Pätzold und Götz Dieckmann sowie deren Genossen überlassen.

Auch das Verhältnis zwischen Rußland und der BRD wird heute immer wieder - obwohl in Putins und Medwedjews Moskau wahrlich keine Kommunisten herrschen - von dem Gespenst überschattet. Das Panorama der Berichterstattung und des deutschen Interesses an "den Russen" war im Laufe der Jahrzehnte weit gespannt und reichte von Tannenberg bis Stalingrad, vom malerischen Kaukasus bis zu den einfühlsamen Berichten eines Klaus Bednarz über die großen sibirischen Flüsse und die arktischen Gebiete.

Auch über die Begehrlichkeiten hervorrufenden Öl- und Erdgasvorkommen werden wir auf dem Laufenden gehalten, nicht zuletzt durch Gerhard Schröder. Es gibt ganze Filmserien über die Stalingrader Schlacht. Sie sollen uns die "deutschen Leiden des Krieges und des Winters" näherbringen - warum sich diese ausgerechnet an den Ufern der Wolga zutrugen, wird dabei allerdings nicht genauer untersucht.

Zu Lenins Transitreise im verplombten Waggon 1917 durch Deutschland hielt sich die Presse der BRD eher bedeckt, die revolutionären Ereignisse in Rußland interessierten das kaiserliche Deutschland und vor allem dessen Oberste Heeresleitung allein vom Standpunkt einer "Entlastung der Ostfront", um mit den "freigewordenen" Divisionen den "Endsieg" über die Entente im Westen erzwingen zu können, was bekanntlich nicht eintrat.

Der Akzent der "Rußland-Forschung" hat sich - gewiß auch geschäftsbedingt - immer eindeutiger auf "Verbrechen des Kommunismus" eingepegelt. Etwas genauer betrachtet, sind die "Forschungsergebnisse" hierzu recht skurril. Dem Leser soll im folgenden ein kurzer Überblick ermöglicht werden.

Da figurieren Millionen "Bürgerkriegstote" - nach der Oktoberrevolution fielen bis an die Zähne bewaffnete Interventionsarmeen aus 14 Staaten ein, um gemeinsam mit Resten der zaristischen Armee auf Sowjetrußland loszuschlagen. Diese Toten werden uns heute - nach "neuesten Forschungsergebnissen" - als "Verbrechen des Kommunismus" präsentiert.

Oder nehmen wir die infolge des Bürgerkrieges und einer verheerenden Dürre Verhungerten. Der norwegische Polarforscher Fritjof Nansen wurde damals zum Hohen Kommissar des Internationalen Roten Kreuzes berufen, um humanitäre Hilfe für die Darbenden zu organisieren. Er bereiste - unterstützt von Sowjetbehörden - die betroffenen Gebiete, um an Ort und Stelle den Bedarf zu ermitteln. Zurückgekehrt, trat er am 30. September 1921 vor die Vollversammlung des Völkerbundes (in etwa vergleichbar mit den Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg), der ewigen Frieden und Abrüstung versprach.

Nansen richtete an das Gremium einen inständigen Appell für Frieden und Humanismus, flehte geradezu, für die vom Hungertod bedrohten drei bis vier Millionen Menschen ein Darlehen von 5 Millionen britischen Pfund bereitzustellen. In jenem Jahr 1921 hatte man in Kanada und den USA Rekordernten an Weizen, in Argentinien an Mais eingebracht. Nansen verglich die von ihm erbetene Summe mit den vielfach höheren Ausgaben für ein Schlachtschiff. Der Redner erntete stürmischen Beifall von den Tribünen, während ihm aus dem Plenum eisiges Schweigen entgegenschlug. Das Darlehen wurde nicht genehmigt, da man hoffte, die Revolution werde am Hunger zugrundegehen.

Dabei hatte Nansen in der Tat Klartext gesprochen: "In Rußland sind Millionen vom Hungertod bedroht. Die weltweit guten Ernten machen es möglich, der leidenden Bevölkerung, besonders den Kindern, zu Hilfe zu kommen. Sollte ihnen diese nicht umgehend erwiesen werden, müssen etwa zwei Millionen Menschen sterben", führte er aus.

Da humanitäre Hilfe abgelehnt wurde, starben tatsächlich zwei Millionen Bürger Sowjetrußlands den Hungertod. Heute, fast 90 Jahre danach, werden diese Toten der Öffentlichkeit ebenfalls als "Opfer des Kommunismus" aufgetischt.

Doch es kommt noch schlimmer. "Forscher" unternahmen "demographische Untersuchungen". Ihnen zufolge hatten die Jahre des Ersten Weltkrieges und des darauf folgenden Bürgerkrieges einen erheblichen Geburtenrückgang bewirkt. (Um das zu ermitteln bedarf es keines "Forschergeistes"!) Das Resultat war ein dramatischer Bevölkerungsschwund in der Nachkriegszeit. Nun wurde ermittelt, wieviel Menschen es ohne Krieg und Bürgerkrieg "eigentlich" gewesen sein müßten.

Man errechnete die Differenz zwischen der "möglichen" und der tatsächlichen Bevölkerungszahl und kreidete den Bolschewiki auch diesen Schwund noch als "Verbrechen des Kommunismus" an. Ihm wurden selbst die Nichtgeborenen zur Last gelegt. Ein übles Spiel!

Das bisher Gesagte soll indes keineswegs bedeuten, daß wir als Antifaschisten und Kommunisten nicht wüßten, welche Verbrechen zwischen 1928 und 1953 tatsächlich begangen worden sind. Mit der klaren Benennung dieser Schuld büßen wir keineswegs unsere politische Souveränität ein, sondern erlangen sie geradezu.

Ganz am Rande darf vermerkt werden, daß der Autor ein "Insider" ist, der selbst 10 Jahre als vermeintlicher Konterrevolutionär zu Stalins Zeiten hinter Stacheldraht "gebüßt" hat. Der Personenkreis, dem er dort begegnete, wird von den "Kommunismusforschern" übrigens bewußt ausgeblendet. Denn für Leute dieses Schlages ist ein eingesperrter Kommunist geradezu ein Glücksfall.

Eines der prägnantesten Schicksale erlitt Marschall der Sowjetunion Wassili Konstantinowitsch Blücher, Held im fernöstlichen Kampf gegen Koltschak und Wrangel. 1938 wurde er auf hinterhältige Weise in seinem Salonwagen festgenommen und nach Moskau gebracht. Dort schlugen ihm die Vernehmer zunächst ein Auge aus. Doch Blücher, diese harte bolschewistische Legierung, war zu keinem fingierten "Geständnis" bereit. So wurde er weiter mißhandelt und anschließend "ordnungsgemäß" erschossen. Gegen diesen treuen Kommunisten hat nie ein Verfahren, nicht mal zum Schein, stattgefunden.

Fazit: Es sollte nichts Geschehenes nachträglich schöngeredet werden - doch gewissen "Forschern" wollen wir den Rat geben, die Kirche im Dorf zu lassen.

Walter Ruge

Raute

Geleitschutz für ein jüdisches "U-Boot"

Die Humboldt-Universität gedenkt mit 20 Stolpersteinen all jener Studenten, die während der Nazizeit von der Universität vertrieben und Opfer faschistischer Judenvernichtung wurden. Zur Geschichte der Universität gehört aber auch die Antwort auf die Frage, ob jüdische Studenten überhaupt eine Chance hatten, die rassistische Verfolgung zu überleben. Es gab sie, wenn jemand das Glück hatte, in seiner Bedrängnis einem Menschen zu begegnen, der bereit war, alle Konsequenzen auf sich zu nehmen, die mit einer solchen Hilfe verbunden waren. Einer dieser bewundernswerten Menschen war meine Schwiegermutter Ellen Kuntz.

Sie traf im Sommer 1943 auf Berlins Potsdamer Straße die völlig verzweifelte Erna Ohm, eine Verkäuferin im KaDeWe. Weinend berichtete diese, ihr Verlobter Ernst Schlesinger habe sich zum Abtransport auf dem Bahnhof Grunewald einzufinden. Erna Ohm bat Ellen Kuntz, ihm Unterkunft zu gewähren, damit er diesem Transport in die Vernichtung entgehen könne. Für Ellen blieb angesichts der Dringlichkeit zu erweisender Hilfe keine Zeit zum Abwägen. Ohne Zögern stellte sie dem von der Berliner Kaiser-Wilhelm-Universität vertriebenen jüdischen Studenten ihre Wohnung zur Verfügung. Ernst Schlesinger - ein sogenanntes U-Boot - nutzte das illegale Quartier in der Schöneberger Akazienstraße 3 a stets dann, wenn ihm andere Unterkünfte nicht zur Verfügung standen. Auf keinen Fall durfte er als Obdachloser auffallen. Das Risiko einer Entdeckung war für beide Seiten groß, zumal die Berliner Gestapo die Frau und andere Familienangehörige des seit April 1933 inhaftierten KPD-Funktionärs Albert Kuntz nie aus den Augen gelassen hatte.

Ernst Schlesinger überlebte die Nazizeit und konnte nach der Befreiung vom Faschismus sein Jurastudium wieder aufnehmen. Er wurde als "Opfer des Faschismus" anerkannt.

In einer Erklärung, die heute im Bundesarchiv aufbewahrt wird, bestätigte er das hier Berichtete. Ellen Kuntz habe ihn während mehrjähriger Illegalität in der aufopferungsvollsten Weise unterstützt. "Obwohl selbst politisch in höchstem Maße gefährdet, scheute sie sich nicht, mich immer wieder in ihrer Wohnung aufzunehmen und so vor der Not der Obdachlosigkeit zu bewahren. Auch durch Bereitstellung von Kleidung und Lebensmitteln hat sie mir tatkräftig geholfen. Ich bin überzeugt, daß ich ohne die aufrechte und uneigennützige Haltung von Frau Kuntz, die sie, wie ich weiß, auch anderen Verfolgten gegenüber an den Tag gelegt hat, die schweren Jahre der faschistischen Diktatur nie überstanden haben würde. Ich fühle mich ihr daher zu bleibendem Dank verpflichtet."

Erna Schlesinger, geb. Ohm, fügte hinzu: "Auch ich möchte mich der Erklärung meines Mannes anschließen. Dadurch, daß Frau Kuntz ihn unterstützte, hat sie mir die schwersten Sorgen abgenommen und damit auch mein Leben in vieler Hinsicht erleichtert. Ich werde ihre aufopfernde Menschlichkeit nie vergessen."

Beide Dokumente habe ich beim Bereinigen meiner Datenbank wiederentdeckt.

Dr. Leopoldine Kuntz, Zernsdorf

Raute

Marxismus für Einsteiger - Basis und Überbau

In den Briefen, die Friedrich Engels während der letzten Jahre seines Lebens geschrieben hat, wird auf besondere Weise der große Erfahrungsschatz des Wirkens unserer Klassiker sichtbar. In ihnen sind interessante und tiefgründige Denkansätze auch für unsere aktuelle Diskussion zur analytischen Aufdeckung von Ursachen und Bedingungen der Niederlage der sozialistischen Staaten Europas im Kampf um gesellschaftlichen Fortschritt zu entdecken. Es zeigt sich, wie Engels in einer besonders eingehenden und verständlichen Art unermüdlich und konsequent die materialistische Geschichtsbetrachtung verteidigt, wie er sie mit Einfühlungsvermögen erklärt, Verfälschungen der marxistischen Theorie aufdeckt und Wege zum tieferen Verständnis von Geschichtsprozessen weist.

Am 21. September 1890 richtete er an den Studenten Joseph Bloch, der ihn u. a. gebeten hatte, ihm Aufklärung zur Rolle der ökonomischen Verhältnisse zu geben, einen Brief. "Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr haben weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus - politische Formen des Klassenkampfes und seine Resultate - Verfassungen, ... Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form.

Es ist eine Wechselwirkung aller dieser Momente, worin schließlich durch alle die unendliche Menge von Zufälligkeiten ... als Notwendiges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt. Sonst wäre die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode ja leichter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades.

Wir machen unsere Geschichte selbst, aber erstens unter sehr bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen. Darunter sind die ökonomischen die schließlich entscheidenden. Aber auch die politischen usw., ja selbst die in den Köpfen der Menschen spukende Tradition, spielen eine Rolle, wenn auch nicht die entscheidende ...

Zweitens aber macht sich die Geschichte so, daß das Endresultat stets aus den Konflikten vieler Einzelwillen hervorgeht, wovon jeder wieder durch eine Menge besonderer Lebensbedingungen zu dem gemacht wird, was er ist; es sind also unzählige einander durchkreuzende Kräfte, eine unendliche Gruppe von Kräfteparallelogrammen, daraus eine Resultante - das geschichtliche Ergebnis - hervorgeht, die selbst wieder als das Produkt einer, als Ganzes, bewußtlos und willenlos wirkenden Macht angesehen werden kann ...

Daß ... zuweilen mehr Gewicht auf die ökonomische Seite gelegt wird, als ihr zukommt, haben Marx und ich teilweise selbst verschulden müssen. Wir hatten den Gegnern gegenüber das von diesen geleugnete Hauptprinzip zu betonen, und da war nicht immer Zeit, Ort und Gelegenheit, die übrigen an der Wechselwirkung beteiligten Momente zu ihrem Recht kommen zu lassen. Aber sowie es zur Darstellung eines historischen Abschnitts, also zur praktischen Anwendung kam, änderte sich die Sache, und da war kein Irrtum möglich. Es ist aber leider nur zu häufig, daß man glaubt, eine neue Theorie vollkommen verstanden zu haben und ohne weiteres handhaben zu können, sobald man die Hauptsätze sich angeeignet hat, und das auch nicht immer richtig."

Engels gab dem Studenten auch den Rat, die Theorie "in den Originalquellen und nicht aus zweiter Hand zu studieren, es ist wirklich viel leichter. Marx hat kaum etwas geschrieben, wo sie nicht eine Rolle spielt." (MEW Bd. 37, S. 363 ff.)

Dr. Erich Röhl, Berlin

Raute

Wie ein süßes Wortspiel zu bitterem Hohn wird

Fischers Fritz fischt frische Fische gern

Welcher der geschichtlich vermuteten Hintergründe zur Namensgebung des "Bismarckherings" geführt haben mag - dem Käufer ist das angesichts ständiger Preissteigerungen schnuppe.

Auch die Grüne Woche, das sogenannte Schaufenster der deutschen Ernährungswirtschaft, blieb die Antwort darauf schuldig, warum die Lebensmittelpreise unablässig in die Höhe schnellen. Im August 2010 ermittelte das Statistische Bundesamt für Fisch- und Fischwaren einen Anstieg von 3,3 % im Vergleich zum Vorjahr.

Seitdem ich 1953 erstmals das kleine Dorf Freest erlebte, blieb mir der Begriff "Fingerfisch" in Erinnerung. Es war jener Rest an kleinen Fischen, den die Männer mit der Karre übers Land schoben und preiswert zu verkaufen suchten. Am Händlerpreis im Hafen verdienten sie nichts.

Der Hering an sich hat es den Fischern nie leicht gemacht. Irgendwie erhielt das schottische Sprichwort "No Hering, no wedding!" seine Berechtigung: "Kein Hering, keine Hochzeit!" So wird berichtet, daß im Mittelalter die Heringsschwärme vor Helgoland plötzlich für ein Jahrhundert spurlos verschwanden, sich für die folgenden 25 Jahre dann wieder auf ihre einstige Heimat besannen und ab 1550 völlig ausblieben. Damals konnten sich nur rund einhundert Helgoländer vom Heringsfang kümmerlich ernähren, während erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die inzwischen wieder weit über 2000 Fischer ihre Hauptbeute einbringen konnten. Vor Bergen auf Rügen indes erlebten die Fischer Schwärme, in denen eine Patsche stecken blieb wie ein Löffel im Milchreis. Launen der Natur.

Hingegen lernten die zum Fang Ausfahrenden, daß die Natur feste Regeln vorgab. So beginnen skandinavische Heringe an der Ostseeküste Anfang des Jahres den Hochzeitsreigen, gefolgt von den schottischen Artgenossen und dann auch den isländischen. Am Schluß eines Jahres unterwerfen sich jene der Doggerbank, der Themsemündung und unserer deutschen Ostseeküste dem allgewaltigen Instinkt der Arterhaltung.

Ein ökologischer Umgang mit den Ressourcen des weltweiten Fischbestandes setzt Vernunft, Disziplin und Einsicht voraus. Häufig genug ist das aus Profitgründen nicht gewährleistet. Größere Fischereifahrzeuge mit Stellnetzen geraten immer wieder in den Verdacht, Schweinswale und Seevögel würden sich in ihren Netzen verfangen.

Am 29. August 1947 unterzeichneten die Stellvertretenden Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), die Generalleutnante Dratwin und Ssamarski, den Befehl 206 über die Einführung eines Musterstatuts für Fischwirtschafts-Genossenschaften. Darin hieß es: "Die Grundaufgabe der Genossenschaft ist die Förderung der Entwicklung der Fischwirtschaft und die Steigerung ihrer Erträge."

Seltsam, der Freester Chronist Otto Bollnow konnte sich nicht dazu entschließen, seinen Ort als Fischerdorf zu bezeichnen. Und dennoch vermittelt er die Gewißheit, daß der Fischfang das dörfliche Leben bestimmte. Er beschreibt das "Rökerhus", ein kleines massives Gebäude, das an die Zeit erinnert, als eine Fischerkompanie ihre Heringe (wohl auch Flundern und Aale) noch selbst räucherte und zum Verkauf anbot. Daneben sind noch heute die unweit des Hafens befindlichen Salzhütten als ein weiterer Beweis der Existenz des Fischerei-Handwerks zu besichtigen.

Das Musterstatut, welches durch das Präsidium des Ministerrates am 14. Januar 1954 aktualisiert worden war, nahmen etliche Freester Fischerfamilien zum Anlaß, sich mit Wirkung vom 1. April 1960 zu einer Fischereiproduktionsgenossenschaft (FPG) zusammenzuschließen. Was vorangegangene Regierungen stets versprochen hatten, wurde ab 1950 Wirklichkeit: der Ausbau eines befestigten Hafens als vorgeschriebener Liegeplatz für die eingebrachten Boote.

Der Kaiser hatte es vor Wahlen in Aussicht gestellt, unter dem Faschismus war dann ebenso die Rede davon, doch zu Hitlers Zeiten dienten die Landungsanlagen vornehmlich dem Transportzugang für militärische Objekte in Peenemünde. Nach Gründung der DDR entstanden im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes dann sichere Liegeplätze für die ersten 20 Kutter der Genossenschaft.

Das Beitrittsgeld zur FPG belief sich damals für die 81 Mitglieder auf fünf Mark pro Person. Man entschied sich zunächst für den Typ I, wo erst weniges kollektiv betrieben wurde, und konnte gut 20 Jahre später zum Typ III übergehen. Die privaten Kutter wurden für 237.100 Mark von der Genossenschaft aufgekauft. Es entstanden neue Verarbeitungsgebäude, man schaffte Kraftfahrzeuge an, und alle Boote erhielten UKW-Sprechfunkausstattung. Als Fanggebiete der Kutterflotte dienten der Greifswalder Bodden, die Oderbank sowie die Küstenregionen bis in die Nähe von Kolobrzeg. Und die Fänge? Binnen weniger Jahre verdreifachte sich der DDR-Ertrag von 106.000 t auf 312.000 t (1975) Rohfisch.

Der Anteil der Freester Fischer daran betrug 1960 rund 556 und 1975 mehr als 2192 Tonnen. Zu DDR-Zeiten zahlte der Verbraucher für ein Kilo Heringe 1,01 Mark (EVP).

Es entstanden Patenschaften zu den Dieselmotorenbauern in Magdeburg und Cunewalde. Insgesamt erlebte die Hochseefischerei in der DDR einen nie gekannten Aufschwung. 1978 schloß die FPG Freest in der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei den Jahreswettbewerb als beste von 26 konkurrierenden Genossenschaften ab.

Nun aber haben davon etliche aufgeben müssen. Lassan und Karlshagen gingen in Liquidation, während clevere Leute in Freest es schafften, sich auch unter kapitalistischen Bedingungen zu behaupten, obwohl die Märkte mit Billigimporten aus Polen, den baltischen Staaten und Rußland überschwemmt werden. Ein deutlicher Beweis für den Niedergang der Heringsfischerei sind die sinkenden Fangmengen.

Vermeldete die DDR im Jahr 1989 noch 54.461 Tonnen, so wurden 2008 für die gesamtdeutsche westliche Ostsee nur noch 21.372 Tonnen angelandet. Im vergangenen Jahr betrugen die geplanten Fangmengen sogar nicht mehr als 15.884 Tonnen. Heutzutage sind nur noch 28 Kutter der Genossenschaft "Peenemündung" e. G. in den Gewässern des Greifswalder Boddens, der Pommerschen Bucht und östlich von Bornholm unterwegs. "Die Vermarktung der Fänge erfolgt zu 95 % im Ausland und nur zu 5 % in der BRD. Das Kilogramm frischer Hering kostet jetzt im neuen Verkaufsladen des Köpenicker Forums 2 Euro.

Hans Horn

Raute

Unterbelichtet trotz Lichtermeer

Eigentlich hatten wir uns in Görlitz zu einer Vereins-Jubelfeier zusammengefunden. In der Runde saß neben drei Ossis auch ein Westberliner. Ich weiß - nach über 20 Jahren sollte man diese Einteilung in Ost und West nicht mehr vornehmen. Aber die Trennung ist halt noch da. Man merkt es schon daran, daß unterschiedliche Vokabeln gebraucht werden.

Wie wir im Gespräch auf den Lichterglanz kamen, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fühlte sich unser angereister Freund, wie er meinte, zu einem "witzigen Vergleich" veranlaßt.

"Richtige Beleuchtung hattet Ihr doch nur an der Mauer", krähte er. Die Gegenüberstellung von Berlins lichtergleißendem Ku'damm und dem kaum strahlenden Görlitzer Stadtkern um den Demianiplatz trieb ihm Tränen der Schadenfreude in die Augen.

"Aber heute hat's doch gar keine Mauer mehr!", warf einer in hiesiger Mundart ein. "Bleiben wir beim Demianiplatz", schlug ich vor. "Der finstere Block, den Du heute vom Theater kommend erblickst, beherbergte viele Jahre eines der schönsten Kaufhäuser Deutschlands. Manche verglichen es sogar mit Wertheim in Berlin. Wie viele Gäste habe ich selbst in den aufwendig gestalteten Innenraum mit den freihängenden Treppen gelockt! Und ausgerechnet dort sind im August 2009 die Lichter der Kronleuchter erloschen."

"Und in der Stadthalle", mischte sich ein anderer aus unserer Runde ein. "Ja, deren Lichter wurden schon am 31. Dezember 2004 ausgeknipst", ergänzte ich. "Gleichfalls ein attraktives Jugendstilgebäude. Neben dem Görlitzer Theater war es einst der kulturelle Mittelpunkt der Stadt."

Unser Westberliner rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. So fuhr ich fort: "Oder nimm die Jugend- und Wohngebietsklubs. Jeden Tag laufe ich an einem DDR-Neubau vorbei, der einst vor allem jungen Leuten gehörte. Heute residiert dort die Görlitzer Armentafel."

"Aber das ist doch eine gute Sache!", triumphierte da der Westberliner. "Bei dem hohen Arbeitslosenanteil, den Ihr habt, ..."

Der Mann hatte wirklich nichts begriffen. Daß allein das Fehlen solcher Tafeln zu DDR-Zeiten mehr Licht verbreitete als sämtliche Neonleuchten am Ku'damm, wollte ihm nicht in den Kopf.

Als letztes Beispiel führte ich das Görlitzer Helenenbad ins Feld. "Dort gingen die Lampen - im übertragenen Sinne - bereits 2002 aus. Seitdem verfügt unsere Beinahe-Kulturhauptstadt nicht mal mehr über eine öffentliche Badeanstalt." - "Das Helenenbad wurde übrigens 1921 vom hiesigen Arbeiterschwimmverein auf den Weg gebracht", meinte ein jetzt der SPD angehörender Tischgenosse.

"Und was ist eigentlich aus den vielen Görlitzer Industriebetrieben geworden?", fragte sichtlich erregt ein Dritter, der im optischen Werk beschäftigt gewesen war, das Meyer-Objektive in alle Welt geliefert hatte.

"Lassen wir's doch dabei bewenden", wiegelte ich die sich weiter hochschaukelnde Empörung ab, zumal ich gemerkt hatte, wie die Einsprüche der anderen gegen den dümmlichen Mauer-"Witz" unseres Westberliners dessen anfängliche Neugier in eine Blockadehaltung verwandelt hatten.

"Und warum ist bei all der Herrlichkeit Euer Sozialismus am Ende jämmerlich gescheitert?", zog der seine letzte Karte aus dem Ärmel. Auch sie war kein Trumpf.

"Reden wir nicht um die Dinge herum", antwortete ich ihm. "Unser Sozialismus ist 1989 tatsächlich untergegangen, aber der Sozialismus ist nicht auf der Strecke geblieben. Wir haben sicher auch deshalb verloren, weil am Ku'damm viel mehr Glanz war als auf unseren Straßen. Der Rentner, der damals im Westberliner Lichtermeer zu ertrinken drohte, ahnte indes wohl kaum, daß nach dem Abschalten der Grenzbeleuchtung im Osten schon bald Millionen Lampen ausgehen würden."

Bernd Gutte, Görlitz

Raute

Leben in der DDR: Alles grau und trist?

Seit ein paar Tagen besitze ich das Buch "DDR - Realität und Hoffnung" aus dem Schkeuditzer GNN-Verlag. Bei der Lektüre kommen in mir manche Erinnerungen hoch.

Heute soll ich meine bunte Erlebniswelt von einst als "grauen Alltag" betrachten. "Bei Euch war alles düster, von der Geburt bis zum Tod geplant. Wie langweilig! Grau in Grau!" urteilen meine derzeitigen Kolleginnen und Kollegen über die DDR.

Ja, viele Fotos in unseren Alben waren schwarz-weiß, auch ein Großteil der Fernseher, die in DDR-Haushalten standen, strahlten 1989 noch keine farbigen Bilder aus. Es fehlte jene grelle Reklame, an welcher der Westen so reich ist. Nur wenige Fassaden zogen den Blick an. Aber war unser Leben deshalb grau und trist? Meines jedenfalls nicht. Besonders die Schulzeit ist mir sehr präsent. Kaum konnte ich lesen, da war ich bereits Stammgast bei jener fahrbaren Bibliothek, welche jeden Donnerstag fast vor unserem Haus Station machte. Später lief ich durch die Anlagen zur Lichtenberger Parkaue, wo das Zentralhaus der Jungen Pioniere "German Titow" unzählige Bücher auch für mich bereithielt. Einmal nahm ich dort an einer Weihnachtsfeier teil, zu der die Arbeitsstelle meiner Mutter in das an gleicher Stelle befindliche Theater der Freundschaft eingeladen hatte.

Vergnügliche Aufenthalte in den unterschiedlichsten Ferienlagern sind mir in bester Erinnerung geblieben. Vor den X. Weltfestspielen, die 1973 in Berlin stattfanden, war ich am Frauensee in einem Vorbereitungslager der Pioniere und nahm dann am Festival teil. Unvergeßlich sind mir auch die Wandertage und Schülerfahrten. Und natürlich erinnere ich mich an die abwechslungsreichen Pioniernachmittage. Wir ließen nicht nur Drachen steigen und bastelten Wandzeitungen, sondern waren auch Timur-Helfer. Jahrelang trug ich älteren Menschen die Kohlen aus dem Keller oder ging für sie einkaufen. Mitglieder der Volkssolidarität kamen in die Schulen, um neue freiwillige Helfer zu gewinnen.

Sport? Auch da konnte man wählen. Sicher profitierten nicht alle von einem so vielseitigen Angebot wie ich. Unsere Wohnung lag dem Sportforum Hohenschönhausen direkt gegenüber. Die Palette der Möglichkeiten war überbordend. Während sich meine Schwester früh für den Eisschnellauf entschied, als Spartakiade-Kämpferin und später B-Kader der DDR Urkunden und Medaillen einsammelte, reichte mein Ehrgeiz nur zum Ausprobieren. Geräteturnen, Eisschnellauf, Leichtathletik und Schwimmen, später Tischtennis kamen in Frage. Ehrlich gesagt: Die rechte Ausdauer hatte ich für keine dieser Sportarten. All das war meine freie Entscheidung, kostete die Eltern kein Geld, und wer die Lust verlor, meldete sich einfach ab und versuchte etwas Neues.

In Hohenschönhausen gab es einen Jugendklub. Er trug den Namen Victor Aronsteins, eines jüdischen Antifaschisten, der in Auschwitz ermordet wurde. Dort gehörte ich lange zum Klubaktiv.

Klingt das nicht alles nach einer schönen Kindheit?

Mit 17 hörte mein DDR-Leben natürlich nicht auf. Als Lehrlinge hatten wir ein Theater-Abonnement, das uns in drei Ausbildungsjahren den Besuch von 18 Vorstellungen ermöglichte. Wir konnten sie uns bei 100 bis 150 Mark der DDR monatlich - je nach Lehrjahr - ohne Schwierigkeiten leisten. Hinzu kamen noch Ernteeinsätze in den ersten beiden Studienwochen, der äußerst verlockende Studentensommer 1982 in Berlin, ein bewegender Fackelzug zum 35. Jahrestag der DDR und vieles mehr.

Sicher, die Fülle an Freizeitbeschäftigungen fand dann irgendwann ein Ende. Es wurde geheiratet, Kinder kamen, und so drehte sich das Familienleben nun um neue Inhalte. Aber schöne Urlaubswochen in der DDR, in Ungarn, Polen und der CSSR standen dennoch auf dem Programm.

Alles grau und trist?

Jeanette Berger, Stadecken-Elsheim

Raute

Über Hänschen, enorme Schlagcremeberge und gestohlene Bleiplatten

Ein Buntmetalldieb als "politischer Flüchtling"

In den 50er Jahren war Schlagcreme in verschiedenen Geschmacksrichtungen zu haben. Für wenig Geld bekam man schon eine Riesenportion. Das Zeug ähnelte der Zuckerwatte, war aber nicht damit vergleichbar. Hatte man seinen Schlagcremeberg intus, bekam man sofort ein angenehmes Sättigungsgefühl.

Doch es dauerte gar nicht lange, da mußte man aufstoßen, zu deutsch: rülpsen. Die aromatisierte Luft zog aus Mund und Nase wieder dorthin, woher sie gekommen war, nur diesmal ohne Geschmack. Hier war unser Werner stets dabei. Da er gut Englisch konnte, brachte er uns auf einer unserer Touren den amerikanischen Schlager vom Chattanooga Choo Choo bei, einen herrlichen Glenn-Miller-Song, weshalb ich noch heute, wenn ich ihn höre, einen guten Geschmack im Mund habe und sofort an die Schlagcremezeit denke.

In unseren Tagen könnte man, so viel man wollte, richtige Schlagsahne verspeisen, nur ist das wegen des hohen Cholesteringehalts nicht anzuraten. Seltsam, wenn man nichts hat, darf man, hat man aber was, darf man nicht. Das Leben ist manchmal schon kompliziert. Ein großer kräftiger Setzerlehrling war öfter mit von der Partie. Er spendierte für alle, und wer wollte, konnte sich auf seine Kosten sogar noch Nachschlag holen. Woher er das Geld für seine Großzügigkeit hatte, wußten wir nicht. Angeblich brauchte er zu Hause nichts abzuliefern wie alle anderen. Seine Eltern hätten genug Kies, munkelte man, kam er doch immer in den neuesten Westklamotten daher. Doch eines Tages hörte sein spendables Verhalten auf. Er sei verhaftet worden, hieß es. Warum?

Anfang der 50er Jahre, als man nach der völkerrechtswidrigen Einbeziehung Westberlins in eine Währungsunion mit der BRD dort für D-Mark schon alles kaufen konnte, was das Herz begehrte, brach für große und kleine Schieber eine neue Ära an. Während sich der Schwarzmarkt inzwischen weitgehend erledigt hatte, klaute man im Osten, was nicht niet- und nagelfest war, um es nach Westberlin zu verschachern, wo sich Abnehmer für nahezu alles fanden.

Bei den dortigen Geschäftemachern waren Buntmetalle besonders gefragt. Da man in den Druckereien wie zu Gutenbergs Zeiten immer noch mit Schriftmaterial aus einer Blei-, Zink- und Antimon-Legierung arbeitete, betrachteten Leute dieses Schlages das als ein gefundenes Fressen. Vor allem größere Bleiklötze im Stück gingen weg wie warme Semmeln.

Unser Hänschen, wie er von uns genannt wurde, gehörte zu jenen, welche von Selbstbedienung lebten. Er klaute im Betrieb Bleiplatten, die unter der Kleidung wegen seiner Körpergröße nicht auffielen, brachte sie zu einem Schrotthändler nach "drüben", was bei der offenen Sektorengrenze völlig problemlos war. Dort kassierte er seinen Diebeslohn und tauschte diesen in einer Westberliner Wechselstube im Verhältnis 1:4 um. Der Kurs, den es ja offiziell gar nicht gab, wurde durch die Westbanken "frei nach Schnauze" bestimmt. Hänschen konnte so im Osten den dicken Otto markieren, wie der Berliner sagt. Ich lasse hier der Kürze wegen mal weg, welche verheerenden Auswirkungen diese Situation auf das Finanzwesen und die Wirtschaft der jungen DDR hatte.

Nicht Hänschenklein, sondern Hänschengroß wurde von der Kripo in unseren Betrieb gebracht. Auf einer Belegschaftsversammlung sprach man dann ganz offen über die Schändlichkeit seines Verhaltens. Er schämte sich anscheinend wirklich, zeigte Reue und entschuldigte sich bei allen Anwesenden. Und wir, die wir seine Schlagcreme verschlungen hatten, schämten uns gleich mit. Doch hätten wir das Ganze ahnen können?

Obwohl noch Lehrling, wurde Hänschen fristlos entlassen. Die bisherigen Pförtner, welche sich nun Betriebsschutz nannten, rüstete man mit primitiven Kontrollgeräten aus, die nach dem Zufallsprinzip anzeigten, wer verdächtig war. An elektronische Verbarrikadierung wie unter den Bedingungen heutiger "Freiheit" war damals überhaupt nicht zu denken. Jeder, der den Betrieb verließ, mußte einen einfachen Hebel betätigen. Leuchtete dabei eine Lampe auf, hieß es: Rein zu den Rentnern! Diese sicherten nun ihren Betrieb. Von ihnen wurde der Betreffende überprüft. Das war's. Einfach, aber wirksam. Mir ist nicht bekannt, daß man nach Hänschen nochmals jemanden erwischt hätte, obwohl die volkseigenen Werke durch Schmarotzer aller Art nach Strich und Faden beklaut wurden. Und das über vier Jahrzehnte, wobei schon allerhand zusammengekommen sein dürfte.

Hänschen selbst war dann nach Westberlin gegangen und hatte sich dort als "politischer Flüchtling" registrieren lassen. Schließlich galt er jetzt als ein "vom SED-Regime Verfolgter". Er konnte im Westen seine Lehre beenden und tauchte eines Tages vor unserem Werktor mit den Worten auf: "Weil ick euch alle noch mal seh'n wollte." Hatte er etwa Sehnsucht nach uns? Ich schwöre, daß wir uns von ihm nie wieder Schlagcreme spendieren ließen.

Klaus J. Hesse, Berlin

Raute

Wo andere Werte galten als das Geld

Die Warnung des Viehhändlers ignoriert

Mit sieben oder acht Jahren erlebte ich, wie die SA-Wachmannschaften des früh eingerichteten Konzentrationslagers Hohnstein singend durch die Dörfer zogen. Wir Schuljungen liefen freudig hinterher. So wollten wir auch einmal werden. Als Angehöriger des Hitlerschen Jungvolks wurde auch ich später oft an Wochenenden auf der Burg militärisch gedrillt. Ich schäme mich noch heute, daß ich mehrere Jahre Jungenschaftsführer in Lohsdorf war. Zugleich erinnere ich mich daran, daß aus unserem Ort Paul Weber, aus Ehrenberg Arthur Peschke und Walther Müller in den Jahren 1933/34 auf Hohnstein drangsaliert wurden. Genossin Hilda Leuner aus Goßdorf berichtete mir, wie sie als 10jährige mit ihrer Mutter am geschlossenen Burgtor weinend ihrem eingesperrten Vater gegenübergestanden habe.

Die Jahre vergingen. Noch nicht einmal 18, wurde ich zur Wehrmacht eingezogen. Nachdem ich an der Ostfront Fleckfieber bekommen hatte, erlebte ich im Lazarett Lublin, wie in unserem Zimmer zwei litauische SS-Männer prahlten, sie hätten Juden und Kommunisten Gruben ausheben lassen, diese anschließend erschossen und an Ort und Stelle verscharrt. Wurden wir deutschen Soldaten damals von Schuldgefühlen heimgesucht? Nein, wir fühlten uns doch als "Herrenmenschen"!

Nach einer schweren Verwundung wurde ich im Lazarett Rosenheim Zeuge, wie sich ein ebenfalls verwundeter Berliner damit brüstete, er und andere SA-Männer hätten Kommunisten verprügelt. "Immer rin in die Kaldauen", war sein beliebtester Ausspruch.

Im Frühjahr 1951 delegierte mich dann die Ehrenberger Bauernversammlung zu einem Vierteljahreslehrgang für Viehwirtschaftsberater nach Plauen-Oberlosa. Wir drei Kursteilnehmer aus dem Kreis Pirna saßen im Abteil einem Paar gegenüber. Beide Eheleute waren Viehhändler. Der Mann meinte zu uns: "Die werden aus Euch Kommunisten machen." Meine Antwort lautete: "Mit uns machen die das nicht."

Es war nicht der letzte Irrtum, dem ich in meinem Leben unterlag. Lehrer, bei denen wir spürten, daß sie aus innerster Überzeugung sprachen, sowie ein Teilnehmer, der in sowjetischer Gefangenschaft dem Nationalkomitee Freies Deutschland angehört hatte, konnten uns von der Richtigkeit der kommunistischen Idee überzeugen.

In jener Zeit hielt der britische Premier Winston Churchill seine berüchtigte Fulton-Rede, in der er an die westlichen Alliierten aus den Tagen des 2. Weltkrieges appellierte, sich gemeinsam auf den Kampf gegen den Bolschewismus vorzubereiten. Damit wurde der Eiserne Vorhang des Kalten Krieges heruntergelassen.

Damals schlug Stalin den Westmächten vor, in ganz Deutschland eine Abstimmung über die Wiedervereinigung durchzuführen. Doch diese lehnten ab.

In den 50er Jahren fand in München eine Zusammenkunft der Ministerpräsidenten der Länder statt. Auch der DDR-Regierungschef Otto Grotewohl fuhr dorthin, stand aber vor verschlossenen Türen.

Nach der Einverleibung der DDR durch die BRD erklärte der Schriftsteller Erik Neutsch: "Es war ein Glück für Deutschland, daß in einem Teil des Landes andere Werte galten als das Geld."

Werner Döring, Hohnstein, OT Lohsdorf

Raute

Wenn der Müller schlafen ging, fiel der Strom aus

Als Bernhard Quandt im Dunkeln saß

Im RF Nr. 157 las ich Karin Dvoraks interessanten Artikel "Totschlag in Küchelmiß". Er regte mich zur Schilderung eigener Erlebnisse an.

Kuchelmiß bei Krakow am See im Landkreis Güstrow wurde 1357 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort war damals in der Gewalt der adligen Familie von Hahn, die in der Mecklenburger Schweiz und deren Umfeld das Sagen hatte.

Ende der 40er Jahre erhielt ich den Auftrag, im 300jährigen Gutshaus des Dorfes als Neulehrer eine Grundschule einzurichten und über 100 Schüler allein zu unterrichten. Sie waren größtenteils Kinder von Neubauern, die sich dann später zu der Einsicht durchrangen, der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) beizutreten und in ihr auf neue Weise zu arbeiten. Bei ihren Beratungen erlebten sie - wie Karin Dvorak zu Recht feststellt - "Demokratie pur".

Mit der Maschinen-Ausleih-Station (MAS) Langhagen hielt ich engen Kontakt. Ich lud erfahrene Leitungskräfte des Betriebes zum Unterricht ein. Sie gaben den Schülern Auskunft über ihr Tun und warben zugleich Nachwuchs. So ergab es sich, daß meine damaligen Schüler landwirtschaftliche Berufe ergriffen. Einige ließen sich zu Facharbeitern der MAS ausbilden. Wen wundert es, daß sie später auch die Äcker ihrer Väter und Mütter mit der Technik der Station bearbeiteten oder als Traktoristen und Maschinenschlosser in der LPG tätig waren.

Ende der 40er Jahre wurde der elektrische Strom noch von der im Ort betriebenen Wassermühle geliefert. Als eines Tages Bernhard Quandt, der langjährige 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Schwerin, unsere Ortschaft besuchte, stellte er erstaunt fest, daß es gegen 21 Uhr in den Wohnungen plötzlich dunkel wurde. "Was ist denn los?", wollte er wissen. "Jetzt geht der Müller schlafen", wurde ihm geantwortet, "und mit ihm der Strom."

Staunen und Arger überkamen den alten revolutionären Haudegen. Was lag da näher, als sich um eine ständige Stromversorgung zu kümmern? Als mit Hilfe der Bevölkerung dann die Voraussetzungen für den Anschluß an die Überlandzentrale geschaffen worden waren, konnte auch Kuchelmiß von der stabilen Stromversorgung profitieren.

Die Neubauern waren in jener Zeit meine besten Helfer beim Aufbau der Schule. Einige gehörten dem Elternausschuß und dem Elternbeirat an, hospitierten in meinem Unterricht und stellten sogar Bäume aus ihrem Waldbestand zur Verfügung, um Schüleraborte bauen zu können. Die Gemeinde half mir im Verbund mit dem Sägewerk. Die Arbeiter leisteten freiwillige Schichten, um die für dieses Vorhaben benötigten Bretter herzustellen. Ein solcher Gemeinschaftssinn bestimmte unsere gesamte Arbeit. Heute vermißt man ihn leider nur allzuoft. An die Stelle des "Wir" aus DDR-Tagen ist wieder das "Ich" getreten.

Damals war ich ein noch blutjunger Lehrer. So stand ich natürlich den FDJlern von Kuchelmiß besonders nahe. Wir führten politische Diskussionen, tanzten nach den Klängen unserer eigenen Kapelle um den Maibaum. Das alles fand im bereits halbzerfallenen Schloß statt, das Jahre darauf abgerissen wurde.

Meine einstigen Schüler - so erfuhr ich - schlugen in der LPG gut ein und spielten im Dorf eine positive Rolle. Sie wurden auch Elektriker, Maurer, Müllermeister und LPGBuchhalter oder arbeiteten im Handel als Verkäuferinnen. Andere betreuten als Kindergärtnerinnen fürsorglich den Nachwuchs. Auch die Krippe des Ortes erwarb sich einen guten Ruf. Unter der Volksmacht besaßen alle Heranwachsenden eine gesicherte Perspektive. Wer kann jungen Menschen so etwas heute noch garantieren?

Dr. Jakob Heinz, Schwerin

Raute

RF-Extra

Sie reden vom Kriegsende - wir sprechen von Befreiung

Geschichtsentsorgung

Angesichts der Tatsache, daß es inzwischen immer weniger Zeitzeugen und Teilnehmer an den damaligen Ereignissen gibt, besitzt die Verteidigung der historischen Wahrheit oberste Priorität. Die groß angelegte Kampagne zur "Entsorgung" der Geschichte im Interesse kapital- und profitorientierter Kräfte zielt auf die Tilgung des Gedächtnisses der Menschen. "Alle Schocktherapien legen Wert auf das Auslöschen der Erinnerung", schrieb die kanadische Publizistin Naomi Klein in einem 2007 bei S. Fischer erschienenen Buch zu dieser Thematik.

Unter dem Vorwand vermeintlicher Geschichtsaufarbeitung und einer "objektiven Sicht" versucht man, prägende Persönlichkeiten und einschneidende Ereignisse einer "radikalen Neubewertung" zu unterwerfen. Ein des Deutschen kundiger russischer Professor bat vor zwei Jahren den Chefredakteur des "Spiegels" um Aufklärung darüber, warum in seinem Blatt so oft, sogar auf der Titelseite, Fotos von Hitler erscheinen - 2008 in 17 und 2009 in 10 von zunächst 25 Ausgaben. Er fragte: "Ist das vielleicht ein Ausdruck der Krise und damit verbundener Erwartungen? Oder die Angst vor einer großen Arbeitslosigkeit und deren Folgen wie Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre?" Der Mann aus Moskau erhielt keine Antwort.

Volksverhetzung und Revanchismus sprechen aus den antikommunistischen Resolutionen der Parlamentsversammlung des Europarates und der Parlamentsassemblee der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den 23. August - das Datum des Abschlusses des Nichtangriffsvertrages zwischen der Sowjetunion und Deutschland - zum "Tag der Opfer des Nazismus und Stalinismus" erklärten. Damit wird für das heutige Rußland eine rote Linie überschritten, betrachtet man doch den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg über den Faschismus auch weiterhin als Ausdruck von Ruhm und Ehre. Ohne dessen Anerkennung wie anderer Errungenschaften der Sowjetperiode ist keine Achtung vor dem heutigen Rußland und seiner Rolle im Weltgeschehen zu erwarten.

In diesem Zusammenhang wird einmal mehr deutlich, wie wichtig der Umgang mit bestimmten Worten ist, zu welchen Konsequenzen die willkürliche Verwendung gewisser Begriffe führt. Am wohl verbreitetsten ist dabei der Mißbrauch der Vokabel Totalitarismus. Eine Gleichsetzung Stalins mit Hitler, von Kommunismus und Faschismus, von Auschwitz und Stalingrad ist zum Hauptinstrument skrupelloser Diffamierung fortschrittlicher und antifaschistischer Positionen und Ideen geworden. Der 2. Weltkrieg wird nicht als Kampf zwischen fundamental verschiedenen Wertesystemen dargestellt, sondern als Konflikt "zweier rivalisierender totalitärer Regimes", wobei am Ende eine dritte Kraft - die "westliche Demokratie" - gesiegt habe. Damit ist für Rußland die Anerkennung nicht nur der Schuld Stalins, sondern auch des eigenen Volkes und Staates verbunden.

Wird die Geschichte zum Instrument einer solchen Politik, dann kann das nur zu abermaliger Konfrontation führen. Auf der Jalta-Konferenz sagte Stalin: "Solange wir alle leben, braucht man vor nichts Angst zu haben. Wir werden keine gefährlichen Differenzen zwischen uns zulassen. Wir werden es nicht gestatten, daß eine neue Aggression gegen irgendeines unserer Länder unternommen wird. Es werden jedoch zehn oder noch weniger Jahre vergehen, und uns wird es nicht mehr geben. Es wird eine neue Generation kommen, die nicht all das erlebt hat, was wir durchgemacht haben, die viele Fragen anders betrachten wird als wir. Was wird dann?" Wie sich zeigte, bedurfte es nicht erst neuer Generationen. Bereits zu Lebzeiten Stalins entschied der reale Geschichtsverlauf gegen seine Mutmaßung. Schon 1950 begann der Koreakrieg.

Es gilt zu erkennen, daß sich der Antikommunismus keineswegs nur gegen Kommunisten wendet, sondern auf die Herabwürdigung jeglichen progressiven Gedankengutes - von den frühchristlichen Ideen der Gleichheit über die Aufklärung bis zu den Idealen des Humanismus und des antifaschistischen Kampfes - gerichtet ist. Der Widerstand gegen den Faschismus, zu dem die Kommunisten einen entscheidenden Beitrag leisteten, gehört - wie die UNO-Vollversammlung 2009 in einer Resolution feststellte - zum Welterbe der Menschheit, was keinerlei Leugnung der begangenen Genozid-Verbrechen zuläßt.

Die massive Diffamierungskampagne zur Gleichsetzung von Faschisten und Kommunisten war zunächst eine Reaktion auf den gewachsenen Einfluß marxistisch-leninistischer Parteien nach dem Sieg über die Achsenmächte. In zunehmendem Maße ging es aber auch darum, die schändliche Stillhaltepolitik des Westens bei der Tolerierung Hitlerdeutschlands, wie sie sich besonders im Münchener Abkommen offenbarte, nachträglich zu legitimieren.

Westliche Scheinheiligkeit widerspiegelte sich auch in der polnischen Frage. Am 3. September 1939 erklärten London und Paris zwar Nazideutschland den Krieg, verhielten sich dabei aber äußerst seltsam. Während die faschistische Wehrmacht Polens Armee zerschlug, standen im Westen Europas 110 französische und britische Divisionen nur 23 kaum mit Panzern ausgerüsteten deutschen Divisionen gegenüber, ohne die für sie günstige Situation auszunutzen. General Jodl, Chef des Operationsstabes des Oberkommandos der Wehrmacht, wertete solche Tatenlosigkeit als Ursache dafür, daß Deutschland nicht schon 1939 eine Niederlage erlitten habe.

Auch Polens Rolle vor dem 2. Weltkrieg wird oft mit Vorsatz falsch interpretiert. Die Warschauer Führung stellte sich in antisowjetischer Verblendung an die Seite des faschistischen Deutschland. Nach der Niederlage der Roten Armee waren mit dem Rigaer Vertrag von 1921 die Westukraine und das westliche Belorußland an Polen gegangen. 1934 wurde der deutsch-polnische Nichtangriffsvertrag geschlossen. Maßgebliche Führungskreise Warschaus wollten mit Hitlers Wehrmacht gegen die Sowjetunion zu Felde ziehen. Deren Rote Armee befreite 1939 die vormals zur UdSSR gehörenden Gebiete und schob damit ihre eigene Grenze weiter nach Westen bis zur 1920 vom britischen Außenminister Curzon entworfenen Linie vor. Der Errichtung eines Schutzwalls gegen Hitlerdeutschland dienten auch die sowjetischerseits im Baltikum unternommenen Schritte.

Der Nichtangriffsvertrag, der 1939 zwischen Moskau und Berlin abgeschlossen worden war, geriet fälschlicherweise in den Ruch einer angeblichen historischen Schuld der UdSSR. Damit wird die reale Lage - das Fehlen einer Alternative angesichts der westlichen Haltung - ebenso wie die Tatsache ignoriert, daß nur so die "Kanalisierung" der gesamten faschistischen Militärmacht gegen eine isolierte Sowjetunion verhindert und die Antihitlerkoalition überhaupt ermöglicht wurden. Für die UdSSR ging es nicht allein um Zeitgewinn, sondern um das nackte Überleben. Die Sowjetunion war in entscheidenden Bereichen auf den Krieg nicht vorbereitet. Die zeitlichen und territorialen Bedingungen des Vertrages erwiesen sich als lebenswichtig für die Herstellung einer elementaren Verteidigungsfähigkeit des Landes.

Tragische Folgen hatten für die UdSSR bei Kriegsbeginn auch die verheerenden Auswirkungen der Repressalien und "Säuberungen" in den 30er Jahren. Sie richteten sich insbesondere gegen große Teile der Armeekader auf hoher und mittlerer Ebene. Widerstand gegen Stalin war bereits 1934 auf dem XVII. Parteitag der KPdSU sichtbar geworden, als ihn ein erheblicher Teil der Delegierten nicht wählte. Die danach einsetzenden Repressalien führten zur physischen Auslöschung nicht weniger Parteitagsteilnehmer, darunter etliche Militärs. All das wirkte sich nicht nur auf die Kriegsführung, sondern auch auf die gesellschaftliche Entwicklung im Lande aus. Es geschah in Zeiten härtester Konfrontation, der imperialistischen Einkreisung der UdSSR und bei intensivem Eingreifen gegnerischer Geheimdienste, deren gezielte Desinformationen schwerwiegende Fehlentscheidungen der sowjetischen Führung im Vorfeld des nahenden Krieges bewirkten.

Ein paar Worte zum Kriegsverlauf. Die Gefechtsbereitschaft galt ab 21. Juni 1941, 24 Uhr. Doch die Modernisierung der Roten Armee war bei weitem noch nicht abgeschlossen. Auch eine falsche Strategie der "Nach vorne"-Verteidigung hatte in der ersten Phase des Krieges schwerwiegende Auswirkungen. Dennoch gelang es zwischen Juli und November 1941, insgesamt 1523 Industriebetriebe, darunter 1300 Werke von militärischer Bedeutung, und zehn Millionen Menschen unter schwierigsten Bedingungen zu evakuieren. Dabei wurden im Hinterland der Front vor allem von Frauen und Jugendlichen wahre Heldentaten vollbracht.

Bis heute dauern die Auseinandersetzungen darüber an, ob die Sowjetunion nun wegen oder trotz Stalin gesiegt hat. Diese Frage ist sachlich, differenziert und unter Berücksichtigung positiver wie negativer Aspekte zu untersuchen. Täten wir das nicht, wäre die Konsequenz vorgegeben: Erst ohne oder trotz Stalin, dann ohne die führende Rolle der KPdSU, und schließlich könnte man auch Volk und Land des "roten Diktators" vergessen, die den entscheidenden Beitrag zum Sieg über den Faschismus geleistet haben. Der heroische Kampf bliebe am Ende diskreditiert. Man darf aber niemals vergessen, daß 1,1 Millionen Kommunisten in den Reihen der Roten Armee kämpften und nicht weniger als drei Millionen Parteimitglieder im Krieg den Tod fanden.

Im Zusammenhang mit dem 65. Jahrestag der Befreiung - dem vorjährigen 8. Mai - wurde verstärkt der Mythos verbreitet, die Erlösung der Völker Europas von der hitlerfaschistischen Tyrannei habe mit der Landung britischer und amerikanischer Truppen auf Sizilien, vor allem aber mit der Invasion westalliierter Streitkräfte am 6. Juni 1944 in der Normandie ihren Anfang genommen. Völlig ignoriert man dabei die Winterschlacht vor Moskau Ende 1941/Anfang 1942, die vernichtende Niederlage der faschistischen Aggressoren bei Stalingrad, die gigantische Panzer- und Materialschlacht im Kursker Bogen und weitere Operationen an der deutschsowjetischen Front bis hin zur Entscheidungsschlacht um Berlin.

Hier geht es nicht darum, den Kriegsbeitrag der Westalliierten in irgendeiner Weise zu schmälern. Die Antihitlerkoalition ist als eine Möglichkeit erfolgreichen Zusammenwirkens von Staaten unterschiedlicher Gesellschaftssysteme gegen einen gemeinsamen Feind und für sich überschneidende Ziele in die Geschichte eingegangen. Dennoch darf eine Verschiebung der Gewichte nicht zugelassen werden. Der Sieg der UdSSR über den Faschismus basierte auf der aufopferungsvollen Arbeit der sowjetischen Menschen und auf dem heldenmütigen Kampf Gleichgesinnter, die ihr überfallenes Vaterland verteidigten, war aber zugleich auch ein Triumph der Werte einer sozialistischen Gesellschaft über das kapitaldominierte System.

Dem heute verbreiteten Geschichtsrevisionismus überzeugend entgegenzutreten, erfordert auch, anhand von Zahlen und Fakten den kriegsentscheidenden Beitrag der Völker der UdSSR zu belegen. Die Sowjetunion brachte mit 27 Millionen Toten im 2. Weltkrieg die meisten Opfer. Nahezu jeder Zweite in dieser Zeit ums Leben Gekommene war ein Bürger der UdSSR. In der Mehrzahl handelte es sich um Zivilisten. Übrigens befanden sich unter den Opfern rassistischer und antisemitischer Massenausrottungen auch drei Millionen Sowjetbürger. Von 5,738 Millionen Kriegsgefangenen erlebten 3,5 Millionen ihre Befreiung nicht. 17.000 Städte und 70.000 Ortschaften wurden zerstört. Die Sowjetunion verlor mehr als 30 % ihres Nationalvermögens und ging ökonomisch äußerst geschwächt aus dem Krieg hervor.

Andererseits versetzte die Rote Armee dem Hauptgegner der Antihitlerkoalition die härtesten Schläge: 72 % aller Verluste der deutschen Wehrmacht entfielen auf die Ostfront, von der Roten Armee wurden 75 % der faschistischen Panzer und Sturmgeschütze, 74 % der Artillerie und drei Viertel aller Flugzeuge der Aggressoren vernichtet oder erbeutet.

Die im Juni 1944 eröffnete zweite Front war von den Partisanen auf den besetzten Territorien der UdSSR und anderer Staaten de facto schon Jahre zuvor geschaffen worden. Um ein westliches Beispiel zu erwähnen: Die französische Résistance führte nach Angaben des US-Kommandos allein während und nach der Landung der Alliierten in der Normandie so heftige Schläge gegen die Verbindungslinien der Faschisten wie die Luftstreitkräfte der invasionsbeteiligten Länder im Verlauf von zwei Monaten.

Ziehen wir das Fazit: Der antikommunistische Geschichtsrevisionismus steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der aggressiven Strategie heutiger Weltherrschaftsaspiranten aus NATO und EU, deren Experimentierfeld - nach dem Balkan und dem Überfall auf Irak - heute Afghanistan ist. Dabei bedient sich der Imperialismus modernisierter "Varianten" jener Ideologie, welche vor 66 Jahren ihre vom Feuersturm der Befreiung hinweggefegten Vorgänger "motiviert" hat. Ihn an der Verwirklichung seiner finsteren Pläne zu hindern, ist das Vermächtnis derer, die 1945 die rote Fahne mit Hammer und Sichel auf den Reichstag getragen haben.

Bruno Mahlow, Berlin


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Das Denkmal der Verteidiger von Brest
- Der deutsche Imperialismus auf dem Vormarsch
- Afghanistan 2011: Würger fremder Völker

Raute

Auch die BRD stimmte in der UNO-Vollversammlung für die Präsidentschaft der DDR

Wählte die Welt einen "Unrechtsstaat"?

Die hier abgedruckte Rede hielt Botschafter a. D. Ralph Hartmann auf einer von der Fraktion der Linken Liste/PDS im Sächsischen Landtag am 11. Dezember 1993 gegebenen historisch-außenpolitischen Konferenz. Ihr Thema lautete: "Die DDR in der Völkergemeinschaft. Das vereinte Deutschland. Erbe eines anerkannten 'Unrechtsstaates'"

Wir alle sind gegenwärtig Zeugen, wie die 41jährige Geschichte der DDR, ihrer Entstehung, Entwicklung und ihres Unterganges umgeschrieben werden soll. Doch so aufwendig, massiv und infam die Bemühungen, die DDR zu dämonisieren, auch sind - der Umstand, daß sie ein völkerrechtlich anerkannter Staat war, ist nicht aus der Welt zu schaffen.

Tatsachen sind ein "hartnäckig Ding", und eine historische Tatsache ist es, daß die DDR nach einem langwierigen und außerordentlich komplizierten Prozeß zu Beginn der 70er Jahre die diplomatische Blockade überwand und schließlich volle diplomatische Beziehungen zu mehr als 130 Staaten der Erde unterhielt, gleichberechtigtes und sehr aktives Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen und zahlloser anderer internationaler Organisationen war.

Es ist eine historische Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland nach dem Scheitern des Alleinvertretungsanspruches die DDR zwar nicht als "Ausland", so aber doch als souveränen Staat anerkannte und im Grundlagenvertrag die Respektierung der Hoheitsgewalt der DDR auf ihren Staatsgebiet, ihrer Unabhängigkeit und Selbständigkeit in inneren und äußeren Angelegenheiten zusicherte.

Zweifellos war auch der außenpolitische Spielraum des selbständigen Staates DDR eingeengt. Die feste Einbindung in das von der UdSSR dominierte Bündnissystem, die durch den Kalten Krieg bestimmten und nicht von uns gewählten Bedingungen, ökonomische Abhängigkeiten und die in den 80er Jahren immer enger werdende Schlinge der Auslandsverschuldung setzten ihm deutliche Grenzen. Aber es bleibt eine geschichtliche Tatsache, daß die DDR aufgrund ihrer ökonomischen, sozialen und kulturellen Leistungen, ihrer verläßlichen Friedenspolitik und aktiven Mitwirkung an der Gestaltung des europäischen Vertragswerkes, an der Eindämmung von Spannungen und an den Abrüstungsbemühungen international angesehen war. Daß dieses Ansehen zum Zeitpunkt des Verlöschens der DDR in der Welt weitaus größer war als im Innern des Landes, ist keineswegs eine Ironie der Geschichte, ein Zufall, sondern Ausdruck der Schere zwischen Innen- und Außenpolitik, die sich in den 80er Jahren immer deutlicher auftat.

Doch vom Standpunkt des internationalen Rechts ist nicht das Ansehen, die Reputation eines Landes maßgebend, sondern der Status als völkerrechtlich anerkannter Staat, ein Tatbestand mit überaus realen Konsequenzen. Da die DDR ein souveränes Völkerrechtssubjekt war - und gerade das hatte auch das Bundesverfassungsgericht trotz manch anderer Klimmzüge in einem Urteil vom 31. Juli 1977 festgestellt -, besaß sie das Recht, staatliche Hoheitsakte zu erlassen. Handlungen ihrer Staatsbürger in deren Verwirklichung waren somit rechtens. Versuche, sie im nachhinein zu kriminalisieren, verstoßen nicht zuletzt gegen Grundprinzipien des Völkerrechts. Übrigens ist das ein Aspekt, dem viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. In dieser Tatsache dürfte eine der Hauptursachen dafür zu suchen sein, daß die Außenpolitik bisher aus der Generalabrechnung mit der besiegten DDR weitgehend ausgeklammert blieb. Diese deutliche Lücke in der allgemeinen Verteufelung der DDR ist gewiß keine Folge von Vergeßlichkeit, sondern eher Ausdruck des schlechten Gewissens, insofern die selbsternannten und selbstherrlichen Richter über die Geschichte der DDR überhaupt ein solches besitzen. Nein, sie haben schon ihre Gründe, den außenpolitischen Bereich bei der allgemeinen Geschichtsklitterung bisher weitgehend zu umgehen.

Einer weltweit bekannten und anerkannten Friedenspolitik und ihren handelnden Personen kann man nun einmal schwerer als in anderen Bereichen andichten, daß sie Kleinstkinder in Wassereimern ersäuften, aufmüpfige Pfarrer mit Ruhrbazillen infizierten oder zwangsweise Organspender für das Politbüro besorgten. Auf außenpolitischem Gebiet ist die Manipulierung der öffentlichen Meinung weitaus komplizierter - hier gibt es internationale Dokumente, Verträge, ausländische Partner und Zeitzeugen. Und schließlich - und das bleibt das Entscheidende - will man nicht daran erinnern, daß die DDR ein souveränes Völkerrechtssubjekt war. Anderenfalls müßte man auch das so schon spärlich wachsende Gras darüber ausreißen, daß die BRD seinerzeit der Aufnahme der DDR in die UNO, ihrer Wahl als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates und ihrer Präsidentschaft in der Vollversammlung zustimmte. Mit der heute vertretenen These vom "Unrechtsstaat DDR", dem Ausgangspunkt der Enteignung des Volksvermögens, der sozialen Benachteiligung und der politischen Strafverfolgung, verträgt sich diese damalige Handlungsweise schlecht.

Allerdings sind wir gut beraten, uns darauf einzustellen, daß auch die Außenpolitik noch Gegenstand der allgemeinen Verketzerung der DDR wird. Nicht zu übersehen ist natürlich, daß die Abrechnung mit den DDR-Bürgern, die auf außenpolitischem Gebiet tätig waren, längst in vollem Gange ist.

Einst waren die Außenpolitiker, die Diplomaten der DDR geachtete und nicht selten gerade von ihren Kollegen aus der BRD hofierte Partner, heute sind sie mit Berufsverbot belegt. Schneller noch als viele Angehörige der Schutz- und Sicherheitsorgane wurden sie in der Stunde Null des vereinigten Deutschlands auf die Straße gesetzt; so gut wie keiner wurde übernommen. Übernommen hat man lediglich das wahrlich nicht geringe Auslandsvermögen, so, wie man anscheinend am liebsten die ganze DDR übernommen hätte - als unbewohnte, aber einträgliche Immobilie. Allein das Liegenschaftsvermögen der DDR im Ausland, das zum Bundesvermögen geworden ist, umfaßt im Bereich der Außenpolitik 22 Residenzen, 47 Botschaften, 1003 Dienstwohnungen, 15 Kindergärten und Schulen und 7 Freizeitobjekte. Angeblich läßt sich der Wert, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken Liste/PDS erklärte, "nicht ohne weiteres bestimmen, da das Verwaltungsvermögen nicht bewertet wird".

Apropos Übernahme ins Auswärtige Amt: Es scheint schon sehr zweifelhaft, ob die Mehrheit der DDR-Diplomaten fähig und vor allem willens gewesen wäre, eine völlig andere, eine großdeutsche Außenpolitik zu vertreten. Neben der Höhe des Gehalts unterscheiden sie eine andere Weltanschauung und völlig andere Vorstellungen von den Zielen deutscher Außenpolitik.

Was die finanziellen Privilegien der DDR-Diplomaten betrifft, so waren diese wahrlich nicht sonderlich groß. Auch wenn "Der Spiegel" dazu allen möglichen Unsinn verbreitet. Er weiß zu berichten, daß die "Kaste" der DDR-Diplomaten "im SED-Regime mehr Privilegien genoß als die meisten Mitglieder der Nomenklatura". Dazu zählt er 2100 Mark Nettoeinkommen der Botschafter (ohne Aufwandsentschädigung), für den Normalverbraucher unerschwingliche Westautos und freie Studienplätze für die Kinder.

"Der Spiegel" hat nicht einmal völlig unrecht. Auch die Kinder der DDR-Diplomaten konnten wie die der anderen kostenlos studieren. Trabant, Wartburg oder Lada waren z. B. aus fernöstlicher Sicht "Westwagen". Nur beim Botschaftergehalt hat er Netto mit Brutto verwechselt, aber in Jerewan hätte man gesagt: "Im Prinzip stimmt's". Allerdings hätte es die Sekretärin eines Botschafters der BRD gewiß abgelehnt, für das Gehalt eines Botschafters der DDR zu arbeiten. Entsprechend groß sind die Unterschiede in den Renten, und dennoch werden auch die der DDR-Diplomaten wegen erwiesener und nie geleugneter "Staatsnähe" zusätzlich gekürzt.

Aber in dieser Hinsicht nehmen die Außenpolitiker und Diplomaten keine Sonderstellung ein. Sie gehören zu den über eine Million aus dem Berufsleben ausgegrenzten Hoch- und Fachschulabsolventen der DDR und bilden damit ganze 0,2 bis 0,3 Prozent derer, die dem sogenannten Elitenwechsel zum Opfer gefallen sind.

Unter den abgewickelten und ausgegrenzten DDR-Bürgern sind die Diplomaten ebensowenig die schwarzen Schafe wie sie zu DDR-Zeiten weiße unschuldige Engel waren. Sie tragen - ungeachtet der nicht gering zu schätzenden Erfolge der von ihnen praktizierten Außenpolitik - Mitverantwortung und spezifische Verantwortung für das Scheitern des sozialistischen Versuchs auf deutschem Boden. Mitverantwortung, da wir zu den Deformierungen in Politik und Gesellschaft geschwiegen und wie die meisten ehemaligen SED-Mitglieder insofern versagt haben. Wir haben nie wirklich um eine volle Einhaltung des Parteistatuts und der Verfassung gekämpft.

Spezifische Verantwortung tragen wir, da wir nicht geholfen haben, die nach Helsinki wachsende Schere zwischen Innen- und Außenpolitik zu schließen, die letztlich wichtige Lebensfäden des Landes durchschnitt und zu seinem Untergang beitrug. Gerade in den 70er Jahren haben wir es z. B. versäumt, den nicht wenigen ausländischen Stimmen stärker Gehör zu verschaffen, die der im Aufwind befindlichen DDR empfahlen, doch die Mauer durchlässiger zu machen und schnelleren Schrittes Reisefreiheit zu gewähren. Wir Botschafter verfügten dazu über ein Instrument, das nur wenige andere hatten: eine direkte Linie zum Generalsekretär über Chiffre-Telegramme und Botschafterbriefe. (Eine Frage ist es allerdings, wie lange wir dieses Privileg bei einer derartigen Nutzung hätten genießen können.)

Unsere Analysen über die internationale Lage und über unsere Gastländer waren, meist unbewußt, aber nicht selten von reichlich voluntaristischen Ausgangspunkten geprägt, so durch die stark verinnerlichte Überzeugung von der unaufhaltsamen, objektiv bedingten Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zu unseren Gunsten und von der Überlegenheit des realsozialistischen Modells, nicht zuletzt des in den Farben der DDR. Doch Fehleinschätzungen führten zu Fehlentscheidungen und -schritten. So hat es z. B. unsere jahrzehntelange distanzierte und vorgefaßte Haltung zur jugoslawischen Selbstverwaltung verhindert, bedenkenswerte Erfahrungen gerade in der Frage des Verhältnisses zwischen Volkseigentum und Produzenten, zwischen der Beseitigung der Ausbeutung und einem neuen Eigentümerbewußtsein zu gewinnen, also in einer Frage, die beim schnellen Zusammenbruch sozialistischer Strukturen eine Schlüsselrolle spielte. Nicht ganz zufällig hat die rote Fahne in Belgrad länger als in Berlin, Warschau und Prag geweht!

So kritisch wir gegen andere waren, so eifrig waren wir in der Regel, wenn es darum ging, aus Gesprächen mit führenden Vertretern des Gastlandes oder dort zu Besuch weilenden Staatsoberhäuptern anderer Länder per Chiffretelegramm das nach Hause und möglichst direkt an den Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär zu geben, was alles an Löblichem und Positivem über die DDR und seinen ersten Repräsentanten gesagt wurde. So nährten wir dessen Glauben an die eigene Unfehlbarkeit, die wir insgeheim beklagten.

Nein, schuldlos am Untergang der DDR sind wir nicht. Wir waren eingebunden in ein System, das die Selbstkritik pries, aber nicht liebte und den für die Entwicklung dringend nötigen demokratischen Widerspruch unterdrückte.

Helden waren auch wir nicht. Und doch hatten wir uns der Aufgabe verschworen, die Entwicklung des sozialistischen deutschen Staates außenpolitisch abzusichern und, um ein geflügeltes Wort zu gebrauchen, als "Parteiarbeiter an der diplomatischen Front" einer Politik der Entspannung, des Friedens und der Völkerverständigung zu dienen.

An dieser Stelle sei mir noch ein persönliches Wort gestattet: Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, in Belgrad in den Reden zu den Jahrestagen nicht Erich Honecker, sondern jene zu zitieren, die der DDR von Anfang an Pech und Schwefel an den Hals wünschten und ihren schnellen Untergang prophezeiten. Gerade zu den Geburtstagen unseres Staates tat es der Seele wohl, daran zu erinnern, wie schmählich sie sich geirrt hatten. Zu den so Zitierten gehörte auch der spätere Außenminister Brentano, der kurz nach der DDR-Gründung erklärte: "Wir werden alles tun und das Letzte unternehmen, ich sage ausdrücklich das Letzte, um die sowjetische Besatzungszone wieder zurückzuholen."

Damals haben wir vor seinesgleichen gewarnt, auch haben wir sie ob ihrer scheinbaren Realitätsferne verspottet - heute haben sie uns "zurückgeholt, heim ins Reich". Und das ist schon bitter!

Doch war alles umsonst, jetzt, da die jähe Wende uns weit zurückgeschleudert hat? Ich meine "nein".

Erstens, die Außenpolitik der DDR war Bestandteil des ersten großangelegten sozialistischen Versuchs auf deutschem Boden. Wie die 40 Jahre der Entwicklung der DDR vermittelt sie wertvolle Lehren für die Zukunft.

Zweitens, wie die Existenz der DDR selbst hat ihre Außenpolitik geholfen, in Europa den Frieden zu sichern, mehr als 40 Jahre lang, in denen in der Welt enorme Veränderungen vor sich gegangen sind. Wie wertvoll 40 Jahre Frieden in Europa waren, welch ein Glück für Generationen, spürt man heute besonders stark, da der Waffenlärm im Süden des Kontinents zu uns schallt.

Drittens, die Existenz und die Außenpolitik der DDR haben die BRD auch außen- und militärpolitisch zu Schritten und Verhaltensweisen gezwungen, die man auch heute nicht so ohne weiteres als unnötigen Ballast abwerfen kann. Die erzwungene militärische Zurückhaltung aufzugeben, fällt einigen großdeutschen Politikern schwerer, als sie sich das wünschten. Die für den europäischen Frieden so wichtige Anerkennung der Ostgrenzen wäre schwerlich ohne die DDR und ihre Außenpolitik erfolgt, auch wenn dafür mit ihrer Liquidierung ein hoher Preis gezahlt werden mußte. Und schließlich ist der auch heute geltende "Verzicht der Bundesrepublik auf Kernwaffen" ohne die DDR und deren Außenpolitik kaum vorstellbar.

Nein, vieles war vergeblich, umsonst war es nicht.

Ralph Hartmann

Unser Autor war bis 1990 Botschafter der DDR in der SFRJ. Er hat sich auch als Verfasser von Bestsellern ("Die Liquidatoren der Treuhandanstalt", "Die DDR unterm Lügenberg") einen Namen gemacht.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Dieses "baufällige" Haus am Berliner Marx-Engels-Platz - es beherbergte das MfAA und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR - wurde von den Bilder- und Schilderstürmern wie der benachbarte Palast der Republik grundlos abgerissen.

Ende RF-Extra

Raute

Wie die US-Publizistin Eva Golinger Venezuelas Hugo Chávez beurteilt

Diktatoren sehen anders aus

Seit dem Amtsantritt des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez am 2. Februar 1999 hat sich das Image der im Norden des lateinamerikanischen Subkontinents gelegenen ölreichen Republik ganz erheblich verändert. Die soziale Lage der bis dahin von jeder Teilhabe am nationalen Reichtum ausgeschlossenen Bevölkerungsmehrheit ist in gewisser Hinsicht deutlich besser geworden, wenn auch der Lebensstandard der meisten Venezolaner - mit entwickelten kapitalistischen Ländern Europas verglichen - noch immer niedrig ist.

Konkreter: Als der Fallschirmjägeroffizier Chávez - schon kein Neuling mehr im politischen Geschäft - in den Präsidentenpalast von Caracas Einzug hielt, hatte ein großer Teil der staatlichen oder kommunalen Krankenhäuser geschlossen, weil Geld für Ärzte, Instrumente und Medikamente fehlte. Das Gesundheitswesen Venezuelas galt damals als reine Domäne des Big Business, das die Patienten lediglich als zahlungsfähige Kunden zu schätzen wußte.

In den Chávez-Jahren wurden landesweit 533 Ärztehäuser und mehr als 13.000 Medizinische Stützpunkte, 459 Augenkliniken und 12 zahnmedizinische Zentren in Betrieb genommen. Insgesamt waren mehr als 100.000 (!) kubanische Ärzte, die einander nach dem Rotationssystem ablösten und überwiegend mehrere Male eingesetzt wurden, auf der Grundlage eines Kooperationsabkommens in Venezuela tätig. Sie gewährten einkommensschwachen Bevölkerungsschichten mehr als 55 Millionen unentgeltliche Konsultationen.

Nicht anders verhielt es sich im Bereich der Volksbildung. Das Analphabetentum - zuvor ein Fluch Venezuelas - konnte mit kubanischer Hilfe fast vollständig beseitigt werden. Dazu errichtete man 557 pädagogische Zentren. Die Zahl der sämtliche Klassen bis zum Abschluß absolvierenden Schüler stieg binnen weniger Jahre um 24 %. Für den Unterricht und die Ausstattung mit Lernmitteln wurden keine Gebühren erhoben.

Seit 1999 nimmt Venezuela zügig Kurs auf eine Versorgung seiner Bevölkerung mit im Land selbst hergestellten Nahrungsgütern. Inzwischen ist diese Frage bereits in erheblichem Umfang gelöst. Wer solche Produkte erzeugen will, erhält die Unterstützung der Behörden.

Die venezolanische Revolution wurde auch zum Katalysator regionaler und kontinentaler Vernetzung. Diese führte zur Gründung der Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA), die sich der durch Washington installierten ökonomischen und politischen Bevormundung entgegengestellt hat. Zu ihren Instrumentarien gehören die Bank des Südens und der SUCRE als neue Währungseinheit in der Region.

Daß die mit dem Namen Chávez verbundene und auf Dauerhaftigkeit abzielende soziale Umwandlung unterdessen Fuß gefaßt hat, bestätigte auch die seit 17 Jahren mit dem Land vertraute US-Juristin und Publizistin Eva Golinger. In einem Pressebeitrag wies sie darauf hin, daß Hugo Chávez seit seiner Erst-Wahl im Herbst 1998 zwei weitere Male mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt worden ist. Und das, obwohl die nach wie vor über 80 % der Medien von landesweiter Bedeutung verfügende Reaktion ihn bis heute ohne Unterlaß zur Zielscheibe heftigster Diffamierungsattacken gemacht hat.

Während unter seinem Vorgänger - dem durch Washington als "mustergültiger Demokrat" gepriesenen Präsidenten Carlos Andres Perez - Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen scharf zensiert wurden und zuletzt sogar eine Ausgangssperre verhängt worden war, kommt Chávez bis heute ohne Repressalien dieses Zuschnitts aus. Dabei mußte er schwere politische Unwetter überstehen. Zu ihnen zählte die CIA-gelenkte Entführung des Präsidenten beim Staatsstreich im April 2002, die massive Sabotage der Ölindustrie Venezuelas als der Hauptquelle für Valutaeinnahmen des Landes sowie unzählige weitere Störmanöver der in- und ausländischen Feinde der Bolivarischen Republik. Dennoch habe Chávez 2007 nahezu alle am Putsch gegen ihn Beteiligten amnestiert, stellte Eva Golinger fest. Der Präsident sei nicht einmal gegen jene vorgegangen, welche über Mikrofone und vor Kameras direkt zu seinem Sturz aufgerufen hätten und das bis heute täten. In Venezuela gebe es geradezu ein "Übermaß an Pressefreiheit".

Inzwischen sind übrigens Hunderte von den Konzernmedien und der Regierung unabhängige kleine Lokalsender entstanden, die ohne Kontrolle und Zensur operieren.

Ein vom Parlament Venezuelas erst vor Monaten beschlossenes "Gesetz über soziale Verantwortung bei Rundfunk, Fernsehen und den digitalen Medien" stellt lediglich Aufrufe zur Ermordung des Präsidenten oder anderer Persönlichkeiten sowie die Anstachelung zu Haß und Gewalt unter Strafe. Das von Chávez im Parlament eingebrachte "Ermächtigungsgesetz" stieß auf den wütenden Widerstand der proimperialistischen Parteien, die allerdings nur über 40 % der Sitze verfügen. Es sieht die Übertragung besonderer Vollmachten an den Staatschef im Zusammenhang mit Naturkatastrophen wie den schweren Überschwemmungen des letzten Herbstes vor, bei denen mehr als 130.000 Menschen obdachlos geworden waren. Eine deutliche Abgeordnetenmehrheit aus Parlamentariern der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und dem einzigen Vertreter der Chávez unterstützenden KP Venezuelas hatte für die Annahme dieser Vorlage gesorgt.

Eva Golinger, die Autorin weit verbreiteter Bücher wie "Kreuzzug gegen Venezuela" und "Bush contra Chávez", wandte sich direkt an ihre Leser: "Sie schätzen vielleicht nicht die Art, in der Hugo Chávez spricht, oder die Tatsache, daß er in Armut geboren wurde, aus dem Militär kommt, ein Linker ist und überhaupt kaum in das stereotype Bild eines Staatsoberhauptes paßt. Doch macht ihn das etwa zu einem Diktator?" Es sei an der Zeit, die eskalierende Aggression gegen Caracas zu beenden und der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Venezuela keine Diktatur ist. "Wenn auch viele von Ihnen Chávez nicht mögen - eine Mehrheit der Venezolaner hat ihn gewählt. Das allein zählt!"

RF, gestützt auf Radio Havanna und "The Guardian", Sydney


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Die traditionsreiche KP Venezuelas unterstützt aktiv den von Chávez vorangetriebenen revolutionären Prozeß, ist aber der Aufforderung, sich in der sozial und politisch recht heterogenen PSUV aufzulösen, nicht nachgekommen. Sie bleibt weiter die marxistisch-leninistische Partei der venezolanischen Arbeiterklasse.

Raute

Wie aus einer beschaulichen Studienreise eine turbulente Geschichtslektion wurde

Tunesien zwischen Ben Ali und der Freiheit

Ein junger Gemüsehändler, der für sich keine Perspektive mehr sah, zündete sich am 17. Dezember vergangenen Jahres in Sidi Bouzid an. Das war der Auslöser von Vorgängen, die als "tunesische Revolution" bezeichnet wurden. Die eigentlichen Gründe für die Unruhen und den politischen Umsturz - man kann die bisherigen Ereignisse wohl kaum als Revolution bezeichnen - liegen indes tiefer.

Bereits während meiner ersten Tunesienreise (2010) nahm ich Anzeichen wahr, daß "etwas in der Luft lag". Ich war im Vorjahr und auch diesmal weder als Badeurlauber noch als Sonnenanbeter in dem Maghreb-Staat, wo Touristen herrliche Strände, eine beeindruckende Gastfreundschaft und einen mustergültigen Service erwarten können. Als Historiker sah ich mein Anliegen darin, die wechselvolle Geschichte des tunesischen Volkes näher kennenzulernen sowie die Hinterlassenschaften der Phönizier, Griechen, Römer und Araber in Augenschein zu nehmen.

In Tunesien treffen sich Orient und Okzident, gehen europäisch geprägtes Denken mit arabischer Lebensart und islamischem Traditionsbewußtsein ineinander über.

Tunis - eine Metropole mit mehr als zwei Millionen Einwohnern - ist stark von französischem Flair geprägt, das eher an Paris erinnert als die Vorstellung vermittelt, in Afrika zu sein.

Tunesien kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Etwa ab 3000 v. u. Z. lebten dort Berberstämme. Mit dem Einzug der Phönizier bekam die Region erstmals weltpolitisches Gewicht. Karthago wurde gegründet, und damit entstand im Laufe der Zeit eine Großmacht im Mittelmeerraum. Kriege mit Griechen und Römern führten zu großen Menschenverlusten und Zerstörungen. Nach dem 3. Punischen Krieg war Karthago rund 100 Jahre unbewohnt, bis der Wiederaufbau beginnen konnte.

Unternehmen wir einen Zeitsprung. Ab 1881 Frankreichs Kolonie, folgten für Tunesien 75 Jahre Knechtschaft unter der Pariser Knute, bis die Befreiungsbewegung unter Führung von Habib Bourguiba 1956 die Unabhängigkeit erkämpfte. Zum Staatspräsidenten gewählt, trat dieser ein schweres Erbe an. An Europa orientierte Reformen wurden angestrebt: eine Bodenreform, die Einführung der Schulpflicht, die Überwindung der nach dem Koran erlaubten Polygamie, die Gleichberechtigung der Frau sowie neue Arbeits- und Sozialgesetze. Auch in ökonomischer Hinsicht gab es Fortschritte, obwohl Tunesien nach wie vor schwach entwickelt ist. Eine bedeutende Rolle in seiner Zahlungsbilanz kommt dem Tourismus zu. Das Land wurde zu einem der beliebtesten mediterranen Reiseziele. 2010 empfing es rund sechs Millionen Urlaubsgäste. Doch das Gefälle zwischen Arm und Reich war und ist nach wie vor schroff, die Besitzverteilung extrem ungerecht.

Ende 1987 putschte sich Bourguibas Premier Ben Ali an die Macht. Nach einer unblutigen Palastrevolte wurde er Präsident. Er setzte zunächst den Reformkurs seines Vorgängers fort, wobei er eine "Öffnung Tunesiens zu Europa hin" verfolgte. 2008 trat ein Freihandelsabkommen mit der EU in Kraft. Ben Ali baute seine persönliche Herrschaft und die seines Clans systematisch aus. Obwohl er bei den Wahlen der Jahre 2004 und 2009 "siegte", stieß seine Politik in der Bevölkerung auf wachsende Unzufriedenheit. Die sozialen Widersprüche spitzten sich enorm zu. Die offizielle Arbeitslosenziffer lag in der sommerlichen Hochkonjunktur des Touristengeschäfts bei 14,5 %, im Winter bei 45 % und darüber.

Als der Konflikt bereits eskalierte, begann meine zweite Tunesienreise. Ben Alis volksfeindliche Politik, seine alles durchdringende Vetternwirtschaft und maßlose persönliche Bereicherung, die allenthalben wuchernde Korruption, ein krasser Personenkult und die rücksichtslose Verfolgung oppositioneller Kräfte brachten das Faß zum Überlaufen. Nicht zuletzt trug der ruchbar gewordene Transfer von Milliarden Euro auf Auslandskonten zur Massenempörung bei. Aus Demonstrationen, Studentenunruhen und Arbeitsniederlegungen wurden Straßenkämpfe, die von Tunis auf andere große Städte übergriffen.

Im Verlauf der heftigen Auseinandersetzungen kristallisierten sich drei Machtzentren heraus: die tunesische Polizei, die persönliche Schutztruppe Ben Alis und dessen Hofstaat sowie die Führung der Armee. Am 14. Januar kam dann die erlösende Nachricht, Ben Ali sei zurückgetreten und mit seinem Clan unter Mitnahme etlicher Goldbarren nach Saudi-Arabien geflohen. Nach der "Abreise" des Diktators wurden die Safes seiner zahlreichen Paläste geöffnet. Man fand Schmuck und Banknoten im Wert von Milliarden Euro.

Nach Ben Alis Flucht übernahm zunächst der Parlamentspräsident interimistisch die Geschäfte. Da sich aber die Generalität bei dieser Auswahl übergangen fühlte, setzte sie ihn kurzerhand wieder ab. An seine Stelle trat eine Militärjunta, was wiederum bei den im Land gebliebenen Anhängern Ben Alis -unter ihnen die weiter amtierenden Minister - auf Widerstand stieß. So wurden auch die Militärs zurückgepfiffen, und es wurde abermals eine wacklige Regierungsvariante mit dem weniger belasteten Ministerpräsidenten Ghannouchi installiert, bis auch dieser das Handtuch warf.

Der Sturz des Diktators hat in Tunesien zweifellos Hoffnungen geweckt und ein neues Gemeinschaftsgefühl hervorgebracht. Ob es allerdings zu einer bürgerlichen Demokratie kommen wird, ist vorerst schwer abzuschätzen. Immerhin hatten es die Tunesier viele Jahre mit einem despotischen Präsidialsystem zu tun, einer spezifischen Form der Diktatur der Bourgeoisie, die in arabischen Ländern gar nicht so selten ist. Bei den angekündigten Neuwahlen werden vermutlich allein Personen ausgetauscht. Man muß wissen, daß die Arbeiterklasse zahlenmäßig schwach und ohne einflußreiche revolutionäre Führung ist. Es fehlt an Kräften, die einen wirklichen Umbruch inspirieren und bewerkstelligen könnten. Die Machtverhältnisse dürften überdies durch die imperialistischen "Freunde" Tunesiens aus NATO und EU abgesichert werden, so daß vorerst wohl kaum substantielle Veränderungen zu erwarten sind.

Inzwischen erfuhr ich, daß sich die Lage in Tunis nach der Entlassung aller Minister Ben Alis und deren Ersetzung durch "neue Leute" vorerst beruhigt haben soll. Das Ziehen einiger Ventile und kosmetische Operationen sind auch weiterhin angesagt, um "Ruhe und Ordnung" in dem wichtigen nordafrikanischen Staat am Mittelmeer wieder einziehen zu lassen.

Dr. Wolfgang Reuter, Magdeburg

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Die heitere Jugend der belgischen PTB/PvdA wendet sich dem Ernst des Lebens zu

Kommunismus für Debütanten

Wie schon in den vergangenen Jahren lud COMAC - der ebenso kämpferische wie frische und ideenreiche Jugendverband der Partei der Arbeit Belgiens (PTB/PvdA) - auch diesmal am Marxismus interessierte Jungen und Mädchen aus allen Regionen des zweisprachigen Landes zur Teilnahme an seiner Karl-Marx-Schule ein. Dabei handelt es sich um eine sehr ausgewogene Kombination aus Ernstem und Heiterem, aus anspruchsvollem Lernbetrieb und lockerem Amüsement. "Wissen ist eine Waffe!", so lautete der Marx zwar entlehnte, indes aber leicht veränderte Slogan des Treffens, zu dem neben Vorträgen und Debatten auch ein kleines Filmfestival, Erlebnisberichte von COMAC-Teilnehmern an den jüngsten Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Südafrika und ein übermütiger samstäglicher Tanzabend gehörten.

Auf die Frage der kommunistischen Wochenzeitung "Solidaire" nach den Beweggründen der Veranstalter antwortete Laura Leon Fajul vom Nationalrat des couragierten und ständig an Zulauf gewinnenden Jugendverbandes: "Man muß ja schließlich das warme Wasser nicht neu erfinden. Marx war der erste, der das kapitalistische System, in dem wir leben, genau untersucht hat. Wir wollen erfahren, wie man es überwinden kann." Laura fügte hinzu, den jungen Teilnehmern gehe es darum, sich mit dem geistigen Instrumentarium für diesen Kampf auszurüsten.

Die Karl-Marx-Schule der belgischen Jungkommunisten bewältigte in der kurzen Zeitspanne eines verlängerten Wochenendes ein strammes Pensum. Das Programm der inzwischen bei immer mehr jungen Leuten beliebten Veranstaltung war in drei Abschnitte gegliedert, für die man unterschiedliche Stundenzahlen vorgesehen hatte.

Im ersten Teil, bei dem es um eine Annäherung an gedankliche Inhalte des Marxismus ging, wurden vor allem innen- und außenpolitische Themen behandelt: Die Explosion des Massenprotestes in mehreren Ländern der arabischen Welt, neue Aspekte der Entwicklung Kubas, die Asienstrategie der USA, die Rolle der Medien und WikiLeaks, die folgenschweren Auswirkungen des "Falls der Berliner Mauer", die Lage der Zuwanderer und vor allem von Menschen "sans papiers" - ohne Dokumente -, der Narkotika-Handel und die Durchleuchtung imperialistischer Verschwörungstheorien, um nur einige der aufgeworfenen Fragen zu erwähnen. Zugleich ging es um "Zusammenhänge und Erklärungen". Dabei wurde die den Belgiern derzeit am meisten auf den Nägeln brennende Frage erörtert: die Rolle des bürgerlichen Nationalismus, der niederländisch sprechende Flamen gegen frankophone Wallonen ausspielen will, und die von imperialistischen Auslandskreisen, vor allem auch in der BRD, "angeregte" Abtrennung Flanderns zum Ziel hat. "Nous sommes un - wir sind eins!" lautet hierzu die Antwort der PTB und ihres Jugendverbandes.

Im zweiten Veranstaltungsabschnitt wurden komplexere Themen wie "Die UdSSR als erste Erfahrung des Sozialismus", "Das Wesen des Trotzkismus" und "Die afroamerikanische Befreiungsbewegung" behandelt. An den verbleibenden zwei Tagen, die für den dritten Abschnitt reserviert waren, kam man der Forderung "Kenne Deine Klassiker!" nach. Diesmal ging es um die vertiefende Darstellung marxistischer Positionen zur nationalen Frage und zum proletarischen Internationalismus.

Hatten sich 2010 etwa 100 junge Belgier im Alter von über 15 in die Teilnehmerlisten eingetragen, waren die mit der Bereitstellung von Betten und der Beschaffung von Verpflegung betrauten COMAC-Genossen diesmal beinahe überfordert. Es gelang ihnen indes, die aus allen Provinzen nach Molenbeek strömende Schar unterzubringen und zu verköstigen.

Deren anstrengender, alle aber auch beflügelnder Exkursion war in sechs belgischen Städten am 17. Februar eine emotionsgeladene Manifestation von mehr als 7000 Schülern und Studenten bei aktiver Beteiligung von COMAC und unter der zusammenführenden Losung "Eenheid - Unité!" vorausgegangen.

Für Anfang August steht bereits ein weiterer Höhepunkt auf der Agenda der belgischen Kommunisten und ihres Jugendverbandes: Die muntere Schar der PTB-Pioniere startet dann nach Geel in ihr diesjähriges Sommercamp, das für die jüngsten Mitstreiter der Partei viele Überraschungen bereithält.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Ukrainische Kommunisten drucken RF-Beitrag über PTB nach

Der "Kiewer Kommunist", das Organ der hauptstädtischen Leitung der KP der Ukraine, zu dessen Redaktion wir enge und herzliche Beziehungen unterhalten, veröffentlichte bereits wiederholt Beiträge aus dem RF, wie den hier auszugsweise reproduzierten Artikel über den Kampf der belgischen PTB.

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KP Japans: Hilfe für Opfer der Natur- und Nuklearkatastrophe

Nach dem 11. März, als in Japan die Erde so heftig wie dort noch nie bebte und ein anschließender Tsunami ganze Küstenabschnitte verwüstete, mobilisierte die starke und hervorragend organisierte KPJ unverzüglich ihre 400.000 Mitglieder zu einer Solidaritätsaktion. Während sich der Kommunist Takahashi Chizuho - einer von 15 Unterhausabgeordneten der Partei - in die betroffene Präfektur Miyogi (Sendai) begab, um an Ort und Stelle Hilfsmaßnahmen einzuleiten, begann die KPJ mit einer landesweiten Spendensammlung für die Opfer. Ihre Genossen kümmern sich darum, daß die eingehenden Beträge von den Evakuierungszentren sachgerecht verwendet werden, beteiligen sich an der Errichtung von Notunterkünften und setzen sich vielerorts für rasche Entschädigung Betroffener ein.

Der Parteivorsitzende Shii Kazuo wandte sich gegen Bestrebungen Tokios, die von Fukushima ausgehenden Gefahren bewußt herunterzuspielen oder zu verharmlosen. So sei die erste Reaktorexplosion am 12. März den Japanern erst fünfeinhalb Stunden später mitgeteilt worden. Der KPJ-Führer kritisierte auch die Tatsache, daß das Krisenmanagement nicht in den Händen der aus unabhängigen Experten bestehenden Kommission für Nuklearsicherheit liege, sondern nach wie vor einem Gremium ausdrücklicher Befürworter des Atomkraftwerkbaus übertragen bleibe.

Bei einer diesem Thema gewidmeten Parlamentsdebatte im Vorjahr hatten sich die Vertreter der KPJ, auf die bei den letzten Unterhauswahlen 7,25 % der Stimmen entfallen waren, für erneuerbare Energien und gegen den Bau weiterer Kernkraftwerke ausgesprochen. Energisch lehnten sie den Einsatz von Plutonium ab. Unter Hinweis auf Zwischenfälle in den Nuklearzentralen Nihama (2004) und Shimane (2010) machten sie ernste Zweifel an der Sicherheit japanischer Reaktoren geltend. Die Konzerne hätten einige von ihnen in ausgesprochenen Erdbebenzonen errichtet. 43 japanische Kernkraftwerke befänden sich in Küstennähe, so daß ihre Kühlaggregate im Falle eines Tsunami nicht mit Meerwasser versorgt werden könnten. Die KPJ fordert entschieden die Einstellung des "Wiederaufbereitungsprogramms" für Brennstäbe.

Die Forderungen der japanischen Kommunisten nach einem geplanten Ausstieg aus der Atomenergie und dem Verzicht auf die Errichtung neuer Anlagen waren in Tokio stets auf taube Ohren gestoßen.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel, und Japan Press


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Mitglieder der KPJ sammeln in Tokio für die Opfer

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2010: Dynamische Entwicklung der Wirtschaftskraft Chinas

Vor der Tagung des Nationalen Volkskongresses der VR China im März veröffentlichte deren Statistisches Amt am 28. Februar den Jahresbericht für 2010. Er enthält folgende Eckdaten:

Das Bruttoinlandsprodukt betrug 39.798,3 Mrd. Yuan. Das ist ein Zuwachs von 10,3 % im Vergleich zum Vorjahr.

China nimmt damit nach der Bekanntgabe der Daten über Japans vorjährige Wirtschaftsentwicklung den zweiten Platz in der Welt ein.

Die Getreideproduktion erreichte 546,41 Mio. Tonnen - eine Zunahme von 2,9 % im Vergleich zum Vorjahr. Es handelt sich um die beste Getreideernte in der Geschichte des Landes. Der Außenhandelsumsatz betrug 2972,8 Mrd. US-Dollar. Das ist ein Wachstum von 34,7 % im Vergleich zum Vorjahr. (Export: 1577,9 Mrd. US-Dollar, plus 31,3 % / Import: 1394,8 Mrd. US-Dollar, plus 38,7 %)

Der Einzelhandelsumsatz stieg um 18,3 %, preisbereinigt um 14,8 %.

Der Zuwachs des Einkommens der Dorfbewohner übertraf erstmals seit 1998 wieder den der Stadtbewohner. Es betrug pro Kopf 5919 Yuan (plus 14,9 %, preisbereinigt plus 10,9 %).

Das Einkommen der Bewohner der Städte und Gemeinden belief sich auf 19.109 Yuan (plus 11,3 %, preisbereinigt 7,8 %).

Neu geschaffene Arbeitsplätze: 11,68 Mio. Registrierte Arbeitslose in Städten und Gemeinden: 4,1 %.

Ausgaben für Forschung und Entwicklung: 698 Mrd. Yuan (plus 20,9 %; 1,75 % des BIP).

An den Hochschulen neu aufgenommene Aspiranten: 538.000. Gesamtzahl der Aspiranten: 1,538 Mio.

Der 11. Fünfjahrplan (2006-2010) wurde erfüllt. Für das 12. Fünfjahresentwicklungsprogramm (2011-2015) konnten gute Voraussetzungen geschaffen werden.

RF, gestützt auf Angaben des Statistischen Amtes der Volksrepublik China

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UNO beschloß "Internationales Jahr der Menschen afrikanischer Abkunft"

Die Ahnen kamen mit Sklavenschiffen

Unzählige Afrikaner beiderlei Geschlechts wurden einst von weißen Kopfjägern wie wilde Tiere mit brutaler Gewalt eingefangen, in Ketten gelegt, auf finsteren Unterdecks kaum seetüchtiger Galeeren zusammengepfercht, unter entsetzlichen Torturen einer mörderischen Überfahrt in die "Neue Welt" verschleppt und dort auf Sklavenmärkten an Meistbietende verschachert. Jahrhunderte vor Auschwitz und Maidanek erfolgte so ein in seinen Dimensionen kaum zu ermessendes Genozid-Verbrechen an Menschen schwarzer Hautfarbe, denn nur eine Minderheit der Betroffenden überstand das Martyrium lebend und bei gesundem Verstand. Unter dem Druck politisch und sozial aktiver Kräfte der "afrikanischen Diaspora", wie die Nachkommen der einstigen Sklaven von gewissen Medien allzu euphemistisch bezeichnet werden, sowie einer Reihe von Staaten des schwarzen Kontinents sah sich die Vollversammlung der Vereinten Nationen dazu veranlaßt, 2011 zum Internationalen Jahr der Menschen afrikanischer Abkunft zu erklären.

Zunächst sei festgestellt: Es handelt sich bei diesem Beschluß keineswegs um eine Solidaritätsbotschaft an die Völker Afrikas, die nach wie vor unter Seuchen wie AIDS und den tödlichen Auswirkungen anderswo heilbarer Krankheiten, Hunger, grassierender Armut und Arbeitslosigkeit sowie mangelhafter Schulbildung leiden. Besonders einstige Kolonialmächte, welche die Völker der Dritten Welt mit neokolonialistischen Methoden in neue Abhängigkeiten zwingen, lassen auch die anderswo lebenden Nachkommen von Afrikanern nicht hochkommen.

Wenn von der "Diaspora" als der Weltgemeinschaft aller Menschen mit afrikanischen "Wurzeln" die Rede ist, werden in der Regel zunächst die Afroamerikaner in den USA genannt. Sie stellen eine bedeutende ethnische Minderheit dar und können sich unter der Präsidentschaft Barack Obamas sogar pro forma darauf berufen, "ihren Mann" im Weißen Haus zu wissen. Fast 150 Jahre nach der Aufhebung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten zählen Black People - sieht man von der schmalen Oberschicht der kaum dazugehörigen schwarzen Bourgeoisie einmal ab - noch immer zu den rassistischer Diskriminierung ausgesetzten Bürgern zweiter Klasse. Wie die Dinge liegen, stellen Afroamerikaner oder Angehörige anderer "farbiger" Minoritäten derzeit 70 bis 80 % der Gefängnisinsassen in den USA. Sie werden generell zu den härtesten und längsten Freiheitsstrafen verurteilt. Als "Freie" sind sie unter den Menschen ohne Job, den Obdachlosen und Analphabeten am stärksten vertreten. Noch immer gilt vielerorts für Schwarze die Devise: "Last hired, first fired" - Als letzte eingestellt, als erste rausgeworfen.

Ein Schreckensbild bietet Haiti mit seiner verelendeten, von Seuchen heimgesuchten, durch verheerende Naturkatastrophen gepeinigten schwarzen Bevölkerung, deren Ahnen einst an Bord von Sklavenschiffen die malerische Insel Hispañola erreichten. Sie waren indes auch die ersten, die sich unter ihrem großen Feldherrn Toussaint de L'Ouverture bereits 1802 die Freiheit erkämpften, als ihre schwarzen Brüder und Schwestern noch auf den Baumwollplantagen von Mississippi, Louisiana, Georgia und Alabama als Sklaven schuften mußten. Schon in der nächsten Runde der Geschichte legte man sie allerdings - im übertragenen Sinne - erneut in Ketten.

Etwa 200 Millionen Menschen afrikanischer Abkunft leben heute auf dem lateinamerikanischen Subkontinent. Die meisten von ihnen haben ebenfalls Sklaven als Vorfahren, nur eine Minderheit gelangte auf anderen Wegen in ihre heutigen Heimatländer.

Kolumbien beherbergt die zweitgrößte afroamerikanische Bevölkerungsgruppe Lateinamerikas. Auch hier werden die elementarsten Bedürfnisse von 80 % der schwarzen Landesbürger nicht befriedigt, ihr Durchschnittseinkommen beträgt nur ein Drittel des nationalen Durchschnitts, von 1000 lebendgeborenen Kindern mit schwarzer Haut sterben 151 vor ihrem ersten Geburtstag, verglichen mit 39 im Landesmaßstab.

In Brasilien, wo die Sklaverei zuletzt aufgehoben wurde, lebt die größte schwarze Bevölkerungsgruppe außerhalb Afrikas. Seit den erleuchtenden Tagen der Präsidentschaft Lulas wurde hier auch am meisten für die Überwindung sozialer Ungleichheit im Sinne echter Integration unternommen. So richtete dieser gemäßigt linksorientierte brasilianische Staatschef eigens ein Sondersekretariat zur Förderung einer Politik der Rassengleichheit mit einem Leiter im Ministerrang ein. Brasiliens Rassengleichstellungsgesetz schuf gute Voraussetzungen zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen, am Arbeitsplatz, auf den Gebieten der Kultur und des Sports, beim Erwerb von Grund und Boden sowie im System der Rechtspflege.

Im Juni 2010 fand im ekuadorianischen Otavalo ein Treffen der Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA) statt, an dem Abgesandte aus Antigua und Barbuda, Bolivien, Kuba, Dominica, Ekuador, Nikaragua, Venezuela sowie St. Vincent und den Grenadinen teilnahmen. Vertreter Guatemalas waren als Beobachter zugegen. Auf der Tagesordnung stand ein einziges Thema: die Situation der indigenen Völker und von Menschen afrikanischen Ursprungs. Die Unterzeichnung der Otavalo-Deklaration durch die antiimperialistischen Präsidenten Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und Rafael Correa (Ekuador) sowie durch Bevollmächtigte der anderen Teilnehmerstaaten des Treffens war Ausdruck des gemeinsamen Willens, jeglicher nationalen oder rassischen Diskriminierung den Kampf anzusagen.

In Kubas Geschichte hat der ethnische Ursprung der längst untereinander vermischten Bevölkerungsgruppen niemals eine herausragende Rolle gespielt. "Der 'Mix' hat aus uns keine chinesischen, spanischen oder afrikanischen Kubaner gemacht", bemerkte die KP-Zeitung "Granma" hierzu. "Doch weder die unmenschliche und erniedrigende Behandlung unserer versklavten Vorfahren noch die bewegte Geschichte der Maroons - der davongelaufenen Sklaven, von denen wir unsere Freiheit als Vaterland und Flagge geerbt haben -, werden jemals vergessen sein."

RF, gestützt auf "Granma", Havanna, und "The New Worker", London

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Einmal mehr: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen

Dinosaurier-Hochzeit
Mit der Übernahme der New York Stock Exchange bereitet die Deutsche Börse ihren Sprung an die Weltspitze vor. Der Zusammenschluß der beiden Finanzunternehmen wird dem neuen deutsch-US-amerikanischen Konzern eine herausragende Position in der Konkurrenz mit den Börsen Asiens sichern. Im Termingeschäft käme er auch in Europa auf einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent.

Deutsche Medien sprechen angesichts des neu entstehenden Börsengiganten vom "Griff nach der Weltmacht". In der Konzernkontrolle ist die deutsche Seite erkennbar gegenüber ihren US-Partnern im Vorteil. Der Zusammenschluß ist möglich geworden, da der Kurs der New York Stock Exchange (NYSE), die gern als "pulsierendes Herz" des US-Kapitalismus bezeichnet wird, infolge der Krise stark eingebrochen ist.

"Kanzlerin Europas"
Die führende außenpolitische Zeitschrift des Berliner Establishments ruft Angela Merkel zur "EU-Kanzlerin" aus. Wie es in dem Fachorgan "Internationale Politik" heißt, das von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgegeben wird, müsse man für das Jahr 2010 faktisch die "Entstehung einer deutschen EU-Kanzlerschaft" konstatieren. Dabei sei es der Berliner Amtsinhaberin gelungen, sich "im Kreis der 27 Staats- und Regierungschefs" eine Art "Richtlinienkompetenz" zu verschaffen.

Betrachte man die Führung der EU als "Regierung", dann sei es möglich, "Rollen zuzuweisen"; Frankreichs Staatspräsident stehe dabei "zweifellos die Rolle des Vizekanzlers" zu, der zwar "durchaus die Initiative" übernehmen, "aber im Konfliktfall von der Kanzlerin immer wieder gebremst werden" könne. Die zitierten Äußerungen markieren das neue Bestreben, den bisher öffentlich meist höflich abgestrittenen deutschen Führungsanspruch in der EU nun in aller Offenheit festzuschreiben.

Bedrohte Ressourcengebiete
Mit einem großangelegten PR-Manöver wirbt Berlin um Sympathie unter den Demokratiebewegungen in der arabischen Welt. "Die Zeit der Diktaturen ist abgelaufen", erklärte Bundespräsident Christian Wulff im Emirat Qatar, das er besuchte, um von dem dort diktatorisch herrschenden Clan neue Aufträge für die deutsche Wirtschaft zu erhalten. Während Berlin die arabischen Demokratiebewegungen mit verbaler Unterstützung für sich zu gewinnen sucht, debattieren deutsche Außenpolitiker über die Folgen der Umwälzungen in Nahost für den Westen. Die Hegemonie der USA und der EU über die Ressourcengebiete dieser Region sei bedroht, heißt es in der Zeitschrift "Internationale Politik", dem führenden außenpolitischen Organ des Berliner Establishments: Eine in freier Wahl bestätigte Regierung etwa Ägyptens werde kaum in der Lage sein, eine prowestliche Politik à la Mubarak gegen die eigene Bevölkerung durchzusetzen. Überdies drohe der Hegemonialkonflikt zwischen dem Westen und Iran bei einem weiteren Zusammenbruch der arabischen Regime verlorenzugehen.

Auf zum Indik!
Deutsche Marinekreise fordern neue Mittel zur Aufrüstung der Kriegsflotte. Angesichts des beginnenden "maritimen Wettrüstens" im Indischen Ozean könne es sich Deutschland als "Exportnation" nicht leisten, auf umfangreiche Aktivitäten "auf den Weltmeeren zur Sicherung des Handels" zu verzichten, heißt es in einschlägigen Publikationen. In den Blick geraten dabei besonders die Seerouten zwischen dem Horn von Afrika und Südostasien, die für den deutschen Außenhandel aufgrund des ungebrochen boomenden Chinageschäfts immer höhere Bedeutung gewinnen. Es werde auf Dauer nur möglich sein, unabhängig von den Vereinigten Staaten Einfluß im Indischen Ozean auszuüben, wenn man die teure Marineaufrüstung auf europäischer Ebene enger als bisher koordiniere, heißt es in Marinekreisen.

Aus: Informationen zur deutschen Außenpolitik
(www.german-foreign-policy.com)

Raute

Über eine furiose Liebesarie, eine Armada von Mähdreschern und einen riesigen Schrottplatz

Neustadts Segen und Fluch

Neustadt, wo ich zwischen 1949 und 1959 gelebt und gearbeitet habe, liegt etwa 25 Kilometer östlich von Dresden in einem weiten Tal am Rande der Sächsischen Schweiz. Vor etwa 800 Jahren rodeten sorbische und böhmische Einwanderer die undurchdringlichen Wälder, kultivierten das Land und lebten von Ackerbau und Viehzucht. 200 Jahre später ließen sich an einer Pilgerwegkreuzung zwischen Dresden und Bautzen Händler, Handwerker und Bergleute nieder. Sie bauten eine Kapelle, befestigten um 1330 einen etwa 100 Einwohner zählenden Ort und nannten ihn Nuwenstad. In der Nähe fand man Gold, aber wohl nur in so geringen Mengen, daß die junge Stadt nicht davon leben konnte.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen Zuwanderer aus Böhmen mit der Herstellung von Kunstblumen, die Neustadt und dem benachbarten Sebnitz zu einer gewissen Berühmtheit verhalfen. Hunderte Heimarbeiter - überwiegend Frauen - wickelten und drahteten bis in die Nacht hinein Blumen, ohne vom Wohlstand anderer auch nur ein Zipfelchen zu erhaschen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich Neustadt trotz umfangreicher Zerstörungen verhältnismäßig rasch.

"Nichts in ihrer Geschichte hat die Stadt im Zeitraum von nur 45 Jahren mehr geprägt als die Jahre des Landmaschinenbaus. In zwei Jahrzehnten entstand mit dem Volkseigenen Kombinat 'Fortschritt Landmaschinen' ein Industrieunternehmen, das auf diesem Gebiet weltweit seinesgleichen suchen konnte", schrieb der Lokalchronist Roland Milde. Er ging den Dingen auf den Grund: Um die nach dem Kriege verwirrten Eigentumsverhältnisse zu ordnen sowie Kriegsverbrecher und Kriegsgewinnler zu entmachten wurde in Sachsen am 30. Juni 1946 ein Volksentscheid durchgeführt. Dabei entschieden sich 2,7 Millionen Bürger, das waren 77,60 % der Stimmberechtigten, für eine entschädigungslose Enteignung. Das war die Basis für das spätere Volkseigentum.

Der Aufbau brummte! Die Einwohnerzahl stieg auf das Doppelte an, was einen Riesenaufschwung im Wohnungsbau und anderen sozialen Bereichen nach sich zog. Das Fortschrittwerk übte auch in kultureller Hinsicht einen segensreichen Einfluß aus. Das mag in westdeutschen Ohren etwas befremdlich klingen, läßt sich aber leicht erklären. Da alle größeren Unternehmen jetzt Volkseigentum waren, sollten die in ihnen Beschäftigten auch unmittelbar am Gewinn beteiligt sein. Daher verfügten diese Betriebe über einen Fonds, aus dem kulturelle Einrichtungen und Sportstätten finanziert werden konnten. Ein wichtiger Grundsatz des sozialistischen Staates konnte so zur Realität werden: Bildung für alle. Das ehemalige Schützenhaus wurde als Karl-Liebknecht-Haus zur Stätte regelmäßiger Gastspiele namhafter Künstler und bekannter Ensembles, vor allem aus Dresden. Sie spielten und sangen vor ihrem Kleinstadtpublikum mit Freude und hohem persönlichem Einsatz, wie ein berühmter Sänger bewies. Er trat nach seiner furiosen Liebesarie ab und schmetterte sie dann noch ein zweites Mal hinter der Bühne, die keine schalldämpfenden Einrichtungen besaß, ganz privatissime seiner Theaterliebsten entgegen. Von Stund an soll zwischen ihnen etwas mehr als eine bloße Theaterliebschaft bestanden haben. Die Zuschauer applaudierten ein zweites Mal für diese Hinterbühnendarbietung.

Am Markt der kleinen Stadt entstand ein stark frequentiertes Lesecafé, wo erst in zweiter Linie Kaffee geschlürft werden konnte. Es war übrigens Schauplatz der Auftritte von Autoren wie der beiden Strittmatters, Bruno Apitz, Günther Weisenborn und Christa Wolf.

Neustadt hob sich von anderen Städten auch durch eine Sternwarte auf dem Dach der neuerbauten Schule ab. Am Fernrohr drängelten sich Neugierige, die sehen wollten, wie erste von der Erde entsandte Sputniks an den ständigen Himmelsbewohnern vorbeizogen. Ein besonderes Verdienst daran hatte Martin Stock - ein liebenswertes Original von seltener Art. An allem, was im Weltraum geschah, war er brennend interessiert.

Martin besaß neben seiner Drogerie auch eine Tankstelle. Einmal erklärte er Umstehenden, die sich stets ansammelten, wenn das stadtbekannte Unikum seine Reden schwang, daß man eine Zigarette in Benzin genausogut ausmachen könne wie in Wasser. Dabei steckte er einen Glimmstengel in den vollen Tank, bevor sich die entsetzten Zuschauer davonmachen konnten. Tatsächlich geschah nichts. Martin wollte nur beweisen, daß auch Benzin zum Brennen Sauerstoff benötigt. Der experimentierfreudige Mann aber wurde energisch darum ersucht, solches in Zukunft zu unterlassen.

Martin konnte wunderbar Witze erzählen. "Die Ehe hat einen großen Vorteil - man ist nicht mehr allein. Sie hat aber auch einen entscheidenden Nachteil - man ist nicht mehr allein ...", gab er zum besten. Alles hielt sich den Bauch vor Lachen.

Wenn man das Fortschritt-Werk als Gehirn der aufstrebenden Stadt bezeichnen könnte, so war ihr Bürgermeister Bruno Dietze deren Seele. Ein Genosse der SED, bezog er stets auch die Mitglieder anderer Parteien und Parteilose auf eine Weise mit ein, die dem Hochmut mancher Funktionäre Grenzen setzte. Bruno starb viel zu früh, von allen Neustädtern geliebt und geachtet. Die Hauptstraße im Neubaugebiet Götzinger Höhe trägt den Namen dieses würdigen Vertreters einer unvergleichlichen Aufbauphase, in der aus dem "Blumenstädtchen" eine blühende Industriestadt wurde.

"Die politischen Veränderungen von 1989 und der dann einsetzende Umgang mit dem Volkseigentum, die Privatisierung um jeden Preis, die schnelle Einführung der D-Mark und das Überstülpen eines neuen Rechtssystems, das Wegbrechen der Exporte, weil keiner der Partner des Kombinats in freien Devisen zahlen konnte, führten schon am 30. Juni 1990 zu seiner Auflösung und dazu, daß die Betriebe sowie deren Vermögenswerte der Treuhand übergeben wurden", berichtet Roland Milde. "Die ursprünglich verkündete Absicht, das Volkseigentum treuhänderisch zu verwalten, wurde dabei ins Gegenteil verkehrt. In dieser Zeit sprach man oft von der 'maroden Industrie der DDR'. Wenn das auch für einige Betriebe, insbesondere der Konsumgüterindustrie, zutreffend gewesen sein mag - das Kombinat Fortschritt war in keiner Weise marode und hätte sich, vielleicht in abgespeckter Form, einen Platz in der deutschen Maschinenbauindustrie erkämpft."

Aber dort, wo in Neustadt einst 6800 Menschen Arbeit und Brot hatten, ist nichts übriggeblieben außer riesigen Industriebrachen. Sichtbar sind leider nur noch außer Betrieb gesetzte Anlagen und ungenutzte, heruntergekommene Flächen. Dazu jede Menge Ruinen. Doch die Erinnerung daran, daß Generationen hier einmal ihre gesicherte Existenz hatten, lebt weiter.

Renate Teller, Worpswede

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Wie die Diktatur des Proletariats eine illustre Gesellschaft hinwegfegte

42 Regisseure und ein Besen

Es ist fast unmöglich, drei Regisseure zusammenzubringen. Wenn auch nur für ein paar Stunden.

Der eine ist im Ausland auf Motivsuche, der andere zu Außenaufnahmen irgendwo zwischen Kap Arkona und Bad Elster, der dritte hat sich mit seinem Drehbuchautor in die Einsamkeit verkrochen.

Sie sind Individualisten aus dem Drang, den ihnen allein schon ihre Arbeit auferlegt, die immerhin vor Millionen Zuschauern ausgebreitet werden muß.

Nun bringe man aber nicht nur diese drei, sondern mehr als eine halbe Hundertschaft zusammen. Und dies soll mindestens alle zwei Jahre einmal geschehen.

Regisseurversammlung! Dieses Wort ist schon ein Widerspruch in sich selbst. Wie soll man kreative Menschen, von denen jeder seinen unverwechselbar eigenen Weg gehen will, versammeln? Unter einen Hut bringen?

Die Leitung dieser Konferenz hatte unsere Regiekollegin Ingrid, bei der stets alle Fäden zusammenliefen, was Einsatz, Organisation, Verträge und künstlerische Ansprüche betraf.

Zirka 50 (fünfzig!) Künstler, von denen sich jeder (jeder!) für ein eigenes Universum hält. Für ein einmaliges Regie-Exemplar, für ein - sagen wir es ruhig, bescheiden wie wir sind - nicht gerade für ein Genie, aber doch für so etwas ähnliches.

Nur Ingrids hartnäckigem Nachhaken, die Drehpläne danach einzurichten, war es zu verdanken, daß dieser heikle und nicht unwichtige Termin den meisten in Erinnerung blieb.

Auf siebzehn Uhr hatte sie die Zusammenkunft angesetzt. Open end. Ingrid bat schon im Vorfeld, auch den späten Abend und die halbe Nacht freizuhalten.

Und dann kamen sie. Manche mit hängender Zunge direkt vom Außen-Set oder aus dem Atelier; die Korrekten, die Pünktlichen. Andere stolzierten erst mit dem akademischen cum tempore gnädig herein, andeutend, daß sie es als Geschenk an die Allgemeinheit empfinden, zu diesem Anlaß anwesend zu sein.

Als letztes erschien die Handvoll Kollegen, über denen die Gnadensonne der Republik ständig leuchtete. Mit einem flüchtigen Kopfnicken nach allen Seiten setzten sie sich in einer Ecke zusammen und tauschten flüsternd die letzten Hintergrundinformationen aus, über die sie auf Grund ihrer freundschaftlichen Verbindungen verfügten.

Die Zusammenkunft fand in der Betriebskantine statt.

Man hatte sich zum Teil viele Monate nicht gesehen, begrüßte sich mit Umarmung, Küßchen, freundlich nichtssagendem Geplapper oder höflicher Nichtachtung.

Die Anwesenheitsliste, die von Hand zu Hand ging, zählte 42 illustre Köpfe. Ich sah im Geiste schon die Morgensonne aufleuchten, bis der letzte sein Scherflein beigetragen, sein Votum abgegeben und seine Wichtigkeit bedeutungsvoll unterstrichen hatte.

Aber immerhin schien es anregend zu werden, denn jeder der Maestros hatte bestimmt etwas zu bieten, was vielleicht doch von gemeinsamem Interesse war. Nur - ausufern durfte es nicht! Es war immerhin zu erwarten, daß einige der Kollegen, die sonst keine Gelegenheit hatten, sich zu spreizen, heftig mit ihren Flügeln schlagen und ihr buntes Gefieder zeigen würden.

Also 42 Diskussionsbeiträge, Auslassungen, Erklärungen, Statements, Beschwerden, Darlegungen usw.

In Gedanken strich ich schon einige Punkte meines eigenen Beitrags, so einen Teil meines Zeitlimits den Regiekardinälen zukommen lassend.

Ingrid verlas die Geschäftsordnung. Darunter für jeden so lebenswichtige Punkte wie Sendevorhaben, Drehpläne, Atelierverteilung, Zusammenarbeit mit den Autoren des Schriftstellerverbandes, Konflikte mit den Theatern wegen der Drehgenehmigungen für die Schauspieler, gleichmäßige Verteilung von Mehrteilern und Serien im Dreh- und Sendeplan, wichtige Sendevorhaben zu Jahrestagen, Fest- und Feiertagen. Dann gerechte Aufteilung des Sendeetats, des staatlichen Geldkuchens.

Hier war die Chance, öffentlich Dampf abzulassen. Die ersten, die zu Wort kamen, breiteten sich, wie zu erwarten war, genüßlich aus. Warum sie mit dem Plan im Rückstand waren, welche Theaterintrigen ihnen bei der Überlassung von Schauspielern Steine in den Weg legten.

Dem nächsten hatte die Polizei nicht rechtzeitig die Straße gesperrt, und er mußte bei seinem Film, der 1875 spielte, drei Trabanten und zwei Wartburgs beseitigen, wobei es fast zu einer Straßenschlacht gekommen wäre. Wieder einer schmollte langatmig, weil sein Vorhaben, ein Bauernkriegsdrama, zugunsten einer LPG-Serie verschoben wurde.

Fast zu einem Eklat kam es, als es um das Drehvorrecht von drei verschiedenen Filmen mit der gleichen Darstellerin ging.

Von den 42 Kollegen hatten bis kurz vor 22 Uhr ganze acht gesprochen.

Einige gewichtige Themen harrten noch ihrer Behandlung. So das Thema der Planerfüllung, das neben der künstlerischen Qualität auch die ökonomische Disziplin mit einschloß.

Jede Veränderung des Drehplans löste ein kleines Erdbeben aus, da die verschiedenen Produktionen ineinander verzahnt waren. Hinzu kam, daß wir bei großen Atelierszenen in Babelsberg nur in den Nächten drehen konnten, da wir erst dann die Stromkontingente der Potsdamer Industriebetriebe mit nutzen durften.

Inzwischen klapperten einige schon verdächtig mit den Augendeckeln, als endlich einer unserer Oberspitzenleute aufstand und sich vernehmlich räusperte. Er setzte zu seinem lang erwarteten Beitrag über ein sensibles Thema an: Wie weit können wir in unseren dramatischen Fernsehbeiträgen mit einer konstruktiven Kritik gehen, ohne den sozialistischen Standpunkt zu verletzen oder gar aufzugeben?

Ein hochexplosiver Stoff, für alle von großem Interesse und brennender Aktualität.

Er räusperte sich, schob sich auf dem Tisch einige Blätter seiner Rededisposition zurecht, während wir uns alle genüßlich in gespannter Wartehaltung zurücklehnten, holte tief Luft und wollte gerade beginnen - als die Tür zum Speisesaal geräuschvoll geöffnet wurde. Wie von einer Schnur gezogen flogen unsere Köpfe in diese Richtung. Im Türrahmen stand eine ältere Frau mit Eimer, Putzlappen und Besen.

"In zehn Minuten is Schluß hier, Herrschaften. Ick muß die Bude schrubben, denn sie wollen ja morjen wieder eene piksaubere Kantine haben."

Jetzt flogen unsere Köpfe zu Ingrid. Erstaunt, betreten, belustigt, erwartungsvoll.

Ingrid war betroffen. Immer auf Harmonie bedacht, verlegte sie sich aufs Handeln: "Ich hatte den Raum korrekt und rechtzeitig bestellt."

"Det stimmt schon, Kollegin, aber nur bis 22 Uhr. Un meine Schicht jeht bis um elfe. Bis dahin muß ick den Saustall doch noch saubermachen. Sie sehen ja selbst - die Zigarettenkippen, de schmutzigen Tische, det Jeschirr von Nachmittag, den Fußboden."

Der Bedeutende, der immer noch auf seiner Ausgangsposition stand, schlug nun einen herablassend-gutmütigen Ton an: "Lassen Sie mal, gute Frau. Bei uns dauert es hier noch eine ganze Weile. Wir räumen nachher selbst auf."

"Nee nee, det machen Se mal lieber bei sich zu Hause. Det hier is mein Revier. Für det bin ick janz alleene verantwortlich. Außerdem muß ick den Laden och noch abschließen."

Ingrid mit einem verzweifelten Versuch, aber in versöhnlichem Ton: "Lassen Sie den Schlüssel hier, ich schließe ab. Ehrenwort!"

Die Frau mit Entrüstung: "Den Schlüssel jeb ick nich aus de Hand. Uff keenen Fall! Die Verantwortung hab ick janz alleene."

Ingrid rang um ihre Autorität, wollte unter keinen Umständen ihr Gesicht verlieren.

Wenn die Situation eskalierte, und anscheinend ließ es diese resolute Frau darauf ankommen, denn sie war im Recht, dann gab es Folgerungen: Beschwerden bei der Gewerkschaft wegen Behinderung ihrer Arbeit. Unerlaubtes und unangemeldetes Verweilen auf dem Betriebsgelände nach offiziellem Arbeitsschluß. Einmischen der Partei wegen ungebührlichen und anmaßenden Benehmens gegen Kollegen aus der - na, sagen wir es ruhig - Arbeiterklasse. Sofort wird wieder assoziiert, daß die sowieso schon immer arroganten Künstler unverhältnismäßig auf den Putz gehauen hätten, statt die werktätige Kollegin ihrer Putztätigkeit nachgehen zu lassen. Fazit: Überhebliches und arrogantes Verhalten der sowieso viel zu hoch bezahlten Künstler-Clique gegenüber unserer schwer arbeitenden Bevölkerung, die ihnen die materielle Grundlage für ihre abgehobenen Spinnereien schafft!

All das ging blitzartig durch unsere Köpfe, und keiner wollte in diesem Augenblick mit Ingrid tauschen.

Diese tat das einzig Richtige. Mit vor Reue zerknirschtem Gesicht bat sie: "Sie haben recht, ich hab's versäumt, die Verlängerung mit einzureichen." Sie schluckte ihre Verärgerung runter und bat mit einschmeichelndem Lächeln: "Lassen Sie uns wenigstens noch ein Viertelstündchen!"

Die Frau in gutmütiger Großzügigkeit: "Is jut. Ick will mal nich so sin." Doch drohend hob sie den Finger: "Aber keene Minute länger, Kollegin! Ick eß jetzt in Ruhe meine Pausenstulle, hol Wasser, und dann jeht's los. Denn is Sense hier!" So verließ sie mit ihrem Eimer den Raum.

Totenstille. Der einzige, der maulte, war unser Oberwichtiger. Er steckte seine Rededisposition weg und knurrte sarkastisch: "Kann ich meinen Beitrag ja am schwarzen Brett aushängen, wo er drei Wochen angepinnt bleibt und kein Schwein ihn liest!"

Nun ging es ratzbatz. Ingrid war die Situation höchst peinlich. Ehe sie sich wortreich bei uns entschuldigen konnte, winkten wir ab. Sie haspelte schnell einige organisatorische Mitteilungen runter und versprach, sich in kleineren Arbeitsgruppen nochmals mit uns zu treffen. Mit allen guten Wünschen für unsere Arbeit waren wir verabschiedet.

Während die meisten von uns in ihre Autos stiegen, sah ich mit einem Blick zurück durch die Scheibe der Glastür, wie Ingrid das schmutzige Kaffeegeschirr von den Tischen räumte, wie immer um absolute Korrektheit bemüht.

Die Reinigungsfrau schrubbte die Kantine, fuhr befriedigt mit der Straßenbahn in dem wohligen Bewußtsein nach Hause, ihre Pflicht in unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat vollauf getan zu haben.

Viele meiner Kollegen schliefen mit einem dankbaren Lächeln ein, schließlich muß doch jeder vor Ort irgendwie allein mit seinen Problemen fertig werden, und keiner hilft ihm dabei. Keiner!

Die Stunde der Wahrheit schlägt im Atelier. Und da bist du allein. Trotz der Diktatur des Proletariats ...

Rudi Kurz


Am 9. Mai wird Nationalpreisträger Rudi Kurz Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur der DEFA und des DDR-Fernsehens, 90 Jahre alt. Mit Serien wie "Das Grüne Ungeheuer", "Artur Becker", "Hans Beimler, Kamerad", "Ohne Kampf kein Sieg", "Ernst Schneller" und "Archiv des Todes" begeisterte er ein Millionenpublikum im In- und Ausland. Wir beglückwünschen unseren treuen und liebenswerten Mitstreiter, der sich ein hohes Maß geistiger Frische und einen beeindruckenden Kampfgeist bewahrt hat, in herzlicher Verbundenheit zu seinem großen Jubiläum.

Raute

Ein Ungar, dessen Bücher die Welt eroberten

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Raute

Größe durch Schlichtheit: Erwin Strittmatter

"An Einsamkeit und Langeweile hatte ich nie zu leiden. Ich hatte meine Arbeit, weil ich spürte, daß ich der Welt und der Menschheit wenig genutzt hätte, wenn ich geblieben wäre, wie ich war", apostrophierte Erwin Strittmatter. Er war ein poetischer Mensch - ein "Träumer, Grübler und Frager". Er entwickelte sich in über 50 Jahren zu einem der beliebtesten DDR-Schriftsteller, blieb aber in der Alt-BRD lange ein Unbekannter. Seine Bücher lagen allein in der DDR in einer Gesamtauflage von über fünf Millionen Exemplaren vor und wurden in fast 40 Sprachen übersetzt.

Strittmatter trat zu Beginn der 50er Jahre mit seinen Stücken "Die Holländerbraut" und "Katzgraben. Szenen aus dem Bauernleben" auf. Es folgten seine beiden erfolgreichen Romane "Ochsenkutscher" (1956) und "Tinko" (1957), verfilmt von Herbert Ballmann mit Günther Simon. Neue Bücher erwarteten seine Leser in all den Jahrzehnten wie gute Freunde. Etliche brachte der Aufbau-Verlag Berlin in den Jahren der runden Geburtstage des Autors heraus. Sie wurden gewissermaßen zu Präsenten des Jubilars für sein millionenfaches Leserpublikum. 1957 erschien "Der Wundertäter I", der über 30 Auflagen erreichte. In dem Erziehungsroman, der ein literarisches Ereignis war, gestaltete er, wie Stanislaus Büttner in die Welt geriet. "Pony Pedro" (1959) ist sicher sein erfolgreichstes Kinderbuch, von dem 1981 bereits 33 Auflagen vorlagen. Sein Roman "Ole Bienkopp" (1963) löste eine lebhafte Leserdiskussion aus. Der Autor erzählt hier von einem scheinbaren Sonderling, der sich an der Front zwischen Büro und Feld bewähren wollte. 1966 brachte der Aufbau-Verlag den "Schulzenhofer Kramkalender" heraus, der weit über ein Dutzend Auflagen erreichte. Darin hielt Strittmatter in 200 Miniaturen, Kurzgeschichten und Anekdoten Zwiesprache mit sich und seiner Umwelt. "Aufbau" präsentierte auch die Prosabände "Ein Dienstag im September" (1970) und "¾ hundert Kleingeschichten" (1971). Der Erzählband "Die blaue Nachtigall oder Der Anfang von etwas" (1972) bildete den Glanzpunkt zu seinem 60. Geburtstag. Darin bereitete er Träume aus seinen Kinder- und Jugendjahren episch auf und verdichtete seine Lebenserfahrungen.

Später folgte "Der Wundertäter II" (1980), in dem er die Geschehnisse um Stanislaus Büttner weiterspann. Es erschienen die "Selbstermunterungen" (1981), die er bereits 1966 und 1967 geschrieben hatte. Zum 65. brachte sein Verlag "Meine Freundin Tina Babe" und "Sulamith Mingedö, der Doktor und die Laus" (beide 1977) heraus. Die drei neuen "Nachtigall"-Geschichten in "Tina Babe" waren Berichte vom Schreiben, Geschichten nach der Natur und Geschichten in Geschichten. 1980 vollendete Strittmatter mit einem weiteren "Wundertäter"-Band seine erste Trilogie. Zum 70. Geburtstag des bekanntesten Dollgowers brachte der Verlag 1982 "Wahre Geschichten aller Ard(t)" heraus.

Der erste Band der Trilogie "Der Laden" fand ein Jahr später Zugang zu den Lesern. Darin erzählte Strittmatter in der Ich-Form von seinen Großeltern im dörflichen Milieu 1919. Eine weitere Nachtigall-Geschichte folgte unter dem Titel "Grüner Juni" (1985). Arno Mohr legte zehn Holzschnitte zum "Laden" vor. 1987 erwartete die Strittmatter-Fans das Brevier "Lebenszeit" mit autobiographischen Texten, Werkauszügen und 84 Privatfotos. Die Leser erhielten tiefere Einblicke in die Erlebniswelt des Autors, in den oft qualvollen Prozeß seiner schöpferischen Arbeit. Schon bald darauf erreichte sie der zweite Band des Romans "Der Laden". Einiges aus seinen Tagebüchern der 70er Jahre veröffentlichte er in "Die Lage in den Lüften". Das Buch erschien 1990. Die Aufzeichnungen teilten Zeitempfinden mit, wiesen nach, daß Dichten eine "Hobelarbeit" am Text ist. 1992 erfreuten Autor und Verlag die Leser mit dem letzten Band der "Laden"-Trilogie und der Pferdegeschichte "Flikka".

Eva Strittmatter gab 1995 Aufzeichnungen ihres Mannes unter dem Titel "Vor der Verwandlung" heraus. Damit wurde ein Schlußpunkt unter ein großes Lebenswerk gesetzt.

Poetische Texte von Eva und Erwin Strittmatter sind in den Jahreszeitenbüchern "Du liebes Grün" (mit 80 Fotos) und "Landschaft aus Wasser, Wacholder und Stein" (beide 2000) vereint. Klaus Walther gab das große Erwin-Strittmatter-Buch "Wie der Regen mit dem See redet" (2002) heraus. Günther Drommer veröffentlichte die erste Strittmatter-Biographie "Des Lebens Spiel". Drommer und Eva Strittmatter legten "Erwin Strittmatter - eine Biographie in Bildern" (2002) vor.

Der 1912 geborene Schriftsteller starb 1994. Das Literaturmuseum Marbach, die Akademie der Künste und die Berliner Staatsbibliothek bewarben sich um das Archiv. Es bleibe aber nach dem Wunsch ihres Mannes dort, wo es in über vier Jahrzehnten entstanden sei - in Schulzenhof, entschied Eva Strittmatter.

Dieter Fechner

Raute

Liebe Post aus Bad Saarow

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Raute

Archie über zwei Kampfhähne

Vor kurzem hat Archie irgendwo gehört, daß sich Papst Benedikt XVI., der vor seiner Inthronisation im Vatikan auch für die Nachfolgeeinrichtung der Inquisition zuständig war, gelegentlich einen Film aus der Reihe "Don Camillo und Peppone" ansehen soll. Vielleicht ist das aber auch nur ein Gerücht. Fernandel, der großartige Darsteller, gab darin den Priester, großmäulig und zur Gewalt neigend, aber nicht ohne Herz für die kleinen Leute, ständig in Zwiesprache mit seinem himmlischen Dienstherrn. Er kreuzt immer wieder mit seinem schärfsten ideologischen Widersacher und Gegenspieler, dem kommunistischen Bürgermeister Peppone, die Klinge. Der wiederum ist eine Art Stalin-Parodie, indes mit weichem Kern unter rauher Schale. Bei allen Wortgefechten, Scharmützeln und auch Schmähungen, die sich beide liefern und antun, sind sie stets darauf bedacht, einander nicht zu vernichten. Im Gegenteil, sie scheinen geradezu aufeinander angewiesen zu sein.

Giovanni Guareschi, der 1968 das Zeitliche segnete, verfaßte einst die Geschichten über den äußerst streitbaren Priester und den bärbeißigen kommunistischen Verwaltungschef in heiterster satirischer Manier. Die halbe Welt amüsierte sich vor den Kinoleinwänden über die beiden Kampfhähne. Man mag das Ganze als herzerfrischenden Klamauk abtun, doch die humorigen Zustände in einem italienischen Bergdorf wären im eher hurmorlosen Deutschland gar nicht denkbar gewesen, ganz gleich wo.

In der Alt-BRD wurden Kommunisten immer als finstere Gesellen und aus dem Osten kommende Marionetten Moskaus verschrien, verteufelt, unterdrückt und mit ideologischen Eisenhämmern bearbeitet. Ähnliches kennt Archie bereits aus seinen Breslauer Kindertagen, als er gelegentlich die Nazi-Wochenschau zu sehen bekam. Über den "Kommunismus" haben zu allen Zeiten die verschiedensten Leute - je nach Standort und Intellekt - Kluges oder Stupides vom Stapel gelassen. Doch keiner hat bisher genau beschreiben können, wie er denn aussehen und im Detail funktionieren könnte.

Nach allem, was Archie bislang über ihn in Erfahrung gebracht hat, scheinen einstweilen nur die Richtung und das anvisierte Ziel in verschwommenen Umrissen erkennbar zu sein. Dabei hatte er einige Prinzipien verinnerlicht, an denen er auch heute mit gutem Grund beharrlich festhält, allerdings immer in dem Bewußtsein, daß man in der guten alten kleinen DDR, aber auch in der enorm großen und mächtigen Sowjetunion, noch Lichtjahre vom Kommunismus entfernt war. Manche Leute meinten, das Tor zu ihm sei bereits so weit aufgestoßen, daß sie seiner zu ihren Lebzeiten selbst noch teilhaftig werden könnten. Archie hingegen vermutete, es sei trotz einiger Schritte in dieser Richtung vorerst nur einen winzigen Spalt breit geöffnet, so daß man den Weg mehr erahnen als sehen könne.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt, alle sprächen von Gott, aber keiner sei ihm jemals begegnet. Ähnlich verhalte es sich mit dem Kommunismus. Und Archie sinniert so vor sich hin: Vielleicht ist der Liebe Gott gar nicht so lieb und der Kommunismus auch nicht das Einfache, das schwer zu machen ist, um sich der Worte Bertolt Brechts zu bedienen. Manche, die keineswegs seine Gegner sind, halten ihn gar für etwas, das auf dieser Erde wohl kaum umsetzbar sein dürfte, zieht man die derzeitige Beschaffenheit der Menschen in Betracht. Nur ein ewiger Traum?

Ein verdienstvoller linker Politiker drückte es so aus: "Der Sozialismus-Kommunismus funktioniert entweder auf der ganzen Welt oder überhaupt nicht ..." Wie aber könnte er in der Praxis aussehen?

Bekannt ist auch das Luxemburg-Wort von der historischen Alternative "Sozialismus oder Barbarei". Ist der Kommunismus tatsächlich die einzige Möglichkeit, die Erde vor der Horrorvision künftiger Unbewohnbarkeit zu bewahren?

Gleichwohl, wenn sich Linke verbieten lassen, über das "K-Wort" in aller Öffentlichkeit zu diskutieren, dann können sie wohl nur einen kapitalkompatiblen Salon-Sozialismus anstreben, mit Rückgaberecht und Umtauschmöglichkeit, sozusagen. Archie glaubt, daß sich Linke dieser Art selber zu Schoßhündchen des Kapitals degradieren, wenn sie sich die Oberhoheit über ihr begriffliches Instrumentarium vom politischen und sozialen Gegner entreißen lassen. Dann wird in der Tat Konsumterror und Medien-Mainstream-Denken den Sieg davontragen. Das sehen auch kritische linke Wähler mit wachsendem Unbehagen, denkt Archie, wenn er sich unter Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen oder gar ohne Job umhört.

Dabei stieß er auf Wichtiges, das bereits 1925 gesagt wurde: "Ihr werdet die Macht nur haben, wenn ihr die große, einige Linke schafft. Wer diese Umgruppierung heut zuwege bringt - das ist der Messias, den die Zeit und Deutschland brauchen. Morgen ist es zu spät. Also los!" Das schrieb Alfred Kerr, ohne Zweifel kein Kommunist. Archie meint, man müsse demnach nicht nur die Klassiker lesen, um Positives über den Kommunismus oder die Wege dorthin zu erfahren.

Manfred Hocke

Literaturhinweis
Manfred Hocke: Archie in den Zeiten.
Mit Illustrationen von Heinz Herresbach.
GNN-Verlag, Schkeuditz 2011, 204 S.,
15 Euro, ISBN 978-3-89819-347-X

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Gesine Lötzsch hat über die Suche nach möglichen Wegen zum Kommunismus nachgedacht. Daß sich Funktionsträger der PDL daraufhin alsbald gegen die Parteivorsitzende stellten und ganze Landtagsfraktionen im Verbund mit SPD und Grünen - zwei Parteien, die den Überfall auf Jugoslawien und die BRD-Teilnahme am Afghanistankrieg ebenso wie Hartz IV zu verantworten haben - die Debatte über eine mögliche kommunistische Zukunft für absurd und überflüssig erklärten, macht einen Geburtsfehler der einstigen PDS wie der heutigen PDL deutlich: Der Verurteilung des "Stalinismus", was immer auch darunter zu verstehen sein mag, wurde keine Absage an den Antikommunismus zur Seite gestellt, der den Vorwand für die monströsesten Untaten des 20. Jahrhunderts geliefert hat.

Wenn derzeit auch nirgendwo ein Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaftsordnung zur Debatte steht, wird ein Kapitän doch nicht nur bis zur Kimm schauen, sondern auch über die Fahrt seines Schiffes jenseits des Horizonts nachdenken - es sei denn, er hielte die Erde für eine Scheibe, auf der in der Ferne nichts anderes mehr kommt.

Prof. Dr. Karl-Heinz Bernhardt, Berlin


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Seit Beginn der Volksaufstände im arabischen Raum bedienen sich imperialistische Politiker und Kommentatoren bürgerlicher Medien des untauglichen Vergleichs mit der angeblichen Wende in der DDR. Dabei waren die vor allem von den USA und der BRD mit Waffen und Geld gefütterten arabischen Unterdrücker ihrer Völker doch bis vor kurzem noch die Lieblingsdiktatoren der "westlichen Demokratien". Sicher bleibt Ländern wie Ägypten und Tunesien eine "Treuhand" erspart. Doch allein schon das Angebot der Imperialisten, beim "Aufbau der Demokratie" und der Ausarbeitung neuer Verfassungen "helfen" zu wollen, läßt die Alarmglocken schrillen.

Ob die Ereignisse in den genannten und anderen arabischen Ländern den Anspruch einer bürgerlichdemokratischen Revolution erfüllen oder "nur eine qualitativ neue Phase des Erhalts imperialistischer Herrschaft" (Prof. W. Ruf) sind, wird sich zeigen. Ich jedenfalls ginge nicht so leichtfertig mit dem Revolutionsbegriff um wie ein bekanntes Möbelhaus, das seinen Kunden eine "Finanzierungsrevolution" verspricht.

Harry Pursche, Leipzig


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Die heute übliche Darstellung Gaddafis als blutrünstiger Diktator dient vor allem dem Zweck, die Volksmassen im Sinne der Aggressoren psychologisch zu beeinflussen. Die imperialistische Lügenindustrie ist so weit entwickelt, daß sie ein ausgewähltes Ziel - in diesem Falle Gaddafi - von heute auf morgen propagandistisch "sturmreif" zu schießen vermag. Dieses Rezept hat sie Goebbels entliehen und in den letzten Jahrzehnten unter Einsatz ultramoderner Technik weiter vervollkommnet.

Wieder ist ein Team aus versierten Geheimdienstlern im Auftrag des Kapitals tätig gewesen, um für die notwendige "Stimmung" zu sorgen. Abermals gab man einen Staatsmann internationalen Terroristen zum Abschuß frei. Erneut geht es um Öl, überzieht man ein souveränes Land allein des schwarzen Goldes wegen mit Mord und Ausrottung.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


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Dieser Tage verfolgte ich eine Fernsehdiskussion über die verheerende Atomkatastrophe in Japan. Schwarz-gelbe Politiker gaben sich dort betroffen und erklärten, die Katastrophe im Fernen Osten sei nicht vorhersehbar gewesen. Solche Äußerungen kamen von den gleichen Leuten, die noch vor einigen Wochen betont hatten, wie sicher doch die deutschen Kraftwerke seien, so daß man ihre Laufzeit - auch die der ältesten - unbedingt verlängern müsse. Nach weiteren Worthülsen versicherte man mit frommem Augenaufschlag, wie ernst Frau Merkel doch die Bedenken der Bevölkerung genommen habe, sei schon daran zu ermessen, daß sie einige AKWs sofort für die Dauer von drei Monaten abgeschaltet habe.

Die Vermutung, diese Entscheidung stehe in direktem Zusammenhang mit der Serie von Landtagswahlen in der BRD, liegt nahe.

Heiko Wittich, Landkreis Güstrow


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Der Artikel von Walter Ruge über den russischen Schriftsteller Daniil Granin war eine überzeugende Aufforderung, seine Bücher wieder zu lesen. Ergänzen möchte ich, daß Graniin Mitglied der Akademie der Künste in Berlin ist. Auf meine Frage an ein anderes Akademiemitglied, wie lange dieser Autor dem Gremium schon angehöre, wurde mir erklärt: "Der ist schon immer da!"

Nachdem ich "Ur" und "Das Gemälde" von Granin gelesen hatte, schrieb ich ihm, und er antwortete: "Ihr Brief ist angenehm, weil wir jetzt nur noch so selten voneinander lesen und noch seltener eine Meinung ausdrücken. 'Ur' ist für mich besonders interessant, weil er mit dem deutschen Leben meines Helden verbunden ist."

Volker Braun, Neuwustrow/Oderbruch


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Eine kleine Korrektur zu einem würdigen Nachruf: Der Bildhauser Jo Jastram ist nicht im Dezember 2010, sondern am 7. Januar 2011 gestorben.

Ich habe Inge Jastram und ihrer Tochter die "RotFuchs"-Ausgabe vom März 2011 überreicht. Sie hat mich gebeten, im Namen beider für den Artikel zum Tode Jos aufrichtig zu danken.

Dr. Walter Lambrecht, Zingst


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Für uns und viele ehemalige DDR-Bürger war Täve Schur Vorbild und Idol. Als er 1958 und 1959 Weltmeister im Radsport wurde, war die Friedensfahrt bereits ein Straßenfeger, und wir eilten nach der Schicht an die Radios, um die Etappen und Zielankünfte zu verfolgen. Die Begeisterung war einfach riesengroß.

Als Bundestagsabgeordneter der PDS mußte Täve in einer späteren Phase seines Lebens Anfeindungen und Ausgrenzung ertragen. Bis heute ist er damit wohl nicht fertiggeworden.

Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg, Riesa-Weida


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Seit 1987 war ich Jugendbrigadier im VEB Eisenund Hüttenwerk Thale/Harz. Unsere Brigade trug den Namen der jungen deutschen Kommunistin Herta Lindner aus dem Sudetengebiet der Tschechoslowakei, die, erst 22jährig, im März 1943 von den Faschisten hingerichtet wurde. Ich würde die Leser des RF gerne fragen, ob jemand Herta Lindner aus dem damaligen Mariaschein (Kreis Teplice) kannte und mir über sie zu berichten vermag. Gibt es noch Freunde oder Genossen, die vielleicht sogar Fotos oder ein gezeichnetes Porträt von Herta besitzen? Eine Kopie davon habe ich seinerzeit an unsere Wandzeitung geheftet, konnte sie aber in den Wirren der "Nachwendezeit" leider nicht retten. Meine Adresse: Winkel 12 a, 06507 Thale/OT Stecklenberg, Handy-Nr. 01 60 93 52 13 43.

Jens Wunderlich, Stecklenberg/Harz


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Vom 17. bis 19. April 1961 unternahmen 1500 von der CIA vorgeschickte Konterrevolutionäre einen Angriff auf das freie Kuba, um die alten Machtverhältnisse wiederherzustellen. Schauplatz der Ereignisse war die Schweinebucht an der Playa Giron.

Die Söldner-Invasion endete mit einer vernichtenden Niederlage. Fidel Castro demonstrierte bei dieser Gelegenheit seine großen strategischen und taktischen Fähigkeiten.

Aus Rache für das Debakel verhängte Washington am 25. April 1961 ein Handelsembargo gegen Kuba, das 1962 durch John F. Kennedy zu einer totalen Wirtschaftsblockade ausgeweitet wurde. Ich bitte, alle RF-Leser, Briefe an USA-Präsident Barack Obama mit der Forderung nach Aufhebung der Blockade zu richten.

Heinz Oehme, Chemnitz


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Den 8. März verbrachten wir in der Türkei. Die Leitung des Hauses überreichte jedem weiblichen Hotelgast rote Nelken zum Internationalen Frauentag. Das fanden wir toll.

Ich bin davon überzeugt, daß unsere Gastgeber nicht wissen, daß sich dieser Tag mit dem Namen einer Kommunistin verbindet. Und so manchen westdeutschen Urlaubern dürfte es ähnlich gegangen sein. In meinem Reisegepäck befand sich natürlich ein "RotFuchs". Gemessen an den im Hotel kursierenden deutschsprachigen Presseerzeugnissen erwies er sich als wahrer Lichtblick.

Hans Remmel, Neuzelle


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In Bautzen wurde der 100. Internationale Frauentag "würdig" begangen. Der Stadtrat beschloß mit Mehrheit, einen Kindergarten, der seit 60 Jahren den Namen Clara Zetkins trug, nach seiner Rekonstruktion und Erweiterung in "Kita Löwenzahn" umzubenennen. Mit dem Namen Zetkin wüßten weder die Kinder noch deren Eltern etwas anzufangen, hieß es zur Begründung.

Nach dem Verschwinden anderer hiesiger Kita- und Schulnamen - Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Dr. Richard Sorge, Kurt Pchalek und Martin Hoop - soll nun in unserer Stadt auch die Erinnerung an die große Frauen- und Kinderrechtlerin ausgelöscht werden.

Besonders gut fand ich im RF 158 die Bezüge auf Marx in verschiedenen Darlegungen. Ich habe mir dabei gedacht, wie wunderbar es doch wäre, wenn es auch bei der PDL heißen oder im ND stehen könnte: Wir sind wieder bei Marx! Wohin beide indes driften, ist leider allzu offensichtlich. Um so mehr wird die Notwendigkeit der Existenz des RF und das Engagement der daran arbeitenden Genossen deutlich.

Zum Leitartikel "Europas brauner Sumpf" meine ich, daß durch den Zwang des sich Kurzfassens bei aller Richtig- und Notwendigkeit des Dargelegten zu viele Informationen auf einmal vermittelt werden, wodurch die Argumentation zu kurz kommt. Fraglich erscheint mir die Feststellung, daß besonders die Älteren (also wir) den Faschismus generell nur mit SS, SA, Judenverfolgung, KZ und Massenmord in Verbindung bringen.

Helge Tietze, Bautzen


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Der Leitartikel von Klaus Steiniger im März-RF zur Thematik Faschismus-Neofaschismus trifft den Nagel auf den Kopf. Am Schluß schreibt er: "Hieß es gestern noch 'Wehret den Anfängen', so gilt heute die Devise: 'den Faschisten und ihren Steigbügelhaltern den Weg verlegen ... durch die Aktionseinheit aller Antifaschisten!" Das ist auch meine Meinung wie die vieler anderer RF-Leser.

Schon Goethe wußte: "Es gibt Epochen, wo es räthlich, ja unvermeidlich ist, das Eisen gemeinschaftlich zu schmieden." Auch Lenin äußerte sich in "Was tun?" zu dieser Thematik: "Nur wer zu sich kein Vertrauen hat, kann sich vor vorübergehenden Bündnissen, und sei es auch mit unzuverlässigen Leuten, fürchten, und keine einzige politische Partei könnte ohne solche Bündnisse existieren." Auch wenn das Lenin in einem ganz anderen Zusammenhang geäußert hat, beziehe ich die Substanz seines Gedankens auf das heutige Verhältnis zwischen Linken, Kriegsgegnern, aufrechten Christen und allen Antifaschisten sämtlicher Generationen.

Gert Thiede, Suhl


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Dem Faschismus-Forscher und Historiker Prof. Dr. Kurt Pätzold wurde 1992 an der Berliner Humboldt-Universität mit der Begründung gekündigt, daß er noch in den 70er Jahren dogmatisch die Faschismus-Definition der Kommunistischen Internationale vom Dezember 1933 zugrunde gelegt habe.

"Heute wird der Faschismus-Begriff in der Geschichtswissenschaft kaum noch für geeignet gehalten, die jeweiligen Besonderheiten faschistischer Systeme und des Nationalsozialismus angemessen zu erfassen." Derlei Schwachsinniges konnte man Ende 2008 im Internet lesen.

Der Faschismus-Begriff zielte, seit er über den "italienischen Fall" hinaus Eingang in die Sprache von Politik- und Gesellschaftswissenschaften fand, nie auf die Besonderheit der neuartigen, nach dem 1. Weltkrieg in mehreren europäischen Staaten wie Finnland, Ungarn, Polen, Bulgarien, Rumänien, Estland und Lettland entstandenen faschistischen Bewegungen und Regierungen ab. Er abstrahierte gerade von deren Unterschiedlichkeit und suchte das Gemeinsame, Verallgemeinernde, Charakteristische zu erfassen. Die Machtauslieferung an die Hitlerfaschisten Deutschlands war in einen breiten Faschisierungsprozeß in Europa eingebettet. Von der Verfolgung selbst betroffene Kommunisten argumentierten nie mit dem Schonbegriff "Nationalsozialisten". Dieses Wort ist kein Terminus der revolutionären Arbeiterbewegung. Der "Nationalsozialismus" war weder national noch hatte er sozialistische Ziele.

Wir sollten Worte, Sprache und Begriffe niemals fahrlässig von den Herrschenden übernehmen. Mit dem Begriff "Nationalsozialisten" will man Sozialisten und Kommunisten für das Gegenteil ihrer Ziele vereinnahmen und den Eindruck erzeugen, es handele sich gewissermaßen um Brüder und Schwestern, nur mit verschiedenen Kappen. Daß Dieter Schütt aus Hamburg in dem RF-Leitartikel Klaus Steinigers eine gewisse Verharmlosung des "Nationalsozialismus" erblickt, halte ich für unangebracht.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen-Nord


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Peinlichst vermieden wurde bei der Debatte über Guttenbergs Schwindeleien die Erwähnung eines wichtigen Details: Es handelt sich um eine großzügige Spende des Rhön-Klinikums an die Universität Bayreuth. Sie erfolgte gerade zu jener Zeit, als sich der künftige CSU-Generalsekretär und spätere Kriegsminister der BRD dort um einen Doktortitel bewarb. Hinzuzufügen ist, daß der Freiherr "rein zufällig" im Aufsichtsrat des privaten Klinikums saß, als dessen Zuwendung an "seine" Universität auf den Weg gebracht wurde.

Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin


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Es ist beschämend für die Gutachter der Dissertation Guttenbergs, die im Auftrag der Universität Bayreuth und ihrer Fakultät tätig wurden, daß niemand den Betrug entdeckt hat. Während meiner eigenen wissenschaftlichen Laufbahn in der DDR habe ich von den 24 mir vorgelegten Dissertationen nach gründlichem Studium zwei wegen Plagiats und zwei weitere wegen unzureichenden wissenschaftlichen Niveaus abgelehnt, wodurch unverdiente Doktortitel verhindert werden konnten. Das brachte mir nicht nur Anerkennung ein. Aber Ehrlichkeit und Leistung zu bieten und zu fordern gehört nun einmal zum Ethos der Wissenschaft und eigentlich überall auf der Welt zu normalem menschlichem Verhalten.

Prof. Dr. Hans-Georg Trost, Zittau


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Man stelle sich vor, Herr zu G. wäre an die Spitze der Regierung der BRD durchmarschiert und hätte dann einen Rechtsschwenk vollzogen! Ich befürchte, das abgerichtete Volk wäre ihm wie Sarrazin zu einem großen Teil hinterhergelaufen.

Manfred Hocke, Berlin


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Die Partei Die Linke hat bei uns in Erfurt einen hier ansässigen Rechtsanwalt, der aus dem Westen zugezogen ist, als ihren Oberbürgermeister-Kandidaten nominiert. Im Augenblick ist er erstaunlicherweise parteilos, war er doch zuvor bereits Mitglied der FDP und der CDU. Offenbar handelt es sich um eine politisch sehr variable Person.

Ich habe zwei Funktionären der PDL gegenüber geäußert, daß ich ihn nicht zu wählen gedächte, wenn ihm nicht rechtsverbindlich knallharte Bedingungen gestellt würden, die ihn dazu zwingen, eine der Linken entsprechende Politik zu betreiben. Es ist zu befürchten, daß er einmal mehr "von der Fahne gehen" könnte.

Hans Schneider, Erfurt


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Mit einigem Erstaunen habe ich einen Beitrag zu Helmut Preißler im März-RF gelesen, der mit meinem Namen unterzeichnet ist. Er hat mit dem Nachruf, den ich der Redaktion sandte, entfernt Ähnlichkeit.

Außerdem hatte ich bereits früher darauf aufmerksam gemacht, daß im RF Nr. 155 (Beitrag von Dr. Leopoldine Kuntz) ein angeblich in Auschwitz aufgenommenes Foto tatsächlich aus Buchenwald stammt. Eine Korrektur wurde mir zugesagt.

Gerhard Hoffmann, Frankfurt (Oder)

Bemerkung der Redaktion:
Der Beitrag war auch an zumindest eine andere Zeitschrift geschickt worden, die ihn im Wortlaut brachte. Da der RF grundsätzlich keine Dubletten veröffentlicht, wurde das Material gekürzt und an einigen Stellen umformuliert.
Das in Buchenwald aufgenommene Foto bot Google auf seinen Auschwitz-Seiten an. Daher der Irrtum, den wir zu entschuldigen bitten.


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Der Rosa-Luxemburg-Artikel im März-RF war durchaus hilfreich, doch müßte man einmal den Mißbrauch unter die Lupe nehmen, den Vietze, Brie und andere von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit diesem Namen treiben: Konvergenz, Antikommunismus und Reformismus ziehen sich wie ein roter Faden durch das Wirken der RLS. Wie es gelingen kann, die Mitbegründerin der KPD, große Revolutionärin und zum Opfer von SPD und Reichswehr Gewordene in den Dienst einer völlig konträren Ideologie zu stellen, ist unfaßbar! Auch fällt mir auf, daß der Name Karl Liebknechts in diesem Zusammenhang strikt vermieden wird. Dafür muß es doch Gründe geben! Die RLS fungiert einerseits als Selbstbedienungsladen für individualistische Marotten gewisser Intellektueller, befaßt sich aber zugleich auch mit der systematischen Zersetzung des revolutionären Marxismus. Zugleich bietet die Stiftung durchaus niveauvolle Veranstaltungen mit ehrenhaften Akteuren an, die man als Alibi oder Bestätigung der Regel durch Ausnahmen bezeichnen könnte.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg


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Als ich den Artikel "Politunterricht in der Bundeswehr" von Lutz Fischer im März-RF las, mußte ich an Hans Patz, meinen einstigen 1. Kreissekretär der SED, denken. Er sagte immer: "Es gibt solche und solche." Damit meinte er einerseits jene der Sache ergebenen Genossen, welche auch unter den extremsten Umständen ihrer Überzeugung treu blieben. Die anderen waren für ihn Menschen, welche sich stets nur darauf orientierten, was ihnen gerade am nützlichsten erschien.

Vor der Frage, in die eine oder in die andere Richtung zu gehen, stand wohl auch der Major a. D. im Jahr 1990: Wollte er sich als klassenbewußter Offizier der NVA bewähren, oder sollte er sich den bundesdeutschen Machthabern anbiedern, was die Bedingung dafür war, Chef Technik Ost auf einem Flugplatz der Bundeswehr zu werden. Da hilft auch anschließendes Klagen nichts. Wer mit den Wölfen heulen will, muß sich nicht wundern, wenn sie ihn beißen.

Ich empfinde Hochachtung für jene Genossen, die wie Heinz Keßler ihre Würde auch dann bewahrten, als die bundesdeutschen Kerkertüren hinter ihnen zuschlugen.

Rainer Albert, Zwickau


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Der Artikel Lutz Fischers hat mich sehr bewegt, weil ich bis 1970 auch eine solche Dienststellung einnahm, am 30. September 1990 aber die NVA auf eigenen Wunsch verlassen habe. Ich wollte nicht die Felddienstuniform der Bundeswehr tragen. Man kann die Entscheidung, sich bei ihr zu bewerben, sehr unterschiedlich bewerten. War es Existenzangst, Verrat an der sozialistischen Idee, wendehalsartige Anpassung an das "neue System"?

Eine ehrliche Diskussion darüber erschiene mir durchaus sinnvoll, weil der lückenlos aufeinander folgende Dienst in der NVA und der Bundeswehr z. Z. noch ein Tabuthema ist und die Betreffenden bisher kaum darüber berichten.

Ulrich Huse, Pirna


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Was Lutz Fischer zum "Politunterricht" bei der Bundeswehr schreibt, ist interessant, doch erstaunt es mich keineswegs. Offensichtlich hat er sich im Jahr geirrt, wenn er bemerkt, im Herbst 1989 sei an ihn die Frage gerichtet worden, ob er als Chef Technik Ost bei der Bundeswehr weitermachen wolle. Erst mit dem 18. März 1990 hatte Kohl nämlich über die Marionettenregierung de Maizière direkten Zugriff auf die DDR-Streitkräfte.

Auch die aufschlußreiche Schilderung des erniedrigenden "Einverleibungs-Prozedere" ehemaliger NVA-Angehöriger wirft Fragen auf: Wer sich ihm unterwarf, hatte den Stolz eines NVA-Offiziers bereits abgelegt oder war zumindest politisch naiv. Seinen RF-Beitrag unterschrieb Lutz Fischer mit Major a. D. War er das tatsächlich nicht nur in der NVA, sondern auch in der Bundeswehr?

Helmut Holfert, Berlin

Bemerkung der Redaktion: Nach uns vorliegenden Informationen soll NVA-Major a. D. Lutz Fischer bei der Bundeswehr als Stabsfeldwebel ausgeschieden sein.


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Mir geht es um wirkliche Lehren aus unserer Niederlage. Sollte es der Linken - damit meine ich nicht die PDL, sondern eine Partei mit marxistisch-leninistischem Profil - in Zukunft jemals wieder gelingen, die Macht zu erobern, dann muß diese entschlossen verteidigt werden. Die Bourgeoisie führt uns ja auf ihre Weise unablässig vor, was sie unter Machterhalt versteht. Vielleicht haben wir die politische Herrschaft der Arbeiter und Bauern auch deshalb nicht genügend zu schätzen gewußt, weil wir sie nicht allein erkämpfen mußten, sondern von der Roten Armee den Weg zu ihr gebahnt bekamen.

Karl-Heinz Mohn, Hoyerswerda


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Mit Interesse las ich die Rezension zu dem Buch "Das Amt". Der Autor hat in vieler Hinsicht recht. Man muß Joseph Fischer sehr kritisch sehen, aber ihm nicht in jedem Falle widersprechen. Es bleibt sein Verdienst, endlich die unselige Naziverehrung im Auswärtigen Amt der BRD beendet und die jetzige Veröffentlichung in die Wege geleitet zu haben. Ihr Wert liegt m. E. nicht in der Wiederholung aus dem DDR-Braunbuch bekannter Fakten, sondern in der Demontage einiger BRD-Heiligenbilder und Mythen. So etwa um Herrn von Weizsäcker, zuletzt Hitlers Botschafter beim Vatikan, und in der Offenlegung der unglaublichen Verstrickung fast aller aus der damaligen politischen Elite Westdeutschlands bei der fließbandartigen Reinwaschung teils schwer belasteter Beamter.

Gerhard Packauf, Berlin


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Eine Kommission hat für 2010 das Wort "alternativlos" zum Unwort des Jahres erklärt. Der Begriff wird von Deutschlands Regierenden bereits seit Jahren benutzt und steht sowohl für Projekte als auch für die ganze Politik seit Kohls Zeiten. Der Sinn: Wir sind die Allergrößten und durch nichts und niemanden zu toppen.

Rainer Eppelmann startete 1995 mit der Behauptung, "der Osten" sei "aus dem Tal der Enttäuschung heraus". Im Juli 2010 ernannte sich Bundeswirtschaftsminister Brüderle mit der Phrase "Wohlstand für alle" zu Ludwig Erhard II. Bei der Landtagsdebatte im Herbst 2010 empfahl Sachsen-Anhalts CDU den Arbeitslosen, sie sollten sich "an den Entwicklungsländern orientieren". Das letzte Unwort leistete sich Sachsen-Anhalts Ex-MP Wolfgang Böhmer (CDU). Angesichts des jüngsten Dioxin-Skandals empfahl er Geringverdienern den nicht gerade preisgünstigen "Umstieg auf Bio-Produkte".

Joachim Spitzner, Leipzig


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Seit mehr als zwei Jahrzehnten genießen wir das "Privileg", Bürger der BRD zu sein. Da fragt es sich, in was für einem System wir eigentlich leben. In der alten BRD war von "sozialer Marktwirtschaft" die Rede. Die Einverleibung der DDR bedeutete deren Aus. Die "neue Ära" wurde von der "freien Marktwirtschaft" eingeläutet, die den Abbau in der BRD - auch mit DDR-Hilfe - erkämpfter sozialer Errungenschaften bedeutete. In letzter Zeit sind Vokabeln im Spiel, die das Wesen der Dinge exakter beschreiben: "Marktradikaler Kapitalismus" oder besser gesagt: Raubtier-Kapitalismus.

Werner Juhlemann, Geithain


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Die Hilfsaktion "Ein Platz an der Sonne" wurde 1956 gegründet und spielte in den 55 darauf folgenden Jahren 1,4 Milliarden Euro ein. Dieses Geld verschafft auch Frank Elstner und anderen Botschaftern der karitativen Szene der BRD - so der Ex-Sportreporterin Monica Lierhaus - einen "Platz an der Sonne". Die bedauernswert erkrankte Frau erhält für ihr kurzes Auftauchen pro Jahr schlappe 450.000 Euro. Für einen so zwergenhaften Betrag hat es Elstner natürlich nicht gemacht.

Die übrige Summe erhalten 5900 soziale Einrichtungen, auf die also im Schnitt weit weniger entfällt als auf die sprücheklopfenden Moderatoren.

Wolfgang Klages, Berlin


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Hineingeboren in eine Großfamilie evangelischen Glaubens, haben wir sechs Geschwister nach dieser Lehre gelebt. Taufe, Konfirmationsunterricht, sonntägliche Kirchgänge und kirchliche Vermählung waren bei uns selbstverständlich. Der damalige Superintendent Thurm in Rudolstadt wollte mich wegen meiner guten Kenntnisse des Evangeliums zum Theologiestudium bewegen.

Ich erlebte indes als dort untergekommener Flüchtling zwischen 1947 und 1952 in einem Pfarrhaus am Rudolstädter Schulplatz hautnah, daß die von der Kanzel gepredigten Worte mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten. Ein besonders prägendes Erlebnis war für mich die Art und Weise der Verteilung des Inhalts der damals aus den USA kommenden Care-Pakete an Gemeindemitglieder.

Meine persönliche Entscheidung, aus der Kirche auszutreten, erfolgte ohne jeden äußeren Druck oder Zwang. Ich sage das so deutlich, weil es heute an der Tagesordnung ist, früheren DDR-Bürgern zu unterstellen, sie seien gegängelt und erpreßt worden.

Ernst Gallert, Rudolstadt


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In der Nr. 4/2011 der Zeitschrift "Auto-Bild Klassik" erschien ein mich empörender Artikel. Er beginnt mit den Worten: "Sachsen war eines der großen Zentren der deutschen Autoindustrie. Dann kamen die Russen und die Sozialisten. Sie haben viel kaputtgemacht und abtransportiert, doch zerstören konnten sie es nicht."

Eine derart dumme und bösartige Giftmischerei darf man nicht so stehenlassen, beleidigt der Verfasser dieses Artikels damit doch etwa 100.000 fleißige Arbeiterinnen und Arbeiter der IFA-Betriebe. Das zitierte Elaborat endet mit dem Satz: "Eines wissen wir jetzt genau, 41 Jahre Planwirtschaft mögen die Kreativität und den Witz der sächsischen Autokultur in den Untergrund getrieben haben, ausgelöscht wurden sie nicht."

Vielleicht findet der RF einen Sachkenner, der in der Lage ist, den Unterschied zwischen der den Bedarf zwar nicht deckenden, aber gesellschaftlich geplanten DDR-Autoproduktion und der Überproduktionskrise auf diesem Gebiet in der BRD zu erklären. Ich selbst habe einige Jahre im VEB Karosseriewerke Meerane gearbeitet - einem Zulieferer für Zwickau -, kenne aber keine Kollegen mehr, welche die damalige Lage objektiv bewerten können.

Wolfgang Gleibe, Monheim am Rhein


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Mit großem Interesse habe ich in der Märzausgabe des RF den Beitrag von Prof. Dreyer zur Arbeitsthematik gelesen. Er behandelt dort u. a. das Abitur mit Berufsausbildung sowie die Berufsausbildung mit Abitur. Worin besteht der Unterschied? Bei der "BA mit Abitur" war die Finanzierung der Ausbildung Sache des jeweiligen Betriebes. Ich selbst gehörte von 1957 bis 1961 einer Versuchsklasse "Abitur mit BA" an. Dabei wurden wir an jeweils einem Tag in der Woche bei einer Buchbinderei unterwiesen und besuchten am Sonntag vier Stunden in der Betriebsberufsschule einen Kurs im Technischen Zeichnen. Mit dem Abitur erhielten wir den Qualifikationsnachweis "Maschinenschlosser Lohngruppe 4" und waren stolz darauf. Aber am Ende hat sich doch die "BA mit Abitur" durchgesetzt, da die Schulen keine Finanzierungsgrundlage für den anderen Weg besaßen.

Übrigens hatte ich als Leiter einer Kaufmännischen Berufsschule dann selbst Klassen künftiger Fachleute im Bank- und Finanzwesen mit Abitur an meiner Einrichtung auszubilden.

Dies soll beileibe keine Kleinkrämerei sein, nur der Hinweis auf den feinen Unterschied, der durch je zwei Versuchsklassen geklärt wurde.

Hans-Volkmar Gaitzsch, Taucha


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Der Schriftsteller Erich Loest, ehemals Mitglied der NSDAP und heute als Sozialdemokrat Ehrenbürger der Stadt Leipzig, erging sich einmal mehr in übelsten Schmähungen der DDR. Ich will ihm meine Meinung sagen.

Viele glaubten 1989, für "etwas Besseres" auf die Straßen zu ziehen. Was für ein Trugschluß, welche Ernüchterung! Keine der Losungen, die damals zu Standardforderungen wurden, ist erfüllt worden. Nicht eine einzige! Werden wir konkret: "Frieden schaffen ohne Waffen", hieß es vollmundig. Wollte man das wirklich? Jugoslawien? Irak? Afghanistan? Libyen? Man nenne mir einen einzigen Soldaten der NVA der DDR, der jemals im Auslandskriegseinsatz war. Oder: "Schwerter zu Pflugscharen!" Ja, wo ist denn diese Parole umgesetzt worden? Neue Feindbilder tauchen auf, neuer Haß wird geschürt, inzwischen ist es die "Angst vor dem Islam". Und in den Eurofighter wird munter weiter investiert. Oder: "Erich Loest mokierte sich über Kriegsspielzeug in kommunistischen Läden." Heute gibt es das in ganz anderen Dimensionen, in jeder Form und Variante. Meinungsfreiheit? Sagen Sie doch mal Ihre Meinung am Arbeitsplatz. Paßt sie nicht ins Konzept, dann kostet das den Job.

Pressefreiheit? Wikileaks hat es versucht. Das Ergebnis ist bekannt.

Schließlich: Schutz der Privatsphäre! Glaubt Erich Loest wirklich, daß Telefone heute nicht mehr abgehört, Briefe nicht mitgelesen und Informationen aller Art nicht von Geheimdiensten gesammelt werden?

Dem Leipziger Ehrenbürger macht es Spaß, die DDR zu verteufeln. Mag er bei seinem Hobby bleiben! Doch der Mann soll wissen, daß es noch Menschen gibt, die nicht auf alles spucken, was einst ihr Leben war.

Hans-Jörg Kuhnt, Schaprode (Rügen)


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Meist lese ich den RF Zeile für Zeile. Bei der Lektüre des sehr einprägsamen Artikels von Georg Dorn "Taufrisch nach über 160 Jahren", dessen Gegenstand das Kommunistische Manifest ist, erhielt meine Abneigung gegen bourgeoise Wortverkrüppelungen neue Nahrung. Leider kriechen nur allzu viele, nicht zuletzt auch kluge Menschen auf den Globalisierungsleim, aber diese Vokabel auch Marx und Engels zu unterstellen, halte ich für gewagt. So heißt es in dem Artikel: "Marx und Engels sahen die Globalisierung bereits 1848 voraus." Zur Begründung folgt ein vermeintliches Zitat aus dem Manifest: "Die Bourgeoisie hat durch die Ausbeutung des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder globalisiert."

Ich habe diese Stelle in allen mir zur Verfügung stehenden Texten gesucht, aber nicht gefunden. Statt dessen las ich dort: "Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet." Auch aus dem vorangehenden Satz: "Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel", ist kaum herauszulesen, daß Marx und Engels damit sagen wollten, daß sich der Globus oder die Erdkugel weiter verkugeln oder verkreisen würden.

Klaus Kannapin, Neuenhagen


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Ich finde es empörend, daß die Wettiner, einst Sachsens Herrscherhaus, 4,2 Mill. Euro Entschädigung aus der Staatskasse - mit anderen Worten: vom Steuerzahler - für Kunstschätze erhalten, die in den Jahrzehnten der DDR liebevoll gepflegt und aufwendig restauriert worden sind.

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


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Der "RotFuchs" ist und bleibt für mich und meine Freunde ein wichtiges Forum zur Standpunktbildung von Kommunisten und Sozialisten. Auch die März-Ausgabe enthielt wieder eine Reihe von Beiträgen, die mir aus dem Herzen gesprochen haben. Ich denke dabei an den klugen Artikel Horst Neumanns "Wollen Sie die DDR zurückhaben?", an Bernd Guttes hervorragende Polemik zum Mißbrauch des K-Wortes, an Dr. Kurt Lasers eindrucksvolle Würdigung Rosa Luxemburgs und an die wichtige Wortmeldung von Jobst-H. Müller aus Lüneburg.

In dieser bewegten Zeit brauchen wir dringend und unablässig eine klare Orientierung für unseren Kampf.

Günter Bauch, Fraureuth


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Gerhard Masuch wirft in seinem Leserbrief die Frage der Leiharbeit als einer Form der Lohnsklaverei auf. Wenn der RF eine Tribüne für Sozialisten und Kommunisten aus der früheren DDR und allen an der DDR interessierten Menschen im Westen der BRD sowie in vielen anderen Ländern ist, müssen wir uns nach mehr als 20 Jahren Kapitalherrschaft in ganz Deutschland auch solchen Themen verstärkt zuwenden. Oft hören wir die Meinung, man könne gegen die herrschenden Zustände im Grunde nichts unternehmen. Mir scheint, das erste, was zu tun wäre, ist die Überwindung solcher Resignation.

Manche einstigen DDR-Bürger sollten wir daran erinnern, wie stolz sie 1989/90 auf ihre angebliche Revolution gewesen sind. Warum können sie heute nicht mit dem gleichen Eifer gegen die erniedrigenden Verhältnisse des Kapitalismus auf die Straße gehen?

Roland Winkler, Remseck


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Seit gut einem Jahr kenne ich die Leipziger RotFüchse, die mich im Herbst 2010 auch als Mitglied in den Förderverein aufgenommen haben. Dafür möchte ich einmal Dankeschön sagen. Als ich zum ersten Mal in die Braustraße, unter das Dach des Liebknechthauses, kam, traf ich dort nur auf ein paar "alte Leutchen". Rentner, die sich auf solche Weise die Zeit vertreiben, dachte ich damals. Seitdem mußte ich mich gehörig korrigieren. Denn das sind nicht nur auf Abwechslung bedachte Rentner. Dort trifft man auf eine geballte Ladung Klugheit und Erfahrung. Ich konnte manches dazulernen, Zusammenhänge besser erkennen und Menschen begegnen, welche die gleichen Ziele wie ich anstreben. Wir sind zwar schon in etwas vorgerücktem Alter, aber einen Rückzug ins rein Private können wir uns vorerst wohl kaum leisten.

Gerhard Masuch, Leipzig


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Auch im Kapitalismus steht der Mensch im Mittelpunkt - wenn er Geld hat!

Erhard Römer, Berlin

Raute

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Quelle:
RotFuchs Nr. 160, 14. Jahrgang, Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2011