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ROTFUCHS/155: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 201 - Oktober 2014


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

17. Jahrgang, Nr. 201, Oktober 2014




Inhalt

  • Post aus dem USA-Hochsicherheitsgefängnis
  • Bilanz zum 24. Jahrestag der Annexion der DDR:
    Luschen als Trümpfe
  • Ein Held des Nationalkomitees Freies Deutschland
  • Die Hand am Puls der Klasse: Willi Bredel
  • Ein "Stasi-Jäger" als Interview-Star
  • Angela Merkel - Glückwunsch und Beileid zugleich
  • Zur Geschichte der Kommunistenverfolgung in der BRD -
    Auskünfte eines Unverfänglichen
  • Herbert Mies: Die Metamorphose des Valentin Falin
  • Keine Zahlungsbereitschaft für Lügenbrei
  • Washingtons Marshallplan rettete Kapitalismus
  • "Wiedereinrichter" contra "rote Barone"
  • Vom Gegner nichts Falsches erwarten!
  • Mütterrente aus der Trickkiste
  • Der Leidensweg des Lübeckers Eduard Kastelik
  • Der Geraer Widerstandsheld Erwin Panndorf
  • Bläst da wer zur "Hubertusjagd"?
  • RF-Extra - Thatcher und Mitterrand - Angst vor Großdeutschland
  • RF-Extra - Walther Victor: Die jüdische Botschaft heißt Schalom!
  • Wissenslücken bei Petra Pau
  • Rußland: Das Fiasko des "unipolaren Modells"
  • Der Irrweg des Westens
  • Kuba: Die Blockade bröckelt
  • Slowakei: Bekenntnis zur Befreiungstat der Roten Armee
  • Wie Ankara Zyperns territoriale Einheit zerschlug
  • Südkorea: Überfall auf einen Trauerzug
  • Geheimverhandlungen über "ökonomische NATO"
  • Gabo und der Comandante
  • "Ich sah heut' Nacht Joe Hill im Traum ..."
  • Christa Kozik: Ein verlorenes Land trägt man im Herzen
  • Zum Klassenkampf gehört die Gewerkschaft
  • Auf nach Tutow!
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

*

Damals am Maidan

Zu Zeiten der UdSSR war ich des öfteren in der Ukraine unterwegs. Kiew habe ich als eine aufblühende Metropole im südwestlichen Teil des europäisch-asiatischen Riesenlandes wahrgenommen. Beim Blick auf die Zweimillionenstadt sprang dem Betrachter eine gewaltige Dnepr-Brücke ins Auge, die den mächtigen Strom beinahe "leichtfüßig" überspringt. Jewgenij Askarewitsch Paton, Konstrukteur und Namensgeber des erstmals in Gänze elektrogeschweißten stählernen Kolosses, ging damit in die Architekturgeschichte ein. Sein Sohn Boris leitete jahrzehntelang das renommierte Kiewer Paton-Institut, wo eine große Zahl hochkarätiger Fachleute arbeitet.

Doch warum erzähle ich diese Geschichte? Der Wissenschaftliche Sekretär des Paton-Instituts W. N. Bernadskij konnte durch Vermittlung unseres bewährten Mitstreiters Dr.-Ing. Peter Tichauer, der etliche Jahre in Kiew tätig war, als einer der ersten ukrainischen "RotFuchs"-Bezieher gewonnen werden. Des Deutschen mächtig, las er etliche Artikel des RF und berichtete auch seinem Chef Paton über ihm wichtig Erscheinendes.

Im September 1997 führte mich ein Auftrag besonderer Art erneut nach Kiew: Die KP der Ukraine hatte ihr verbundene Parteien des Auslands dorthin eingeladen. In einem Gebäude unweit des Unabhängigkeitsplatzes, der als Maidan inzwischen traurige Berühmtheit erlangte, debattierte ihr Parteitag über Strategie und Taktik der ukrainischen Kommunisten unter den Bedingungen des sich seit 1991 vollziehenden konterrevolutionären Prozesses. Während Hans Modrow im Auftrag der PDS nach Kiew gereist war, hatte mich die DKP mit der Leitung ihrer Abordnung beauftragt. Beide Delegationen waren im Hotel "Ukraina" untergebracht, das sich direkt am Maidan befindet. Im Verlauf der dort etliche Jahre später durch rechte Kräfte, darunter Faschisten, in Szene gesetzten Krawalle wurde vom Dach dieses Hauses aus Scharfschützengewehren willkürlich in die Menge gefeuert. Die dabei ums Leben Gekommenen bahrte man in der Halle des Hotels auf, wobei man behauptete, sie seien nicht durch neue Weißgardisten, sondern von Roten getötet worden. Damit wurde eine weitere Lawine reaktionärer Gewalt ins Rollen gebracht.

In diesem Jahr geriet die KP der Ukraine, auf deren Liste 2012 noch mehr als drei Millionen Stimmen (13%, in Industriezentren des Ostens und Südostens sogar bis zu 25%) entfallen waren, ins Fadenkreuz der regierenden Rechtsextremisten. Am 24. Juli 2014 stimmten 232 von 250 Abgeordneten der Werchowna Rada, in der sich die Swoboda-Faschisten jetzt wie Hausherren gebärden, für die Zerschlagung der nur noch 23köpfigen KPU-Fraktion. Auch sämtliche Mandatsträger der Partei des durch die Putschisten gestürzten früheren Präsidenten Janukowitsch unterstützten die Vertreibung der Kommunisten aus dem Parlament. Gegen die KPU wurde ein gerichtliches Verbotsverfahren eingeleitet. Zugleich unterbreitete Rada-Sprecher Turtschinow eine "Gesetzesinitiative zum Verbot der kommunistischen Ideologie in der Ukraine".

Diese gespenstischen Vorgänge rufen hierzulande unwillkürlich das durch BRD-Kanzler Adenauer betriebene, vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht im August 1956 vollzogene und bis heute nicht aufgehobene KPD-Verbot ins Gedächtnis. Petro Simonenkos Partei beugt sich den Gesinnungsterroristen nicht. Die KPU werde sich an den kommenden Parlamentswahlen beteiligen, erklärte ihr 1. Sekretär. Falls die Justiz ein Verbot ausspreche, wolle man den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

Übrigens hatte uns Petro Simonenko Mitte September 1997 bei einem etwa zweistündigen Gespräch mit der DKP-Delegation am inzwischen verwüsteten seinerzeitigen Sitz der Partei das Maß der heraufziehenden Gefahr bereits angedeutet.

Seit meinem letzten Aufenthalt in Kiew ist viel Wasser den Dnepr hinabgeflossen. Der Maidan wurde zum Schauplatz blutiger Exzesse rechter und faschistischer Kräfte, die sich unter Ausnutzung einer Massenkulisse berechtigterweise Unzufriedener monatelang dort zusammenrotteten. All das finanzierte der Oligarch Petro Poroschenko. Dieser durch den Raub von Volksvermögen zum Milliardär aufgestiegene Magnat erkaufte sich auch die Präsidentschaft der Ukraine. Doch selbst in diesem Amt ist er ebenso wieder CIA-nahe "Premier" Jazenjuk nur ein Statthalter der USA, der NATO und der EU.

Bei aller Finsternis gibt es aber auch Licht am Ende des Tunnels. Rußland, das nicht mit der Sowjetunion verwechselt werden darf, ist aus scheinbarem Dornröschenschlaf erwacht und reckt seine Großmachtglieder. Es erweist sich - vor allem auch in der Ukraine-Krise - als außenpolitischer Widerpart des Imperialismus, in dessen europäischem Orchester die BRD bereits die erste Geige spielt.

Patons grandiose Konstruktion aus sowjetischen Tagen überspannt noch immer den gewaltigen Strom. Möge sie zu einer Brücke der Verständigung zwischen ukrainischen und russischen Bürgern dieses schönen, derzeit aber vom Krieg gepeinigten Landes werden.

Klaus Steiniger

*

Antonio Guerrero von den Cuban Five schrieb an Walter Drexler, Berlin

Bewegende Post aus dem USA-Hochsicherheitsgefängnis

Dear Walter

hab Dank für Deinen Brief. Wir wissen, daß die Schlacht für unsere Freiheit ohne Unterlaß geführt wird, daß sich Eure Anstrengungen vervielfachen und ausweiten.

Wir wissen gut, daß unsere Freunde uns nicht ein weiteres Jahr, einen weiteren Monat oder einen weiteren Tag in ungerechter Haft sehen wollen.

Jeder Brief, den wir erhalten, und jede Aktion für die Five widerspiegeln diese gewaltige Solidarität und das starke Verlangen, daß wir JETZT befreit werden und die Möglichkeit erhalten sollen, in den Kreis unserer Familien zurückzukehren.

Meine Mutter wurde gerade 82. Ihre moralische Stärke, ihr Kampfgeist und ihr Optimismus sind uns ein Beispiel und lassen uns Tag für Tag daran denken, daß wir es schaffen und daß Ihr, großartige Freunde, mit Eurer Liebe und Eurer Forderung unsere Freiheit erringen werdet.

Habt Dank für die Unterstützung unseres Volkes, das unter den komplexen Bedingungen der heutigen Weltsituation, trotz der Blockade und aller Arten von Aggression weiterhin ehrenhaft und tapfer seine sozialistische Revolution verteidigt und stärkt.

Ewiger Dank für Eure Unterstützung im Kampf um unsere Freiheit!

Im Namen von Ramon, Gerardo, Fernando, René sowie in meinem eigenen Namen sende ich Euch fünf starke Umarmungen.

Greetings to our friends in Germany!

Best wishes, Unterschrift


Mein Haus

Du sollst immer wissen,
diese Zelle ist nicht mein Haus.
Mein Haus steht offen im Wind,
der hört, wenn ich schreie,
wie wir uns vermissen.
Mein Haus ist, wo Menschen sind,
mit denen ich die Gedanken teile.

Mein Haus kannst du immer erreichen.
Über unsere Pfade komm im Dämmerlicht,
folge den alten, unseren Zeichen,
es blüht ja, worin wir den unseren gleichen,
die andern vergessen uns nicht.

Mein Haus hat Farben, ein buntes Besinnen
aus Palmen und Rosen, heimzu die Allee
und Tauben, die weißen, ich werde entrinnen,
mein Atem wird reichen, bis ich vor dir steh.

Mein Haus ist eine Zitadelle,
drin wachsen gerechte Ideen,
mein Herz sucht im Dunkeln das Helle,
kein Hoffen darf uns vergehn.

Wir werden uns sehn
und nicht voreinander erbleichen,
denn wir sind noch die gleichen.
Komm, treten wir über die Schwelle
in unser Haus, die wunderbare Quelle.

Antonio Guerrero / Gisela Steineckert

*

Meine Bilanz zum 24. Jahrestag der Annexion der DDR

Luschen als Trümpfe

Was hat den DDR-Bürgern außer der Liquidierung ihres Staates der Anschluß an die BRD tatsächlich gebracht?

Erweiterte Reisefreiheit für alle, die nicht gerade Hartz-IV-Empfänger oder andere an den gesellschaftlichen Rand Gedrängte sind.

Ein reichlicheres Waren- und Dienstleistungsangebot bei ständig steigenden Preisen.

Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Dazu eine Bemerkung: In der DDR wurde 1954 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, um die Abwanderung von Ingenieuren nach dem Westen einzuschränken. Im Bereich des VEB Stahl- und Walzwerk Riesa, wo ich anfangs gearbeitet habe, waren etwa 50 Ingenieure beschäftigt. Nur zwei davon erhielten diese Vergünstigung. 1998 entschied das Bundessozialgericht in Karlsruhe, daß ein berechtigter Anspruch aller DDR-Ingenieure auf zusätzliche Altersversorgung zu prüfen sei. Ich stellte sofort einen Antrag, dem nach zwei Monaten stattgegeben wurde. Da man aber die Zahl der Anspruchsberechtigten unterschätzt hatte, erfand man 2002 eine sogenannte Stichtagsregelung. Sie besagte, daß man am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet haben mußte, um überhaupt in Betracht zu kommen. Das erwies sich allerdings in der Regel deshalb als unmöglich, weil ja im März 1990 ein Gesetz verabschiedet worden war, nach dem bis zum 30. Juni 1990 sämtliche volkseigenen Betriebe zu privatisieren waren. Die Gerichte wurden instruiert, neue Anträge entweder abzulehnen oder einzufrieren.

2007 bekam ich überraschend einen Bescheid des Versorgungsträgers, daß ich meine Ingenieurrente ungesetzlich bezöge und deshalb so lange keine Rentenerhöhungen mehr bekäme, bis der angeblich zuviel gezahlte Anteil "abgeschmolzen" sei.

Doch zurück zur Frage: Was hat uns DDR-Bürgern die angebliche Wiedervereinigung sonst noch gebracht?

Mein Fazit:

• Unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse. So mancher fällt aus allen Wolken, wenn sein Betrieb über Nacht in Insolvenz geht oder die Produktion ausgelagert wird. Das geschieht derzeit in Plauen, wo beim traditionsreichen Druckmaschinenwerk Plamag, das übrigens nur noch 80 Leute beschäftigt, die Montage plötzlich nach Augsburg verlagert wird, während der bisherige Standort geschlossen werden soll.

• Verzweifelte Wohnungssuche von Mietern, die dem Wucher der Miethaie nicht länger standhalten konnten und deshalb plötzlich auf die Straße gesetzt worden sind.

• Angst vor grassierender Kriminalität auf Grund nicht mehr gewährleisteter Sicherheit. Bei uns im Wohngebiet Riesa-Weida waren zu DDR-Zeiten fünf Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei tätig. Heute gibt es für die gesamte Stadt Riesa nur noch zwei "Bürgerpolizisten".

• Chaotische Zustände im Bildungswesen, da dieses von den einzelnen Bundesländern völlig uneinheitlich gehandhabt wird. Ein in Niedersachsen abgelegtes Abitur muß in Bayern nicht anerkannt werden. Hinzu kommt die gravierende soziale Ungleichheit auf allen Ebenen des Erwerbs von Wissen.

• Perspektivlosigkeit für Jugendliche, die nach Beendigung der Lehre oder des Studiums keine Arbeit finden.

• Rückkehr der alten Adelsgeschlechter, die zumindest Teile ihrer von der DDR konfiszierten Besitztümer wiedererlangt haben. Früher jedermann zugängliche Flächen, Wälder und Seen werden von den neuen (alten) Besitzern der Allgemeinheit verwehrt.

• Völlige Gleichschaltung der in Konzernhand befindlichen Medien im Sinne bürgerlich-kapitalistischer "Information" und Desinformation. Ausnahmen bilden wenige Publikationen, darunter "junge Welt" und "RotFuchs".

• Weitgehende Kontrolle aus der BRD abkommandierter Kräfte oftmals dritten Ranges über Verwaltung, Polizei, Justiz und andere Staatsorgane, wobei auch willfährige Karrieristen aus der DDR einbezogen wurden.

• Einführung eines Schuldrechtsanpassungsgesetzes, das nur für Ostdeutschland gilt und besagt, Bauten auf Pachtland seien Eigentum des Verpächters, was eine Enteignung vieler Besitzer von Garagen, Lauben und Bungalows darstellt.

• Stillegung ganzer Wirtschaftszweige wie der DDR-Kaliindustrie oder durch die Treuhand in Insolvenz getriebener volkseigener Betriebe, um Konkurrenten westdeutscher Unternehmen auszuschalten.

• Stillegung oder Verhökerung nahezu sämtlicher DDR-Ferienobjekte an private "Rechtsnachfolger".

• Nichtanerkennung zahlreicher DDR-Qualifikationen, um den wie Pilze aus dem Boden geschossenen westlichen "Bildungseinrichtungen" Zulauf und lukrative Einnahmen zu verschaffen. Ein Beispiel aus meiner Profession: Sämtliche Schweißerprüfungen nach TGL 2847 wurden 1990 für ungültig erklärt, wodurch für alle Fachleute dieses Bereichs neue Prüfungen nach DIN 8560 erforderlich wurden, obwohl sich die westdeutsche Norm nur unwesentlich vom DDR-Standard unterschied.

• Einführung eines teuren und gewinnorientierten Gesundheitssystems, das oftmals durch Zuzahlungen der Bürger finanziert werden muß.

• Verarmung von Kunst und Kultur aufgrund inhaltlicher Defizite und angeblich fehlender Mittel.

• Kommerzialisierung des Sports, was zu Manipulationen,
Dopingskandalen und Wettbetrug geführt hat.

Das Allerschlimmste: disproportionale Einbeziehung junger Ostdeutscher in als Auslandseinsätze getarnte Aggressionsbeteiligungen der Bundeswehr.

Wir einstigen DDR-Bürger gelten 24 Jahre nach der Annexion unseres Staates durch die BRD noch immer als Menschen zweiter Klasse! Man denke an unterschiedliche Löhne, Gehälter und Renten in Ost und West!

Eine faire Wiedervereinigung auf Augenhöhe hätte anders aussehen müssen. Aber es handelt sich ja um die brutale Einverleibung der sozialistischen DDR in die kapitalistische BRD. Dafür fanden sich jene, welche ihre Gesinnung wie bunte Jacken wechselten oder von hohen Kanzeln als angebliche Künder der Freiheit dröhnten. Kohls "blühende Landschaften" erwiesen sich von nahem besehen als Brachen.

Gerhard Frank, Riesa

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Kurt Zier und der sowjetische Hauptmann Lerman fielen Seite an Seite

Ein Held des Nationalkomitees Freies Deutschland

Im Stadtbezirk Jena-Ost, wo während des Ersten Weltkriegs Karl Liebknechts berühmtes Flugblatt "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" illegal gedruckt wurde, kam Kurt Zier am 28. Dezember 1911 zur Welt. Das Revier entwickelte sich in der Weimarer Republik zu einer Hochburg der revolutionären Arbeiterbewegung. Dort bestanden eine starke Organisation der KPD und eine aktive Zelle ihres Jugendverbandes KJVD. Selbst bei den Wahlen vom 5. März 1933 - Hitler war bereits an die Macht geschoben worden - blieb die KPD in drei Wahlbezirken stärkste Partei.

Der 16jährige Werkzeugmacherlehrling Kurt Zier trat dem KJVD bei. Als klassenbewußter Arbeiter gehörte er auch der Gewerkschaft an, wurde jedoch auf Betreiben rechter Führer des Metallarbeiterverbandes ausgeschlossen.

Als das deutsche Finanzkapital am 30. Januar 1933 Hitler die Macht ausliefern ließ und die braunen Banditen sofort zum Massenterror übergingen, traten an die Stelle verhafteter oder untergetauchter Funktionäre junge Genossen. Nachdem aber ein Spitzel in die neue Jenenser Parteileitung einzudringen vermocht hatte, wurde auch diese verhaftet. Magnus Poser verurteilte man zu 27 Monaten, seine spätere Frau Lydia Orban zu zwei Jahren Gefängnis. Doch der Kampf ging weiter. Zum 1. Mai 1934 wehten auf einem Schornstein des Jenaer Schottwerkes, an der Gipfelstange des Fuchsturmes auf dem Windberg und an einer großen Pappel rote Fahnen. Auf der Camsdorfer Brücke wurde ein Transparent über die Saale gespannt.

Im September 1934 kam Kurt Zier als Revolverdreher im Zeiss-Werk unter. Er verstärkte die Reihen der antifaschistischen Kräfte in diesem wichtigen Großbetrieb. Von Jena aus wurde der gesamte Bezirk Thüringen mit illegaler Literatur beliefert. Als dann auch Minna Schippel, die an die Spitze der Parteiorganisation getreten war, verhaftet wurde, brach die Verbindung zur zentralen Leitung zunächst ab.

Die Hauptlast trugen Jungkommunisten, zu denen Kurt Zier gehörte. Er und seine Mitstreiter kümmerten sich vor allem um die Unterstützung inhaftierter Genossen und ihrer Angehörigen.

1936 kehrte Magnus Poser aus dem Zuchthaus zurück. Zielstrebig baute er die Parteiorganisation wieder auf. Erste Ansprechpartner waren junge Genossen wie Kurt Zier. Vom Herbst 1937 bis 1939 widmeten sich die Illegalen auch der Wissenserweiterung. Der von Magnus Poster geleiteten fünfköpfigen Schulungsgruppe gehörte Kurt Zier an. Da er sich im Zeiss-Betrieb frei bewegen konnte, übernahm er die Verteilung von Flugblättern und klärte auf, in welchen Bereichen die Rüstungsproduktion angelaufen war.

Mit dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion standen neue Aufgaben vor den deutschen Kommunisten. Nach der Niederlage vor Moskau erhielten Tausende Arbeiter, die bisher als "unabkömmlich" gegolten hatten, Gestellungsbefehle. Auch Kurt Zier mußte sich am 10. Februar 1942 in Frankfurt/Main einfinden. Bei der Abfahrt traf er am Westbahnhof den Schott-Arbeiter Willy Hartmann.

Sie kannten sich nicht nur aus der Roten Jungfront, sondern hatten auch in der Illegalität zusammengewirkt. Es ergab sich, daß beide zur gleichen Einheit einberufen wurden. Ihr Zug hatte noch nicht den ersten Bahnhof hinter Jena erreicht, als sie sich bereits die Hände zum Schwur gaben, den Faschismus weiter zu bekämpfen.

Am 16. September 1942 liefen Kurt Zier und Willy Hartmann zur Roten Armee über. Ende Oktober kamen sie nach Krasnogorsk. Im dortigen Schulungslager 27 a formierte sich im Juni 1943 ein Vorbereitender Ausschuß für die Bildung des Nationalkomitees Freies Deutschland. Kurt Zier gehörte ihm an und nahm am Gründungskongreß des NKFD teil. Am 27. August 1943 gingen erste Angehörige des Nationalkomitees an die Front.

Unter ihnen befanden sich die beiden Jenenser. Im November 1943 wurde Kurt Zier zur 60. Armee der Ersten Ukrainischen Front abkommandiert. Dort war er Vertrauensmann des NKFD in einem Divisionsabschnitt. Er sorgte für die Verbreitung von Flugblättern und sprach auch über Lautsprecher zu den deutschen Soldaten. Am 23. März 1944 schickte man ihn an den Kessel von Tarnopol. In der Nacht vom 2. zum 3. Mai wurde er bei einem Angriff der Faschisten schwer verwundet. Ein Granatsplitter riß ihm die Brust auf. Unverzüglich in ein Feldlazarett der Roten Armee eingeliefert, erhielt er jede erdenkliche Hilfe und genas. Anschließend wurde er der 38. Armee zugeteilt, die den Slowakischen Nationalaufstand militärisch unterstützen sollte.

Am 18. Oktober feuerte er, gemeinsam mit dem sowjetischen Hauptmann M. G. Lerman, Flugblatt-Geschosse auf die andere Seite. Beide Männer wurden sofort unter Feuer genommen. Der deutsche Antifaschist und der Offizier der Roten Armee starben Seite an Seite.

Das NKFD würdigte den Einsatz seines Frontbeauftragten mit einem Nachruf, in dem es u. a. hieß:

"Der Vertrauensmann des Nationalkomitees Kurt Zier aus Jena fiel in Erfüllung seiner Pflicht im Kampf für die Rettung unseres Volkes. Unser Kurt arbeitete seit über einem Jahr an dieser Front zur Aufklärung der deutschen Truppe. Vielen Kameraden hat er in aufopferndem Einsatz den Weg aus ihrer hoffnungslosen Lage gezeigt und etlichen dadurch das Leben gerettet. Er war ihnen schon in den ersten Stunden nach der Gefangennahme ein treusorgender Berater und Helfer.

Durch sein aufrechtes und natürliches Wesen bei den sowjetischen Offizieren und Soldaten überall beliebt, war er Wegbereiter für ein friedliches Zusammenleben beider Völker nach dem Krieg.

Sein Schicksal wird uns mahnen, diesen Kampf für die Freiheit unseres Volkes bis zum siegreichen Ende zu führen.

Rudi Scholz, Armeebeauftragter des NKFD"

Als Willy Hartmann 1945 nach Jena heimkehrte, überbrachte er Grüße von seinem Freund und Kampfgefährten Kurt Zier, die ihm dieser noch hatte auftragen können: "Wenn ich den weiten Weg in die Heimat nicht schaffe, dann grüß Jena, die Genossen des Kommunistischen Jugendverbandes, die mich zum Kommunisten erzogen. Ich habe bis zum Ende auf der richtigen Seite gestanden, gegen Krieg und Faschismus, für ein sozialistisches Deutschland."

Ein Lehrlingswohnheim des VEB Carl Zeiss Jena trug zu DDR-Zeiten Kurt Ziers Namen. Auch eine Straße in Jena-Lobeda wurde nach ihm benannt. Mit der Konterrevolution aber sollte die Erinnerung an diesen herausragenden Antifaschisten getilgt werden.

Stephan Blöth, Jena

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Die Hand am Puls der Klasse

von Hans-Kai Möller, Hamburg

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Lügen muß man widersprechen, wo auch immer sie verbreitet werden

Ein "Stasi-Jäger" als Interview-Star

Als Roland Jahn, dem dritten Großinquisitor in Sachen "Stasi" nach Joachim Gauck und Marianne Birthler, in der "Sozialistischen Tageszeitung" ND zwei Interviewseiten gewährt wurden, nahm man an, daß der Abdruck eine heftige Kontroverse auslösen würde. Doch es tat sich wenig, auch in den Medien.

Roland Jahn hatte sich für die Zeit des Gesprächs mit Tom Strohschneider und Gabriele Oertel einen Schafspelz angezogen. Dabei ist dem einstigen DDR-"Dissidenten" eine äußerst makabre Mission übertragen worden: 40 Jahre Sozialismus auf deutschem Boden sollen als Ausgeburt einer finsteren Diktatur verfremdet werden.

Das schloß nicht aus, daß Jahn auf die Bemerkung eines Interviewers "Da war doch auch Gutes" spontan heraussprudelte: "Na klar, die Menschen, mit denen wir dort gelebt haben. Ich hatte viel Spaß, gerade in Jena - wir zogen mit Hunderten von Jugendlichen über die Berge; wir lebten ein schönes Leben." Erstaunlich! Auch Joachim Gauck und Marianne Birthler haben von ihrer Jugend in der DDR geschwärmt. Jahn ging sogar noch einen Schritt weiter: "Ich verstehe Menschen, die die DDR nicht nur auf Repressionen und Staatssicherheit reduzieren wollen, sondern die sagen: Wir haben einen Alltag erlebt, der sah anders aus."

Wem aber hilft solcherlei inoffizielles "Verständnis", wenn die notorische Gauck-Birthler-Jahn-Behörde offiziell und ohne Unterlaß den Alltag der DDR als "totalitäre Hölle" vorzuführen bemüht ist?

Die erste Interviewfrage galt den Empfindungen Jahns im Herbst 1989. Mit den Worten "Mir schien es schon 1987 so, daß es bald wieder möglich sein werde, sich mit Freunden auf dem Alexanderplatz in Berlin zu treffen", leitete er die Antwort ein. Dazu kann man nur sagen: Die Weltzeituhr auf dem Alex war zwischen 1961 und 1989 für DDR-Bürger und deren Gäste der beliebteste Treffpunkt in Berlin.

Aber Jahn arbeitete ja 1989 nicht in Ostberlin, sondern beim Fernsehmagazin "Kontraste" des SFB. "Freunde von mir haben in der DDR mit Videokameras die Demonstrationen gefilmt, vor allem die in Leipzig am 9. Oktober. Die Aufnahmen wurden über die Grenze geschmuggelt, und als ich dann diese Bilder für die Sendung bearbeitet habe, flossen die Tränen."

Abgesehen von Tränen heizte Jahn über BRD-Medien die "spontanen" Demonstrationen in Leipzig, die "unter dem Dach der Kirche" organisiert und von Kirchtürmen aus gefilmt wurden, mit Parolen und "Stimmungsberichten" kräftig an.

Unter veränderten Bedingungen wiederholte sich das, was Egon Bahr als damaliger Chefredakteur des RIAS über dessen Rolle am 17. Juni 1953 gesagt hat: "Ohne uns hätte der 17. Juni so nicht stattgefunden."

Jahn dankte 2014 den Demonstranten, die 1989 friedlich geblieben waren, und fügte hinzu: "Man sollte auch denen dankbar sein, die Waffen in der Hand hatten und sie nicht benutzt haben." Wer aber ist "man"? Wie hat denn die neue Obrigkeit Egon Krenz dafür gedankt, daß er, wie auch sein Gerichtsurteil bestätigt, den Waffeneinsatz nachdrücklich verboten hatte? War das Moabiter Tribunal etwa eine Tribüne des Dankes?

Jahn tadelte, daß es bei der "Aufarbeitung der Geschichte" eine "Fixierung auf die Staatssicherheit gegeben" habe. Dadurch seien "Menschen in die Ecke gestellt worden".

"In die Ecke gestellt"? Hat Jahn die haßerfüllten Reden Kohls, Waigels, Kinkels und Gaucks nicht im Gedächtnis? Und: Wer hat in Dresden Generalmajor Horst Böhm und andere in den Tod gehetzt?

2014 liest man bei Jahn: "Der Blick auf die DDR-Geschichte sollte vielfältig sein. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen gehabt, und jeder hat das Recht, auch diese Erfahrungen zu schildern und seine Sicht auf die Dinge zu erzählen ... Ich bin gegen offizielle Bilder. Es gibt keine staatliche Geschichtspolitik."

Das klingt wie ein Versuch, die Hände nachträglich in Unschuld zu waschen. Hat Jahn den ersten Satz etwa aus den "Gefängnisnotizen" von Egon Krenz abgeschrieben? Der machte nach vier Jahren Haft den Vorschlag: "Vielleicht versuchen wir es mal mit der Wahrheit? Wir reden die Bundesrepublik nicht mehr schöner als sie ist, und wir machen die DDR nicht schlechter, als sie tatsächlich war."

Die Behauptung Jahns, es gäbe in der BRD kein "verordnetes" Geschichtsbild, ist eine Unwahrheit. Oder wurde das Gedenkstättengesetz vom Bundestag klammheimlich aufgehoben? Wurden das Hannah-Arendt-Institut und ähnlich dubiose Einrichtungen plötzlich aufgelöst?

Geradezu genial ist, wie Jahn den Unterschied von Abhörpraktiken in der DDR und in der BRD interpretiert: "In der Demokratie wird geprüft, wieviel Freiheit eingeschränkt werden darf, um die Freiheit zu schützen." Wessen und welche Freiheit? Wer prüft? Auch Jahns Behörde?

Bleibt noch jene Stelle in den Antworten des Interviewten, aus der das ND seine Schlagzeile machte: "Es war auch eine Befreiung derer, die das System getragen haben."

Wovon sind die denn "befreit" worden? Von ihrer Arbeit für den ersten deutschen Friedensstaat? Bei wem löste das Freude aus?

Könnte es sein, daß Jahn hier Richard von Weizsäcker kopieren wollte? Dieser bemerkenswerte Bundespräsident verkündete vor fast zwanzig Jahren: "Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."

Will Jahn so Gleichheitszeichen zwischen der Befreiung Deutschlands vom Faschismus 1945 und der 1989 erfolgten "Befreiung" der DDR-Bürger vom Frieden und vom Volkseigentum setzen? Der Streit um die Wahrheit verlangt, Lügen und deren Kolporteuren zu widersprechen. Und zwar unabhängig davon, wer immer sie zu drucken bereit ist.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Starker Tobak

Die linksbürgerliche Tageszeitung "Neues Deutschland" brachte am 23./24. August eine überbordende Huldigung Wolfgang Leonhards.

Es lobte den aus der DDR in den Westen übergelaufenen Renegaten der SED für seinen Einspruch gegen eine "wenig hinterfragte Ideologie".

Das ND beeilte sich zugleich, seinen Lesern bereits zum zweiten Mal eine "exklusiv" für sie bereitgehaltene güldene Gedenkmedaille zum erst 2015 anstehenden "25. Jahrestag der Deutschen Einheit" anzubieten. Hierzu gab es Nachschlag: Am 6. September verbreitete das ND die kommerzielle Umfrage einer "Initiative Wissen für Deutschland" "zum Staatsjubiläum 25 Jahre Deutsche Einheit". Dort hieß es: "Mit der friedlichen Revolution in der DDR und der Wiedervereinigung wuchs schließlich zusammen, was zusammengehört. Deutschland erlebte die glücklichste Stunde seiner jüngeren Geschichte." Starker Tobak, nicht wahr?

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Wie Angela Merkel aus der einen in die andere Haut schlüpfte

Glückwunsch und Beileid zugleich

Wir "RotFüchse" sollten uns schämen! Vor Monaten - in der Juli-Ausgabe - haben wir den 60. Geburtstag der "Mutter der Nation" einfach unter den Tisch fallenlassen. Dabei gibt es an ihr doch so vieles, was eingehender Betrachtung wert gewesen wäre.

1954 geboren, wuchs Angela in Templin als Tochter des Pfarrers Horst Kasner auf, der in kirchlichen wie staatlichen Kreisen als eher linker Theologe galt. In der Schule glänzte sie mit guten Noten, besonders in Russisch und Mathematik. Sie erhielt zwar nicht die Jugendweihe, trat aber der Pionierorganisation und später der FDJ bei. Als Stellvertreterin des FDJ-Sekretärs ihrer Schule organisierte sie Veranstaltungen, wobei sie nie auf die blaue Bluse verzichtete. Zugleich mochte sie es augenscheinlich nicht, auf die Tätigkeit ihres Vaters angesprochen zu werden. In der 10. Klasse erhielt sie die Lessing-Medaille für hervorragende gesellschaftliche und schulische Leistungen. 1970 reiste sie im "Zug der Freundschaft" zur Russisch-Olympiade nach Moskau. Die heute von ihr geschmähte DDR ermöglichte der Pfarrerstochter komplikationslos das Abitur. 1973 verließ sie die EOS mit dem bravourösen Notendurchschnitt von 1,0.

Anschließend nahm Angela Kasner das Physikstudium an der Leipziger Karl-Marx-Universität auf. Auch hier war sie eine rührige FDJlerin. Mit ihrer Jugendliebe, ihrem späteren Ehemann Ulrich Merkel, unternahm sie im Rahmen des sozialistischen Jugendaustausches Reisen nach Moskau und Leningrad. 1978 schrieb sie ihre Diplomarbeit.

Im selben Jahr wechselte Angela Merkel zum Zentralinstitut für Physikalische Chemie der DDR-Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof. 1982 scheiterte ihre Ehe. Vier Jahre später reichte sie ihre Dissertation ein, die mit Magna cum laude (Sehr gut) bewertet wurde. Gleichzeitig verfaßte sie eine Schrift zum Thema "Was ist sozialistische Lebensweise?" Angela Merkel durfte auch einige Tage in die BRD reisen, was damals durchaus nicht jedermann gestattet wurde. In der FDJ-Grundorganisation ihres Instituts bekleidete sie eine Leitungsfunktion.

Heute behauptet sie, für Kultur zuständig gewesen zu sein. Weggefährten schwören indes darauf, sie habe sich mit Agitation und Propaganda befaßt. Angela Merkel war auch in der Betriebsgewerkschaftsleitung aktiv und trug dazu bei, daß ihr Institut hohes gesellschaftliches Ansehen gewann.

Bis hierher liest sich diese Biographie wie eine Lebensgeschichte, auf die jeder von uns stolz sein könnte. Was später aus dieser jungen Frau wurde, sollen andere zu Papier bringen.

Doch warum berichte ich so prononciert und ausführlich von der beispielhaften Schülerin, Studentin und auch in der UdSSR weiterqualifizierten Physikerin von einst? Ich tue es nicht, um die Bundeskanzlerin an jene Angela Merkel zu erinnern, die sich nach 1989 einer geistigen, politischen und biographischen Häutung unterzog. Es liegt mir fern, Häme und Spott zu empfinden, wenn ich an diesen Widerspruch erinnere. Und ich habe erst recht nichts mit der dümmlich-arroganten Sicht gewisser Enthüllungsschreiber gemein, die wie Ralf Georg Reuth und Günther Lachmann in ihrem Elaborat "Das erste Leben der Angela Merkel" genau jenen Abschnitt ihrer Entwicklung bloßzustellen trachten, der aller Ehren wert war. Mir sagt die FDJlerin weitaus mehr zu als die heutige Chefin des Geschäftsführenden Ausschusses des deutschen Kapitals. Ich erinnere an diesen besseren Teil ihrer Biographie, weil es einem schwerfällt, den anderen zu ertragen. Und ich stelle mir die FDJlerin Angela vor, die einst für Abrüstung stritt, und erschauere vor einer Frau, die sich über den weltweit dritten Rang der BRD im Rüstungsexport höchst erfreut zeigt.

Angela Merkels durchaus DDR-kritischer einstiger Professor Ralf Der sagte in einem Interview über sie: "Wir wollten Sozialismus, aber einen geänderten. ... Nein, da muß es einen Bruch gegeben haben, den wir nicht verstehen. Der Bruch von dieser integren stimmigen Persönlichkeit, die wir erlebt haben, zu einer Person, bei der ich immer denke: Das ist sie doch gar nicht! Dieses CDU-Zeug! Das ist ja nicht mehr derselbe Mensch."

Und ihr einstiger Akademiekollege Prof. Dr. Hans-Jörg Osten erinnert sich: "Im Institut gab es eine rührige FDJ-Leitung mit einer Sekretärin für Agitation und Propaganda, jener heutigen Frau Minister. Sie organisierte FDJ-Studienjahre, in denen eifrig darüber diskutiert wurde, wie dieser DDR-Sozialismus noch besser und vollkommener zu machen sei. ... Mein letzter Kontakt mit Frau Merkel war im Dezember 1989. Auch da war noch immer nichts von einer Kämpferin gegen den Unrechtsstaat zu spüren. ... Eigentlich ist es schade um eine ehemals hoffnungsvolle junge Physikerin."

Das finde ich auch. Vor allem aber bedaure ich den Verlust der Gesellschaftsordnung, die offenbar bei ihr Gutes zum Vorschein brachte, obwohl man nicht weiß, ob ihr damaliges Engagement nicht ebenso auf Opportunismus beruhte wie ihr heutiges. Aber mir ist sogar eine auf Anpassung bedachte FDJlerin, die zum Frieden aufruft, lieber als jene Bundeskanzlerin, die im Gefolge Obamas "die Russen", deren Sprache und Kultur sie einst so sehr zu lieben beteuerte, mit Verleumdungen überzieht.

Ulrich Guhl

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Wie die BRD-Justiz von 1949 bis 1968 gegen Kommunisten vorging

Auskünfte eines Unverfänglichen

Die "RotFuchs"-Regionalgruppe Frankfurt (Oder) konnte in diesem Jahr einen profilierten und sachkundigen Juristen als Redner gewinnen: Prof. Dr. Alexander von Brünneck aus Hannover, der 1976 mit seiner Dissertation und deren zwei Jahre später unter dem Titel "Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1968" bei Suhrkamp erfolgter Veröffentlichung ein dringend benötigtes Standardwerk der Rechtsgeschichte geschaffen hat. In einer Zeit sachlicherer Betrachtung der dargestellten Periode dürfte die Arbeit von besonderem Wert sein. Die Geschichte müßte allerdings fortgeschrieben werden, weil nach dem Anschluß der DDR an die BRD eine neue Phase der Kommunistenverfolgung in Deutschland einsetzte.

"Mit dem Beitritt zur BRD, noch in den Morgenstunden des 3. Oktober 1990, begann die bundesdeutsche Justiz 'ihre Aufräumarbeit'", liest man in Friedrich Wolffs "Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz" (edition ost, 2005). Prof. von Brünneck dürfte das aus anderer Perspektive betrachten, anzweifeln oder in Abrede stellen, zumal er nicht im Verdacht steht, kommunistische Auffassungen zu teilen. Aber gerade deshalb erscheint seine Arbeit besonders glaubwürdig.

Der geschätzte Gast unserer Regionalgruppe gab eine detaillierte Übersicht zu Beginn und Verlauf der Verfolgung von Kommunisten in der BRD. Eine erste administrative Maßnahme war deren Entfernung aus dem öffentlichen Dienst, die durch einen Beschluß der Bundesregierung vom 19. September 1950 eingeleitet wurde. Zugleich bekämpfte man die politische Tätigkeit der Kommunisten durch den expansiven Rückgriff auf Mittel des Polizeirechts. Man verbot Umzüge und Versammlungen. Demonstrationen, die dennoch stattfanden, wurden rigoros und zum Teil gewaltsam unterbunden. Bei der Jugendkarawane, an der 30.000 Bürger der BRD teilnahmen, wurde der 21jährige bayrische Kommunist Philipp Müller am 11. Mai 1952 in Essen durch die Polizei erschossen.

Bereits 1951 waren die FDJ, die VVN und andere demokratische Zusammenschlüsse verboten worden. Im Zeitraum von 1951 bis 1958 ergriffen die Bundesländer 80 gleichartige Maßnahmen wegen "kommunistischer Unterwanderung". Bereits am 30. August 1951 war das Erste Strafrechtsänderungsgesetz mit gleicher Stoßrichtung beschlossen worden. Es öffnete dem Mißbrauch des politischen Strafrechts, das von übernommenen Nazijuristen angewandt wurde, Tür und Tor. Der Bundesgerichtshof folgte der These des faschistischen Volksgerichtshofs, nach der "Kommunisten durch ihre gesamte politische Betätigung permanent den Hochverrat vorbereiten" und dafür zu bestrafen seien.

Auf Betreiben der Adenauer-Regierung verbot das Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 die KPD, womit alle bisherigen und künftigen Repressalien legitimiert werden sollten.

Die Verfolgung richtete sich auch gegen entsprechende Meinungsäußerungen. Prof. von Brünneck führte hierzu eine Vielzahl von Belegen an. Unter die Strafwürdigkeit fielen politische Auftritte, Stammtischgespräche und selbst Trauerreden an Gräbern von Kommunisten. Allein das Tragen einer roten Mainelke konnte bestraft werden.

Der Verfolgungseifer widerspiegelt sich in der Zahl der Ermittlungsverfahren. Allein von 1953 bis 1958 zählte der namhafte Jurist 46.476 Fälle. Er nimmt an, daß zwischen 1951 und 1968 etwa 125.000 Personen direkt betroffen waren. Weitere 250.000 seien bei Ermittlungen gegen Kommunisten mit erfaßt worden. Einen noch größeren Personenkreis hätten Nachforschungen der Politischen Polizei und des Verfassungsschutzes betroffen. Schon 1964 erklärte der spätere Bundesinnenminister Maihofer, die Zahl solcher Verfahren gegen Kommunisten hätte einem ausgewachsenen Polizeistaat alle Ehre gemacht.

Prof. von Brünneck verwies auch auf weitere Aspekte der Verfolgung. Oft seien Entlassungen trotz guter Arbeitsleistungen erfolgt. Entsprechend orientierte Studenten habe man nicht zum Examen zugelassen. In etlichen Fällen seien Gewerbegenehmigungen verweigert, Reisepässe nicht ausgestellt oder Führerscheine entzogen worden.

In der freimütigen, zugleich aber auch sehr sachlichen Diskussion berichteten zwei seinerzeit Betroffene über selbst Erlebtes. Gerhard Heine (84), gebürtiger Hannoveraner und seit 1946 KPD-Mitglied, war 1949 von seiner Partei an die Arbeiter-und-Bauernfakultät entsandt worden.

Als er 1956 in Leipzig sein Jurastudium abgeschlossen hatte, stand das KPD-Verbot unmittelbar bevor. Seine Genossen rieten ihm, in der DDR zu bleiben, wo er Staatsanwalt wurde.

Heidi Zeidler (72) wuchs im Weser-Bergland auf und wurde von ihren Eltern schon frühzeitig in deren politische Arbeit einbezogen. Zum Zeitpunkt des KPD-Verbots befand sie sich gerade im Kinderferienlager eines DDR-Betriebs. Nach dem Verbotsurteil erhielt ihr Vater, der bereits durch die Faschisten fünf Jahre eingekerkert worden war, wegen illegaler Betätigung für die KPD erneut neun Monate Gefängnis. 1964 entzog man ihm die Rente für "Opfer des Nationalsozialismus" mit dem Hinweis auf "Unbelehrbarkeit". Prof. von Brünneck hat in seiner Dissertation auf ähnliche Fälle hingewiesen und zugleich bestätigt, daß schwerbelastete Nazis auch weiterhin Staatspensionen erhielten. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde auf die Fortsetzung antikommunistischer Diskriminierung in der heutigen BRD hingewiesen. Während Demonstrationen Rechter durch die Polizei geschützt würden, halte sie linke Gegendemonstranten in Schach.

Zu der von Diskussionsrednern erhobenen Forderung nach einem NPD-Verbot vertrat Prof. von Brünneck die Auffassung, er sei für "eine argumentative Bekämpfung" dieser Partei. Die Versammlungsteilnehmer verlangten die unverzügliche Aufhebung des KPD-Verbots.

Der faktenreiche Vortrag Prof. von Brünnecks wurde mit lebhaftem Beifall bedacht. Hans Hörath von der Partei Die Linke zog das Fazit: Man könne vor der Leistung, die der Professor in jüngeren Jahren vollbracht und die bleibende rechtshistorische Maßstäbe gesetzt habe, nur den Hut ziehen.

Volker Link, Frankfurt (Oder)

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Wie ein Renegat der KPdSU den Untergang der UdSSR bewertet

Die Metamorphose des Valentin Falin

Valentin Falins Publikation "Politische Erinnerungen" aus dem Jahre 1993 folgte ein weiteres Buch unter dem Titel "Konflikte im Kreml. Der Untergang der Sowjetunion".

Dieser Spätling zur Erklärung des Zerfalls der UdSSR war bereits 1997 im Berliner Karl-Blessing-Verlag herausgekommen, wurde aber erst jetzt - viele Jahre später - von edition berolina noch einmal präsentiert. Der Verlag bezeichnet das Falinsche Produkt als "klare emotionslose Analyse der Vorgänge, die den Kollaps der Sowjetmacht mit verursachten". In seinen zuvor geheimgehaltenen Briefen, Memoranden und Denkschriften, die er an Michail Gorbatschow und A. N. Jakowlew adressierte, sowie seiner Geschichtswertung bringe der Autor "Licht in die erbitterten Debatten von 1986 bis 1992, die in der damaligen Führung der KPdSU geführt wurden".

Die Ankündigung von "Licht" ist ziemlich hochgestapelt. Auf dem Büchermarkt der Betrachtungen zum Untergang der Sowjetunion tut sich wenig, was etwas Neues vermitteln könnte. Das demonstriert Valentin Falin, der neuerdings als "Geschichtsphilosoph" oder "geschichtsphilosophischer Kommentator" gehandelt wird, mit seinem nachträglichen Bericht über das Sterben des sozialistischen Vielvölkerstaates. Vor ihm hatten andere sowjetische Spitzenpolitiker vergangener Tage den "Kollaps" der UdSSR bereits beleuchtet. Ich denke dabei an solche Bücher wie das des früheren Mitglieds des KPdSU-Politbüros Jegor Ligatschow. Der Mitgestalter der Perestroika hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg und erwies sich in "Wer verriet die Sowjetunion?" als scharfer Kritiker Gorbatschows. Auch Nikolai Ryschkow, letzter sowjetischer Ministerpräsident, hatte in seinem Bericht "Mein Chef Gorbatschow. Die wahre Geschichte eines Untergangs" Wesentliches mitzuteilen. Ich nahm an, daß mit diesen und einigen weiteren Publikationen die Serie der Betrachtungen zu diesem Thema abgeschlossen sein würde. Doch ich hatte mich getäuscht.

Valentin Falin war für mich jahrelang mehr als ein guter Bekannter. Ich glaubte, in ihm einen Freund zu besitzen. Von 1971 bis 1978 war er Botschafter der UdSSR in der Bundesrepublik. Auch nachdem er 1988 durch Protektion Alexander Jakowlews, des "Architekten der Perestroika", zum Sekretär des ZK der KPdSU und Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees aufgestiegen war, hatten wir viel miteinander zu tun. Bis 1990 führten wir einen ständigen Meinungsaustausch über Fragen der Deutschlandpolitik, auch über das Für und Wider der Perestroika. In etlichen Gesprächen gab sich Falin als Kommunist. Anfang der 90er Jahre vollzog sich in ihm der Wandel vom vermeintlichen Marxisten zum Sympathisanten einer etwas links angehauchten Sozialdemokratie. Nach dem Untergang der UdSSR zog er 1992 nach Hamburg, wo er bis 2000 ein Häuschen bewohnte. Durch Vermittlung des SPD-Ideologen Egon Bahr wurde Falin Mitarbeiter des "Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik".

Der Renegat wurde für mich zu einem Stück Vergangenheit. Doch mit der Lektüre seiner "Konflikte im Kreml" holte mich diese wieder ein. Falin kehrte als "Analytiker" der mißlungenen Perestroika und als "geschichtsphilosophischer" Betrachter der Gorbatschow-Ära in meine Wahrnehmung zurück. Ich weiß auch nach der qualvollen Lektüre dieses Elaborats noch immer nicht so recht, als was ich es eigentlich verstehen soll: Handelt es sich um ein "Geschichtsbuch" über das Ende der Sowjetunion und der KPdSU? Ist es ein "politisches Sachbuch" zu Qualitäten und Zerwürfnissen in der sowjetischen Machtzentrale? Ist es der Abgesang eines aus der Öffentlichkeit scheidenden ehrgeizigen Mannes? Oder ist es von jedem etwas?

Das zuletzt Gesagte scheint zuzutreffen. Aus meiner Sicht handelt es sich bei dem Falin-"Werk" um die Verurteilung der Sowjetunion - des ersten und insgesamt erfolgreichen Landes des realen Sozialismus - aus inquisitorischer Sicht. Es ist zugleich aber auch eine Anklage gegen die historisch gescheiterte Perestroika und eine kritische Auseinandersetzung mit deren Erfindern: Gorbatschow und Jakowlew. In jedem Falle ist es ein gewollt antikommunistisches Machwerk, das einen exquisiten Platz in den Regalen mit entsprechender Literatur finden dürfte. Bei Falin fehlt es nicht an konterrevolutionären Ratschlägen.

Der Autor versteht sich heute als "russischer Patriot", der von Sorge um die Zukunft erfüllt zu sein vorgibt. "Dieses Buch will mit niemandem alte Rechnungen begleichen. Es soll vielmehr zeigen, daß der Zusammenbruch der Sowjetunion nicht nur und - wenn man den Tatsachen Glauben schenkt - nicht einmal in erster Linie auf Imperative (kategorische Forderungen - H. M.) zurückzuführen ist, die den Selbsterhaltungstrieb der Nation lahmgelegt haben, als vielmehr auf Besonderheiten der Machtstrukturen und auf persönliche Eigenschaften der letzten Herrscher der UdSSR", schreibt Falin. Aufschlußreicherweise stellt er fest: "Der wirtschaftliche Schaden, den die Neuerungen der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion angerichtet haben, ist um das Zwei- bis Zweieinhalbfache größer als die Verluste des Landes im Zweiten Weltkrieg. Das Lebensniveau der Bevölkerung wurde halbiert. Was das Tempo des Sozialabbaus betrifft, so liegt Rußland hier weit vor den entwickelten und vor manchen Entwicklungsländern." Das Land sei "ins 17. Jahrhundert" zurückgeworfen.

Eine stolze Bilanz von Perestroika und Glasnost, an denen Falin selbst maßgeblich mitgewirkt hat!

Doch der zum Renegaten gewordene einstige Sekretär des ZK der KPdSU unterbreitet auch seine Rezepte für einen Ausweg aus der Misere: "Wir brauchen unverzüglich die Freiheit des Handels, dazu die reale Gleichstellung aller Eigentumsformen", schreibt er. "Der normale Wirtschaftskreislauf der Sowjetunion kann nicht wiederhergestellt werden, wenn man weiterhin um den Markt einen Bogen macht."

Das alles hört sich nicht nur nach Restauration des Kapitalismus an, sondern ist ein Kernstück kapitalistischen Denkens. Der Falin von heute ist nicht mehr der Falin, dem ich einst begegnete.

Herbert Mies, Mannheim


Unser Autor ist Lenin-Friedenspreisträger und war von 1973 bis 1990 Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

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Protest eines Zwangsverpflichteten der Gebühreneinzugszentrale (GEZ)

Keine Zahlungsbereitschaft für Lügenbrei

Als GEZ-Zwangsverpflichteter bin ich empört über den medialen Mißbrauch, der mit meinen Gebühren getrieben wird. Es geht mir um die eklatante Falschberichterstattung auch in öffentlich-rechtlichen Medien. Natürlich können sich bei einer Tagesinformation Fehler einschleichen. Dann ist es jedoch zwingend geboten, offensichtliche Irrtümer umgehend zu korrigieren. Aber es geht ja gar nicht um ein gelegentliches Verwirrspiel, sondern um systematische Verdummung und Gehirnwäsche.

Nach meiner Wahrnehmung ist insbesondere die politische Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Anstalten, andere außer Betracht gelassen, in ständig zunehmendem Maße von Falschmeldungen und Halbwahrheiten durchdrungen. Alles deutet darauf hin, daß brisante Situationen in einer Weise dargestellt werden, die zwar den politischen Wunschvorstellungen der Meinungsmacher entspricht, aber fern jeglicher Realität ist. Am Ende stellt die Wahrheit nur noch einen unangenehmen Störfaktor dar. Eine Berichterstattung, die dem Geist und Inhalt nach Kriegspropaganda, Befürwortung von nationalistischem und rassistischem Haß ist oder eine Aufreizung zu Feindseligkeiten und Gewalt darstellt, muß als besonders schwerer Verstoß gegen Artikel 20 der Menschenrechtserklärung vom 16.12.1966 (Weltpakt für bürgerliche und politische Rechte) betrachtet werden. Sie ist nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, bedeutet dieses doch keineswegs, daß sich die Lüge ebenso frei wie die Wahrheit entfalten darf.

Mit üblen Desinformationen begeben sich leider auch die öffentlich-rechtlichen Medien seit geraumer Zeit in eine konzertierte Aktion, die dazu dient, eine Pogromstimmung gegen Rußland zu schüren. Dabei wissen die Verantwortlichen natürlich ganz genau, daß die zahlreichen Kriege und Kriegsverbrechen - vom durch die Nazis inszenierten Überfall auf den Reichssender Gleiwitz (1939), den als Erfindung enttarnten "Zwischenfall im Golf von Tongking" vor Vietnams Küste (1964), Fischers "Auschwitz-Lüge", die den Vorwand zur Bombardierung Jugoslawiens lieferte (1999) und der den Überfall auf Irak auslösenden Unterstellung Präsident Bushs, Bagdad besitze Massenvernichtungsmittel (2003), von einem Gebräu aus Lügen und Propaganda begleitet wurden.

Nun ist öffentlich-rechtliche Berichterstattung kein Privatvergnügen oder eine einschaltquotenträchtige "Bespaßung" nach dem Motto "Wahr oder erfunden?", sondern erfordert bedingungs- und rückhaltlos uneingeschränkte Objektivität. Diese Anforderungen sind vertraglich bindend festgeschrieben. Ich verweise insbesondere auf die Ausführungen im NDR-Staatsvertrag zum Programmauftrag (§ 5), zu den Programmgrundsätzen (§ 7) und den Prinzipien der Programmgestaltung (§ 8) für die Rundfunk- und Fernsehanstalten. Danach sind Ausgewogenheit, unparteiisches Herangehen, Objektivität und strikte Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht geboten. Als Betroffener bin ich empört, als Pflichtbeitragszahler fühle ich mich in eine ungewollte Mittäterschaft hineingezogen. Salopp gesagt: in Geiselhaft genommen. Denn ich finanziere mit meinem GEZ-Zwangsbeitrag nicht nur die Gehälter der jeweiligen Akteure, sondern auch deren fragwürdige Dienstleistungsprodukte.

Eine für mein Empfinden besonders unangenehme Rolle in der ARD-Berichterstattung über das Geschehen in der Ukraine spielte eine gewisse Frau Atai. In angeblichen Berichten vom Ort des Geschehens gab sie ungeprüfte, aber um so tendenziösere "Informationen" aus zweifelhaften Quellen als der Wahrheit letzten Schrei aus. Ein Beispiel dieser Falschberichterstattung: Am 14. April hatten ARD und ZDF einen kurzen Film gezeigt, der einen "russischen Hauptmann" als "neuen Kommandeur in der Ostukraine" vorführte. Es handelte sich um eine plumpe Fälschung, die schon durch die stümperhafte Machart bei einer seriösen Journalistin Zweifel hätte auslösen müssen.

Das in Frage stehende Video war in der einzigen Absicht produziert worden, Rußland zu diskreditieren. Tippte man am 16. Juli den Google-Suchbegriff "ARD-Lügen Ukraine" ein, dann wurden 443.000 Treffer vermeldet. Dabei ist anzumerken, daß es sich nicht in erster Linie um das Fehlen der im echten Journalismus notwendigen Faktenüberprüfung handelte, sondern ausschließlich darum ging, den Kalten Krieg nicht nur fortzusetzen, sondern mit Blick auf einen eventuellen heißen Krieg gegen Rußland als "Kampf um die Köpfe" zu führen.

In der Berichterstattung über den mutmaßlichen Abschuß des malaysischen Flugzeugs MH 17 griffen auch angebliche Qualitätsmedien auf die Tricks simpler Fälscherwerkstätten und der professionellen Desinformationszentralen des Kiewer Regimes zurück. Äußerungen bei zeitlich unterschiedlichen Begegnungen zweier Offiziere der Volksmiliz wurden zusammengeschnitten und ungeprüft als angeblicher Beweis für den Abschuß der Verkehrsmaschine durch "Separatisten" ausgegeben, obwohl es für unsere öffentlich-rechtlichen Medien ein Leichtes gewesen wäre, die stümperhafte Fälschung nachzuweisen.

Doch jede Unterstellung ist für die mentale Vergiftung der Zuschauer und Leser gut genug, wenn sie nur die Russophobie bedient und die Verantwortung von US-Regierung, NATO und EU für die gespenstische Lage in der Ukraine verschleiert.

Niki Müller, Friedrichstadt (Ostfriesland)

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Washingtons Marshallplan zielte auf Erhalt des Kapitalismus in Europa

Zur Mär vom Wohlstandsbringer

Noch immer spukt die Vorstellung, der Marshallplan habe der BRD-Bevölkerung zu "Wohlstand" verholfen, in etlichen Köpfen herum. Dabei ging es seinen Erfindern um etwas ganz anderes: "Das deutsche Volk soll sich keinen Illusionen hingeben. Der Marshallplan ist die konsequenteste Restauration des Privateigentums", erklärte damals ein Berater der US-Militärregierung in Deutschland.

"Es handelte sich um eine Interessenpolitik, die mit der Lieferung von Roh- und Brennstoffen, aber auch Lebensmitteln sowohl den angeschlagenen Kapitalismus in den Empfängerländern als auch deren Abhängigkeit vom amerikanischen Imperialismus stärken wollte", liest man in "Milliarden für den Geier" von Manfred Ohlsen.

Was waren die Ursachen dafür, daß es in der Alt-BRD bis zum Beginn der 50er Jahre zu einem "Wohlstand" kam, dessen entscheidende Nutznießer ungenannt blieben?

1. Landwirtschaft und Industrie konnten große Teile ihres wertlosen Geldes noch vor der Währungsreform in Sachwerte umwandeln.

2. Es gab einen partiellen Lohn- und Preisstopp.

3. Vor Einführung der D-Mark erfolgte eine enorme Hortung von Rohstoffen, Halbfertigprodukten und industriellen Erzeugnissen.

4. Weltunternehmen und ganze Industriezweige wurden systematisch nach Westdeutschland verlagert, was für die weitere Entwicklung der dortigen Wirtschaft und des Exports von großer Bedeutung war.

5. Den BRD-Firmen wurde vor der Währungsreform gestattet, vorhandene Produktionskapazitäten nur teilweise einzusetzen, hergestellte Güter nicht auf den Markt zu werfen und umfangreiche Reserven an Halb- und Fertigprodukten anzulegen. Diese bedurften oft nur eines Montagevorgangs, um ausgeliefert werden zu können. So war die westdeutsche Wirtschaft bereits vor 1948 dazu in der Lage, genausoviel zur Verfügung zu stellen wie für die Bedürfnisse zu Friedenszeiten nach 1936.

6. Die Warenhortung hatte im Mai/Juni 1948 ihren Höhepunkt erreicht. Die Unternehmen produzierten, ohne zu verkaufen, wobei sie die Herstellung bisweilen sogar drosseln mußten. Die Zurückhaltung von Gütern lag im Bereich zwischen 10 und 80%.

7. Am 20. Juni 1948 - dem Stichtag der Währungsreform - erhielt jeder westdeutsche Bürger 40 DM, zwei Monate darauf weitere 20 DM. Bei 50 Millionen Einwohnern standen dem Wirtschaftskreislauf auf einen Schlag drei Milliarden DM an aufgestauter Kaufkraft zur Verfügung. Diese enorme Summe wechselte in kürzester Frist den Besitzer, was weitere Investitionen ermöglichte.

8. Das Anlagekapital der Unternehmer blieb erhalten und wurde sogar noch aufgewertet. Das gestattete eine verlustlose Umstellung von Reichsmark auf DM. Viele Firmen konnten ihr Aktienkapital, in dem riesige Kriegsgewinne steckten, im Verhältnis 1:1 oder 1:3,1 (wie im Falle der Klöckner-Werke AG und der Gutehoffnungshütte) umtauschen.

9. Sämtliche Schulden wurden im Verhältnis 100:10, Bankeinlagen im Verhältnis 100:6,5 abgewertet. Die Firmen waren auf einen Schlag von 90% ihrer Verbindlichkeiten befreit worden.

10. Sach- und Produktionsmittel-Eignern wurde deren Besitz gesichert.

11. Gehortete Warenvorräte konnten mit beträchtlichen Gewinnen abgesetzt werden.

12. Der Korea-Krieg wirkte sich für die Unternehmer profitsteigernd aus.

13. Die Preise stiegen zwischen 1948 und 1951 um bis zu 75%, während die Löhne dahinter zurückblieben.

14. Das DM-Bilanz-Gesetz gestattete, das gesamte Anlagevermögen der Unternehmer einschließlich ihrer Vorräte zum Wiederbeschaffungswert zu berechnen und von diesen neuen Bilanzwerten abzuschreiben.

15. Infolge der Zurückhaltung der Gewerkschaften konnten die westdeutschen Unternehmer billiger produzieren als ihre Konkurrenten im Ausland.

16. Mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurden bis zu 60% aller Verbindlichkeiten erlassen.

17. Nach dem Luxemburger Abkommen vom September 1952 sollten zwei Drittel der als Wiedergutmachung an Israel festgelegten Summe von 3,45 Mrd. DM in Form von Gütern und Dienstleistungen erbracht werden, was den Wirtschaftsboom jener Zeit nicht unwesentlich beeinflußt haben dürfte.

18. Während Millionen deutscher Sparer und Kleinunternehmer den Krieg abermals mit völliger Geldentwertung bezahlen mußten und bei der unvermeidlichen Währungsreform lediglich mit winzigen Beträgen pro Kopf ausgestattet wurden, verfügte Friedrich Flick - Hitlers größter Rüstungslieferant - nach wie vor über ein Vermögen von Hunderten Millionen DM, als er das Landsberger Kriegsverbrechergefängnis verließ. Bereits am Tag nach der Währungsreform erhöhte er das Grundkapital der Hartener und Essener Gesellschaft aus bisher versteckt gehaltenen Gewinnen von 142 Mill. RM auf 262 Mill. DM.

19. Das Wichtigste zum Schluß: Der vielgepriesene "Wohlstand" beruhte auf enormer Staatsverschuldung, die vom ersten Tag des Bestehens der Alt-BRD eingegangen werden mußte. Sie betrug Ende 1950 bereits 10 Mrd. DM und stieg bis Ende 1953 auf 30 Mrd. DM.

Die Propagandaparole, mit dem Marshallplan sei im Westen "der Wohlstand ausgebrochen", diente allein zur Ablenkung der Massen, denen nicht bewußt werden sollte, daß sie gerade ihre Enteignung hinnehmen mußten. Mit dem Slogan "Die Amerikaner helfen uns mit dem Marshallplan zu neuem Wohlstand", während "der Russe die Deutschen im Osten mit seinen Reparationsforderungen schröpft", sollte die Tatsache verschleiert werden, daß die Profiteure des faschistischen Raubkrieges ihre Schäfchen ins trockene gebracht hatten. Überdies bedeutete der Marshallplan die Festschreibung der deutschen Teilung.

Was hätte mit den 6,4 Mrd. des Marshallplans alles finanziert werden können?

Allein die Pensionen ehemals hoher NS-Funktionäre und Hitlergeneräle betrugen jährlich 1,3 Mrd. DM. Die Kriegsverbrecher bezogen in nur fünf Jahren so viel wie die gesamte Marshallplan"hilfe", erhielten aber weiterhin ein bis zwei Milliarden DM an Pensionsgeldern im Jahr.

Auch für Zwecke der Wiederaufrüstung hätte die Summe verwendet werden können. Schon 1956 betrug der Bundeswehretat nämlich 9 Milliarden DM. Die Armee des deutschen Imperialismus verpulverte damals bereits den Gesamtbetrag des Marshallplans innerhalb von acht Monaten.

Wunder - auch Wirtschaftswunder - gibt es nur so lange, wie man an sie glaubt. Werden sie erst einmal hinterfragt, lösen sie sich oft in nichts auf.

Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)

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Über genossenschaftliche Großbetriebe in ostdeutschen Dörfern

"Wiedereinrichter" contra "rote Barone"

Die ersten Monate nach der vermeintlichen Wende, wie die Konterrevolution der Jahre 1989/90 unter Anspielung auf die Vorstellung von einer "Wende zum Guten" irreführenderweise oft bezeichnet wird, waren auch für die Landwirtschaft der Noch-DDR durch grundlegende Veränderungen bestimmt. Die aus den bereits weithin vom Westen gesteuerten Wahlen am 18. März 1990 hervorgegangene letzte DDR-Volkskammer, die diesen Namen schon nicht mehr verdiente, beschloß ein sogenanntes Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LAG). Es trat sofort in Kraft. Damit sollte den großen sozialistischen Agrarbetrieben - den Volkseigenen Gütern (VEG) und den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sowie weiteren Objekten der kapitalistischen Begierde - eigentlich der Garaus gemacht werden. Das LAG erwies sich aber als sehr lückenhaft und führte vielerorts ausschließlich zum Streit in den Dörfern.

Erst als der Bundestag dann im Frühjahr 1991 eine Novellierung der gesetzlichen Regelungen zur Zukunft der ostdeutschen Landwirtschaft herbeiführte, zog etwas Ruhe ein.

Dennoch gab es weiterhin ungelöste Probleme. Galten zuvor für agrarische Erzeugnisse in der DDR stabile Abnahmepreise, so gingen diese auf einen Schlag in den Keller. Auch durften ostdeutsche Produkte nach der Währungsumstellung nicht im Westen verkauft werden.

Das führte bei den noch bestehenden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zu finanziellen Zwängen, die es erforderlich machten, eine beträchtliche Anzahl von LPG-Mitgliedern, vor allem Frauen, zu entlassen. So wurde die Landbevölkerung im annektierten Osten der ersten Segnung der "neuen Ordnung" gewahr: der Arbeitslosigkeit. Später konnten für die auf solche Weise Ausgegliederten mit Hilfe der Bauernverbände und der zuständigen Behörden Regelungen gefunden werden, die ihre finanzielle Situation stabilisierten. Das hatte nicht zuletzt Bedeutung für einen günstigeren Übergang ins Rentenalter.

Die nunmehr entscheidungsbefugten staatlichen Organe, vor allem die Landwirtschaftsämter, mußten sich zunächst einmal auf eine diametral entgegengesetzte Gesellschaftsordnung - den Kapitalismus - einstellen.

Nun hatten sich die Bauern selbst darum zu bemühen, daß ihre Interessen in den Vertretungskörperschaften der verschiedenen Ebenen durch Frauen und Männer ihres Vertrauens wahrgenommen wurden. Die neue Parteienstruktur war nicht gerade dazu angetan, daß überall für sie und ihre Erwartungen plädiert wurde. Zuvor hatten Agrarpolitiker der SED sowie ihrer Verbündeten auf dem Lande, darunter Funktionäre der Demokratischen Bauernpartei und andere geeignete Partner, die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den Dörfern gefördert. Die stets bei innerbetrieblichen Schwierigkeiten vom Rat des Kreises oder den jeweiligen Parteileitungen erwartete und erwiesene Hilfe war über Nacht weggebrochen.

Auch im Acker- und Feldbausystem, das in der DDR längst auf wissenschaftlichen Anbauverfahren und Fruchtfolgen basierte, traten nun gravierende Veränderungen ein. Jetzt baute man das an, was von den EU-Agrarbossen gerade am meisten gefördert wurde. Während zu DDR-Zeiten nahezu jeder Quadratmeter in die Berechnungen einbezogen und genutzt worden war, gab es nunmehr Flächenstillegungen, die man obendrein auch noch bezahlte.

Von dieser "sozialen Marktwirtschaft" versuchte man die Landwirte mit DDR-Vergangenheit zu überzeugen. Einige fielen auch darauf rein, andere rochen den Braten.

Es war ja nicht leicht, sich an den "Umbau der Systeme", wie die kapitalistische Rückeroberung genannt wurde, zu gewöhnen und entsprechend zu wirtschaften.

Da die diesbezügliche Gesetzgebung der BRD ausdrücklich die Bildung von Genossenschaften verschiedener Produktionsrichtungen gestattet, beschlossen viele ehemalige LPG-Mitglieder, kurzerhand Genossenschaften bürgerlichen Rechts zu gründen. Da die meisten von ihnen ja selbst Landbesitzer waren, gab es damit auch kaum Probleme. In unserem Altkreis Herzberg/Elster wurde schon am 30. Mai 1990 die erste Agrargenossenschaft dieser Art auf Initiative von Mitgliedern der LPG Gräfendorf durch Beschluß der Vollversammlung ins Leben gerufen. Der alte LPG-Vorsitzende wurde zum Vorsitzenden gewählt.

Das gleiche geschah mit der einst als Schrittmacher im DDR-Maßstab geltenden LPG Pflanzenproduktion Vippachedelhausen im Landkreis Weimar, über die ich den RF-Lesern in einer Serie von Beiträgen berichtet habe. Auch dort wurde ein erfahrener Landwirt, von dem die LPG zwölf Jahre geleitet worden war, zum Vorsitzenden der Erzeugergenossenschaft Neumark berufen, die er dann nochmals fast 15 Jahre leitete, bevor er dieses Amt in jüngere Hände legte. - Mögen rechtskonservative Politiker und als "Wiedereinrichter" bezeichnete neue Privatbauern sowie Engstirnige aller Art nach Belieben über die von ihnen geschmähten "roten Barone", wie sie die Leiter mit LPG-Vergangenheit bezeichnen, nach Herzenslust herziehen! Letzten Endes ist es vielen von ihnen zu verdanken, daß die einstmals sozialistischen Genossenschaftsbetriebe der DDR nicht mit Mann und Maus sang- und klanglos untergegangen sind. Sie waren es, die durch ihr oftmals jahrzehntelanges Wirken in Vorständen und Leitungen die dort gesammelten Erfahrungen mitbrachten, um neue Betriebsformen auszuprobieren und vor allem die agrarischen Großbetriebe mit vielen Arbeitsplätzen zu bewahren.

Als ich unlängst das Buch Jegor Ligatschows "Wer zerstörte die Sowjetunion?" las, stieß ich auf eine unser Thema betreffende Passage. Roswell Garst, ein mit der Sowjetunion vertrauter Gast aus Iowa, fragte 1989 den früheren Sekretär des ZK der KPdSU: "Sagen Sie, hat man in der UdSSR wirklich beschlossen, von den Kolchosen und Sowchosen abzugehen und sich mit der Schaffung von kleinen Betrieben zu befassen?" Ligatschow reagierte mit einer Gegenfrage: "Wie sehen Sie denn das Problem?"

Der Farmer und Maiszüchter aus dem Mittelwesten der USA brachte den Zeigefinger ausdrucksvoll in Schläfennähe und antwortete: "Diejenigen, welche die großen Wirtschaften in kleine zerstückeln wollen, sind wohl nicht ganz richtig ... Nur große Wirtschaften können die neuen kostenintensiven Entwicklungen der Agrarwissenschaft und -technik richtig einsetzen."

Dennoch sind die ständigen Versuche, effektiv arbeitende Genossenschaften im Osten doch noch irgendwie kleinzukriegen oder wenigstens in ihrer ökonomischen Ausstrahlung auf die bäuerlichen Familienbetriebe im Westen zu beeinträchtigen, bis heute nicht aufgegeben worden.

Eberhard Herr

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Unvergessen

Auf der ersten Seite des RF 200 erinnerten wir an jene, welche bei unserer Entwicklung eine prägende Rolle gespielt haben. Dabei wurde der Grafiker und Maler Arno Fleischer unerwähnt gelassen, der u. a. die Titelgrafik unserer Zeitschrift geschaffen hat.

Auch Archies geistiger Vater bleibt unvergessen. Da er nicht zu unseren frühen Autoren zählte, haben wir Manfred Hocke in das Gedenken an verstorbene Mitstreiter nicht einbezogen. Natürlich gehört auch er dazu, ebenso wie die verdienstvolle Genossin Lena Andrä.

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Vom Gegner nichts Falsches erwarten!

"Warum wurde die gesellschaftlich notwendige Preiskorrektur nicht konsequent durchgesetzt? Es gab Befürchtungen der Führung, daß dabei Probleme auftreten würden, die zeitweilig zu scharfen Spannungen führen könnten. ... Eine ... Korrektur der Preise nach oben wäre politisch nicht denkbar gewesen, zumal die westlichen Medien daraus einen Propagandaschlager ersten Ranges gemacht hätten. Also unterblieben gesellschaftlich notwendige Maßnahmen, die für die Volkswirtschaft außerordentliche Bedeutung gehabt hätten", schrieb Dr. Dieter Krause in seinem Beitrag "Schwarzbrote für Rindermägen" im August-RF (Hervorhebungen H. W.).

In diesen Sätzen steckt die ganze Crux unserer Sicht der politischen Ökonomie des Sozialismus. Der Autor sagt, die Führung - gemeint ist das Politbüro der SED in wenig wechselnder Zusammensetzung - habe sich davor gefürchtet, daß es bei Korrekturen (der Einzelhandelsverkaufspreise für Waren des täglichen Bedarfs und selbstverständlich auch bei Mietenveränderungen) "Spannungen" in der Bevölkerung geben würde und die "westlichen Medien" das propagandistisch ausnutzen könnten.

Dazu wäre zu sagen, daß - erstens - "Spannungen" in der marxistisch-leninistischen Dialektik als Widersprüche bezeichnet werden, die ganz normal aufzudecken und zu lösen sind. Zweitens: Was erwarteten wir eigentlich von den "westlichen" Medien - den Mietmäulern der in Westeuropa und den USA herrschenden Kapitalisten? Etwa wohlwollende Begleitung unseres Tuns? Wozu sind diese denn da? Doch nicht etwa, um freudestrahlend zu verkünden: "Die sozialistischen Ökonomen haben wieder ein Problem gelöst!"

Unsere "Führung" hätte auf die eigenen Medien achten müssen. Wie stellen wir das Problem, die reale "Spannung" dar? Und wie machen wir klar, daß eine Korrektur von Preisen etwas mit gesellschaftlicher Notwendigkeit, Realitätserkenntnis und Beherrschen der Produktionsverhältnisse zu tun hat? All das haben wir doch theoretisch auf der Hochschule gelernt.

Nun kommt der schwierigere Teil, der für Ökonomen der Landwirtschaft, zu denen ich mich zähle, vielleicht etwas leichter erkennbar ist als für solche Experten anderer Wirtschaftszweige. Ich meine den Prozeß des kontinuierlichen Ersetzens der lebendigen Arbeit durch vergegenständlichte, also durch Maschinen in großen Hallen, später durch elektronische Steuerungen unterstützt und per Software berechenbar gemacht. Dieser Prozeß verlief eben nicht auf einer "Insel der Seligen", sondern in einer nach wie vor untereinander verknüpften Weltwirtschaft. Während auf dem Weltmarkt die Preise für Rohstoffe, automatische Bearbeitungsmaschinen usw. seit Anfang der 70er Jahre kontinuierlich stiegen, hielten unsere Politökonomen dogmatisch am Preisniveau früherer Jahrzehnte fest. Ein Webfehler der sozialistischen Ökonomie bestand darin, daß wir unsere Grundmittel "auf Abnutzung" zu Einstandspreisen abschrieben, obwohl zum Zeitpunkt ihres Ersatzes (nach 10 oder vielleicht 30 Jahren) weitaus höhere Kosten entstanden.

Dr. Hermann Wollner, Berlin

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Mütterrente aus der Trickkiste

Bei der Einführung einer durch die schwarz-rosa Koalition bereits im Vorfeld als Wohltat angekündigten Mütterrente hat das Merkel-Kabinett einmal mehr in die soziale Trickkiste gegriffen. Es ist doch skandalös, daß der Rentenzuschlag für ein vor 1992 geborenes Kind geringer ausfällt als für ein später zur Welt gekommenes.

Was steckt hinter dieser "Differenzierung"? Obwohl die Regelung für ganz Deutschland gilt, richtet sie sich vor allem gegen Mütter aus dem Osten. Selbst in den letzten Monaten des Bestehens der DDR geborene Kinder sind hierzulande weniger wert als jene, welche im bundesdeutschen Glorienschein das Licht der Welt erblickten, Überdies sollen die geburtenstarken Jahrgänge, die es im Arbeiter-und-Bauern-Staat gab, der bourgeoisen Staatskasse nicht allzusehr zur Last fallen. Immerhin mußte in den benachteiligten Jahrgängen dann noch von einem auf zwei Rentenpunkte pro Kind nachgebessert werden, ab 1992 auf drei. Ein Rentenpunkt im annektierten Osten entspricht derzeit monatlich 26,39 € brutto, im Westen aber 28,61 €. Welche Logik steckt hinter dieser offenkundigen Diskriminierung?

Ein bemerkenswertes Detail mehr: Wenn Frauen nach der Geburt wieder früh gearbeitet und auch zeitnah gut verdient haben, dann werden die zusätzlichen Rentenpunkte gar nicht oder nur teilweise in Rechnung gestellt. Daß davon vor allem Frauen im Osten betroffen sein werden - man geht von bis zu zwei Millionen aus -, liegt daran, daß in der DDR 90% von ihnen einer geregelten Arbeit nachgingen und in den meisten Fällen nach einjähriger Babypause wieder in ihre Berufe zurückkehrten. Demgegenüber lag die Frauenerwerbsquote in der BRD während der 60er Jahre bei weniger als 20% und erreichte 1989 nicht mehr als 37%.

Die Mütterrente bevorzugt demnach vor allem westdeutsche Hausfrauen. Kein Wunder, daß dieses Gesetzesvorhaben von Beginn an ein Schlager der CSU-Ideologen gewesen ist. Für Unmut sorgt auch eine weitere Regelung: Für Frauen, die vor dem 30. Juni dieses Jahres schon Rente bezogen hatten, wird die Mütterrente unabhängig vom früheren Verdienst angesetzt. Das sei schon bei einer vorausgegangenen "Reform" so gehandhabt worden. Begründung: Da etwa neun Millionen Ansprüche neu berechnet werden müßten, wäre die BRD-Rentenversicherung dann ausschließlich damit befaßt.

Rico Jalowietzki

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Martyrium in 18 kirchlichen und staatlichen Heimen der BRD

Der Leidensweg des Lübeckers Eduard Kastelik

Die Zwillingsbrüder Kastelik stoßen bei den Behörden auf eine Mauer aus Vertuschung und Schweigen.

Eltern geben ihren Kindern Erinnerungen und Gedanken mit auf den weiteren Lebensweg. Das Jugendamt Lübeck, welches bei Eduard Kastelik die Elternstelle vertreten sollte, hat bis heute alles unternommen, um ihm wirklich identitätsstiftende Erinnerungen vorzuenthalten.

Die Umstände seiner Geburt und der ersten Lebensjahre sind kaum nachvollziehbar, weil ihm der Zugang zu noch vorhandenen Dokumenten unter fadenscheinigen Vorwänden erschwert oder gar verwehrt wurde.

Fest steht, daß er am 29. März 1948 geboren wurde. Seine Mutter war mit der Versorgung der Zwillinge überfordert und bat deshalb das Jugendamt Lübeck um Hilfe. Daraufhin kamen Eduard und sein Bruder unter dessen Vormundschaft. Es unternahm jedoch keinen Versuch, der Familie, die inzwischen den Mann und Vater verloren hatte, materiell zu helfen. Für die Mutter unerreichbar, wurden die Kinder in ein Säuglingsheim nach Stuttgart verbracht. So begann die Mutter-Kind-Beziehung frühzeitig zu zerbrechen. Es folgte die ständige Verlegung in andere Heime, quer durch die ganze Bundesrepublik. Der Mutter wurde das Besuchsrecht so lange verweigert, bis sie nicht mehr wußte, wo sich die Kinder überhaupt befanden. Die Heime standen mehrheitlich in kirchlicher Trägerschaft. Erziehungsmittel der Betreuer waren Essensentzug, Schläge zu jeder Tageszeit, unbezahlte Arbeit nicht nur in den Heimen, sondern auch in Landwirtschaftsbetrieben der Umgebung. Seit dem 18. Mai 1953 war Eduard Kastelik im Kinderheim Weihe (Landkreis Harburg). Als Träger dieser Einrichtung galten die "Katharinenschwestern" der katholischen Kirche von Münster. Kurze Zeit war er auch im Kindererholungsheim "Waldmühle" in Braunlage (Harz), das sich in der Trägerschaft der Caritas Hildesheim befand. Hier sah er sich Übergriffen eines katholischen Priesters ausgesetzt.

Eduard Kastelik stellte im Mai 2014 dazu fest: "Die Hansestadt Lübeck und deren politische Vertreter tragen die Mitverantwortung für die an mir begangenen Verbrechen und schwersten Menschenrechtsverletzungen."

In einem offenen Brief an Lübecks Bürgermeister Saxe schrieb das Opfer der BRD-Heimerziehung:

"Zu den Verbrechen, die an mir und anderen Lübecker Kindern verübt wurden, konnte es nur kommen, weil das Jugendamt seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist. Bei ordnungsgemäß erfolgter Kontrolle hätte man unsere Verletzungen durch Schläge und unseren seelischen Zustand erkennen können. Schlagen und beten, das war gängiges 'Erziehungsmittel' der Nonnen. Für uns Kinder war es ein Alptraum, der bis heute zerstörerisch weiterwirkt.

Ein weiteres Fehlverhalten des Jugendamtes war die ständige Verlegung in andere Heime.

Es ist für mich trotz endloser Nachforschungen nicht zu erkennen, warum niemand darüber gestolpert ist, daß ich in mindestens 18 Kinder- und Jugendheime sowie zu verschiedenen 'Pflegeeltern' gebracht wurde.

Ich habe keine Verbrechen begangen, ich war ein Kind. Ich war nicht bildungsunfähig, sondern mit guten Anlagen. Statt dessen wurde ich vom Säuglingsheim Schorndorf bei Stuttgart in das Kinderheim Weihe im Landkreis Harburg verlegt, von dort ins Kinderheim 'Waldmühle' Braunlage, danach in die 'Erziehungs- und Zuchtanstalt' Bernwardshof in Hildesheim, von dort in das Missionskinderheim Altenhof in Eckernförde. Danach ging es über fünf verschiedene Einrichtungen in Schleswig-Holstein zu einer 'Pflegefamilie' nach Paderborn. Das waren ganz spezielle Zeitgenossen, die wahrscheinlich immer noch von ihren Ostarbeitern aus der Nazi-Zeit träumten. Dementsprechend wurde ich behandelt: viel Schläge, viel Arbeit, wenig Essen und keinen Lohn.

Es würde den Rahmen dieses Briefes sprengen, wollte ich alle Stationen meines Leidensweges aufführen, doch eines hätte dem unvoreingenommenen Betrachter auffallen müssen: Das Hin- und Herverlegen durch die ganze Bundesrepublik diente nur dem Zweck, die begangenen Untaten zu vertuschen."

Schon am 19. Dezember 2011 hatte der um sein Leben Betrogene eine eidesgleiche Erklärung abgegeben. "Hiermit bekräftige ich ... gemäß 155 Strafgesetzbuch, daß ich in den hier von mir aufgeführten Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und in den anderen Örtlichkeiten von katholischen Nonnen und Priestern sowie sogenanntem weltlichem Personal zwischen 1953 und 1968 sexuell mißbraucht, psychisch gefoltert und physisch - z.B. durch Waterboarding - gedemütigt, beleidigt und gequält worden bin."

Am 6. Februar 2013 ging bei Eduard Kastelik ein amtliches Schreiben des Lübecker Bürgermeisters Bernd Saxe ein, in dem es hieß:

"In unserem Gespräch haben Sie mich an Ihren persönlichen Erinnerungen teilhaben lassen. Als Mensch erfüllen mich Ihre Schilderungen über das Ihnen zuteil gewordene Schicksal mit Scham und Entsetzen. Über das abstrakte Wissen hinsichtlich der dunklen Seiten der Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren hinaus habe ich aus Ihren Schilderungen ein konkreteres Bild über die schlimmen Zustände der damaligen Fürsorgeerziehung erhalten.

Als Bürgermeister erwächst für mich aus Ihrer Lebensgeschichte der Auftrag, dafür Sorge zu tragen, daß sich die Hansestadt Lübeck an der Aufarbeitung der Geschichte der Heimerziehung aktiv beteiligt und alles dafür tut, daß sich derartige Unmenschlichkeiten in der Jugendhilfe nicht mehr wiederholen.

Im Namen der Hansestadt Lübeck bitte ich Sie für das erlittene Unrecht, soweit dies im Zusammenhang mit dem Handeln des damaligen Jugendamts stehen sollte, und die daraus entstandenen Folgen um Verzeihung."

Hamburgs Senator für Arbeit, Soziales, Familie und Integration Detlef Scheele schrieb am 14. März 2013 an Eduard Kastelik:

"Als Vertreter des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg möchte ich mich bei Ihnen für Ihr in der Kindheit und Jugend erlittenes Unrecht und Leid auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg entschuldigen.

Das an Ihnen begangene Unrecht ist nicht wiedergutzumachen. Sie haben Ihre Kindheit und Ihre Jugend verloren, und die Erlebnisse prägen auch Ihr Leben als erwachsener Mann. Ihre seinerzeit erlittenen Verletzungen sind tiefgreifend."

Man könnte das Eduard Kastelik Angetane als schlimmes Geschehen vergangener Zeiten betrachten, sähen wir uns nicht weiterhin mit Vorfällen konfrontiert, bei denen der Mißbrauch kirchlicher Ämter und Institutionen eine gravierende Rolle spielt.

Das Material übermittelte und kommentierte

Wilfried Link, Lübeck

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Er arbeitete in Moskau, kämpfte in Spanien und starb in Sachsenhausen

Der Geraer Widerstandsheld Erwin Panndorf

Erwin Panndorf, geboren am 7. Januar 1904 in Gera, absolvierte nach der Volksschulzeit eine dreijährige Ausbildung zum Maschinenschlosser. Er war als ganz junger Sozialist noch während des Ersten Weltkrieges bei Protestaktionen zugegen und beteiligte sich später an der Niederschlagung des Kapp-Putsches in seiner Heimatstadt. Diese konsequente Haltung führte ihn in den Kommunistischen Jugendverband (KJVD), die KPD, den Roten Jungsturm und den Rotfrontkämpferbund (RFB).

Erwin Panndorf engagierte sich in der Bildungsarbeit, politischer Agitation, der Betreuung von Arbeiterkindergruppen sowie in der Wander- und Sportbewegung. Er nahm an spektakulären antimilitaristischen Aktionen des KJVD wie jener gegen das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms in Gera teil, trat aber auch als Redner bei Versammlungen in ganz Thüringen auf.

Mit ihrem 1. Fünfjahrplan, der 1929 anlief, strebte die junge Sowjetunion einen enormen Industrialisierungsschub an. Für die 1500 ins Auge gefaßten neuen Großbetriebe wurden Facharbeiter, Ingenieure und Techniker aus dem In- und Ausland gesucht.

Als Internationalist war Panndorf bereit, seine Kenntnisse einzubringen. Der 26jährige begann eine Arbeit bei der 2. Staatlichen Uhrenfabrik in Moskau. Dort fand er schnell Kontakt zum Kollektiv und wurde 1931 als Deputierter in den Sowjet des Moskauer Stadtbezirks Krasnaja Presnja gewählt, der in der russischen Revolution von 1905 den Auftakt gab. Später wechselte er in die 1. Staatliche Uhrenfabrik und lernte dort die Komsomolzin Maria Iwanowna kennen, die er heiratete. Aus der Ehe ging die Tochter Ilsa hervor. Erwin Panndorf erfuhr für seine Arbeit viele Ehrungen, als deren Höhepunkt er die Aufnahme in die KPdSU betrachtete.

Nach Beginn des Volkskrieges zur Verteidigung der Spanischen Republik folgte er dem Solidaritätsappell der Komintern und verstärkte ab Mai 1937 die Reihen der Interbrigaden. Er wurde zum Kommandeur eines Panzer-Reparaturzuges in der gemischten Interbrigade "Carros de Blindados" ernannt.

Bis Mitte 1938 stand er acht Monate an der Front. In dieser Zeit gelang es ihm, zwei Werkstätten aufzubauen und zahlreiche Reparaturen auszuführen, um die Einsatzfähigkeit der kämpfenden Truppe zu gewährleisten. Mit dem Abzug der Interbrigaden nach Frankreich kam er im Oktober 1938 in ein französisches KZ. Als Ende Januar 1939 erste neu aufgestellte internationale Bataillone nach Barcelona gingen, meldete er sich erneut. Nach der Niederlage der Spanischen Republik geriet Erwin Panndorf wiederum in ein französisches KZ, wobei ihm aufgrund seiner sowjetischen Staatsbürgerschaft die Auslieferung an Hitlerdeutschland erspart blieb. Am 1. April 1939 konnte er nach Moskau zurückkehren.

Unmittelbar nach dem Überfall der deutschen Faschisten auf die UdSSR reihte sich Panndorf in den Widerstandskampf gegen die Aggressoren ein. Er sollte als sowjetischer Militäraufklärer und Beauftragter des ZK der KPD hinter den feindlichen Linien zum Einsatz gelangen, um bereits aktive deutsche Gruppen zu unterstützen und deren Netzwerk auszuweiten. Auch die Erkundung der Lage im "Reich" gehörte zu den Aufgaben der Kundschafter.

Im Mai 1942 verabschiedete sich Erwin Panndorf von seiner Familie. In einem letzten Brief schrieb er: "Ich reise heute aus Moskau ab, hören wird man von mir nach dem Kriege."

In der Nacht zum 17. Mai 1942 sprangen er und sein Genosse Willi Börner über einem Waldstück unweit von Osterode in Ostpreußen ab. Sie schlugen sich bis nach Meerane durch, wo die geplante Einrichtung einer Funkstelle fehlschlug. Daraufhin suchten sie Zuflucht in Crimmitschau, von wo aus Panndorf über seine Schwester Verbindung zu Widerstandsgruppen in Thüringen aufzunehmen beabsichtigte. Dieses Bemühen scheiterte an der Schwester des Antifaschisten, die bei der Gestapo Anzeige erstattete. Daraufhin wurde von den Fahndern ein Kopfgeld von 10.000 Reichsmark ausgesetzt. Die beiden Kundschafter trennten sich und vereinbarten einen neuen Treff in Innsbruck, der aber nicht mehr zustande kam.

Panndorf beschloß, sich allein nach Berlin durchzuschlagen. Am 10. Juni traf er dort bei Rudolf Scheffel ein, den er aus der kommunistischen Jugendarbeit in Gera kannte. Über ihn trat er mit dem Kreis um Felix und Käthe Tucholla in Verbindung. Beide halfen ihm, bei KPD-Genossen und anderen hilfsbereiten Menschen unterzukommen. Es gelang Panndorf, in Berlin eine kleine nachrichtendienstliche Gruppe aus Kommunisten aufzubauen. Als er dann abermals Kontakt zu Börner herzustellen versuchte, wurden er und weitere neun Antifaschisten am 27. Juli 1942 von der Gestapo verhaftet. Sie lieferte Erwin Panndorf in das KZ Sachsenhausen ein, wo SS-Männer den 38jährigen am 10. Dezember 1942 ermordeten. Gegen seine Mitkämpfer verhängte der faschistische "Volksgerichtshof" Todesurteile.

Der Einsatz von antifaschistischen Kundschaftern wurde von beiden deutschen Staaten konträr bewertet. In der DDR betrachtete man sie als heldenhafte Kämpfer und Vorbilder der Jugend. Dort gab es eine Reihe von Veröffentlichungen über Panndorf, dem hohe Ehrungen zuteil wurden. Seinen Namen findet man auch auf einer Tafel in der Berliner Gedenkstätte der Sozialisten. Geras 1968 errichtete Sport- und Kongreßhalle sowie eine dortige NVA-Pioniereinheit bekamen ihn zuerkannt.

In der BRD wurden deutsche Kundschafter der Sowjetunion als "Söldner des NKWD" und "Agenten Moskaus" diffamiert, soweit man sie nicht totschwieg.

Geras Panndorf-Halle trägt weiterhin den Namen des Widerstandshelden, ein Bildrelief erinnert an ihn. Unerwähnt bleibt aber, daß er Kommunist und Spanienkämpfer war. Veröffentlichungen des "Forschungsverbundes SED-Staat" bezeichnen die Einsätze der Fallschirmspringer als "Himmelfahrtskommandos". Sie seien geopfert worden und für den Tod anderer Widerstandskämpfer mit verantwortlich.

Das Verschweigen des kommunistischen Widerstandes im Schulunterricht hat zur Folge, daß herausragende Kämpfer aus der jeweiligen Region den Jüngeren kaum noch bekannt sind.

Seit 2007 finden auf Initiative der Partei Die Linke wieder Gedenkfeiern für Panndorf statt. Fünf Jahre später erfolgte die Verlegung eines Stolpersteins, der an einen aufrechten Menschen erinnert, dessen Taten nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Ralf Jungmann, Gera


Das Material wurde mit Unterstützung der SDAJ-Gruppe Gießen-Marburg erarbeitet.

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Auch nüchterner denkende Antikommunisten distanzieren sich von Knabe

Bläst da wer zur "Hubertusjagd"?

Mit der ihm eigenen versteinerten Miene und unter Verzicht auf einen Abschlußkommentar registrierte Hubertus Knabe das für ihn niederschmetternde Ergebnis einer Umfrage der MDR-Sendung "Fakt ist ­...", die unter dem Titel "Streit um DDR-Symbole" ausgestrahlt wurde. Nur 13 % der Befragten befürworteten im März 2014 seine Forderung nach einer drastischen Beschneidung von Grundrechten, 87% stimmten dagegen. Auch die am Gespräch beteiligten Vertreter von SPD und CDU und der Leiter eines DDR-Museums in Radebeul mochten seinem "Konzept" so nicht folgen.

Knabe beklagte "zweierlei Maß" gegenüber "rechtem und linkem Radikalismus". Er forderte, sich am Beispiel Ungarns, Lettlands, Estlands und weiterer Staaten zu orientieren, wo sich sogar C & A für das Zeigen eines T-Shirts mit einem Che-Guevara-Porträt entschuldigen mußte. In diesen Ländern stehen Symbole aus sozialistischen Tagen unter Strafe. Extremer Nationalismus, Rassismus und aggressiv-imperialistisches Gebaren bestimmen den Kurs. Das inspiriert Knabe: Sogar der Pantomime, der in Volkspolizeiuniform am Brandenburger Tor seine Brötchen als Touristenattraktion verdient, ist für ihn "eine unzumutbare Verhöhnung der Opfer". Dieses Übermaß an Borniertheit veranlaßt selbst professionelle DDR-Hasser, Knabe die Gefolgschaft zu versagen und eine "Hubertusjagd" in Erwägung zu ziehen.

Auch wenn sie der Auftrag, die Verunglimpfung der "stalinistischen Diktatur" zu betreiben, verbindet, findet unter ihnen zu Konzepten und Taktiken ein heftiger Streit statt. Etlichen dieser DDR-Diffamierungsexperten ist nämlich nicht entgangen, daß allzu plumpe und einseitige Geschichtsverdrehung kontraproduktiv sein kann. Doch anderes ist mit dem Mann aus Unna nicht zu haben.

Beim Hobeln fallen dann bisweilen außergewöhnliche Späne. Prof. Dr. Richard Schröder - er war nach dem 18. März 1990 SPD-Fraktionsvorsitzender in der letzten Volkskammer und ist heute Vorsitzender des Beirats beim Bundesbeauftragten für die "Stasi"-Unterlagen - profilierte sich mit seinem der PDS geltenden Ausspruch: "Wir wollen Euch nicht verbieten, wir wollen nur Euer Geld!"

Etliche Jahre später - 2013 und 2014 - griff er Knabe in zwei langen "FAZ"-Artikeln scharf an. Er begründete darin, warum ein Verbot von DDR-Symbolen juristisch nicht zu rechtfertigen wäre. Durch den Einigungsvertrag und den "Zwei-plus-vier-Vertrag" sei die DDR der BRD als deren Partner beigetreten und mit ihren Institutionen, Bezirken oder anderen Organen in sie übernommen worden. Man müßte also zunächst diesen Vertragspartner und dessen Körperschaften verbieten, was für zahlreiche Rechtsnachfolgeeinrichtungen ernste Konsequenzen hätte.

Wie Frau Merkel in Griechenland entgegengehaltene Plakate zeigten, gibt es in Westeuropa durchaus kein angstbeladenes Negativimage der DDR, wie deren bundesdeutsche Schmäher behaupten. Im Gegensatz zu Nazi-Deutschland, als dessen Nachfolgestaat sich die BRD betrachtet, hat sie niemals Kriege und Leid über die Völker gebracht. Ihre Gleichsetzung mit Hitlers 3. Reich werde anderswo als Verharmlosung der Geschichte des deutschen Faschismus betrachtet, konstatierte Schröder.

Die Gleichsetzung von DDR und Nazistaat sei ein ernster Denkfehler: "Sie waren in entscheidenden Punkten doch nicht gleich", bemerkte er und warf Knabe vor, daß er de facto dem Grundsatz folge: "Bei der Einschränkung der Grundrechte dürfen wir Deutschen uns von keinem anderen Land überbieten lassen."

Illiberal und fanatisch sei Deutschland oft genug gewesen. Das, was anderswo geschehe, tauge "für uns nicht zur Nachahmung. Die Präsenz russischer Truppen in der DDR wurde nicht als empörende Fremdbestimmung erlebt, sondern als Folge des verlorenen Krieges und Tatsache des Kalten Krieges."

Aus seiner Sicht gebe es zwei Arten von Opfern, im Englischen durch die Worte Victims und Sacrifices gekennzeichnet. Die einen seien Geschädigte, wie bei einem Verkehrsunfall, stellte Schröder fest. "Das ist kein Verdienst, adelt nicht und macht nicht kompetent." Es begründe unter bestimmten Voraussetzungen "Anteilnahme und gegebenenfalls Entschädigungsansprüche", was den Opferstatus für manche nachträglich begehrenswert erscheinen lasse. Peter Fechter und andere Republikflüchtige seien solche "Victims", aber keine "Sacrifices", welche aus politischer Überzeugung und Opposition gehandelt und Risiken auf sich genommen hätten. Nur sie verdienten aus seiner Sicht "Anerkennung und öffentliche Ehrung". So weit Prof. Schröder.

Die Heroisierung und ständige Präsentation von "Opfern" in Schulen und anderswo bedürfe der Freiheit gegenteiliger Äußerungen, damit eine wirkliche Meinungsbildung erfolgen könne, verlangte auch ein Teilnehmer an der Sendung "Fakt ist".

Die Realität sieht indes anders aus. So wurde eine ostdeutsche Lehrerin, die gesagt hatte, wer in der DDR nicht den Konflikt mit der Gesellschaft gesucht habe, sei bei der Gestaltung seines Lebens in der Regel unbehelligt geblieben, mit Hilfe von Personalrechtsmitteln diszipliniert. Ähnliches empfehlen Knabe-Konkurrenten jetzt zur Verhinderung von "Vorfällen", wie sie sich am 8. Mai in Treptow ereignet hatten. Das Auftreten in NVA-Uniformen gekleideter Teilnehmer einer Veranstaltung am Treptower sowjetischen Ehrenmal veranlaßte Hardliner dazu, sofort nach Verboten zu schreien. Ein Schüler aus den Niederlanden, der ein T-Shirt mit rotem Stern trug, mußte das Bekleidungsstück am Flughafen abgeben und wurde anschließend bestraft.

Es liegt an der PDL als einziger Linkspartei im Deutschen Bundestag sowie allen außerparlamentarischen demokratischen Kräften, daß derartige Ungesetzlichkeiten nicht auch in der BRD zur Norm werden. Zur Zeit besitzt das Konzept der "Gruselkabinette" und sonstigen Dämonisierungsveranstaltungen à la Knabe allerdings noch ein massive Unterstützung durch all jene, die so oder so von DDR-Diffamierung leben. Dagegen hilft nur entschlossener Widerstand.

Jobst Heinrich Müller, Lüneburg

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[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Beiträge des Rotfuchs Extra Oktober 2014 wurden nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Über Versuche, der DDR antisemitische Ressentiments anzudichten

Wissenslücken bei Petra Pau

Petra Pau, durch die PDL benannte Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, hielt es für angebracht, Linken in Sachen Israel die Leviten zu lesen. Das ND berichtete am 9./10. August in seinem Artikel "Schreckliche Tradition" darüber.

Offensichtlich ist der Anlaß darin zu erblicken, daß die derzeitige Außenpolitik der BRD-Regierung eine die Gemüter erregende Debatte ausgelöst hat.

Für Linke gilt das unverrückbare Gesetz, daß jegliche Diffamierung jüdischer Menschen genauso zu verabscheuen ist wie ein Angriff auf Sinti und Roma, Völker anderer Hautfarbe oder Anhänger religiöser Überzeugungen. Das sind wir angesichts der im deutschen Namen begangenen furchtbaren Verbrechen sowie aufgrund unserer sozialistischen Überzeugung und solidarischen Haltung allen Völkern gegenüber aus historischer Verantwortung schuldig.

Seit Jahrzehnten begehen Israels Regierende einen Völkerrechtsbruch nach dem anderen. Zugleich suchen sie jede Verurteilung ihrer verabscheuenswürdigen Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung Gazas und des Westjordanlandes unter mißbräuchlichem Verweis auf den Genozid der deutschen Faschisten an den europäischen Juden zu unterdrücken.

Wir sollten Israel wie alle anderen Staaten der Welt respektieren und allein nach ihren Taten bewerten, Tel Aviv jedoch keinen Sonderstatus einräumen. Und noch eine Bemerkung: Mit der Politik der derzeitigen BRD-Regierung und besonders mit der Haltung des Bundespräsidenten bin ich in keiner Weise einverstanden. Darf man mich deshalb als Deutschenhasser betrachten?

Ich halte die von der Bundesregierung betriebene Rechtfertigung des Denkens und Handelns der israelischen Machthaber unter Bezug auf das schreckliche Schicksal der Juden im europäischen Teil der Welt für absolut unzulässig.

Es gibt indes Leute, die den Kurs der Verharmlosung oder gar Bejahung der Genozid-Verbrechen Israels, wie er sich jetzt erneut beim Massaker an den Menschen im Ghetto von Gaza offenbart hat, mit Angriffen auf die Außen- und Innenpolitik unseres 1990 untergegangenen sozialistischen Staates verbinden. Petra Pau wäre nicht sie selbst, käme sie bei dieser Thematik ohne einen Seitenhieb auf die DDR aus. "Aber auch Linke sind mitnichten vor antisemitischen Vorbehalten gefeit. Das hat sogar eine schreckliche Tradition. ... In der DDR galten selbst Kommunisten mit jüdischen Wurzeln zuweilen als fragwürdig", bemerkte sie. Das ND druckte diese Behauptung wortgetreu ab.

In welchem Land hat die Frau eigentlich seit 1963 gelebt? Die DDR war bekanntlich jener deutsche Staat, in welchem alle jüdischen Bürger uneingeschränkte Gleichberechtigung genossen, geschützt und gefördert wurden. Sie waren am Entstehen und an der Gestaltung ihrer Heimat aktiv beteiligt. Ganz anders verhielt es sich damit in der BRD Konrad Adenauers. Es bedarf wohl keines weiteren Beweises, daß antisemitische Genozid-Verbrecher und Schreibtischmörder in Politik, Justiz, Sicherheitsapparat, Wissenschaft und anderen Sphären das Sagen behielten. Erinnert sei nur an Dr. Hans Globke, den Kommentator der Nürnberger Rassegesetze, der es bis zur grauen Eminenz des ersten Bundeskanzlers brachte.

In der DDR stellte sich die Situation absolut konträr dar. Dort gab es nicht wenige führende Persönlichkeiten, die zusammen mit jüdischen Bürgern den Weg durch Zuchthäuser und Konzentrationslager hatten gehen müssen. Einige Spitzenpolitiker waren Juden. Erinnert sei an Prof. Albert Norden, Sohn eines Rabbiners, oder Hermann Axen, Überlebender von Auschwitz. Beide waren langjährige Mitglieder des Politbüros der SED. Erwähnt sei auch der Leiter des Aufbau-Verlags, Minister für Kultur, Botschafter und Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi - der Vater Gregor Gysis -, der als hochgeachteter Politiker der DDR besonders wichtige Aufgaben übertragen bekam.

Unter den frühen Mitgliedern des Obersten Gerichts der DDR befanden sich jüdische Richter. Sie prägten gemeinsam mit anderen in diesem Bereich Tätigen die Rechtsprechung des Landes. Ob in den Parteien des Demokratischen Blocks, im Staatsapparat, in der Wissenschaft oder unter Künstlern - überall gab es jüdische Mitbürger.

Übrigens wurde die Frage, ob jemand Jude sei, niemals gestellt. Auch in der Volksarmee, bei der Volkspolizei und im Ministerium für Staatssicherheit gab es Genossen mit jüdischen Wurzeln. Nur ein besonders bekannter Name sei hier erwähnt: Markus Wolf, Chef der Hauptverwaltung Aufklärung - der legendären HV A. Zu einer den Antisemitismus konsequent bekämpfenden internationalistischen Erziehung der Nachkriegsgenerationen wurde im Osten Hervorragendes geleistet. Filme wie "Ehe im Schatten" oder "Die Bilder des Zeugen Schattmann" gehören zum unvergänglichen Kulturerbe der DDR.

Ist Petra Pau all das entgangen? Oder hat sie es aus Opportunitätsgründen nur verdrängt? Folgt sie gar der Politik der DDR-Herabsetzung um jeden Preis?

Natürlich billige ich Petra Pau wie allen anderen das Recht zu, an der kritischen Auseinandersetzung mit Defiziten des Lebens in der DDR teilzunehmen. Allerdings unter einer Voraussetzung: daß sie bei der Wahrheit bleibt oder zumindest dann schweigt, wenn sie diese nicht kennt.

Dr. Günther Sarge, Grünheide


Unser Autor war Präsident des Obersten Gerichts der DDR.

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Rußlands Bemühen um Nachahmung "westlicher Vorbilder" schlug fehl

Das Fiasko des "unipolaren Modells"

Die Ukraine-Krise ist kein Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine, sondern ordnet sich ein in die nach der Zerstörung der UdSSR wesentlich veränderte Weltlage und somit vor allem in eine Auseinandersetzung zwischen dem USA-dominierten Westen und Rußland.

Die ökonomische, politische und soziale Krise in dieser einst blühenden Sowjetrepublik hat vor allem innere Ursachen. Konkreter: Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt in Lwiw (Westukraine) 2312 Dollar, in Dnepropetrowsk (Ostukraine) 4748 Dollar, in Rußland 18.000 Dollar und in der BRD 43.952 Dollar.

Während in Rußland die Oligarchen von Putin mehr in Richtung Staatskapitalismus eingeordnet wurden, entschied die ukrainische Oligarchie jahrzehntelang gegen alle staatlichen Interessen. Es herrschen Korruption, Geschichtsrevision, Russophobie. Dazu kommen äußere Faktoren wie der Würgegriff von NATO und EU.

Faktisch ist die Ukraine erst 1919 als Nationalstaat entstanden und hat sich im Rahmen der UdSSR erfolgreich entwickelt. In den Auseinandersetzungen um die Nationalitätenpolitik im Jahre 1921 favorisierte Stalin einen unitären Staat mit kultureller Autonomie für nationale Randgebiete, aus denen später die Unionsrepubliken wurden. Damit verband sich die Frage nach Föderalisierung oder nationaler Selbständigkeit mit dem Recht auf Austritt bei Gefahr des Zerfalls des Unionsstaates. Dieser wurde dann mit dem Beschluß des Obersten Sowjets der UdSSR vom April 1991 eingeleitet.

Offensichtlich waren dabei für Rußland Probleme wie die seinerzeit eingetretene eigene Schwäche, die Suche eines neuen Weges nach dem Verlust seiner Weltmachtrolle, politische Blauäugigkeit und illusionäres Wunschdenken sowie das Fehlen einer ausgereiften Strategie maßgeblich. Die Ernüchterung trat zu spät ein.

Ein militärischer Einmarsch in die Ostukraine gehörte nicht zu den Absichten Putins. Eine solche Option wäre keineswegs mit dem strategisch richtigen Vorgehen auf der Krim vergleichbar und äußerst gefährlich. Dabei wird Moskau von den USA und der derzeitigen Kiewer Kamarilla pausenlos provoziert und unter Druck gesetzt.

Die Ereignisse in der Ukraine und um sie haben alle Seiten gezwungen, ihre Karten aufzudecken.

Prof. Dr. Hermann Klenner verweist auf die Bedeutung der Krim und Sewastopols für die Russische Föderation. Hätte sie auf den Raub durch die NATO warten und - nach all den Erfahrungen der Völker der Sowjetunion am 22. Juni 1941 - passiv dabei zusehen sollen?

Angesichts abenteuerlicher Erklärungen des neuen ukrainischen Verteidigungsministers und westlicher Drohungen hatte Außenminister Lawrow nicht grundlos davor gewarnt, daß ein Angriff auf die Krim einen Krieg auslösen würde.

Was ist zu erwarten?

In Kiew hat man keinen Plan zur Überwindung der Krise, schon gar nicht für eine ukrainische Oase der Demokratie und des wirtschaftlichen Erblühens, sondern nur den Ruf nach der NATO. Der Westen kaschiert daher seine Hilflosigkeit mit antirussischer Propaganda, die besonders auf Putin zielt. Die USA sehen ihren Hauptbeitrag im Druck auf Rußland und in der Sicherung eigener Vorteile. Die Kastanien aus dem Feuer zu holen und auch die Härten der Sanktionen überläßt man der EU.

Mit dem Zerfall der UdSSR erfolgte ein enormer zivilisatorischer Rückschlag, der von Putin als größte geopolitische Katastrophe bezeichnet wurde. Dennoch blieb Rußland für die USA der Feind Nr. 1. Nach Auffassung ihres langjährigen strategischen Planers Zbigniew Brzezinski handelt es sich um einen Konflikt zwischen euro-atlantischer und asiatisch-islamischer Welt, in dem eines der Systeme fallen müsse.

Immer öfter wird die Frage aufgeworfen, ob Rußland ein imperialistischer Staat ist. Sie muß nicht nur unter Bezugnahme auf Lenins Definition des Imperialismus verneint werden. Zu beachten ist, daß sich das Riesenland noch auf der Suche nach einem eigenen kapitalistischen Weg befindet, dabei aber nicht aus den Konsequenzen der langen sowjetischen Ära seiner Geschichte herauskommt. Das zeigt sich in der ausgeprägteren Beachtung nationaler Interessen und in der Außenpolitik sowie in Bestrebungen, die Marktwirtschaft unter Beachtung gewisser sozialer Kriterien umzusetzen.

Die Übernahme westlicher Rezepte sowie Versuche, immer wieder an jede Tür und jedes Fenster im Westen anzuklopfen, sind eklatant gescheitert. Dieser Kurs hat sich als strategische Fehlkalkulation erwiesen.

Es ist in Rußland also noch vieles in Bewegung und von seiner inneren Stärke, der praktischen Bewältigung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme abhängig. Die Selbstbesinnung in der Außenpolitik bedarf der Absicherung auch auf innenpolitischem Gebiet.

Nach dem Prinzip "Erwürge den Konkurrenten schon in der Wiege!" setzt der Westen darauf, Rußlands Wirtschaft in die Rezession zu treiben, zieht er einen neuen Eisernen Vorhang in Erwägung, forciert er Erpressung und Sanktionen.

Objektiv stellt Rußland derzeit ein Gegengewicht zur USA-Hegemonialpolitik dar. Es ist auch nicht isoliert, wenn man an seine strategische Partnerschaft mit China, an die Shanghaier Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, an BRICS oder ALBA denkt. Europäer sollten übrigens nicht vergessen, daß Rußland ihren Kontinent schon oft gerettet hat. Es zerschlug das mongolisch-tatarische Reich, die polnische Intervention im 17. Jahrhundert, Napoleons Armeen und die osmanischen Eindringlinge. Unvergessen bleibt der welthistorische Sieg über den deutschen Faschismus. Wichtige Erfahrungen vermitteln überdies der Brester Frieden 1918 und vor allem die Antihitlerkoalition von Staaten verschiedener sozialer Systeme.

"Die Politik des Zurückdrängens und Zügelns Rußlands hat auch nach dem Kalten Krieg nicht aufgehört. Deren bisheriger Höhepunkt ist die Ukraine-Krise. Die Gefahr der Veränderung des Kräfteverhältnisses in der Schwarzmeer-Region war nicht hinnehmbar", erklärte Putin am 1. Juli 2014. Das unipolare Modell einer Weltordnung habe sich als unhaltbar erwiesen.

Moskaus Spitzenpolitiker wandte sich gegen den Exklusivitätsanspruch des Westens in bezug auf das heutige Rußland. Er sei für nüchternes Herangehen an Probleme, für die Einhaltung des Völkerrechts und eine führende Rolle der UNO. Das russische Außenministerium befasse sich derzeit mit der Ausarbeitung komplexer Vorschläge für ein Sicherungsnetzwerk gegen verfassungsfeindliche Umstürze und jegliche Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten.

Bruno Mahlow

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Die Blockade bröckelt

von Jörg Rückmann, Berlin

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Premier Dr. Robert Fico sprach in Kaliste - einem der slowakischen Lidices

Bekenntnis zur Befreiungstat der Roten Armee

Dr. Robert Fico, der sozialdemokratische Ministerpräsident der Slowakei - eines Mitgliedsstaates von NATO und EU -, hielt am 16. August in der von faschistischen Mordbanden restlos zerstörten Ortschaft Kaliste eine Rede, die von der Presse des eigenen Landes total ignoriert wurde. Unsere slowakische Schwesterorganisation Cervená líska (RotFuchs) übermittelte uns eine von ihrem Ko-Vorsitzenden Uwe Klaus ins Deutsche übertragene Zusammenfassung des Ereignisses.

"Als Ministerpräsident der Slowakischen Republik danke ich für die Möglichkeit, hier zu sprechen. Zuvor bedanke ich mich dafür, nicht nur die slowakische Hymne gehört zu haben, sondern auch bewegend vorgetragene Lieder und Gedichte. Diese Form der kulturellen Gestaltung ehrenden Gedenkens an Opfer des Faschismus ist für die ganze Slowakei beispielgebend.

2014 jährt sich zum 100. Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges, zum 70. Mal der Beginn des Slowakischen Nationalaufstands und die wichtige gemeinsame Operation sowjetischer und tschechoslowakischer Verbände am Duklapaß. All diese Ereignisse forderten ungeheure Opfer und hatten prägende Auswirkungen nicht nur auf Europa - mit wichtigen Lehren für uns. Ich habe den Eindruck, daß gerade heute nur wenige daraus gelernt haben und lieber nach Feinden als nach friedlicher Zusammenarbeit suchen!

Das ist etwas, was ich wirklich nicht begreife. Deshalb trete ich öffentlich gegen die sinnlosen Sanktionen der Amerikaner und der EU gegen die Russische Föderation auf. Sie helfen niemandem, sondern richten sich gegen die Menschen und fordern zu logischen Gegenmaßnahmen heraus, die sich wiederum gegen die Menschen richten. Ich freue mich, Ihnen im Namen der Regierung der Slowakischen Republik zu garantieren, daß wir uns an einer solchen Politik nicht beteiligen und wir alles unternehmen werden, um unsere Bevölkerung vor den Folgen einer solchen falschen Politik zu schützen.

Gestatten Sie mir an diesem Ort einige Gedanken zum 70. Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstandes zu äußern. Ich versuche es so, wie es uns das Gedenken an die Helden und Opfer heute gebietet: Kaliste gehört zu den heroischen Ortschaften in der Slowakei, die den Partisanen im Widerstand gegen den Faschismus und den Kämpfern des Slowakischen Nationalaufstandes jede erdenkliche Unterstützung gewährten - im Wissen, welcher tödlichen Gefahr sie sich damit aussetzten.

Es geht um einen wesentlichen Teil unserer Geschichte und auch darum, über unser Verhältnis zur ersten Slowakischen Republik nachzudenken. Es genügt nicht, die Opfer des Zweiten Weltkrieges zu beklagen, es genügt auch nicht, die Mörder von Kaliste, deutsche Faschisten, anzuklagen, sondern auch deren slowakische Kollaborateure, die dazu beitrugen, daß alle 36 Häuser der Ortschaft niedergebrannt und alle 46 Einwohner ermordet oder in Konzentrationslager verschleppt wurden ..."

Im folgenden zitierte Dr. Robert Fico aus der erhaltenen Ortschronik: "... arbeitsfähige Menschen aus Kaliste sowie den umliegenden Dörfern und Ortschaften wurden zur Arbeit in die Rüstungswerke in Podbrezova gezwungen, entweder in dortige Lager verbracht oder sie mußten ihren bis zu 30 Kilometer langen Arbeitsweg täglich zu Fuß zurücklegen. Die in den Dörfern Verbliebenen unterstützten die Partisanen und Kämpfer des Slowakischen Nationalaufstandes mit dem, was sie besaßen. Sie hatten wenig, aber sie öffneten den Partisanen nicht nur ihre Türen, sondern vor allem ihre Herzen. Der gemeinsame Kampf sowjetischer und slowakischer Partisanen ... rief den erbitterten Widerstand und grausame Vergeltungsmaßnahmen der Faschisten hervor."

Der Ministerpräsident würdigte die Klugheit der Partisanen, die offenen Konfrontationen durch Rückzug in schier unzugängliche Regionen aus dem Wege gingen. So auch im März 1945. Als sich faschistische Strafeinheiten der Ortschaft Kaliste näherten, waren keine Partisanen im Dorf. Das aber hinderte die deutschen Faschisten nicht an dessen Auslöschung. Dr. Fico beschrieb minutiös den Ablauf der grausamen Aktion, die Erschießung der Großmutter, die den Deutschen zugerufen hatte, im Dorf seien keine Partisanen, bis hin zum Abschlachten des Viehs und dem Niederbrennen der Häuser.

Er fuhr fort: "Dieses Verbrechen ereignete sich am 18. März 1945.

Der verstärkte antifaschistische Widerstand und das Näherrücken der Front brachten den Tag, an dem die Menschen wieder in ihre Dörfer zurückkehren konnten. ...

Am 26. März befreite die ruhmreiche Sowjetarmee gemeinsam mit der Tschechoslowakischen Brigade und den Partisanen die Region und das nicht mehr existierende Dorf Kaliste vom Joch des Faschismus."

Abschließend trug der Ministerpräsident Auszüge aus der Lebensrückschau eines ehemaligen Frontberichterstatters aus dem Jahre 1970 und dessen Wunsch vor, die slowakische Nation möge die Lehren aus dem opferreichen, aber vom Sieg gekrönten Kampf gegen den Faschismus niemals vergessen. Das besitze damals wie heute ungebrochene Gültigkeit!

Dr. Ficos Rede wurde von den mehr als 6000 Teilnehmern mit starkem Beifall und Bravorufen bedacht.


Dr. Robert Fico ist seit 2014 Schirmherr des "Treffens der Generationen" und des jährlichen Gedenkens der Opfer faschistischer Mörderbanden in Kaliste. Der staatlich unterstützten Gedenkfeier, für deren Organisation der Slowakische Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer (SZPB) die Verantwortung trug, gingen getrennte Gottesdienste voraus. Noch vor zwei Jahren hatten die Geistlichen lediglich von einer schrecklichen Katastrophe gesprochen, welche Kaliste heimgesucht habe. Diesmal stellten sie die Auslöschung der Ortschaft in einen direkten Zusammenhang zu den besorgniserregenden Ereignissen in der Ukraine und mahnten dazu, alles dafür zu tun, dem Wiedererstarken faschistischer Kräfte entgegenzutreten.

An der offiziellen Feier zum 70. Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstandes in Banská Bystrica nahm auch der russische Verteidigungsminsister Sergej Schojgu teil.

Uwe Klaus

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Als Ankara im NATO-Auftrag Zyperns territoriale Einheit zerschlug

Überfall auf die Insel der Aphrodite

Der 20. Juli 1974 bleibt ein finsteres Datum in der Geschichte Zyperns. An jenem Tag landeten erste Einheiten der türkischen Streitkräfte im Norden der Insel. Als Vorwand nutzte Ankara die Behauptung, einem Putschversuch der rechtsextremistischen griechisch-zyprischen Terrororganisation EOKA-B begegnen zu müssen. Damit begann eine bis heute andauernde Okkupation mit Abtrennung von mehr als einem Drittel des Insel-Territoriums. In den folgenden Wochen wurden ständig neue Abteilungen der türkischen Armee an Land gebracht. Was war dem vorausgegangen?

Am 15. Juli hatten EOKA-B-Terroristen im Zusammenwirken mit den in Athen auf ähnliche Weise ans Ruder gelangten "Schwarzen Obristen" die Regierung des zum Staatschef gewählten Erzbischofs Makarios III. zu stürzen und den Präsidenten zu ermorden versucht. Das nur für einen Wimpernschlag der Geschichte ans Ruder gelangte Putschregime brach binnen acht Tagen zusammen. Die sich als Retter der Demokratie spreizenden türkischen Militärs aber spalteten die Insel der Aphrodite, wie Zypern genannt wird, einschließlich ihrer Hauptstadt Nikosia bis auf den heutigen Tag. Dabei spielte ihnen die chauvinistische Haßrhetorik der EOKA-Extremisten direkt in die Hände. Die westlichen Großmächte sahen diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts gelassen zu. In NATO-Stäben begrüßte man - intern - den Einmarsch der Armee eines weiteren Mitgliedsstaates des Paktsystems, nachdem die Briten ihre auf Zypern nach der Kolonialzeit aufrechterhaltene Militärbasis massiv ausgebaut hatten.

Das Schicksal unzähliger Zyprioten, deren deutliche Mehrheit griechisch spricht, war nach der von Ankara befohlenen Invasion durch Leid geprägt. Die Besatzer verjagten 200.000 Inselbewohner aus ihren Häusern und machten sie zu Flüchtlingen im eigenen Land. Tausende verschwanden mit bis heute ungeklärtem Schicksal, nicht wenige leben seitdem auf türkisch besetztem Terrain in griechischsprachigen Enklaven.

Zypern war in der Geschichte wiederholt Streitobjekt imperialer Mächte. Erst 1960 errang es seine staatliche Unabhängigkeit. Doch die junge Republik blieb weiterhin im Visier "interessierter Kreise". Besonders die strategisch bedeutsame Lage der Insel im östlichen Mittelmeerraum spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Washington, London und Athen verpaßten dem souveränen Staat eine für ihn "maßgeschneiderte" Verfassung. Die Türkei meldete bereits zu Beginn der zyprischen Eigenstaatlichkeit ihre Forderungen an, obwohl sie nach der Weltkriegsniederlage als Verbündeter des kaiserlichen Deutschlands allen diesbezüglichen "Ansprüchen" hatte entsagen müssen. Als Führer der zyprischen Unabhängigkeitsbewegung sah sich Erzbischof Makarios am Ende des Verhandlungsmarathons gezwungen, die seinem Land von Großbritannien, den USA und Griechenland übergestülpte Verfassung zu unterschreiben.

In den Jahren, die Ankaras Invasion vorausgingen, schürten griechisch- und türkischsprachige Rechtsnationalisten den Konflikt zwischen den beiden größten Volksgruppen der Insel, wobei sie - absichtlich oder de facto - die Geschäfte eine Spaltung des Staates betreibender imperialistischer Mächte besorgten. Die NATO-Zentrale zeigte sich an einer Aufteilung Zyperns zwischen ihren beiden Mitgliedsstaaten Griechenland und Türkei durchaus interessiert, was allerdings nicht unbedingt ins britische Kalkül paßte.

Bei all diesen Überlegungen besaß auch die Tatsache Gewicht, daß die zeitweilig den Staatspräsidenten stellende kommunistische Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL) vor allem im griechischen Landesteil eine äußerst einflußreiche politische Kraft mit einem Stimmenanteil von bis zu 40% jahrzehntelang war und - mit gewissen Abstrichen - bis heute ist. Vor allem dank ihres parlamentarischen und außerparlamentarischen Gewichts hat Zypern seine Nichtpaktgebundenheit bewahren können.

So ließ man die Hunde von der Kette: Sofort nach der erfolgreichen Abwehr des rechtsradikalen Putschversuchs vom 15. Juli 1974 veranlaßte die NATO, daß die Streitkräfte ihres türkischen "Partners" in Aktion traten. Damit vermochte sie - besonders auch angesichts der schwer unüberschaubaren Verhältnisse in Griechenland - ihren Druck auf Zypern zu bewahren.

Übrigens spielte auch in diesem Falle ein mit der CIA eng liierter US-Spitzenpolitiker, der schon 1973 beim Sturz der chilenischen Volksfrontregierung Salvador Allendes Regie geführt hatte, seinen Part: Henry Kissinger. Während türkische und griechische Rechtsextremisten im Vordergrund agierten, ließ er hinter den Kulissen auf Zypern die Puppen tanzen.

In einer Erklärung zum 40. Jahrestag der Spaltung des Landes durch die NATO verurteilte die AKEL scharf die seinerzeitige Invasion und forderte das unverzügliche Ende der Besetzung großer Teile der Insel durch Erdoans Armee. Jede Abhängigkeit Zyperns von ausländischen Mächten müsse ein Ende finden. Es gehe um eine aus zwei Zonen bestehende, beide politisch gleichberechtigten ethnischen Gruppen zusammenführende Föderation, wie sie in mehreren UNO-Resolutionen gefordert werde. Eine gerechte Lösung müsse von nur einer Souveränität, einem Völkerrechtssubjekt und einer Staatsbürgerschaft ausgehen, fordern Zyperns Kommunisten.

RF, gestützt auf "People's World", New York, und "The Guardian", Sydney

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Warum Südkoreas Polizei einen Trauerzug überfiel

von Fred Lee

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Geheimverhandlungen über "ökonomische NATO"
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Der kolumbianische Dichter García Márquez war ein enger Freund Fidels

Gabo und der Comandante

Am 9. Juli 2008 veröffentlichte Fidel Castro im Rahmen seiner wöchentlich erscheinenden "Reflexionen" eine von großer Zuneigung zeugende Kolumne über den grandiosen kolumbianischen Romancier und Nobelpreisträger Gabriel García Márquez. "Was Fidel geschrieben hat, machte mich sprachlos. Mir schien, ihn gestern kennengelernt zu haben. Noch nie hatte ich ihn so gesehen, so liebevoll", sagte "Gabo", wie ihn nicht nur seine kubanischen Freunde nennen, nachdem er den Text des Comandante gelesen hatte.

Fidel beeindruckte wohl am meisten die Schlichtheit und ungekünstelte Volksnähe des herausragenden lateinamerikanischen Autors, dessen Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" sofort zu einem Bestseller wurde.

In "Granma Internacional" schilderte Gabriel Molina einen Abend mit Gabo im Hotel "Meliá Cohíba", wo die Angestellten durch die Anwesenheit des legendären Schriftstellers beglückt zu sein schienen. "Er war immer so frei von jedem elitären Gefühl, das die Berühmtheit in einigen hervorruft. Man könnte sagen, daß er es genoß, als die einfachen Leute die Scheu überwanden, mit der sie sich sonst den Berühmtheiten nähern. Einige bedauerten, daß sie in jenem Moment keine Bücher von ihm bei sich hatten, und er versprach, ihnen einige zukommen zu lassen. Am nächsten Tag fragte ich ihn danach, und er hatte es bereits getan."

Fidel beeindruckte, daß der in diesem Sommer Verstorbene nicht nur ein bewunderter Schriftsteller und Journalist, sondern auch ein ganz außergewöhnlicher Mensch war. Die Freundschaft beider Männer währte mehr als 50 Jahre. In dieser Zeit führten sie Hunderte intensive Gespräche, bei denen Mercedes, Gabos Frau, fast immer zugegen war.

In der erwähnten Kolumne schilderte Fidel eine besonders dramatische Situation, die sich ergab, als er am 4. Iberoamerikanischen Gipfel in Kolumbien teilnahm. In Cartagena gehörte eine Kutschfahrt zum Programm. Fidels Sicherheitschefs hatten dem Revolutionsführer wegen drohender Attentatsgefahr geraten, nicht an der Exkursion teilzunehmen, was dieser für übertrieben hielt.

Fidel notierte dazu: "Ich rief Gabo an, der in der Nähe war, und sagte zu ihm im Scherz: 'Steig zu uns in die Kutsche, damit nicht auf uns geschossen wird!'" Und so hat er es getan. Zu Mercedes, die am Abfahrtsort blieb, habe ich im selben scherzhaften Ton hinzugefügt: 'Du wirst die jüngste Witwe sein.'

Später erfuhr ich, daß dort dasselbe geschehen ist wie damals in Santiago de Chile, als eine Fernsehkamera, die eine Selbstladewaffe enthielt, bei einer Pressekonferenz auf mich zielte, und der sie bedienende Söldner sich nicht abzudrücken traute. In Cartagena lauerten sie mit Scharfschützen und Selbstladegewehren in einem Hinterhalt an einer bestimmten Stelle des mit Mauern umgebenen Geländes. Und erneut zitterten diejenigen, die abdrücken sollten. Der Vorwand war, Gabos Kopf habe ihnen die Sicht verwehrt ..."

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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"Ich sah heut' Nacht Joe Hill im Traum ..."
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Compañera Christa: Für junge und junggebliebene RotFüchse

Ein verlorenes Land trägt man im Herzen

Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet. Damals war ich, Kriegs- und Flüchtlingskind, acht Jahre alt und lebte im kleinen Dorf Wogau bei Jena in Thüringen. Die Schule bestand aus einem einzigen Raum, in dem alle acht Klassen von einem wunderbaren Lehrer unterrichtet wurden. Kurz nach der Gründung des neuen Staates bekamen wir kleinen Bürger ein zweites Haus auf dem Schulhof gebaut. Domizil für die erste bis vierte Klasse. An der Wand hing das Bild eines freundlichen Opas. Wir wußten, das war Wilhelm Pieck, unser neuer Landesvater.

Neunundvierzig Jahre alt war ich, als ich mein Vater- und Mutterland - die DDR - verlor.

Ein verlorenes Land trägt man im Herzen. Auf einer Landkarte findet man es nicht mehr. Der wahre Verlust wurde mir erst ganz allmählich bewußt. Es ist wie beim Tod von Vater oder Mutter: Erst lange danach spürt man die Endgültigkeit des Verlustes. Es tat sehr weh!

Gegen die geringere Zahl der Verteidiger des verlorenen Landes Deutsche Demokratische Republik steht ja die Mehrzahl der Verleumder und Schmäher. Die "Wohltäter" mit den gierigen Händen haben ihr Werk getan: Enteignung des Volkseigentums, Vertreibung Hunderttausender Ostdeutscher aus ihren Häusern durch das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung", Plattmachen von Klein- und Großbetrieben und damit verbundene Entlassungen von Millionen Menschen.

Dieses unmoralische Werk wollen sie schönreden. Wir DDR-Bürger sollten uns alle über die Vereinnahmung unseres sozialistischen Staates durch die kapitalistische Bundesrepublik freuen. Das erwartet man von uns mit Selbstverständlichkeit. Und wenn ich mich nicht freue? Und wenn ich darauf bestehe, daß ich einem sozialistischen Gesellschaftssystem näher stehe als einem raffgierig-geldorientierten kapitalistischen Staat? Gesteht man mir dann das Recht der Andersdenkenden zu? Peter Hacks schrieb nach der "Veruneinigung" 1990, der schlechteste Sozialismus sei ihm lieber als der beste Kapitalismus. Das tröstet mich, bin ich da doch in bester Gesellschaft.

Mein Leben im Land DDR war nicht grau und elend, meine Freiheit war weit nach Osten ausgedehnt und bestand aus der "Einsicht in die Notwendigkeit", der Übermacht des Kapitalismus im Kalten Krieg zu begegnen.

Für mich war die sozialistische Gesellschaft eine solidarisch gerechtere mit einem guten Gesundheits- und Sozialsystem, einem umfassenden Bildungswesen fürs Volk und einer beispielhaften Förderung von Kunst, Kultur und Sport. Die fortschrittlichen Gesetze zur Gleichberechtigung der Frauen und deren praktizierte Realität sowie der gesetzlich verankerte Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen waren beispielhaft. Und vor allem: Es gab keine Beteiligung der DDR an Kriegen!

Ich bestehe auch darauf, daß mein Leben einen Sinn haben konnte: den Sozialismus besser zu machen, ihn demokratisch reformieren zu können durch Offenlegen bitterer Wahrheiten in kritischen Büchern und Filmen. Mein Schreiben für Kinder war getragen von der Verantwortung, auf poetische Weise humanistische Botschaften zu vermitteln. Und ich bestehe darauf, daß ich mich als Kind armer Leute, als Mädchen, als junge Frau in Beruf und Studium entfalten konnte, daß meine Entwicklung als Frau durch gute Gesetze gestützt war, meine Kinder für wenig Geld in einen Betriebskindergarten gehen konnten, was mir das Studieren ermöglichte.

Mit Hilfe meines Betriebes, des DEFA-Dokumentarfilmstudios Potsdam-Babelsberg, konnte ich ein kostenloses Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen absolvieren und später am Literaturinstitut Leipzig mit staatlichem Stipendium ein weiteres Studium anschließen. Und ich war damals nicht Parteimitglied! Die fortschrittlichen Gesetze zur Emanzipation haben Millionen Frauen erkannt und wahrgenommen. Sie halfen ihnen auf dem Wege zur sozialen und ökonomischen Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen.

"Das Beste an der DDR sind die Frauen" hieß es in den siebziger Jahren im bundesdeutschen Blätterwald. Und Mütter haben dieses natürliche Selbstbewußtsein von Frauen, die von Männern ökonomisch unabhängig sein konnten, an die Töchter und Enkeltöchter weitergegeben, und diese werden es wiederum ihren Töchtern vermitteln. Auch das hat Bestand.

Deshalb bin und bleibe ich das Mädchen, die junge Frau und die alte Frau "aus dem Osten". Diese DDR-Identität lasse ich mir nicht nehmen. Sie gibt mir Kraft und steht mir zu. Ich gebe auch gern meinen großdeutschen "Freiheits"-Paß zurück, denn der Preis der verheuchelten Freiheit ist mir zu groß.

Wenn ich wahrheitsgemäß mein Leben in der DDR verteidige, bezichtigt man mich der Schönfärberei. Das Siegerprinzip der über uns gekommenen "demokratischen" Macht praktiziert seit Jahren: Nichts soll bleiben von der DDR! Nichts! Und Verleumdung ist auf ewig angesagt.

In jedem Menschen steckt ein Teil der Wahrheit eines Landes, deshalb sollte man auch unsere Stimmen, die das verlorene Land verteidigen als einen Teil der objektiven Wahrheit, endlich akzeptieren und unangefochten im Raum stehen lassen.

Jetzt - im nachhinein - weiß ich, warum ich dieses Land DDR, das ich manchmal zornig verwünscht, gegen das ich zuweilen rebelliert habe wie gegen einen zu strengen Vater, im Grunde meines Herzens geliebt habe. Es war trotz Mauer und überzogener Staatssicherheit ein friedliebendes, sozial gerechtes und solidarisches Land für die einfachen Menschen. Es war, wie Sarah Kirsch es in einem ihrer Gedichte 1967 benannt hatte, "mein kleines wärmendes Land", das in seiner Verfassung das Recht auf Arbeit, sowie einen staatlich verordneten Antifaschismus verankert hatte, der ein Aufkommen des Neofaschismus verhinderte.

Und ich weiß jetzt auch, daß die DDR das humanere Gesellschaftssystem war. Die Regierung und die an der Spitze stehenden Politiker ließen im November 1989 trotz ihrer Verfügungsgewalt über Armee, Polizei und Staatssicherheit keinen Bürgerkrieg, kein Blutvergießen zu. Wichtiger als sich an die eigene Macht zu klammern, war ihnen der Wille des Volkes. Dieser beispiellose Vorgang - so abzutreten - würde sich bei einer kapitalistischen Regierung niemals wiederholen. Damals endete der Traum von einem reformierbaren demokratischen Sozialismus, an den wir fest geglaubt hatten.

"Die Menschheit soll heiter von ihrer Vergangenheit Abschied nehmen", sagte Karl Marx. Gewiß. Doch manchmal, angesichts bitterer Realitäten anhaltender Verleumdungen, Demütigungen, von Arroganz und Geschichtsfälschungen fällt es schwer, heiter zu bleiben. Doch da tröstet mich wieder mein Lieblingsdichter Hölderlin mit seinem Hoffnungssatz: "Was einmal war, bleibt in der Welt. Man kann es nicht zurücknehmen." Und so wird auch die Erinnerung von Müttern und Vätern an Töchter und Söhne vielleicht weitergegeben und hoffentlich auch an Enkel und Urenkel ...

Am 7. Oktober - an dem vor 65 Jahren die DDR gegründet wurde - werden meine Freunde und ich an unser verlorenes Land, das man im Herzen trägt, zurückdenken.

Christa Kozik

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Zum Klassenkampf gehört die Gewerkschaft

Den fairen und solidarischen Brief des Berliner ver.di-Bezirksvorsitzenden Thomas Cosmar möchte ich den Lesern aus zwei sachlichen Gründen - fernab von jeglicher Selbstbeweihräucherung - gerne zur Kenntnis geben.

Erstens freut es mich, daß die Kollegen der - im Unterschied zu manch anderen Verbänden - durchaus kämpferischen Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, welcher ich seit 25 Jahren angehöre, in ihrem Schreiben auch meine 35jährige Mitgliedschaft im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR in die Berechnung korrekt mit einbezogen haben. Überwiegend gehörte ich der Gewerkschaft Druck und Papier an. Nachdem ich einige Zeit Vorsitzender der Konfliktkommission beim ND gewesen war, wurde ich 1990 in den Betriebsrat gewählt, dem ich bis zur Aufhebung meines Arbeitsverhältnisses durch die neue Chefredaktion angehörte.

Zweitens bietet mir der Gruß des Berliner ver.di-Vorsitzenden die Möglichkeit, meine - unsere - feste Verbundenheit mit der deutschen und internationalen Gewerkschaftsbewegung zum Ausdruck zu bringen. Nicht wenige "RotFuchs"-Leser und -Aktivisten sind gewerkschaftlich organisiert. Etliche von ihnen kennen auch die wirkungsvoll gestaltete ver.di-Monatszeitung "Publik" und das informative Mitglieder-Bulletin "ver.di News".

Im Staat der deutschen Kapitalisten, wo aufgrund einer leider recht erfolgreichen Sprachregelung allzuoft auch ehrliche Linke die eigentlichen Arbeit-Geber für Arbeit-Nehmer halten und die ausbeuterischen Arbeitnehmer, also die Kapitalisten, irrtümlicherweise als Arbeitgeber bezeichnen, lohnt es sich allemal, auf der Gewerkschaftsseite der Klassenkampfbarrikade zu stehen. Sich ver.di und anderen Gewerkschaften anzuschließen, die zwischen oben und unten noch keine Gleichheitszeichen setzen, kann ich guten Gewissens empfehlen.

Klaus Steiniger,
ver.di-Mitglied Nr. 9970113255


Abschrift von ver.di-Brief an Herrn Dr. Klaus Steiniger:

Lieber Kollege Steiniger,
vielleicht erinnerst du dich noch an das Jahr 1954?
Wir auf alle Fälle. Denn zu diesem Zeitpunkt bist du Mitglieder der Gewerkschaftsbewegung geworden und hast deiner Organisation seitdem in nicht gerade einfacher Zeit die Treue gehalten. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich.
Als eines unserer langjährigen Mitglieder gehörst du zu den Kolleginnen und Kollegen, die unserer gemeinsamen Organisation Kraft und Stabilität geben, die wir so nötig brauchen im ständigen Ringen um gesellschaftlichen Fortschritt und die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen.
Mit beigefügter Urkunde und Anstecknadel als sichtbares Zeichen unserer Anerkennung sagen wir dir, lieber Kollege Steiniger, nochmals besten Dank für die zurückliegenden 60 Jahre gelebter gewerkschaftlicher Solidarität und wünschen dir auch weiterhin alles Gute.
Mit kollegialen Grüßen
Thomas Cosmar
Bezirksvorsitzender

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Ein mecklenburgisches Dorfmuseum läßt die DDR quicklebendig erscheinen

Auf nach Tutow!

Seitdem das DDR-Museum Tutow aus der ihm zunächst dienenden Baracke hat umziehen können, gibt es deutliche Veränderungen im äußeren Bild und inhaltlichen Angebot dieser gute Traditionen wahrenden Einrichtung. Damals befand sie sich inmitten eines Siedlungsgebiets mit nahezu neuen fünfstöckigen Häusern, in denen sämtliche Wohnungen bezogen waren. Eine Kaufhalle war gleich nebenan, und im Museumsgebäude selbst hatten sich außerdem noch ein Schuhgeschäft, ein Blumenladen sowie Bäcker und Fleischer etabliert. Von all dem ist nichts mehr zu sehen: Die schönen, modern und großzügig ausgestatteten Wohnhäuser aus DDR-Tagen wurden abgerissen. Danach konnten nur noch Eingeweihte das Museum finden.

Jetzt liegt das Areal des Museums an einer vielbefahrenen Straße und ruft den Vorbeikommenden gewissermaßen schon von weitem sein "Willkommen" zu. In DDR-Zeiten war hier eine Konservenfabrik mit gutem Ruf und breiter Produktionspalette angesiedelt. Außer dem einstigen Haupthaus gibt es auf dem 10.000 Quadratmeter großen Gelände etliche Nebengebäude, die bei der Übernahme durch Museumsleiter Fred Spiegel noch mehrheitlich zerstört waren. Die zu leistenden Aufbauarbeiten ließen sich anfangs nur schwer überblicken.

Dringliche Handwerkerleistungen waren zu erbringen, bevor die beiden großen Säle und die Ausstellung eröffnet werden konnten. Doch für den großen Wagenpark mit Trabbis, Wartburgs und etlichen anderen Fahrzeugen konnte der notwendige Garagenraum bereits geschaffen werden. Das Hauptgebäude wurde neu verputzt und gemalert, der Hofraum so gestaltet, daß von weither kommende Sattelschlepper-Besatzungen dort rasten und unbekümmert übernachten können.

Im Außenbereich verwandelte man drei riesige Senkgruben in Karpfenteiche. Zum Jahresende sollen dort die ersten Kois abgefischt werden. Neben einem Hühnerhof und einer Entenfarm wird am Rand des Geländes auch etwas Landwirtschaft betrieben, so daß im Museumsshop nicht nur DDR-typische Artikel, sondern auch Eier und Gemüse aus eigener Produktion angeboten werden.

Obwohl inzwischen mehrere Fremdenzimmer mit DDR-typischen Möbeln ausgestattet werden konnten, hält sich die Gästezahl vorerst noch in Grenzen. Meist sind es Linke aus dem Westen, die auf der Durchreise nach Polen im DDR-Museum Station machen. In den Sommermonaten übernachten dort auch Ostseeurlauber, die bei weniger gutem Wetter einen Abstecher nach Tutow machen.

Die große Ausstellung hat im Lauf der letzten drei Jahre wesentlich an Substanz gewonnen - eine Tatsache, die sich auch daraus erklärt, daß dem Haus immer häufiger Nachlässe oder Schenkungen angeboten werden.

Am 65. Jahrestag unseres zwar untergegangenen, aber in der Erinnerung vieler älterer Besucher nach wie vor quicklebendigen sozialistischen Staates, könnte das Haus einmal mehr aus allen Nähten platzen. Zu solchen Anlässen strömen besonders viele Gäste nach Tutow, wo sich dann Freunde und Förderer zu interessanten Gesprächsrunden sowie beim Grillen im Freien treffen.

Jüngeren wie ganz Jungen ermöglicht der Besuch einen Blick in die Heimat ihrer Großeltern und Eltern. Also auf nach Tutow!

Das DDR-Museum hat bis zum 31. Oktober täglich außer montags geöffnet.

Hanna Spiegel, Oranienburg

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Im milderen Abendlicht fügen sich alle großen Geschichten aus dem eigenen Leben zu einem gelungenen Farbfilm. Alles Geschehen hat dazu beigetragen, daß es ein Leben wurde, kein bejammertes Ablaufen unglückseliger Ereignisse. Zeit, sich zu versöhnen. Mit allem, mit jedem?

Wäre schön, geht aber nicht. Die gewaltigen Ungerechtigkeiten sind wieder und noch da, nahe den Augen und überwältigend für die Seele. Auch das, was wir nie wieder dulden wollten. Die Zeitung schlägt sich uns um die Ohren, auf dem Bildschirm agieren Fressen und vermelden Fakten, wo es nicht einmal zum Gerücht reicht. Wir hatten uns ganz gut berappelt, es sogar zu einer Art Courage gebracht, verteidigten Anstand, und ich hatte genügend Anlaß, öffentlich oder diskret als Philomena Kleespieß aufzutreten.

Das heute Mögliche reicht nun nicht aus. Völkermord und entfesselter Fanatismus sind auch nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges möglich.

Es ging uns schon einmal besser.

Ich hätte mich nicht erinnern sollen. Nicht grade heute, denn heute ist ein besonderer Tag. Ich habe ihn dazu ernannt: Die Kinder spielen laut, im Vergleich unbedroht, sie haben Wasser, Essen und Medikamente, gehen mit anderen Kindern die Straße lang, Autofahrer schimpfen auf andere Autofahrer, Radfahrer drängeln an den Kreuzungen, Menschen gehen langsam, sind gekleidet, wie man sich selber nie anziehen würde - und diese Frisuren! Teenies rauchen und verstopfen sich die Ohren mit Musik, greifen dauernd nach dem Handy und teilen ihre Angelegenheiten in der Straßenbahn und überall sonst mit: Alles ist ganz normal.

Ich aber habe etwas verloren, was mir niemand wiedergeben wird: mein Recht und meine Lust auf Einspruch. Zu Hause, im öffentlichen Leben und wenn meine Courage oder mein Unmut reichte, dann sogar bis ziemlich "weit oben". Es hat nicht immer geklappt, aber oft. Wenn es um Ungerechtigkeit ging, dann war ich durchdrungen und vertrat die Sache, die fast nie meine eigene war. Ich kam von draußen, brachte Unruhe nach drinnen und hatte bald raus, daß man hinter Schreibtischen für möglich hielt, mich habe die Rote Armee vorgeschickt oder die hiesige Macht. Ich hatte keine Angst, damals, und nicht immer Erfolg, die "lange Bank" war oft genug meine Wartezelle - aber diese Art, sich zu übernehmen, war nichts als die pralle Lust. "Jetzt knabbern wir wohl bald wieder mit beiden Beinen am Bettelstab" sagte meine witzige Tochter manchmal, aber es kam nie dazu.

Ich war keine beeindruckende Persönlichkeit, die mit besonderen Rechten ausgestattet war und keine Scheu zu haben brauchte. In den Zeiten heute unausgesetzt bebilderter Unfreiheiten griff ich auf, griff an und forderte, abzustellen oder einzugreifen. Sie hätten mich nur rauswerfen müssen, wo es doch um Vorschriften, wenn auch idiotischer Art, ging. Um Haarlänge, Verbot von Jeans auf der Bühne oder Westfernsehen. Es gab Schikanen beim Behandeln der Gegenwart in der Kunst, gab zu lange die leidigen Reiseverbote. Manchmal war ein Künstler in einem Bezirk berühmt, im anderen verboten.

Ich war ein freches Weib, das sich vor keiner Arbeit drückte. In Büros und in Gedichten bin ich einer inneren Überzeugung gefolgt, die mir die Füße festhielt und mich Klinken auch mehrmals putzen ließ. Wir haben gelebt, meist Verbündete gefunden und alles überstanden, auch das, was man heute gern damals schärfer angegriffen hätte. Ich habe mir Siege und Beulen geholt. Und war dankbar für die Bedingungen, unter denen ich aus mir machen konnte, was es durch Arbeit werden wollte.

Früher stand vieles nicht zum Besten und nicht im Regal, nicht in der Zeitung, oft scheinbar nicht in Aussicht. Aber unsere Konstante war, daß sich ständig etwas veränderte. Als wir in die Leipziger Straße zogen, kamen wir aus dem Alltagsgetöse der Schönhauser Allee. Lärmschäden, sagte der Arzt, sind nicht heilbar,

Hier kamen wir in ein Gelände, wo jeder Meter vom Krieg zeugte. Es gab noch keinen Kiez, weder Bäcker noch Fleischer oder gar eine Kaufhalle. Der Gendarmenmarkt ruhte noch als Trümmerfeld. Birken wuchsen aus den Ruinen. Viele Kräne und Bagger standen vor dem Haus, wenn sie denn arbeiteten und die Brigaden nicht zu wichtigerem Bau abgezogen wurden, aufregend oft.

Wir waren die ersten Mieter und wurden auf einer Plattform außen hochgezogen in den 25. Stock. Welch eine erste Nacht, mit Sturm und Gewittern und einem ganzen Himmel für uns allein, mit all seinen Wettern. Ein Dorf nach oben: einhundertachtzig Familien und drei Fahrstühle, die nur einmal gleichzeitig streikten.

Die Kinder hatten noch keinen Spielplatz in der näheren Umgebung.

Zwischen halb acht und halb neun Uhr früh waren die Fahrstühle besetzt von den Schülern, die sich gegenseitig abholten. In der Freizeit standen sie ziemlich rum. Mein Mann Wilhelm sagte an einem Sonnabend zu den Kindern, die sich vor dem Haus mopsten: "Kommt, wir malen eine Sonne!"

So ist das Lied für Frank Schöbel entstanden. Eine warme Erinnerung bleibt. Wilhelm holte Kreide, Fläche war vorhanden. Vorübergehende und Hausbewohner blieben stehen, guckten sich den Vorgang an, und begannen, Ratschläge zu geben. Ich fuhr mit Brause, Keksen und Freude in der Seele im Fahrstuhl hoch und runter. Jemand sagte: "Wir brauchen einen ersten Preis für die schönste Sonne." Wir sagten: "Bei uns gibt es nur erste Preise, jeder kriegt genau den."

Aus den Kindern von damals sind Erwachsene geworden, auch nicht mehr die jüngsten, aber wenn sie nach Hause kommen, wechseln wir ein paar Worte, vor dem Haus oder im Fahrstuhl. Wir duzen uns noch, und ich erfahre, wie es ihnen selber und ihren Kindern geht.

Manchmal treffen wir uns, die letzten Altmieter, wenn sie zusteigen, oder das Vehikel für den Zusteigenden aufhalten. Dann gucken wir uns an und setzen das Gespräch fort, als hätten wir es eben erst unterbrochen.

Warum sollte das die Frau, wesenlos durch die Burka, interessieren? Sie steht neben mir. Ich bin befangen und deswegen auf mich ärgerlich.

Der dunkelbärtige Mann, den ich noch nie im Fahrstuhl getroffen habe, läßt seine Frau draußen immer einen großen Schritt hinter sich. Vielleicht erzwingt sie das, weil es bei ihrem Vater so war oder weil sie die Sprache nicht beherrscht, die hier gesprochen wird? Kann sie lesen und schreiben? Macht diese Frage mich fremdenfeindlich?

Es heißt, einige Wohnungen werden nun auch an übernachtende Reisende vermietet.

Ich möchte hier bleiben. Der Geruch der nun alten Gemäuer in den öffentlichen Zugängen stört mich nicht. Da können sie das Haus schlechter verkaufen.

Aber jüngst standen wir, drei Altmieterinnen, auf der Fahrt nach unten im engen Gehäuse, tratschten herrlich, blieben unterwegs stehen. Das sind wir gewöhnt. Die Tür des Gefährts öffnet sich, ein Junge, gerade schulfähig, steht mit Papa davor. Er sagt: "Wir fahren nicht mit Frauen im Fahrstuhl."

Ich weiß bis jetzt nicht, was eine von uns hätte sagen sollen, und ich werde nicht verraten, was wir gesagt haben.

Damals, als wir vieles nicht kaufen konnten, gab es uns miteinander - und mich, die ihr selbst ernanntes Recht auf Einspruch nutzte. Früher wäre ich zu dem Papa gegangen. Heute wäre mein Einspruch als unzulässige Einmischung aufgefaßt worden. Das gilt nicht nur für die Nachbarn von weither.

Meine Courage könnte ich derzeit für mich behalten. Ich denk nicht dran.


Aus dem Verlagstext zum soeben erschienenen Gedichtband unserer Autorin: "Gedichte sind Nachrichten von unterwegs: von neuen Erfahrungen, neuen Gedanken, von Begegnungen mit Klügeren oder mit Ratsuchenden, auch von Momenten des Erinnerns, ohne die allem Neuen nur unbeständiger Wert beschieden wäre."

Gisela Steineckert: Wenn du mal nicht weiter weißt. Gedichte. Verlag Neues Leben, 126 S., 12,99 €, ISBN 978-3-355-01826-5

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Leserbriefe an RotFuchs

Heute kam der aktuelle "RotFuchs": Ich bin immer aufs neue begeistert von dem reichen Inhalt, insbesondere auch den Artikeln zur Geschichte der Arbeiterbewegung und der Deutschen Demokratischen Republik sowie allem, was damit zusammenhängt. Die wohl überwiegend älteren Genossen unter den Autoren wissen genau, wovon sie schreiben, auch die zahlreichen Leserbriefe dokumentieren das. Ich sauge vieles über die Geschichte und die DDR förmlich auf. Wer weiß, wie lange es noch solche Zeitzeugen gibt, die über alles aus eigenem Erleben berichten können!
Euer Engagement, das ich bewundere, ist enorm. Ich bin Jahrgang 1959 und aus der Nähe von Hamburg. In den 80er Jahren war ich viermal in der DDR - ich hätte damals viel früher und öfter hinfahren und mich stärker für die Solidarität mit der DDR einsetzen sollen. Erst hinterher merkt man, was einem fehlt. Wollte nur mal meine Begeisterung kundtun - bleibt standhaft!

Piet Peyler, Stade


Am 7. Oktober wäre unsere DDR 65 Jahre alt geworden. Das läßt mich immer wieder in Erinnerungen an ein friedliches und sinnvolles Leben in diesem, meinem Land versinken. Mein jahrelanges Engagement für unseren "RotFuchs"-Förderverein kommt deshalb nicht von ungefähr. Manchmal ertappe ich mich bei der Frage: Warum tust Du das eigentlich? Du könntest doch viel ruhiger leben, Dich ganz Deiner Familie widmen ­... Doch die Erinnerungen lassen mich nicht los.
Mein Vater wurde mit 18 zur faschistischen Wehrmacht eingezogen. Im Rahmen einer Lehrvorführung mußte er mit ansehen, wie eine SS-Einheit die Bewohner eines Dorfes niedermähte. Den damals Kommandierenden sah er 1949 in einer westdeutschen Großstadt wieder - als leitenden Polizeioffizier.
Dieses Erlebnis beeinflußte entscheidend sein Leben als Kommunist. Die Bilder konterrevolutionärer Greueltaten in Ungarn 1956 und von der Ermordung etlicher unserer Grenzsoldaten stehen mir noch heute vor Augen. Die Beschäftigung mit Leben und Kampf Ernst Thälmanns und anderer deutscher Antifaschisten sowie die Tatsache, daß im Westen Geheimdienste, Justiz und Wirtschaft mit Hilfe von belasteten Nazis aufgebaut wurden, sowie die Erziehung im Elternhaus prägten mein eigenes Handeln. Sie motivierten mich dazu, 22 Jahre in den Sicherheitsorganen der DDR Dienst zu tun. Ich habe meine Gesinnung nicht gewechselt. Wie viele andere habe auch ich meine politische Heimat beim "RotFuchs" gefunden. Durch aktive Teilnahme am Leben unseres Fördervereins bin ich der Sache des Sozialismus und Kommunismus auch über Niederlage und Konterrevolution hinweg verbunden geblieben.

Dietmar Hänel, Flöha


Zu unserer Geschichte gehören unsere Opfer. Am 5. Oktober jährt sich zum 50. Mal der Todestag von Unteroffizier Egon Schultz. Er verlor sein Leben, als aus Westberlin in die DDR eingedrungene Grenzverletzer das Feuer eröffneten. Beim Schußwechsel wurde Egon Schultz getötet. So wie den anderen Grenzpolizisten und Grenzsoldaten, die ihr Leben im Dienst für die DDR opferten, gilt auch ihm unser ehrendes Gedenken.Es wird am 5. Oktober um 9.30 Uhr auf dem Neuen Friedhof in Rostock-Dierkow, Satower Straße 16, am Grab und um 16 Uhr in Berlin-Mitte, Strelitzer Straße 55, am Tatort stattfinden.

Oberstleutnant a.D. Günter Ganßauge, Berlin


"Friedensnobelpreisträger" Barack Obama scheint vom Ehrgeiz getrieben zu sein, als US-Präsident die meisten Kriege angestiftet, inszeniert und geführt zu haben. Arroganz hat schon so manchem Führer im Verlauf der Geschichte den Blick auf die Realitäten mit katastrophalen Folgen verstellt. Verkennung der eigenen Kräfte und Möglichkeiten sowie Unterschätzung der Potenzen des Gegners sind kennzeichnend für dieses Verhalten.
Derzeit geht es darum, Rußland auf jede Weise zu attackieren. Schon die Installierung der Kiewer Putschregierung zeigte, daß die USA und deren Kumpane mögliche Reaktionen Moskaus nicht in ihre Überlegungen einbezogen hatten. So kam die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation für Washington völlig überraschend.
Als es den USA gelang, die EU zu Sanktionen gegen Rußland zu bewegen, rief Obama am 1. August Präsident Putin an. Auf einer anschließenden Pressekonferenz zeigte er sich davon überzeugt, daß die Sanktionen Putin "zum Einlenken bringen" würden. Dieser hatte im Telefongespräch indes nur gesagt, daß solche Schritte kontraproduktiv seien und die bilaterale Zusammenarbeit beschädigten.
Die Fehleinschätzung, Rußland auf solche Weise zur Kapitulation zwingen zu können, setzte eine ganze Spirale von Sanktionen und Gegensanktionen in Bewegung.
Wie vor den Angriffen auf Jugoslawien, Irak, Libyen und Syrien erfolgt die mediale Vorbereitung. Putin wird weltweit verteufelt, wie das mit Milosevic, Saddam Hussein, Gaddafi oder Assad geschah. Angesichts der gewachsenen Kriegsgefahr ist höchste Wachsamkeit geboten.

Horst Neumann, Bad Kleinen


Als hochbetagter Bürger, der den Faschismus erlebt und danach am Aufbau der DDR aktiv teilgenommen hat, möchte ich mich zum Problem der Ukraine-Krise äußern. Alle Autoren gehen m. E. zu Recht davon aus, daß sich Rußland legitimerweise gegen die Ausdehnung des NATO-Bereichs nach Osten wehrt. Es hat in diesem benachbarten strategisch wichtigen Gebiet berechtigte Interessen. Dabei ist es offensichtlich, daß USA, NATO und EU Rußland weiter zu isolieren suchen. Es handelt sich um die Fortsetzung einer seit 1917 verfolgten Politik, die nach 1945 im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion ihren Höhepunkt fand.
Dennoch scheint mir in den RF-Artikeln die Klassenfrage ungenügend beachtet zu werden: Rußland ist auch unter Putin ein kapitalistisches Land mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Diese Erkenntnis müssen wir jeglichen Betrachtungen voranstellen.

Eberhard Kunz, Berlin


Der Bär und die Taube sind Verbündete geblieben. Diese Feststellung unseres Genossen Steiniger am Ende seines Leitartikels im August-"RotFuchs" muß man voll unterstreichen. Denn die Infamie der Westmächte unter Führung der USA ist nahezu unbeschreiblich.
Hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß der Kampf um die unipolare Weltherrschaft geradezu groteske Züge angenommen hat. Man scheut sich nicht, zu diesem Zweck auch an niedrigste Instinkte faschistischer und ultrareaktionärer Elemente zu appellieren.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


"Hand aufs Herz" fordert Gisela Steineckert. Dem, was sie in ihrem Beitrag im August-"RotFuchs" schreibt, ist vollinhaltlich zuzustimmen. Besonders gilt das für ihre Schlußfolgerung: "Das Land, in dem ich nun lebe, scheint mir veränderungsbedürftig." Und auch ihr Hinweis auf Bundespräsident Gauck trifft ins Schwarze. Ihre Frage "Wer hat das hohe Amt dem Mann so angepaßt?" wurde von der Alt-Grünen Antje Vollmer in einer Fernsehtalkshow dahin gehend beantwortet, die SPD und die Grünen hätten bei der Unterbreitung ihres Vorschlags selbst nicht geglaubt, daß Gauck gewählt würde. Sie wollten die Merkel nur etwas ärgern. Schmierentheater! Nun wurde Gauck aber Bundespräsident, und sie tragen die Hauptschuld daran - ein Ergebnis, das Furcht erregt. Wie sich dieser, den die Medien unzutreffenderweise als "ehemaligen DDR-Bürgerrechtler" bezeichnen, im Amt produziert, muß Angst auslösen. In seinen Forderungen nach mehr Einfluß der BRD in NATO und EU sowie beim weltweiten militärischen "Engagement" verkörpert er geradezu die erste Strophe der Hymne "Deutschland, Deutschland über alles ..." Man singt deren Text zwar nicht mehr, aber handelt dort, wo es schon möglich ist, entsprechend. Dieser Politik muß Einhalt geboten werden. "Tun wir, was möglich ist", fordert Gisela Steineckert.
Ich schließe mich dem voll an, wobei die Frage, was man tun könne, jeder nach seinen Möglichkeiten beantworten muß. Auf alle Fälle sollte man sich aber öffentlich äußern. Das ist sehr wichtig, um der Friedensbewegung wieder mehr Schwung zu verleihen, wie es in der alten Bundesrepublik schon mal der Fall war.
Wichtig erscheint mir, daß sich viel mehr Bürger zu aktivem Handeln bereitfinden, wie es Gisela Steineckert mit dieser Veröffentlichung getan hat. Dank dafür!

Generaloberst a.D. Werner Großmann, Berlin


Jeder geht durch seine Vergangenheit. Ich erinnere mich an die Zeit meiner Kindheit, als meine Mutter jede Nacht mit mir in den Luftschutzkeller rennen mußte. Als Kinder und Erwachsene aus den Ruinen wieder auf die Straßen krochen, hungerten wir noch einige Jahre. Es folgte die Teilung in Ost und West. Seit dem Untergang der DDR frage ich mich, ob ich vielleicht auch mit schuld daran bin. Wir sollten noch viel redlicher über eigene Fehler sprechen. Das bedeutet natürlich nicht, daß in unserer Republik alles schlecht gewesen wäre. Das Leben in der DDR wurde nicht durch Banken und Industrielle gelenkt, wie es jetzt der Fall ist.
Doch auch unser Versagen hat die Republik an ihr Ende gebracht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mir scheint, daß z.B. die Strenge bei der Behandlung von Jugendlichen viel Phantasie gehemmt hat. Junge Menschen tragen oft andere Ideen im Kopf als ältere. Wir hätten das in Rechnung stellen müssen, auch wenn es nicht immer in unser Konzept paßte.

Peter Abraham, Potsdam

Wir danken dem Autor des Erfolgstitels "Rotfuchs", nach dessen literarischer Vorlage ein großartiger Film mit Angelika Waller in der Hauptrolle gedreht worden ist, für seine Wortmeldung.


Es ist durchaus möglich, daß Hillary Clinton die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird. Sie ist eine rabiate Kriegstreiberin. Ich habe viele Zeitungsberichte über ihre diversen Drohungen gegen Iran, Syrien, China und andere Staaten gesammelt. Die Instruktion an den damaligen Präsidenten Bill Clinton, ihren Mann, lautete wörtlich: "Bomb Belgrade!" An 78 Tagen bombardierten die U.S. Air Force und andere NATO-Streitkräfte Jugoslawiens Hauptstadt und große Teile des Balkanstaates, wobei Tausende Menschen getötet oder verletzt wurden, von Zerstörungen der Infrastruktur ganz zu schweigen. Hillary Clinton ist in ihrer mit gefährlicher Selbstüberschätzung gepaarten Borniertheit äußerst gefährlich. Ihr jüngstes Buch "Hard Choices" stellt einen Versuch dar, die eigene Vergangenheit reinzuwaschen und zugleich kleinere Fehler oder "Irrtümer" zuzugeben. Alles ist doch so menschlich!
Aber Ihr in Deutschland habt ja Eure eigene zutiefst christlich motivierte "Mutti" Merkel, die immer frisch drauflos "die Welt am deutschen Wesen genesen" läßt.

Dr. Vera Butler, Melbourne


Eigentlich äußere ich mich nicht gern zu Themen, die andere schon ausgezeichnet behandelt haben. Doch es gibt derzeit eine brennende Frage, zu der jeder Position beziehen müßte: Soll sich die BRD überhaupt und wenn ja, auf welche Weise, in internationale kriegerische Konflikte einmischen? Derzeit muß den Menschenmorden auf mehreren Schauplätzen gleichzeitig Einhalt geboten werden. Dabei lehne ich jegliches militärische Eingreifen der BRD in bewaffnete Auseinandersetzungen ab, wobei medizinische Hilfe und Lebensmittelspenden anders zu betrachten sind.
Niemand kann leugnen, daß die USA damals wie heute unter verlogenen Vorwänden in Irak eingefallen sind und sich dort wie überall als Weltgendarm aufspielen. Während sie einerseits vorgeben, in Irak Notleidenden helfen zu wollen, haben sie andererseits das Kiewer Regime darin bestärkt, einen Konvoi mit Lebensmitteln und Medikamenten auf seinem Weg von Moskau in die Ostukraine solange wie möglich aufzuhalten. Welche Ziele verfolgen dabei jene wirklich, die der Welt einreden wollen, sie müßten anderswo aus humanitären Gründen intervenieren?

Gerda Huberty, Neundorf


Heute lese ich in der "jungen Welt" zum Gaza-Pogrom, zehn Mitglieder der Familie Al-Ghul, darunter zwei Neugeborene, hätten sterben müssen, als eine Rakete ihr Haus zerstörte.
Meine Mutter erzählte immer von meiner Geburt: Ich kam während eines Bombenangriffs zur Welt. Das Glas der Fensterscheiben flog durch den Kreißsaal. Über sie hätte man ein Laken geworfen und mich in den Luftschutzkeller gebracht.

Edwin Wesemann, Hannover


Dauerhafter Frieden zwischen Palästina und Israel ist leider eine Illusion. Netanjahu begann abermals einen furchtbaren Mordfeldzug. Pausenlos gingen Bomben und Raketen auf Wohnstätten, Schulen und Krankenhäuser nieder. Unter den unendlich vielen Toten und Verletzten, von den obdachlos Gewordenen ganz zu schweigen, befanden sich einmal mehr auch sehr viele Kinder.
Welche Sanktionen denken sich Merkel und Obama eigentlich gegen Israels mordsüchtige Regierung aus? Wo ist da Obamas "rote Haltelinie"?

Elisabeth Monsig, Gartz


Was mit Gaza geschehen ist, betrachte ich als verbrecherisch. Es erinnert mich an eigene Kriegserlebnisse. 1945 erfolgten die schwersten Luftangriffe auf das Ruhrgebiet. Unser Haus erhielt einen Volltreffer, doch wir wurden gerettet. Damals war ich sieben und hatte noch keine Schule besucht. Unterricht wurde manchmal bei Leuten erteilt, die noch ein intaktes Wohnzimmer besaßen, so daß sie den wenigen Kindern und der Lehrerin einen Ausweichplatz anbieten konnten.
Mit 20 habe ich nach Leipzig geheiratet und wurde so DDR-Bürger. Ich besuchte Buchenwald. Die Ausrottung der Juden hatte ich als Kind im Ruhrgebiet nicht wahrgenommen. In Buchenwald begann für mich erst die Zeit des Sammelns von Erfahrungen. Auch heute nehme ich die alten Dokumentationen zur Hand. Es ist entsetzlich, daß Deutsche, oft junge und gebildete Leute, solcher Verbrechen fähig waren.
Und wieder gibt es neue Mörder. Die Netanjahu-Regierung schickt sie aus. Ich habe mich oft gefragt, wie ein durch die Nazis derart gequältes und dezimiertes Volk in der Lage ist, sich für neue Genozid-Verbrechen einspannen zu lassen.

Gerhard Masuch, Leipzig

Am 7. August gab Dr. Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Berlin, der Publikation "Jungle World" ein Interview. Darin wandte er sich "gegen einseitige Reaktionen" der "Linken", besonders in NRW, auf die seit 47 Jahren andauernde Eskalation der Gewalt des imperialistischen Staates Israel gegen die arabische Bevölkerung Palästinas, Gazas und des Westjordanlandes. Der Raub von Grund und Boden, die Vertreibung, die Zerstörung von Häusern, Schulen und Krankenhäusern durch Israel wurden durch Dr. Lederer nicht erwähnt. Auch die Tatsache, daß Tel Aviv Palästinensern nur einen Bruchteil der jüdischen Bürgern Israels zugestandenen Trinkwassermenge gewährt und das Bohren von Brunnen seit Jahren unterbindet, bleibt unberücksichtigt. Gegenstand des Interviews waren ebenfalls nicht die jahrzehntelange Vertreibung und die brachiale Gewalt gegen Palästinenser. Wenn er dem Protest gegen die israelische Aggression Einseitigkeit vorwirft, muß das verwundern, denn in seinem Interview kommen jene, um die es schließlich geht, überhaupt nicht vor.

Herbert Rubisch, Berlin


Im März 1949, also noch vor der Gründung von BRD und DDR, entschied sich Wolfgang Leonhard, nach Jugoslawien zu gehen. 1950 übersiedelte er von dort in die BRD. Später war er in den USA als Hochschullehrer tätig.
Doch ich frage mich: wo war sein aktiver Protest beim Verbot der KPD, bei den tausendfachen Berufsverboten, der Wiederbewaffnung und dem NATO-Beitritt der BRD? Seine Stimme habe ich auch bei der von der SPD-Führung initiierten Agenda 2010, den Hartz-Gesetzen und dem NSU-Skandal nicht vernommen.
Besonders unverständlich war sein Schweigen zur Gründung der BRD, die Deutschlands Spaltung zementierte und ihren Aufbau mit berüchtigten Nazis in Spitzenpositionen begann.
Leonhard leistete keinen Beitrag für ein antifaschistisches Deutschland. Das Bestreben, im Osten einen Arbeiter-und-Bauern-Staat zu errichten, war für ihn ein Werk des Teufels, der ja bekanntlich Kommunist sein soll. Er hat sich mit seinen Auftritten gegen Sozialisten im Westen hoffähig und politisch attraktiv gemacht.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat ihm einen Nachruf gewidmet. Merkwürdig, oder nicht?

Raimon Brete, Chemnitz


45 Kriege beherrschen derzeit das Weltgeschehen. Wer die Imperialismus-Theorie verinnerlicht hat, erlebt sie gegenwärtig in der Praxis. Die Welt scheint zerrüttet, es fehlt an geschlossener und standhafter Solidarität der Völker, die Ketten zu sprengen, in denen sie liegen.

Wolfgang Schröder, Schöneiche


In einem Leserbrief, den der RF 2012 druckte, hatte ich die würdelose Anbiederung bestimmter DDR-Grenzoffiziere an den Bundesgrenzschutz, deren Zeuge ich im Sommer 1990 geworden war, angeprangert. Daraufhin feindete mich in einer Veranstaltung zum Jahrestag der Grenztruppen ein ehemaliger Stellvertreter des Kommandeurs der in Suhl angesiedelten Offiziershochschule öffentlich an. In der Erwiderung machte ich keine Abstriche von meiner Kritik.
Nun erschien im Helios-Verlag ein neues Buch des Autors Peter Joachim Lapp unter dem Titel "Offiziershochschule 'Rosa Luxemburg' - Kaderschmiede der DDR-Grenztruppen". Lapp bezieht sich dort auf eine in Suhl verfaßte "Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit" zwischen dem BGS-Verband und dem Grenzschutzbund der DDR vom 20. Februar 1990, die jeder Würde entbehrt.
Zum Buch des westdeutschen Journalisten haben hochrangige Militärs der DDR-Grenztruppen und ihrer Offiziershochschule Beiträge geleistet. Auch Zitate aus ihren Doktorarbeiten sowie Konterfeis in Uniform und Zivil sowie konträre Ansichten zum Grenzsicherheitssystem der DDR sind dort zu finden.

Oberst a.D. Hans Linke, Suhl

Am 26. Oktober wird der Verfasser dieser Zeilen 85 Jahre alt. Der RF gratuliert dem im Klassenkampf bewährten und standhaft gebliebenen Mitstreiter Hans Linke auf das herzlichste.


Leopoldine Kuntz bin ich für ihren EXTRA-Beitrag in der Augustausgabe des RF "Warum Ernst Thälmann nicht vor Gericht gestellt wurde" sehr dankbar. Wie großartig das Auftreten Dimitroffs im Reichstagsbrandprozeß gewesen ist und wie nachhaltig es wirkte, sehen wir auch daran, daß es die Nazis trotz Anklageerhebung nie gewagt haben, Thälmann vor Gericht zu stellen. Ohne Zweifel fürchteten sie ein gleiches Fiasko. Daher befahl Hitler die Ermordung des KPD-Vorsitzenden nur Monate vor der Zerschlagung des faschistischen Staates bei einer Besprechung mit Himmler, die in der Wolfsschanze am 14. August 1944 stattfand. Sie wurde vier Tage später im Krematorium des KZ Buchenwald vollzogen. Seine Mörder gingen in der BRD straffrei aus.

Rechtsanwalt Ralph Dobrawa, Gotha


Wie sollte man ohne den "RotFuchs" leben!! Und: Wir hatten einst ein Vaterland!!
Was mir besonders gut tut ist der Beitrag über den weinroten Prenzlauer Berg aus der Feder des verstorbenen Genossen Dr. Ernst Heinz, da ich selbst von Kindesbeinen an dort gelebt habe.

Gerda Grünberg, Zossen


Als ehemaliger Pädagoge, der an der Ausbildung sozialistischer Lehrerpersönlichkeiten in der DDR beteiligt war, berührten mich natürlich jene Passagen der Beilage zum August-RF besonders, in denen sich Prof. Götz Dieckmann mit dem Schul- und Bildungswesen in unserem sozialistischen Vaterland beschäftigt. Ich stimme ihm voll zu, wenn er feststellt: "Die Lebensweise orientierte sich an moralischen Werten. Das will ich vor dem Hintergrund des nunmehr allgegenwärtigen Verfalls der Sitten, des Verlusts jeglichen Anstands - auch des bürgerlichen Anstands, den es in Zeiten des geschichtlichen Aufstiegs der Kapitalisten-Klasse immerhin gegeben hat - besonders unterstreichen."
Man kann "RotFuchs"-Lesern nur empfehlen, diesen Beitrag gründlich zu studieren. Das dort Gesagte wird jedem helfen, den 65. Jahrestag der Gründung der DDR am 7. Oktober ebenso nachdenklich wie optimistisch zu begehen.

Helmuth Hellge, Berlin


"Wir hatten einst ein Vaterland!" titelt Götz Dieckmann Aussagen, die bedenkenswert sind.
Sein Bericht animierte mich zu der Frage: Wer hat uns verraten? War die Partei- und Staatsführung mit ihrem Ökonomieverständnis nicht fähig, deutsche Geschichte und die vom Dollar regierte Weltwirtschaft so zu analysieren, wie sie tatsächlich war und ist, um tragfähige Schlußfolgerungen für unser Land zu ziehen? Jeder Berufstätige, ob in Wirtschaft oder Politik, durfte im Unterschied zur Gegenwart davon ausgehen, daß die Entscheidungsträger die Voraussetzungen dafür besaßen, zu wissen, was notwendig und richtig war.
Die künstliche Schaffung von Krisengebieten ist eine Methode, die bis heute weltweit verfolgt wird. So wurde auch die DDR keineswegs nur durch Begrüßungsgeld aufgekauft und dann treuhand"veredelt"!
Ein großer Teil der Bevölkerung stand dem Einheitstrubel skeptisch gegenüber, ich auch. Die Stimmung schlug allerdings um, als zugesichert wurde, daß die Pariser Verträge nicht unterschrieben würden und Deutschlands NATO-Mitgliedschaft nicht auf den Osten ausgedehnt werde. Heute müssen wir zusehen, wie in der Stadt Müllcontainer nach Pfandflaschen abgesucht werden.

Dr.-Ing. Peter Heinze, Dresden


Als Leser des RF und der jW veranlaßt mich Götz Dieckmanns Beilage dazu, mich zum leider schmählichen Ende der DDR zu äußern, Ich war über 20 Jahre als Produktionsarbeiter auf Baustellen in der DDR-Hauptstadt Berlin tätig. Schon damals besuchte ich eine Abendschule, um meinen Wissensdurst zu stillen und die Hochschulreife zu erwerben. Als alter Mann bin ich für diese Zeit, auf die ich zurückblicke, sehr dankbar. Voller Ideale wurde ich 1980 Mitglied der SED. Nach dem Abitur nahm ich in Leipzig ein Studium für Lehrer des Marxismus-Leninismus auf. Die Preis- und Informationspolitik sowie der überbordende Zentralismus waren Gründe dafür, daß ich im 3. Studienjahr die Hochschule verließ.
Trotz des Ausscheidens aus dem Studium muß ich sagen, daß dieses mein Leben sehr bereichert hat. Allerdings sind mir auch viele Karrieristen begegnet, denen es augenscheinlich nicht um unsere Sache ging, sondern um das eigene Wohlbefinden. Manches hatte ich mir anders vorgestellt. So war ich z.B. der Meinung, daß die Jagd ein Privileg des Adels hätte bleiben sollen. Eine Bemerkung Prof. Erich Hahns zum Untergang der DDR hat sich mir besonders eingeprägt: "Wir hätten uns alle nur an das Statut der SED halten müssen."
Insgesamt ist es gut, daß es die DDR als Alternative zum Kapitalismus gegeben hat, wenn sie auch noch mit vielen Ungereimtheiten behaftet war.

Jürgen Kalisch, Schöneiche


Die Berichterstattung vom Weimarer Taxifahrer in der Augustausgabe ist einfach super!

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg


Früher galt Fußball als die schönste Nebensache der Welt. Heute überlagert er sogar das Weltgeschehen. Egal, ob Tütensuppen von Knorr, Wurst vom Schlachter, Brot und Brötchen vom Bäcker, Sixpacks - alles wurde der Werbung für die WM geopfert. Und dann der unsägliche "Fahnenschmuck" - egal ob Fenster, Balkon, Auto, Fahrrad, Kinderwagen, Rollator, nichts blieb vor den Farben "verschont". Selbst Hunden streifte man sie über. Am schlimmsten: In Rudow wurde auf zwei Grundstücken sogar die Reichskriegsflagge aufgezogen. Das System freut sich, hindert das doch die Massen daran, über die soziale Schieflage nachzudenken.

Dieter Bartsch, Berlin


In einer Diskussion des PDL-Obmanns im Bundestag Stefan Liebich mit dem CDU-Funktionär Philipp Lengsfeld, deren Wortlaut die SUPERillu in Nr. 35 veröffentlichte, erklärte der Christdemokrat: "Wenn Thälmann an die Macht gekommen wäre, hätte er mit Sicherheit, genauso wie Stalin, massenweise politisch Andersdenkende ermordet." Diese ungeheuerliche Aussage kann man nur so auslegen, daß die deutschen Faschisten mit der physischen Ausschaltung des KPD-Führers der Menschheit einen guten Dienst erwiesen hätten.
Stefan Liebich ließ die infame These des CDU-Politikers unkommentiert stehen und gab lediglich Sätze wie "Ernst Thälmann ist sicher kein Vorbild ..." von sich. Die Haltung spricht für sich.

Heinz Behrendt, Plauen (Vogtland)


Die Schlichtheit (bei Ihnen sicher als Geradlinigkeit gehandelt) der Argumentation Klaus Steinigers unberücksichtigt lassend, möchte ich doch wenigstens Ernst Toller vor den Rotfüchsen in Schutz nehmen. Denn wer dessen "Eine Jugend in Deutschland" bespricht und dabei kein Wort über jene verhängnisvolle Rolle der rechthaberischen Kommunisten in der bayerischen Revolution und Räterepublik verliert, wie Toller sie nüchtern schildert, weil das vermutlich nicht so ganz ins Bild der noch immer rechthaberischen Kommunisten paßt, führt nur weiter, was "realsozialistische" Geschichtsschreibung dank ihrer "Parteilichkeit" an Desinformation und Demagogie bereits hervorgebracht hat - Gebiete, auf denen man sich seinerzeit wenigstens mit den "Leistungen" der ideologischen Gegenseite auf Augenhöhe befand.
P. S.: Ich baue auch diesmal nicht darauf, mich in den RF-Leserbriefspalten wiederzufinden.

Horst Kerber, E-Mail


In eine Bildunterschrift der Augustbeilage hat sich ein Fehler eingeschlichen. Die X. Weltfestspiele fanden nicht 1985, sondern bereits im Sommer 1973 statt.

Konstantin Brandt, Berlin


Unsere Reihe "Dialog der Generationen" führt Schülergruppen der höheren Klassen und Zeitzeugen in Magdeburg schon seit Jahren zusammen. Die Diskurse verlaufen aufgrund der Schülerfragen für beide Seiten konstruktiv und lehrreich. Zwei Themen führten so zu folgenden Schlußworten von Gymnasiasten: "Ich kann erst jetzt die Leistungen und Haltungen meiner Großeltern und Eltern würdigen, die nach 1945 trotz Hitler und Goebbels den Antifaschismus und die Friedenspolitik der DDR gelebt haben." Und zu der Frage, "Was war die DDR?" wurde gesagt: "Wie sähe die Welt heute aus, wenn alle Länder sozialistisch wären!"

Dr. Heinz Sonntag, Magdeburg


Seit der Vereinnahmung der DDR durch die BRD wird der Versuch unternommen, die Geschichte des sozialistischen deutschen Staates und seiner Regionen auszulöschen. Im Geschichtslehrbuch der 9. und 10. Klassen für Mecklenburg-Vorpommern findet sich z. B. kein einziges Kapitel zur Historie dieses Bundeslandes. Eine Nachfrage beim Ministerium in Schwerin und die daraufhin erfolgte Zusendung entsprechender Unterlagen zum Fach Heimatkunde ergab keinen Hinweis zur Geschichte von M-V. Auch die Bitte um Auskunft, die ich an den Landtag richtete, erbrachte nichts. Nur die Abgeordneten der Partei Die Linke sandten mir zumindest Projektvorschläge zur Erforschung der Geschichte des Heimatortes. Doch alle Archivdokumente sind in alter deutscher Schreibschrift verfaßt, die heutige Schüler nicht lesen können.
Fazit: Seit über zwei Jahrzehnten wird in unseren Schulen keine Geschichte des eigenen Bundeslandes mehr gelehrt, die aber ein gestandener Mecklenburger kennen müßte. Die heute Herrschenden sind nur an "Humankapital" interessiert, nicht aber an humanistisch gebildeten Menschen, die ihre eigene Herkunft kennen.

Siegfried Spantig, Hagenow


Den RF lese ich immer mit großem Gewinn und möchte ihn nicht mehr missen. Dennoch will ich Sie auf einen Übersetzungsfehler hinweisen, der weit verbreitet ist. Christa Kozik (Die Kinder zuerst ...) verwendet das Zitat aus der Bibelübersetzung Martin Luthers in der ebenso bekannten wie unrichtigen Weise. Es muß heißen: Eher geht ein Ankertau (Hanfgarn) durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in den Himmel kommt. Luther hat in diesem Falle statt camilo mit Ankertau zu übersetzen, an ein Kamel gedacht. Das aber heißt camelo.

Sabine Kruse, Lübeck


Eine Ergänzung zum Beitrag von Dr. Dieter Krause "Schwarzbrot für Rindermägen" (August-RF): Im Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR wurde offenbar in der Absicht, der Landbevölkerung einen zusätzlichen Verdienst zukommen zu lassen, auch der folgende ökonomische Unsinn veranstaltet: Für jedes Kaninchen, das zur Aufkaufstelle gebracht wurde, erhielt man 50 Mark der DDR. Wenn es jedoch zurückgekauft wurde, kostete es nur noch 15 Mark. Jedes Kilo Stachelbeeren, das abgeliefert wurde, brachte 2,80 Mark. Beim Rückkauf zahlte man dafür aber lediglich 1,80 Mark. (Die hier genannten Preise müssen nicht auf Heller und Pfennig stimmen.)
Auch an solchem Subventionsschwindel - hier wurden nur kleine, unbedeutende Beispiele genannt - ist die DDR zugrundegegangen.

Reinhard Kacholdt, Pößneck


Schwarzbrot fürs Rindvieh? Bei wem standen Kuh, Schwein, Gans, Huhn und Kaninchen außer in Betrieben der LPG Tierproduktion eigentlich im Stall? Waren das nicht auch jene, welche tagsüber mit dem Anbau von Brotgetreide zu tun hatten? Welche politisch-moralische Einstellung hatte der Bauer, der solche Lebensmittel an seine meist zum Verkauf bestimmten Tiere verfütterte? Was brachte er mit einer solchen Haltung seinen Kindern bei, die in der Schule über den Hunger in Afrika unterrichtet wurden? Hat hier nicht jemand zu Unrecht in unser aller "zweite Lohntüte" gegriffen?
Subventionen sind lediglich eine gezielte Umverteilung von erwirtschaftetem Volkseinkommen. Grundnahrungsmittel besaßen im Arbeiter-und-Bauern-Staat einen hohen Stellenwert. Wie verläßlich hätte man eine DDR-Regierung empfunden, die plötzlich Preiserhöhungen vornimmt? Wie hätte das bei Mieten, Dienstleistungen oder im Gesundheitswesen aussehen sollen? So wie in der BRD, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen? Kehre jeder erst einmal vor seiner eigenen Verschwendertür, bevor auf den Staat geschimpft wird!

Cornelia Noack, Beeskow


Seit 1989 befinde ich mich auf der Suche nach den Gründen für das Scheitern unserer guten Sache. Inzwischen haben sich viele, die Verantwortung in Partei und Staat trugen, zu Wort gemeldet und ihre Sicht auf die Dinge dargestellt. Der "RotFuchs", den ich seit 2009 aufmerksam lese, ist mir ein guter Kompaß und Ratgeber. Dem gesamten Kollektiv ein herzliches Dankeschön.
Eine Frage an den großen Kreis Gleichgesinnter: Unsere Einheit trug seit 1969 den Namen "Willi Sänger". Gibt es noch Verwandte von ihm, mit denen ich in Kontakt treten könnte? Vielleicht kann mir jemand helfen!

Ekkehard Naumann, Bobritzsch


Herzlichen Dank für die August-Ausgabe, in der mich der Beitrag "Debakel einer Kolonialmacht" über den Sieg der vietnamesischen Befreiungsarmee in Dien Bien Phu besonders interessiert hat. In dem sehr aufschlußreichen Material ist der Redaktion übrigens ein Fehler unterlaufen: Saigon wurde nicht 1973, sondern erst 1975 befreit.
Bei uns war es in Großenhain, wo ich damals arbeitete, eine gute Tradition der FDJ, alljährlich am 30. April auf dem Karl-Marx-Platz den Mai-Baum aufzustellen. Als 1. Kreissekretär der FDJ hatte ich die Rede zu halten. Ich erinnere mich daran, daß ich sie schon am Vormittag fertig hatte, in den Nachmittagsstunden aber die Nachricht kam, in Südvietnam habe die Befreiungsarmee zum letzten und erfolgreichen Schlag ausgeholt. Saigon sei gefallen, und die Amis hätten vom Dach ihrer Botschaft aus die Flucht in Hubschraubern angetreten. Hocherfreut änderte ich meine Rede. Und als ich sie dann vortrug, jubelte der Platz voller Jugendlicher. Das war am 30. April 1975.

Klaus Hemmerling, Niesky


Als Kommunist und Antifaschist wohne ich - nach vielen Etappen im In- und Ausland - nun wieder in meinem Geburtsland Schleswig-Holstein. Es besitzt eine tiefbraune Vergangenheit und war als Tummelplatz aktiver NSDAP-Faschisten, die sich dann im Mai 1945 vorsorglich an die Peripherie zurückgezogen hatten, bekannt.
Im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit im "Bündnis gegen rechts - Nordfriesland" überarbeite ich derzeit Unterlagen zu einigen ausgewählten Fällen. Thema: Nazis und Nazistrukturen nach 1945. Vielleicht ist nicht allen bekannt, daß nach der Befreiung in Schleswig-Holstein mehr Nazis ihr Unwesen trieben als auf dem Höhepunkt des "Dritten Reiches". Sie konnten sich in den relevanten gesellschaftlichen Bereichen völlig ungeniert und sogar von maßgeblichen Kreisen geschützt ohne jegliche Unterbrechung völlig frei entfalten.
Auch um den Kontrapunkt zur antifaschistischen DDR zu setzen und im "RotFuchs" die voranschreitende West-Erweiterung zu unterstützen, melde ich mich bei Euch als Autor zurück.

Niki Müller, Friedrichstadt (Nordfriesland)


Während meines 14tägigen Aufenthalts im griechischen Perigiali (Korinthos) bei zwei Familien, deren Eltern ich seit vielen Jahren kannte und 1992 wiederfand, habe ich die beiden RF-Artikel aus dem Frühjahr 2014 zur hellenischen Problematik - sie handeln von der "Hilfe" der EU für Athen und Mißständen im Gesundheitswesen - den Gastgebern überreicht. Beide Familien fanden sie sehr interessant und bestätigten mir, daß der "RotFuchs" Wahrheiten über Griechenland verbreitet, die man in dortigen Zeitungen kaum finden kann.
Meine Freunde aus der KKE äußerten den Wunsch, den "RotFuchs" fortan selbst zu beziehen.

Winfried Freundt, Jena

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Quelle:
RotFuchs Nr. 201, 17. Jahrgang, Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2014