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ROTFUCHS/191: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 237 - Oktober 2017


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

20. Jahrgang, Nr. 237, Oktober 2017



Aus dem Inhalt

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Das Signal der "Aurora" wirkt bis heute

Am 7. November begeht die fortschrittliche Menschheit den 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. In rasender Geschwindigkeit verbreitete sich die Nachricht vom Sieg der Arbeiter, Bauern und Soldaten damals auf dem Globus aus und löste eine kaum vorstellbare Begeisterung und Sympathie aus - weit über die Arbeiterbewegung hinaus. Das Signal, das von den ersten Maßnahmen der Sowjetmacht, dem Dekret über den Boden und dem über den Frieden, ausging,, verstanden alle sofort - Freund wie Feind. "Seitdem", dichtete Bertolt Brecht 1937, "hat die Welt ihre Hoffnung." Die kolonial unterdrückten Völker des Ostens und des Südens, die übergroße Mehrheit der Menschheit wußte von nun an, daß eine Befreiung aus der Knechtschaft des Imperialismus möglich ist. Neben dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und dem Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg waren die Erfolge der nationalen Befreiungsbewegungen das wichtigste Ergebnis des Roten Oktober. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht und demnächst größten Volkswirtschaft der Erde, die Befreiung Indiens, die Entkolonialisierung Afrikas oder die kubanische Revolution sind ohne 1917 undenkbar.

Viele aufrechte Genossinnen und Genossen sahen mit der Auflösung der Sowjetunion 1991 den Sozialismus für eine ganze Epoche besiegt. Das war verständlich, aber die Entwicklung seither hat sie widerlegt. Der internationale Bedeutungsverlust Westeuropas und Nordamerikas hat sich atemberaubend und zugleich bedrohlich beschleunigt. Der Imperialismus antwortet auf den - relativen - Niedergang mit Krieg. Die Stichworte lauten "multipolar" und "postwestliche Welt". Mit ihnen beschrieben Wladimir Putin 2007 und Sergej Lawrow 2017 die Veränderung des Kräfteverhältnisses auf der Welt in den vergangenen Jahren.

FRIEDEN und LAND waren die ersten Worte der Sowjetmacht. Sie standen am Anfang einer neuen Epoche. Die Antwort des Imperialismus lautet bis heute: KRIEG und LANDRAUB. Die Operationspläne des kaiserlichen und des faschistischen Deutschland gegen Rußland bzw. die Sowjetunion blieben die Grundlage für die militärische Planung des Westens in Europa. Der "Fall Barbarossa" war und ist das entscheidende Dokument für die Existenz der Bundeswehr, ja für die Bundesrepublik insgesamt. Sie wurde für die Aufstellung einer Armee gegen die Sowjetunion gegründet. Die Bundeswehr ist die Speerspitze der NATO in Europa mit der Hauptrichtung Moskau. Hinzugekommen ist die Eroberung Afghanistans und dessen Besetzung durch die NATO. Sie dient der Bedrohung fast des gesamten Territoriums Rußlands und Chinas mit sogenannten konventionellen Waffen.

Aber: Der Krieg am Hindukusch ist nun der längste der US-Geschichte. Der amtierende US-Präsident verkündete im August, daß er deswegen am Hindukusch auf Phrasen von Demokratie und westlichen Werten verzichtet, aber nicht auf Militärbasen. Gleichzeitig droht er mit Angriffen auf die KDVR und auf Venezuela, d. h. er spielt mit dem Weltkrieg. In Syrien torpedieren seine Truppen regionale Waffenstillstandsabkommen und schlachten Zivilisten ab. Vom Sturz des syrischen Präsidenten ist der Westen jedoch weiter entfernt denn je seit 2011.

2016 kehrte die NATO zur Drohung mit atomarer Vernichtung zurück - wie im kalten Krieg bei Strafe des eigenen Untergangs. Die Trump und Merkel, Macron und May, der Imperialismus kann in dieser Situation ganze Länder in Schutt und Asche legen, Tod und Elend verbreiten sowie große Bevölkerungsgruppen vertreiben, militärisch siegen kann er nicht. Moralisch waren seine Kriege seit 1991 ein einziges Desaster. Nebenbei: Nicht Flüchtlinge sind das größte Problem von EU, BRD oder USA, sondern ihre Kriege, denen die Menschen der überfallenen Länder zu entkommen suchen. Wer das unterschlägt, betreibt das Geschäft der Kriegstreiber.

Nein, eine Wiederholung der Oktoberrevolution ist nicht in Sicht. Die mit ihr eröffnete Epoche ist aber trotz der Niederlage von 1991 und entgegen aller Resignation nicht zu Ende. Vor allem dank Rußland, China und anderer Länder, die 1917 Kolonien oder Halbkolonien waren, kann die Kriegsfurie regional begrenzt werden. Das hat direkt mit dem zu tun, was mit dem Roten Oktober begann. In Asien, Afrika und Südamerika wächst das Bewußtsein: Um Frieden zu gewinnen, muß dem Kapitalismus ein Ende bereitet werden. Wirken wir daran mit, daß diese Einsicht auch in Deutschland wieder verbreitet wird!

Arnold Schölzel

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Atomwaffen sind völkerrechtswidrig

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Möge für immer das erste Wort "Friede" sein!

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Fidel Castro: Der nukleare Winter und der Frieden

Über 20.000 Atomwaffen befinden sich in den Händen von folgenden acht Ländern: USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien, China, Israel, Indien und Pakistan; mehrere von ihnen mit tiefgreifenden wirtschaftlichen, politischen und religiösen Differenzen untereinander.

Das neue, in Prag von den größten Atommächten unterzeichnete START-Abkommen enthält nichts weiter als Illusionen bezüglich des Problems, das die Menschheit bedroht.

Die Theorie des "nuklearen Winters", die von dem bedeutenden Forscher und Professor der Rutgers-Universität von New Jersey Dr. Alan Robock entwickelt und auf den aktuellen Stand gebracht worden ist, hat ihre Richtigkeit bewiesen.

Das US-amerikanische Volk, das sich an einem privilegierten Ort des Planeten befindet, was es ihm ermöglicht, trotz der unwahrscheinlichen Verschwendung von nicht erneuerbaren Ressourcen das höchste Lebensniveau und die größten Reichtümer der Welt zu genießen, müßte am meisten an der Information interessiert sein, die ihm die Wissenschaftler bieten. Wieviel Raum widmen die Massenmedien dieser Aufgabe?

Die Theorie des "nuklearen Winters" hat folgendes gezeigt, so Robock: "Wenn es solche Waffen nicht geben würde, dann könnten sie nicht verwendet werden. Und im Augenblick gibt es absolut kein rationelles Argument für deren Verwendung. Wenn sie nicht verwendet werden können, ist es notwendig, sie zu vernichten. Nur so würden wir uns vor Unfällen, Rechenfehlern oder jeglicher schwachsinnigen Handlungsweise schützen."

Die Verbreitung der Atomwaffen - bei der Israel, Indien und Pakistan sich dem atomaren Club angeschlossen haben, und andere Länder allem Anschein nach danach trachten, Mitglieder desselben zu werden - hat Robock und seine Kollegen dazu gezwungen, die zuerst durchgeführten Forschungen zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren überraschend, wie in einer kürzlich veröffentlichten Artikelserie im Detail aufgeführt worden ist. Bezüglich der USA und Rußland verhält es sich so, daß - auch wenn jeder von ihnen sich im April 2010 in Prag dazu verpflichtet hat, sein operatives Atomarsenal auf circa 2000 Waffen zu vermindern - die einzige reale Art und Weise, eine globale Katastrophe zu vermeiden, darin bestehen würde, die Atomwaffen zu vernichten.

"... jedes Land, das zum jetzigen Zeitpunkt den atomaren Weg in Betracht zieht, muß erkennen, daß es nicht nur seine eigenen Bevölkerung in Gefahr bringen würde, sondern ebenfalls den Rest der Welt, wenn es diesen Weg geht. Es ist an der Zeit, daß die Welt ein weiteres Mal über die Gefahren der Atomwaffen nachdenkt und dieses Mal den Weg des Friedens einschlägt und die Möglichkeit einer durch die Atomenergie hervorgerufenen globalen Klimakrise beseitigt. Die Anwendung der Atomwaffen im Falle eines Totalangriffs gegen einen Feind wäre eine selbstmörderische Handlung, und zwar aufgrund der von dem Rauch der durch die Bombe verursachten Brände hervorgerufenen abnormalen Kälte und Dunkelheit. Eigentlich wurde offensichtlich gemacht: Je mehr Atomwaffen ein Land besitzt, desto weniger sicher ist es."

Am Ende seines Vortrags habe ich Professor Alan Robock gefragt: "Wie viele Menschen auf der Welt kennen diese Angaben?" Er antwortete mir: "Sehr wenige." Ich fügte hinzu: "Wie viele in Ihrem Land?" "Ebenfalls wenige", antwortete er mir, "die Fakten sind nicht bekannt."

Ich hegte keine Zweifel, daß das die traurige Wahrheit ist, und fügte dem hinzu: "Wir erreichen nichts, wenn nur uns das bekannt ist. Es ist notwendig, daß es die Welt weiß. Vielleicht müßte man die Psychologen zu Rate ziehen, damit diese erklären, warum die Massen nicht verstehen."

"Ich habe eine Antwort darauf", rief der Wissenschaftler aus, "man nennt das Verleugnung! Es ist etwas so Schreckliches, daß die Leute nicht daran denken möchten. Es ist einfacher, so zu tun, als ob es das nicht gäbe."

Seine Worte waren klar, genau und sprachen für sich. Deshalb sagte ich: "Was bedeutet es, Bewußtsein zu schaffen, von dem wir so viel reden? Und wie sehr entmutigt es Sie als Wissenschaftler, daß die Leute nicht einmal mitbekommen, was Sie tun, wie viele Stunden Sie dafür aufwenden?"

Ich sagte zu ihm, daß es zu jenen Zeiten, als es weder Rundfunk noch Fernsehen bzw. Internet gab, unmöglich gewesen ist, solch einen Vortrag wie diesen in Kuba oder auf der Welt zu verbreiten. Und noch geringere Möglichkeiten bestanden, da viele Menschen weder lesen noch schreiben konnten.

Wir haben dem Professor versprochen, die Information zu verbreiten, die er uns über die Theorie des "nuklearen Winters" geboten hat und die in einer Sprache verfaßt ist, die sogar die achtjährigen kubanischen Kinder begreifen können. Wir wußten nur ein bißchen hierüber, ausgehend von der Sorge unsererseits bezüglich des Ausbruchs eines globalen Atomkriegs, was es uns zur Pflicht machte, seinen Vortrag anzuhören.

Keine andere Epoche der Menschheitsgeschichte ähnelt dieser. Wenn diese Risiken nicht von denen begriffen werden, die Entscheidungen von jener Höhe ihrer immensen Macht aus treffen, welche ihnen Wissenschaft und Technik in die Hand gegeben haben, dann wird der nächste Weltkrieg mit Sicherheit der letzte sein, und es werden vielleicht viele Millionen Jahre vergehen, bevor neue intelligente Wesen versuchen werden, ihre Geschichte zu schreiben. ...

Es war für mich eine große Ehre, die Einladung zu einem Treffen mit einem Teil der Besucher (des Kreuzfahrtschiffs "Peace Boat") zu erhalten, und ich habe ihnen vorgeschlagen, dies im Kongreßpalast und mit der größtmöglichen Anzahl von ihnen zu tun. Das Wort ergriffen haben Herr Nao Inoue und Frau Junko Watanabe, die Überlebende, die erst zwei Jahre alt war, als die erste Atombombe auf die Stadt Hiroshima abgeworfen wurde. Das Mädchen befand sich zusammen mit seinem kleinen Bruder auf dem Hof eines Hauses in einer Entfernung von 18 Kilometern von dem Punkt, wo jene Bombe abgeworfen wurde, die den größten Teil der Stadt zum Verschwinden brachte, unmittelbar über 100.000 Menschen tötete und den anderen Einwohnern schwere Schäden zufügte.

Sie gab ihre dramatischen Erinnerungen darüber wieder, wie sie Jahre später die Bilder und Einzelheiten jenes Ereignisses kennenlernte, die so vielen unschuldigen Menschen, die absolut nichts mit jenem brutalen Angriff zu tun hatten, so viele Leiden verursacht haben. Es war eine wohlüberlegte Handlung, um der Welt durch die unnötige Anwendung einer Massenvernichtungswaffe Angst und Schrecken einzujagen, zu einem Zeitpunkt, als das japanische Imperium schon besiegt war. Die Bombe wurde nicht auf eine militärische Einrichtung abgeworfen, sondern auf ein schutzloses ziviles Ziel. Die über jenes schreckliche Verbrechen verbreiteten Bilder können nicht das zum Ausdruck bringen, was uns die Stimme von Junko Watanabe über die Geschehnisse erzählt hat. Der Anlaß war angebracht, um unseren Standpunkt darzulegen und unseren freundlichen japanischen Gästen, Kämpfern für die Abschaffung der Atomwaffen, der Militärstützpunkte und des Krieges, über die Bemühungen zu erzählen, die unser Land unternimmt, um einen atomaren Konflikt zu vermeiden, der dem Bestand unserer Gattung ein Ende setzen könnte.

Fidel Castro
(21. September 2010)


Die eindringliche Mahn-Rede Castros entnahmen wir (leicht gekürzt) der Beilage zu einer Mappe mit kubanischen Plakaten gegen den Krieg und für den Frieden, die über die Schweizerische Friedensbewegung zu beziehen ist (sfb@bluewin.ch).

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Wer überleben will, muß aktiv werden!

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Bericht vom 22. IPPNW-Kongreß in York
Für eine atomwaffenfreie Welt

Im Jahr 1985 erhielt die IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) den Friedensnobelpreis für ihre "sachkundige und wichtige Informationsarbeit", die das Bewußtsein über die "katastrophalen Folgen eines Nuklearkrieges" in der Bevölkerung erhöhte. Die Organisation hat auch eine deutsche Sektion (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.), die sich vor allem für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzt (siehe RF 236, Seite 2).

Anfang September fand in York (Großbritannien) der 22. IPPNW-Weltkongreß statt, zu dem etwa 600 Gäste aus aller Welt angereist waren. Die starke Präsenz von Vertretern aus Indien und Japan war unübersehbar. Das Gesicht des Treffens prägten vornehmlich junge Menschen, die mit ihren Wortmeldungen aktiv zu dessen konstruktivem Verlauf beitrugen. Der Kongreß rief zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker ohne Atombomben auf und hatte das Ziel, einen Beitrag zur Durchsetzung des weltweiten Verbots von Atomwaffen zu leisten.

In der Eröffnungsrede wies der Präsident der Konferenz darauf hin, daß es darum gehen müsse, alle Nationen für das Atomwaffenverbotsabkommen zu gewinnen, für das sich weltweit bereits 486 Organisationen aus 130 Ländern einsetzen.

Mit der Eskalation des Konflikts zwischen Nordkorea und den USA wachse die akute Gefahr eines tatsächlichen Einsatzes von Atombomben, wurde betont. Mit den Ergebnissen einer Studie wurde über die zu erwartenden Folgen eines solchen Einsatzes informiert. Allein 50 Bomben - sollten Indien und Pakistan sie im Falle eines Krieges einsetzen - würden auf einen Schlag 30 Millionen Menschen unmittelbar das Leben kosten. Durch die dadurch verursachte globale Klimaveränderung würden nachfolgend weitere 200 Millionen Menschen sterben. Nie war die Gefahr, daß die Gattung Mensch ausgelöscht werden könnte, so groß wie heute.

Im Text zum Atomwaffenverbotsabkommen wird aufgezeigt, wie die Länder aus diesem tödlichen Szenarium aussteigen können. Der Vertrag soll im internationalen Recht verankert und die Gedanken der "kollektiven Sicherheit" sollen in den Partnerorganisationen und Staaten verbreitet werden. Mit der derzeitigen Strategie der Atomwaffenmächte werden jedoch die bestehenden Machtstrukturen in der Welt zementiert. Dadurch wird eine Veränderung des Status quo erschwert. Diese Mächte weigern sich, das Atomwaffenverbotsabkommen zu unterzeichnen, wobei explizit auf Indien und Pakistan hingewiesen wurde.

Delegationsmitglieder berichteten über ihre Arbeit und den Kampf der Friedenskräfte in ihren Ländern. Die britischen Atombombengegner sehen ihren Schwerpunkt darin, das Verbot der britischen atomaren U-Boote zu erwirken. Sie betonten, daß für die US-Rüstungsindustrie die Atombombe als "heilige Kuh" gilt. In der US-Friedensbewegung thematisiert man die medizinischen und humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes, um die Menschen gegen die Atombombe zu mobilisieren. Für die Regierung Rußlands stünde die nukleare Sicherheit an erster Stelle, um Bedingungen für die Abschaffung der Atombombe zu begünstigen, hob eine Vertreterin aus Rußland hervor. Ein indischer Delegierter betonte die Rolle der UNO und kritisierte die indischen Massenmedien, die über das Thema Atomwaffenverbot kaum berichten würden. Der japanische Teilnehmer wies auf das konfrontative Verhalten von Nordkorea und den USA hin, welches ein furchterregendes Stadium erreicht habe. Dieses Problem könne aber nur politisch gelöst werden. Die US-Administration müsse die Souveränität Nordkoreas achten.

Australien stelle sich, wie die Bundesrepublik Deutschland, unter den Atomschutzschirm der USA. Daher habe die Regierung in Canberra kein Interesse an einem Verbot von Atombomben, erklärte eine australische Delegierte. Während ein norwegischer Teilnehmer die notwendige Popularisierung des Verbots forderte, hob der Delegierte aus Costa Rica die Rolle seines Landes als das am meisten für ein Verbot engagierte Land hervor und verwies darauf, daß 25 bis 30 latein- und mittelamerikanische Länder den Vertrag zum Verbot von Atombomben unterzeichnet hätten. Costa Rica habe schon 1997 das Verbotsabkommen vor die UNO gebracht. Alle afrikanischen Staaten seien atomwaffenfrei, und Südafrika, das die Atombombe schon besaß, habe sie längst wieder abgegeben, wie ein Gast aus Kenia informierte.

Der afghanische Delegierte legte einen Friedensplan für Afghanistan vor, dessen Umsetzung die Ablösung der NATO-Militärs durch Militäreinheiten aus den islamischen und blockfreien Staaten zur Bedingung haben müsse. Der bereits 38 Jahre andauernde Krieg am Hindukusch zeige, daß nur eine politische Lösung des Konflikts erfolgversprechend sein könne. Für diese Lösung sollte durch die Afghanen selbst eine Konzeption entsprechend den dortigen Bedingungen unter Beteiligung der Bevölkerung und aller politischen Gruppierungen, einschließlich der Taliban, ausgearbeitet und umgesetzt werden.

Hervorgehoben wurde, daß die USA den Clusterbomben-Verbotsvertrag nicht unterzeichnet, deren Produktion jedoch eingestellt hätten. Hier wird die normative Kraft eines Vertrags deutlich, die im Falle des Verbots von Atombomben eine ebensolche Wirkung entfalten könnte.

In regionalen Meetings (Afrika, Europa, Lateinamerika, Mittlerer Osten, Nordamerika, Südasien/Südostasien und Pazifik) und zahlreichen Workshops diskutierten und vertieften die Teilnehmer des Kongresses die im Plenum vorgestellten Fragen und Probleme.

Ein britischer Soldat, der in Afghanistan, Irak und Nordirland im Einsatz war, gab einen historischen Überblick über die Brutalität des britischen Empires, bei dem die Kontinuität in der Art und Weise der Kriegführung des britischen Imperialismus unverkennbar war. Sein überzeugendes Auftreten gestaltete sich zu einem Höhepunkt des Kongresses.

Dr. Matin Baraki

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Gorbatschow und die Folgen

Bereits im September 2014 hatte die NATO den Aufbau einer superschnellen Eingreiftruppe beschlossen und dies mit einer Bedrohung Europas durch Putins Rußland begründet. Mit der "Annexion" der Krim und der Aggression im Osten der Ukraine habe Putin das internationale Sicherheitssystem zerschlagen. So zeigt sich das von regierungsnahen Zeitungskonzernen und systemtreuen Fernsehanstalten Europas verbreitete Zerrbild. Der objektive Blick hingegen zeigt Wladimir Putin in Schwierigkeiten mit dem Paradigmenwechsel, der durch Gorbatschows leichtgläubigen Umgang mit dem Weltkapital zustande gekommen war. Zerschlagen wurde dadurch die Einheit der Sowjetrepubliken und die im Verbund mit Moskau garantierte Sicherheit. Vermehrt hatten sich damit US-amerikanische Stützpunkte, von denen sich Putin zu Recht eingekreist sieht. Gipfel dieser Zumutung ist das Heranrücken der NATO an Rußlands Westgrenzen über Polen und die baltischen Staaten.

Lutz Jahoda

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Neue Repressionen nach dem G20-Gipfel

Im Juni erschien der "Grundrechte-Report" 2017, der die hektisch verabschiedeten zahlreichen neuesten Einschränkungen der Grundrechte als "bedenkliche Bilanz einer Sicherheits-Hysterie" auf listet. Das Strafrechtsänderungsgesetz von 1951, das KPD-Verbot, Wiederbewaffnung, Notstandsgesetze und Berufsverbote waren erste Marksteine eines repressiven gesetzgeberischen Umbaus, der in der gegenwärtigen Systemkrise fortgesetzt wird. Zum Vorwand nimmt man eine Drohkulisse aus vorgeblichen "Gefährdergruppen" und jeden zur Panikmache geeigneten Anlaß. Der "Grundrechte-Report" dokumentiert auch die schleichende Entrechtung ganzer Bevölkerungsgruppen, z. B. im Asyl-, Tarif,- Sozial-, Arbeits- und Mietrecht. Zuerst traf es die ohnehin schwache Rechtsposition der Migranten. Die Agenda 2010 beraubte "Arbeitnehmer", Krankenversicherte und Rentner vieler bis dahin geltender Rechte. Die SGB-2-Gesetze (SGB = Sozialgesetzbuch) schufen ein stigmatisierendes Sonderrecht: Arbeitslosen wurde faktisch Zwangsarbeit und Sippenhaftung für "Bedarfsgemeinschaften" auferlegt. Diese Demontage von Grundrechten soll den deutschen Großunternehmen auf dem Weltmarkt Konkurrenzvorteile verschaffen.

Die Folgen der anhaltenden Umverteilung von "unten" nach "oben" sind verschärfte Klassengegensätze, auch in einem "prosperierenden" kapitalistischen Land wie der BRD. Dazu kommt der durch neokoloniale Ausbeutung und verheerende Kriege verstärkte Migrationsdruck. Es droht ein Kontrollverlust im eigenen Herrschaftsbereich, um dessen Führung nun auch rechtsextreme oder diese zumindest tolerierende Kräfte konkurrieren. Eine rapide Zunahme jeder Art von Kriminalität, Korruption und Betrug auf allen gesellschaftlichen Ebenen kommt diesen nur gelegen. Der allseitige Glaubwürdigkeitsverlust des "abendländischen" Wertesystems und seiner Sachwalter, Verelendung, Perspektivlosigkeit und angestaute Wut führen besonders unter Jugendlichen europaweit zu Unruhen und Ausschreitungen. Ein Rezept dagegen ist der Umbau der Republik in einen Polizeistaat. In ihm müssen widerständige oppositionelle Kräfte, die sich nicht mit ins Boot nehmen lassen, politisch bekämpft werden. Solche "Sicherheitsrisiken" sind heute vor allem die Partei Die Linke, Kommunisten und andere linke Strömungen.

Das funktioniert recht einfach: Man verbreitet Panik und Sicherheitshysterie. Wer da Grundrechte und Völkerrecht geltend macht, der begünstigt angeblich die Urheber unserer inneren und äußeren Bedrohung, wird selbst zum "Gefährder". Erst recht, wenn er auch noch offen ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zur Beseitigung der Krisen-Ursachen vorschlägt. Der Hamburger Polizeisenator Karl Hense, einer der Amtsvorgänger des Innensenators Andy Grote, ließ am 23. März 1921 nach einer schon aufgelösten Massendemonstration am Millerntorplatz und während anschließender spontaner Unruhen 22 Menschen erschießen. Anschließend verlautbarte er, es handle sich dabei um von den Kommunisten "aufgewiegelte Räuber und Plünderer". Nach den Ausschreitungen beim G20-Gipfel am 6. Juli hieß es, mit "Null-Toleranz" und "härtester Bestrafung" müsse man nun endlich gegen die "geistigen Urheber und Unterstützer", die "eigentlichen Verantwortlichen im Hintergrund der linksextremistischen Mordbrenner" vorgehen. Dabei zielte man schon im Vorfeld auf eine angebliche "mangelnde Ausgrenzung potentiell gewaltbereiter Beteiligter" im offenen antikapitalistischen Bündnis der Großdemonstration "Grenzenlose Solidarität" und forderte eine "deutliche Distanzierung" von Widerstand und zivilem Ungehorsam. Als neue Repressionsmaßnahmen drohen nun massive Einschränkungen des Versammlungsrechts, die landesweite Schließung linker Büros und Kulturtreffpunkte, Zwangsmaßnahmen und europaweite Listen gegen "linksextremistische kriminelle Gefährder" und eine Ausweitung von Straftatbeständen auf Passanten, Beobachter und Sympathisanten bei Polizeieinsätzen gegen Versammlungen und Demonstrationen. Wie immer wird das mittels verlogener Propaganda in die Medien gebracht. Schon veröffentlichte man Umfragen, nach denen ca. 70 % der Befragten für ein versammlungsrechtliches Verbot "gefährlicher Kundgebungen" plädierten. Die ungesetzliche Facebook-Hexenjagd der "Bild"-Zeitung mit Fotos von "G20-Verbrechern" wurde durch die Teilnahme des Innenministers de Maizière am "Bild"-Konzert für die "heldenhaften Polizisten, die um ihr Leben kämpfen mußten, um uns zu schützen", geadelt. Der Ausschluß von 32 kritischen Journalisten vom Pressezentrum und die Mißachtung gerichtlicher Urteile zugunsten geplanter Zeltlager waren schon eine Vorwegnahme beabsichtigter, rechtlich erst noch zu verankernder Maßnahmen.

Daß linksopportunistischer und unpolitischer Aktionismus dem Klassenfeind willkommene Vorwände für die Einführung längst geplanter antidemokratischer Zwangsmaßnahmen liefert, lehrt uns auch die Erfahrung der Hamburger Arbeiterbewegung. Nur waren nicht - wie uns Schulbücher glauben machen wollen - die Teilnehmer an "Ausschreitungen" die Totengräber der Demokratie, sondern stets die Hindenburgs, Noskes, Zörgiebels und Henses ...

Jobst-Heinrich Müller

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Stéphane Hessel - einem großen Humanisten zum 100.

Wie kann man ihn beschreiben? Franzose deutscher Herkunft, Resistancekämpfer, KZ-Häftling, Diplomat, Weltgeist, Brückenbauer, Kunstliebhaber, Rezitator, Humanist ... Die Verbindung von deutscher und französischer Kultur prägte sein ganzes Leben.

Stéphane Hessel, am 20. Oktober 1917 in Berlin geboren, wanderte mit seinen Eltern, dem Schriftsteller Franz Hessel und der Journalistin Helen Grund, 1924 nach Paris aus und wurde 1937 französischer Staatsbürger.

Kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Hessel von deutschen Truppen festgenommen. Ihm gelang die Flucht nach England. Er schloß sich 1941 der Résistance um Charles de Gaulle an und wurde 1944 von der Gestapo in Paris verhaftet, gefoltert, als Spion zum Tode verurteilt und ins KZ Buchenwald verbracht. Durch einen Identitätstausch konnte Stéphane Hessel vor der Hinrichtung bewahrt, aus dem Lager geschleust und in das Außenlager Rottleberode gebracht werden. Er floh, wurde aber gefaßt und nach Mittelbau-Dora überstellt. Auf dem Todesmarsch gelang ihm am 4. April 1945 die Flucht.

Sein Überleben verdankt Hessel zuallererst Eugen Kogon ("Der SS-Staat"), aber auch weiteren Mithäftlingen im Konzentrationslager auf dem Ettersberg. Seine Grundeinstellung und die Tatsache, die KZs Buchenwald, Rottleberode und Dora überlebt zu haben, waren für ihn zur Verpflichtung geworden, seine Möglichkeiten für eine friedliche Welt einzusetzen, in der die Menschenwürde oberste Priorität besitzt. Er wurde französischer Diplomat und wohnte der Erarbeitung der Charta der Menschenrechte von 1948 bei. Er bereiste im Auftrag der UNO und des französischen Außenministeriums die Welt, trieb die Entkolonialisierung voran und vermittelte immer wieder in Konflikten. Als Mitglied des Kuratoriums des Komitees für deutsch-französisch-polnische Zusammenarbeit hat er sich für die Kooperation dieser Länder eingesetzt.

Anläßlich des 30. Jahrestages der Befreiung des KZs Buchenwald besuchte er Weimar erstmals nach dem 2. Weltkrieg. Im Oktober 2010 trat der Diplomat in einer Veranstaltung der Universität Erfurt und der Maria-Pawlowna-Gesellschaft im Erfurter Rathaus "Zur Würde des Menschen" auf. Im August 2011 eröffnete Stéphane Hessel das Weimarer Kunstfest pelerinages "Gedächtnis Buchenwald" mit einem bewegenden Gedenkvortrag in der Weimarhalle, bei dem er in den Mittelpunkt die Frage stellte: "Was wird von uns und Buchenwald bleiben, was wird Buchenwald einmal bringen? Weimar ist ein Kommunikationsort für alle Fragen."

Mehr als ein Dutzend Mal besuchte er seit 1996 Schloß Kromsdorf (Weimarer Land) zu solchen Veranstaltungen wie "Paris trifft Kreisau in Kromsdorf", "Quo vadis Europa?", "Gewalt. Was tun?" und "Wehret den Anfängen!" Der Film "Der Diplomat" von Antje Starost, Hans-Helmut Grotjahn und Manfred Flügge wurde seitdem mehr als 250 Mal vor Schülern in Thüringen in Anwesenheit der Filmemacher und/oder von Hessel selbst gezeigt.

Stéphane Hessel, Ambassadeur de France, verstarb am 27. Februar 2013 in Paris (siehe RF 184, S. 22). Mit seinem Tode ist ein ganz Großer der Zeitgeschichte gegangen. In dem Buch "Stéphane Hessel - Ein glücklicher Rebell" sagt der Biograph Manfred Flügge zu Recht: "Eine substantielle Auseinandersetzung mit dem Phänomen Hessel steht noch aus, mit der Person, wie mit seiner Botschaft und deren Wirkung ..."

Um das Andenken an das unermüdliche Wirken Hessels für die Würde eines jeden Menschen wachzuhalten, hat die Maria-Pawlowna-Gesellschaft im Frühjahr 2013 das Wanderausstellungsprojekt "Die Würde des Menschen ­... Stéphane Hessel" initiiert, das bereits mehr als 50 Mal Station machte und auch künftig weiter unterwegs sein wird - in Deutschland und ganz Europa.

Wolfgang Knappe, Weimar

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"Granma", eine authentische Informationsquelle

Am Morgen des 4. Oktober 1965 erschien die erste Ausgabe der Zeitung "Granma". Deren Gründung wurde an dem denkwürdigen Abend des 3. Oktober bekanntgegeben, als im ehemaligen Theater Charly Chaplin, das heute den Namen Theater Karl Marx trägt, das erste Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas dem Volk vorgestellt wurde und Fidel Castro den Abschiedsbrief Che Guevaras verlas. Das offizielle Organ der Kommunistischen Partei Kubas erhielt seinen Namen von der legendären Yacht "Granma" mit der am 25. November 1956 82 Guerilleros von ihrem Exil in Mexiko aus aufbrachen, um den Diktator Fulgencio Batista zu stürzen.

Damals wie heute ist es das wichtigste Ziel der "Granma", mit ihren Artikeln und Kommentaren die Revolution und ihre Prinzipien zu fördern, das bereits vom kubanischen Volk Erreichte voranzutreiben und den Zusammenhalt und die Geschlossenheit des ganzen Volkes zu wahren.

Seit nunmehr über 50 Jahren berichtet die Tageszeitung "Granma" von montags bis samstags auf jeweils acht Seiten über wichtige Ereignisse des Landes und der internationalen Politik, enthält aber auch Beiträge aus den Bereichen Sport, Wissenschaft und Kultur, das Wetter sowie das tägliche Fernsehprogramm. Freitags wird der Umfang auf 16 Seiten erhöht, von denen zwei einem im Jahr 2008 eingerichteten Forum für Leserbriefe vorbehalten sind.

Dieses Forum führte zu einer engeren Verbindung der Zeitung mit ihren Lesern. Dort werden Regelverstöße, Verbraucherbeschwerden und andere Mißstände öffentlich gemacht und die kritisierten Institutionen und Geschäfte von der Redaktion zu einer Stellungnahme aufgefordert. Aber auch Lob für besonders gut funktionierende Einrichtungen findet dort seinen Platz. Der offizielle Verkaufspreis von 20 Centavo (weniger als ein Euro-Cent) wird stark subventioniert und trotz der täglichen Auflage von rund 500.000 Exemplaren kann die Nachfrage so gut wie nie gedeckt werden.

Seit 1966 gibt es auch die Zeitung "Granma Internacional". Auch sie geht auf ein historisches Ereignis zurück und zwar auf die Erste Trikontinentale Konferenz, die vom 3. bis zum 15. Januar 1966 in Havanna stattfand. An ihr nahmen damals revolutionäre Persönlichkeiten wie Salvador Allende aus Chile, Amilcar Cabral von den Kapverdischen Inseln, Luis Augusto Turcios Lima aus Guatemala, Nguyen Van Tien aus Vietnam und Rodney Arismendi aus Uruguay teil. Während der ganzen Konferenz veröffentlichte die kurz zuvor gegründete Kommunistische Partei Kubas täglich eine spanische, eine englische und eine französische Ausgabe, was bei den Delegierten allseits auf großen Zuspruch stieß. Aus diesem Grund beschloß man, jede Woche eine Zeitung in diesen drei Sprachen herauszugeben, die die herausragenden Berichte und Reportagen der Tageszeitung "Granma" enthalten sollte. Später kamen noch eine Wochenausgabe in portugiesischer und Monatsausgaben in deutscher und italienischer Sprache hinzu.

Die Ausgaben von "Granma Internacional" enthalten neben ausgewählten Beiträgen der Tagesausgaben wichtige Reden führender Mitglieder von Partei und Regierung im Wortlaut, offizielle Erklärungen und Hintergrundberichte zu wichtigen Themen Kubas und Lateinamerikas.

"Granma Internacional" übt so eine wichtige Funktion im Kampf der Ideen aus, der in jüngster Zeit mit besonderer Härte ausgefochten wird. Inmitten der Entstellungen und Manipulationen der Mainstream-Medien haben die Leser von "Granma Internacional" die Möglichkeit, sich authentische Informationen zu verschaffen. Sie können so hautnah die Realität eines Landes und die Widerstandsfähigkeit eines Volkes erleben, das nun seit fast 60 Jahren dabei ist, eine gerechte sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Sie können miterleben, wie sich ein Land und ein Volk inmitten einer Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade behaupten, die kein kapitalistisches Land ein Jahr lang überlebt hätte. Die Blockade dauert an, der Kulturkrieg ist heftiger als je zuvor, und die Leser von "Granma Internacional" sind bei diesem Kampfgeschehen immer auf dem neuesten Stand.

Seit Januar 2017 erreicht die seit 1994 erscheinende deutsche Ausgabe der Zeitung nun ihre europäischen Leser schneller als vorher, denn für sie wird die Zeitung jetzt einen Tag nach ihrer Herausgabe in Havanna in Berlin gedruckt, und der Verlag 8. Mai, in dem auch die "junge Welt" erscheint, betreut diesen Prozeß und hat den Vertrieb übernommen.

(Gestützt auf "Granma")

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USA: Gespenster vergangener Jahrhunderte

Wie falsch die Welt von der gleichnamigen konservativen Tageszeitung wahrgenommen werden kann, zeigt sich unter anderem anhand eines aktuellen Texts ihres US-Korrespondenten, Stefan Beutelsbacher. Dort heißt es: "Lange Zeit haben die Ultrarechten in den USA nur in Internetforen existiert. Jetzt zeigen sie, wie gefährlich sie sind." Weit gefehlt. Die Ultrarechte ist seit Jahrzehnten eine feste Größe in der realen politischen Landschaft der Vereinigten Staaten. Nun wird jedoch der kaltblütige Mord an Heather Heyer vor wenigen Tagen auch im bürgerlichen Blätterwald zu einem brutalen Weckruf. Die von einem Neofaschisten überfahrene Rechtsanwaltsgehilfin hatte eine Demonstration in Charlottesville besucht, die sich gegen die dortigen, seit Monaten umtriebigen rechten Aufmärsche richtete.

Die Breite des Rechtsbündnisses, das sich anläßlich der geplanten Demontage eines Denkmals für Robert E. Lee, einen Bürgerkriegsgeneral der Südstaaten-Armee, zusammengefunden hat, gerät derweil wegen der Fokussierung auf die unangemessene Reaktion Donald Trumps auf das Attentat aus dem Blick. Der hatte die Gewalt "von allen Seiten" verurteilt und damit Neofaschisten und Antifaschisten, Täter und Opfer auf eine Stufe gestellt. Der Aufschrei war groß, und der Präsident legte eine gegen Rassismus gerichtete Erklärung nach, die ihm - aus guten Gründen - niemand so richtig abnimmt. Anschließend vertrat er wieder die Meinung, "beide Seiten" seien für die Eskalation verantwortlich. ...

In Charlottesville demonstriert ... nicht nur ein anachronistischer Zug gespenstischer Wiedergänger des Faschismus des vergangenen und des Rassismus des vorvergangenen Jahrhunderts für die vermeintliche Ehre von General Lee. Die Fahne des Südens hält auch der republikanische Einpeitscher Corey Stewart hoch. Seinen Namen wird man in der Berichterstattung zu den Ereignissen hierzulande jedoch vergeblich suchen.

Stewart ist ein Getreuer Trumps und läuft sich warm, um nächstes Jahr für Virginia in den US-Senat einzuziehen. Ob er sich in den Vorwahlen innerhalb seines Lagers wird durchsetzen können, ist offen. Mediale Unterstützung holt er sich derweil bei "Breitbart News", dem Sprachrohr der selbsternannten "Alternative Right", deren Kopf Stephen Bannon als Chefstratege des Weißen Hauses agierte. ...

Die antidemokratische Stoßrichtung einer weit über Charlottesville hinausgehenden rechten Kampagne hat in mörderischer Konsequenz neue Vollstrecker gefunden. Ihre Haupttriebkräfte wird man jedoch nicht in Internetforen finden, sondern beispielsweise bei den Waffenlobbyisten der National Rifle Association, die seit Jahren die "Conservative Political Action Conference" sponsert, auf der sich dieses Jahr auch Bannon und Trump ein Stelldichein gaben. ... Die Gefahr für die Demokratie kommt, allen Mythen zum Trotz, gesellschaftlich von oben und politisch von rechts - in den USA ebenso wie in Deutschland. Hierzulande haben sich die Nachahmer von Bannon ebenfalls zusammengefunden. Sie bevölkern das intellektuelle Hinterland der AfD.

Phillip Becher (Gekürzt aus "nd", 18.8.)

Der Sozialwissenschaftler Phillip Becher ist Autor des Buches "Basiswissen Rechtspopulismus" im PapyRossa-Verlag.



Donald Trump ist selbst Rassist

US-Präsident Trump hat die rassistische Gewalt in Charlottesville eindeutig relativiert. Zahlreiche Demokraten und Republikaner kritisierten inzwischen die Aussagen des Präsidenten. Lob erhielt er von führenden Rechtsextremisten. Die Tageszeitung "Phileleftheros" (Zypern) schreibt, die Worte und Taten von Präsident Trump ließen nur einen Schluß zu: "Die Tatsache, daß er die Rechtsextremen braucht, ist nicht der einzige Grund, warum er sie unterstützt. In seinem tiefsten Inneren ist er einer von ihnen. Dies zeigen seine Worte und Werke. Er ist der Präsident, der die wenigsten Frauen in der Regierung hat, der mit den schlimmsten Worten über sie geredet hat. Er ist der Präsident, der Dekrete gegen die Einreise bestimmter religiöser Gruppen erlassen hat. Er ist der Präsident, der jedes Mal, wenn ein Afroamerikaner von einem weißen Polizisten getötet wird, über Bekämpfung der Kriminalität redet. Kurz gesagt, er ist ein Rassist."


Trumpismus in Charlottesville

Die Schockwellen der Ereignisse von Charlottesville in Virginia am 12. August waren weltweit spürbar, und sie hallen immer noch nach. Der Haß, der die Straßen dieses Ortes überflutete, zeigte ein Panorama der Paranoia: Die US-amerikanische "Stars and stripes"-Flagge neben Hakenkreuzfahnen und anderen Naziinsignien, Kreuze des Ku-Klux-Klan und Konterfeis des US-Präsidenten Donald Trump.

Was sich dort öffentlich zeigte, war das sonst verborgene Gesicht der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Leute, die dort Fackelzüge veranstalteten und ihre Macht demonstrieren wollten, sind "Amerika". ­... Dies ist die Haltung einer in die Jahre gekommenen aussterbenden Bevölkerungsgruppe, die mit ihrer öffentlich kaum sichtbaren Grundstimmung dafür sorgte, daß Trump ins Oval Office des Weißen Hauses gewählt wurde. Trump wurde aufgefordert, sich von den Rechten zu distanzieren, ihr Handeln und ihre Überzeugungen zu verurteilen. Das kann jedoch niemand wirklich erwarten, denn die in Charlottesville versammelten Kräfte sind ein Teil von ihm, so wie er ein Teil von ihnen ist. Was wir jetzt gesehen haben, war der unmaskierte Trumpismus, die Konkretisierung von Trumps Wahlversprechen, "Amerika wieder groß zu machen".

"Macht Amerika wieder groß!" heißt, "Macht, daß Amerika wieder richtig hassen lernt!" - macht also "Amerika endlich wieder weiß"! Darum geht es den Anhängern des Trumpismus. Wie könnte ein Donald Trump sich von sich selbst distanzieren?

Mumia Abu-Jamal
(Gekürzt aus "jW", 21. 8.)

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Klassenkampf in Venezuela

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Arbeitskämpfe an Spaniens Flughäfen

Da konnten sie lange warten. Der Streik des Sicherheitspersonals am Flughafen La Prat der spanischen Metropole Barcelona fiel mitten in die sommerliche Hauptreisezeit. Für die Reisenden bedeutete er längere Schlangen an den Kontrollen. Für die 360 dort Tätigen gibt es gute Gründe, sich gegen ihre Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Nur 800 bis 1100 Euro brutto tragen die Beschäftigten des international agierenden Sicherheitsunternehmens Eulen im Monat nach Hause. Beginnend mit dem 4. August setzten sie mit Warnstreiks dessen Management unter Druck. Das hatte zwar Lohnerhöhungen - für die unteren Gehaltsgruppen um bis zu 200 Euro - angeboten. Für den Lebensunterhalt wäre aber auch das in einer Region wie der katalanischen Hauptstadt kaum ausreichend. Folgerichtig lehnte eine Belegschaftsversammlung den Vorschlag mit deutlicher Mehrheit ab und kündigte an, in einen unbefristeten Ausstand zu treten. Neben mehr Geld ist eine deutliche Aufstockung des Personals eine der zentralen Forderungen des revoltierenden Personals an den Checkpoints von La Prat. Mit der Zunahme des Tourismus und der Billigfliegerei haben besonders in Barcelona die Passagierzahlen abgehoben. Zwischen 2009 und 2016 schnellte das Aufkommen um 60 Prozent empor. Die Zahl der Kontrolleure hingegen wurde um mehr als ein Viertel reduziert - eine massive Arbeitsverdichtung ist die Folge.

Der Kampfansage der Beschäftigten vorausgegangen waren erfolglose Vermittlungsversuche unter Beteiligung von Vertretern der katalanischen und der Madrider Regierung. Letztere rief nun - zum "Schutz der öffentlichen Sicherheit" und unter Rückgriff auf ein Gesetz aus der Zeit der Franco-Diktatur - die paramilitärische Guardia Civil nach La Prat. Die Beamten sollten dafür sorgen, daß es trotz des Ausstands bei der Kontrolle von Passagieren und Gepäck flüssig zuging. Den Streikenden sollten die Instrumente gezeigt werden, obwohl gerade mal zehn Prozent der Eulen-Angestellten nach den geltenden Regeln tatsächlich zur selben Zeit die Arbeit niederlegen dürfen. Für die längeren Wartezeiten der Passagiere ebenso verantwortlich waren gerade neu eingeführte Sicherheitsbestimmungen der EU, die an vielen Airports zunächst für größere Staus sorgten. Arbeitskämpfe von unzufriedenem Sicherheitspersonal sahen in diesen Wochen auch die spanischen Flughäfen von Santiago de Compostela und A Coruña. Sie sind auch eine Folge der in Spanien durchgesetzten Privatisierungen bei den Flugsicherheitskontrollen. Ohnehin kommt die Erholung der Wirtschaft, weitgehend einer Zunahme des Tourismus zu verdanken, nur wenigen nachhaltig zugute. Fast alle Jobs sind auf Wochen oder Monate befristet, fast immer sind die Löhne miserabel.

Die Ausstände in Barcelona gaben das Signal für breite Arbeitskämpfe in der gesamten Branche. Mehrere Gewerkschaftsverbände kündigten Mitte August für den Herbst und Winter eine Serie von Streiks an. Die UGT und die Comisiones Obreras ebenso wie die kleinere Organisation USO und die Vertretung der öffentlich Angestellten CSIF wollen auch für die Angehörigen des Bodenpersonals und der Flughafenfeuerwehren, für Elektriker, Techniker und Servicekräfte Lohnerhöhungen erkämpfen, welche den Verlust an realer Kaufkraft in den vergangenen Jahren mindestens ausgleichen. Ihr Aufruf richtet sich an 8200 Beschäftigte der Gruppe Aena, die der größte Betreiber von Flughäfen weltweit ist und allein in Spanien bei 46 Regie führt. 230 Millionen Passagiere wurden auf diesen im vergangenen Jahr abgefertigt. Den internationalen Flughafen "José Marti" der kubanischen Hauptstadt Havanna, den die Gesellschaft gern im Portefeuille gehabt hätte, schnappten ihr allerdings im vergangenen Jahr zwei französische Unternehmen vor der Nase weg. Das politische Chaos in Madrid hatte daran seinen Anteil. Seit 2015 kontrolliert der spanische Staat Aena nur noch zu 51 Prozent. Seitdem wirft sie für ihre Aktionäre und den Finanzminister dicke Gewinne ab, Tendenz weiter steigend.

Unter dem Dach der Gesellschaft ist auch die öffentliche Flugverkehrskontrolle Enaire angesiedelt. An mehr als einem Dutzend spanischer Flughäfen wurde zur Reduzierung von Kosten die Arbeit der Fluglotsen allerdings bereits privaten Dienstleistern übertragen. Neben mehr Geld in den Portemonnaies fordern die Gewerkschaften außerdem, daß Aena an den spanischen Standorten 700 neue Jobs schafft. Mit ihren Salärs unzufrieden sind nicht nur die einfachen Angestellten des Unternehmens. Auch Aena-Präsident José Manuel Vargas Gómez, der die Gesellschaft international noch stärker auf Expansionskurs sehen möchte, und leitende Manager beklagen sich öffentlich. Wegen fortwirkender Regeln aus der Zeit als rein öffentliches Unternehmen müssen sie sich mit lediglich sechsstelligen Jahreseinkommen begnügen, statt wie andere Konzernbosse Millionen einzustreichen. Etliche Spitzenkräfte wechselten bereits zur Konkurrenz oder wurden abgeworben. So hat auch hier jeder sein Kreuz zu tragen.

Peter Steiniger

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Die letzten Wochen vor der Oktoberrevolution (6)
Sowjets verändern ihre Zusammensetzung

Seit der Niederschlagung des Kornilow-Putsches im August 1917 hatten sich die Volksmassen Rußlands mehr und mehr davon überzeugt, daß weder die Provisorische Regierung noch die Menschewiki und Sozialrevolutionäre ihre Forderungen nach Frieden, Land und Brot erfüllen wollten. Es wurde für sie immer deutlicher, daß nur die Partei der Bolschewiki ihre Interessen vertrat. Das führte zu einer Kräfteverschiebung in den wichtigsten Sowjets, vor allem in Petrograd und Moskau, in denen bis Ende September die Bolschewiki die Mehrheit errangen.

Die Konterrevolution

Um der herannahenden Revolution entgegenzutreten, setzte die am 8. Oktober neugebildete dritte Provisorische Regierung, in der die Bourgeoisie 11 von 17 Ministern stellte, alle Hoffnungen erneut auf die Errichtung einer Militärdiktatur. Sie zog in der Nähe der Hauptstadt Petrograd ihr ergebene Kosakenregimenter zusammen. Die revolutionär gesinnten Truppenteile der Petrograder Garnison sollten abgezogen werden. An der Front wurden Truppenverschiebungen vorgenommen, um die revolutionären Regimenter einzukreisen und zu entwaffnen.

General Kornilow und seine Putschoffiziere galten zwar als inhaftiert, in Wirklichkeit konspirierten sie mit den Frontgeneralen und arbeiteten einen neuen Plan für einen Militärputsch aus.

Die Sozialrevolutionäre und Menschewiki unternahmen ebenfalls einen Versuch, die anwachsende revolutionäre Bewegung zu unterlaufen. Sie griffen zum Betrug und beriefen statt des fälligen Sowjetkongresses, auf dem die gewählten Vertreter der Arbeiter, Bauern und Soldaten aus allen Teilen des Landes ihre Politik nicht mehr unterstützt hätten, eine gesamtrussische Beratung ein. In diesem zusammengezimmerten Gebilde, das vom 27. September bis 5. Oktober in Petrograd tagte, waren die gewählten Vertreter der Sowjets in der Minderheit.

Der Aufstand wird vorbereitet

Durch diese Politik wurde die von Lenin und den Bolschewiki angestrebte friedliche Veränderung der Machtverhältnisse zugunsten des Volkes unmöglich gemacht.

Die Provisorische Regierung stellte den Forderungen des Volkes nach Frieden, nach Beseitigung des Hungers und nach Übergabe des Bodens der Grundbesitzer an die Bauern ihre hektischen Vorbereitungen eines zweiten Kornilowputsches entgegen und beschwor damit eine Zuspitzung der Lage herauf. Auf der anderen Seite war ein ungeheurer Aufschwung der revolutionären Stimmung der Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten nicht mehr zu übersehen.

In dieser Situation schrieb Lenin zwei Briefe an das Zentralkomitee und an das Petrograder und Moskauer Parteikomitee der Bolschewiki. In diesen Briefen begründet er nach einer umfassenden Analyse der Politik der verschiedenen Klassen und der entstandenen Lage, daß ein Ausweg aus der entstandenen Situation jetzt nur noch in der Organisierung des Aufstandes liegt.

Lenins Briefe wurden am 28. September im Zentralkomitee beraten und danach den größten Parteiorganisationen zugeleitet. Von dieser Zeit an begannen die Vorbereitungen für den Aufstand: Die Militärorganisation beim Zentralkomitee wurde beauftragt, die Bildung neuer Abteilungen der Roten Garde in den Fabriken zu beschleunigen; in der Baltischen Flotte begannen die Vorbereitungen für den Aufstand; an der Front wurden kampfentschlossene Einheiten ausgewählt, die die Arbeiter Petrograds unterstützen sollten.

Lenin kehrt nach Petrograd zurück

Am 20. Oktober kehrte Lenin auf Beschluß des Zentralkomitees der SDAPR (B) aus der Emigration nach Petrograd zurück. Drei Tage später fand eine Sitzung des ZK statt, auf der er die gegenwärtige Lage beschrieb und die Annahme einer Resolution vorschlug, welche die Vorbereitung der Machtübernahme durch das Volk beinhaltete.

Lenin wies in seiner Rede darauf hin, daß die russische Bourgeoisie und die Regierung alle Maßnahmen ergreifen würden, Petrograd den Deutschen auszuliefern, um damit ihre Herrschaft zu retten.

Andererseits wachse das Vertrauen der Bevölkerung zu den Bolschewiki. Arbeiter, Bauern und Soldaten folgten den Forderungen der Partei nach sofortiger Beendigung des Krieges, nach Übergabe des Gutsbesitzerlandes in die Hände der Bauern und nach Übernahme der Macht durch die Sowjets.

Einen Beweis für das wachsende Vertrauen des Volkes zur Politik der Bolschewiki lieferten die Sowjetkongresse, die zu dieser Zeit im ganzen Land stattfanden. So erklärte z. B. der Kongreß des Wolgagebietes: "Die Macht, die sich in den Händen der Konterrevolutionäre ... befindet, beschwört ... die Gefahr eines Bürgerkrieges herauf. In Anbetracht dessen fordert der Gebietskongreß, ­... sich notwendigenfalls mit ganzer Kraft zur Eroberung der Macht zu erheben."

Die Resolution wird angenommen

Die von Lenin vorgeschlagene Resolution wurde mit zehn gegen zwei Stimmen angenommen. Kamenew und Sinowjew stimmten mit der Begründung dagegen, daß die Arbeiter Rußlands nicht fähig seien, die sozialistische Revolution durchzuführen.

In den folgenden Tagen machten sich viele Parteiorganisationen des Landes mit der ZK-Resolution vertraut und beschlossen, danach zu handeln. Dieses einheitliche, auf die Errichtung der Macht des Volkes gerichtete Tun wurde möglich, weil es enge Verbindungen des ZK zu den örtlichen Parteiorganisationen gab. Führende Bolschewiki sprachen in allen Gouvernements des europäischen Rußlands und in Sibirien.

Außerdem schrieb das ZK in den Wochen vor der Revolution mehr als 550 Briefe an die Parteiorganisationen, in denen die Lage analysiert und die Aufgaben erklärt wurden.

Die Regierung will den Bürgerkrieg

Die Provisorische Regierung versuchte, ihrem unverkennbar näherrückenden Sturz zuvorzukommen. Sie beorderte Angehörige von Fähnrichs- und Offiziersschulen und die Gardeartillerie nach Petrograd, versetzte Militärschulen und städtische Miliz in volle Kampfbereitschaft, verstärkte die Bewachung öffentlicher Gebäude. Es wurden Befehle erlassen, die Massenaktionen in den Straßen Petrograds verboten.

Eine Zeitung schildert die Lage in Petrograd am 4. November so: "Die Stadt ist voller Offiziersschüler, an wichtigen Punkten sind Geschütze und Maschinengewehre In Stellung gebracht. In aller Eile wird eine Bürgergarde aufgestellt. Rings um Petrograd sind Kosakeneinheiten zusammengezogen ..."

In einer Sitzung der Regierung am 30. Oktober erklärten viele Minister: "Man darf nicht länger warten!" und schlugen vor, "die Aktion auszulösen und zuzuschlagen". Andere schwankten. Kriegsminister Werchowski erklärte, "aktiv werden können wir nicht ... Ich kann der Provisorischen Regierung keine reale Kraft zur Verfügung stellen und bitte daher um meinen Rücktritt."

Bürgerliche Politiker des Auslands forderten in dieser Situation von ihren Ländern Hilfe für die Provisorische Regierung. So schlug der USA-Botschaf ter in Rußland, Francis, seiner Regierung vor, zwei oder mehr Armee-Divisionen über Wladiwostok oder Schweden zu Hilfe zu schicken.

Der Aufstand beginnt

Am 6. November 1917 herrschte in Petrograd eine gespannte Atmosphäre. Die Provisorische Regierung schickte Telegramme an die Front, in denen sie ihr ergebene Truppen anforderte, während die Revolutionäre die Zugänge nach Petrograd bewachten und keinen Truppenteil, der nicht seine Treue zur Revolution bekannte, in die Stadt einließen.

W.I. Lenin stand von seinem illegalen Quartier aus mit dem Smolny, in dem das Zentralkomitee der Bolschewiki und das Revolutionäre Militärkomitee arbeiteten, durch Boten in Verbindung. Im Verlaufe des 6. November schickte er dreimal Briefe in den Smolny, in denen er die Notwendigkeit der sofortigen Machtübernahme durch das Volk begründete. "... die Sache ist unbedingt heute abend oder heute nacht zu entscheiden. Eine Verzögerung wird die Geschichte den Revolutionären nicht verzeihen, die heute siegen können (und heute bestimmt siegen werden), während sie morgen Gefahr laufen, vieles, ja alles zu verlieren", hieß es in einem der Briefe.

Zwischen 20 und 22 Uhr begannen die Arbeiterbataillone und die revolutionären Truppen, die wichtigsten Punkte der Hauptstadt zu besetzen. Im Smolny wurde eine etwa 1500 Mann starke Abteilung der Roten Garde konzentriert.

Lenin trifft im Smolny ein

Am späten Abend des 6. November verließ Lenin seine illegale Wohnung und begab sich zum Smolny, wo er gegen 23 Uhr eintraf. Seine Ankunft wurde unverzüglich allen Bezirken, Regimentern und Betrieben mitgeteilt. Das war notwendig, weil viele Arbeiter, Soldaten und Matrosen darauf warteten, daß Lenin erschien und sich an die Spitze des Aufstandes stellte.

Ein Teilnehmer der Revolution schrieb über diesen Augenblick: "... aus allen Enden Petrograds zogen Führer von Rotgardistenabteilungen, von aufständischen Truppenteilen zu Lenin, alle wollten sich davon überzeugen, daß Lenin mit ihnen war, wollten eine Weisung von ihm persönlich entgegennehmen."

Inzwischen breitete sich der Aufstand aus. Mehr als 100.000 arbeitende Menschen erhoben sich in Petrograd gegen die Bourgeoisie. Die Arbeiter, Soldaten und Matrosen besetzten die Regierungsinstitutionen, die Brücken, die Bahnhöfe, Elektrizitätswerke, kommunale Betriebe und die wichtigsten Einrichtungen des Fernmeldewesens. Spät in der Nacht wurden das Hauptpostamt und am 7. November 6.30 Uhr die Staatsbank besetzt.

Die Provisorische Regierung

Der Versuch der Konterrevolutionäre, die Militär- und Offiziersschüler in den Kampf elnzubeziehen, mißglückte, weil sie entwaffnet wurden, noch bevor sie in die Auseinandersetzung eingreifen konnten.

Die Lage der Provisorischen Regierung im Winterpalast war ausweglos. Alle Zugänge zum Palast wurden durch revolutionäre Arbeiter und Soldaten kontrolliert. Am Morgen des 7. November erhielt die Provisorische Regierung ein Telegramm, in dem der Befehlshaber des Militärbezirks u. a. mitteilte: "Befehle werden nicht befolgt. Offiziersschüler geben ihre Wachen widerstandslos auf. Kosaken sind trotz mehrerer Befehle noch nicht aus ihren Kasernen ausgerückt."

Der Sturm auf den Winterpalast

Gegen 18 Uhr war die Einkreisung des Winterpalastes und des Stabes des Petrograder Militärbezirks beendet. Etwa 20.000 Rotgardisten, Matrosen und Soldaten waren zum Angriff bereit.

Um 21.45 Uhr feuerte der Kreuzer "Aurora" einen Blindschuß aus seinem Geschütz ab. Das war das Signal für den allgemeinen Sturm, der wenig später begann.

Um 2.10 Uhr war der Palast in den Händen der Aufständischen, die Minister der Provisorischen Regierung waren verhaftet. Der Aufstand des revolutionären Petrograd hatte mit einem Sieg der Arbeiter, Bauern und Soldaten geendet.

(gestützt auf UZ)

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Gemeinsam gegen drohenden Faschismus und Krieg
1932: Ernst Thälmann spricht in Paris

Vor 85 Jahren, am Abend des 31. Oktober 1932, fand in Paris im Saal Bullier eine Veranstaltung der Kommunistischen Partei Frankreichs zum 15. Jahrestag der Oktoberrevolution statt.

Überraschend teilte der Leiter des Meetings den Versammelten mit, daß der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands, Ernst Thälmann, anwesend sei und sprechen werde.

Thälmann war nach Paris gekommen, um "Zeugnis abzulegen für den proletarischen Internationalismus, für die unverbrüchliche Solidarität und die enge brüderliche, kameradschaftliche Verbundenheit der deutschen und französischen Arbeiter", wie er zu Beginn seiner Rede ausführte. Er prangerte die Aufrüstung des deutschen und französischen Imperialismus an und schilderte, mit welchen Methoden das deutsche Monopolkapital daranging, die Nazipartei zur Regierungspartei zu machen, und erläuterte die Ziele des Hitlerfaschismus.

Da sich zur gleichen Zeit auch in Frankreich Kräfte regten, die ebenfalls die Errichtung einer offen terroristischen Diktatur der reaktionärsten Kräfte des Monopolkapitals anstrebten, stieß sein Aufruf zum gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind bei den anwesenden französischen Arbeitern auf große Zustimmung.

"Nur gemeinsam können wir erfolgreich den Kampf gegen die Vorbereitung eines neuen imperialistischen Krieges führen und durch den Sieg der Arbeiterklasse die Geißel des imperialistischen Krieges von den Massen nehmen ...

Wir wollen uns für Gegenwart und Zukunft, angesichts der erneut stärker denn je anwachsenden Gefahr des Krieges, auf den sich die Imperialisten Frankreichs und Deutschlands vorbereiten, immer wieder das große Wort Karl Liebknechts vor Augen führen: 'Der Feind steht im eigenen Land!'", erklärte Thälmann.

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Frankreichs, Maurice Thorez, verwies in seiner Ansprache auf die historische Bedeutung des Auftretens Ernst Thälmanns vor den französischen Arbeitern, die sich schon bald in der noch stärkeren Zusammenarbeit der beiden kommunistischen Parteien widerspiegelte. Gemeinsam mit anderen kommunistischen Parteien europäischer Länder beschlossen die Kommunisten Frankreichs und Deutschlands im Dezember 1932, sich bei Streiks, bei Wahlen und anderen Aktionen noch stärker zu unterstützen, gemeinsam gegen die wachsende Kriegsgefahr zu kämpfen, die Hetze gegen die Sowjetunion entschieden zurückzuweisen, Delegationen auszutauschen und alle Bewegungen und Initiativen zu unterstützen, die der Annäherung der Völker, der Entlarvung und Bekämpfung des Faschismus dienen.

RF-Archiv

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Titelseite der "l'Humanité" vom 1. November 1932 mit dem Bericht über das Auftreten Ernst Thälmanns am Vorabend vor 15.000 Arbeitern im Saal Bullier in Paris

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Konzertreise zu Freunden

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Das Prinzip der universalen Befreiung der Menschheit

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Hans Heinz Holz: Das Signal Oktoberrevolution

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Gespräch mit Dmitri Nowikow (KPRF)

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Annelie und Andrew Thorndike: Das russische Wunder

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Wissenschaftliche Weltanschauung

Lenins Schrift "Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky" (1)
Sendung des Deutschlandsenders vom 28. Februar 1974

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Keine "Marx-freien" Räume!

von Wolfgang Gehrcke

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Geschichtsvergessenheit deutscher Politiker

Vor kurzem habe ich mir alte sowjetische Filme wieder angesehen. So "Ein Menschenschicksal", "Im Morgengrauen ist es noch still", "Blockade", "Man wird nicht als Soldat geboren", "Die Lebenden und die Toten" ... Sie beschreiben die Zeit des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion, die Jahre des Großen Vaterländischen Krieges. Welch ein Unglück brach über dieses Land, über dieses Volk herein! Können das heutige Generationen überhaupt noch ermessen? Auch deshalb sind diese Filme aktueller denn je. Nicht, weil wir gegenwärtig in der gleichen Situation wie damals wären, sondern weil die Gründe für das Führen von Kriegen nicht beseitigt sind. Expansionismus treibt das Kapital voran, damals wie heute.

Es stellt sich die Frage, wie es sein kann, daß erst 72 Jahre nach Kriegsende damit begonnen wird, die Devotionalien aus der Zeit des Faschismus in der Bundeswehr zu entsorgen. Vergessen? Ein Versehen? Wohl kaum!

Es erklärt sich mit der in der Alt-BRD seit 1945 nicht beseitigten Glorifizierung der "Heldentaten" der Wehrmacht. Es waren u. a. die in Millionenauf lagen verbreiteten "Landser-Hefte", die dazu beitrugen, im öffentlichen Bewußtsein Westdeutschlands ein antikommunistisches Zerrbild vom Krieg, seinem Beginn und seinen Folgen zu erzeugen.

Und nicht zu vergessen: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte mit seinem Urteil vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR auf seine Weise bestätigt: "Das Grundgesetz (...) geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist. ... Das Deutsche Reich existiert fort. (...) Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert."

Wenn also ein höchstrichterliches Organ der BRD dieses 1973 feststellte, was die Bundesregierung 2013 erneut bestätigte, wie sollte dann eine wirkliche Bewältigung der faschistischen Vergangenheit und des faschistischen Gedankengutes in großen Teilen der Bevölkerung Westdeutschlands erfolgt sein? Plötzlich wundert man sich, daß es sogenannte Reichsbürger gibt. Wird hier nicht erklärbar, warum es die herrschenden Kreise der BRD wieder gen Osten zieht (eine Politik, die sie seit Ende des 2. Weltkrieges nicht aufgegeben haben)? Eine Revision der Ergebnisse eben dieses Krieges ist das Ziel.

Seit Jahren befinden sich in Europa politische Kräfte an den Hebeln der Macht, die Kriege nicht erlebt und das mit ihnen verbundene Leid nicht selbst erlitten haben. Sie predigen öffentlich Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Hinter den Kulissen stehen sie jedoch für ganz andere Ziele. Und wie viele von ihnen sind gekauft oder haben sich aus Machterhaltungsgründen erpressen lassen? Man meint Kriege wieder führen zu können, ohne eigene Verluste zu erleiden. Können Politiker, besonders in Deutschland, so geschichtsvergessen sein, daß sie nicht wissen, wohin sie sich bewegen?

Gegenwärtig spitzt sich eine Entwicklung zu, die sich seit Jahren abzeichnet und die vom Westen ohne Rücksicht auf internationale Verträge vorangetrieben wurde. Man hat kräftig geplant, organisiert und gehandelt, um bestehende Sicherheitsstrukturen und Verhältnisse in Europa und im Nahen Osten nachhaltig zu unterlaufen, zu beseitigen - notfalls mit Kriegen. Chaos muß gestiftet und Länder, Völker und Ethnien müssen aufeinandergehetzt werden. Seit Bestehen des Imperialismus hat er sich dieser Vorgehensweise bedient, indem willkürlich Grenzen gezogen, Völker auseinandergerissen und künstliche Staatengebilde geschaffen wurden. Immer im Interesse des Kapitals.

Nach der Niederlage des sozialistischen Lagers nahm besonders mit Bush junior diese verhängnisvolle Entwicklung ihren ungehinderten Lauf. Das Verkünden seiner damaligen Außenministerin Condoleeza Rice, "regime change" (Regimewechsel) und "nation building" (Nationenbildung) im Nahen Osten und in afrikanischen Regionen herbeizuführen, war der offizielle Auftakt zur unverfrorenen Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder. So, als ob man Nationen zwischen "Frühstück und Sonnenuntergang" bilden könnte. Welche interessengebundene politische Kurzsichtigkeit! Dabei wußte man die NATO und die EU an seiner Seite, oder man hat diese Länder mit politischem und wirtschaftlichem Druck "auf Linie" gebracht. Drehbuchautor dieser Politik war der frühere US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski, dem die westlichen Politiker kritiklos folgten.

Deutschland leistete dabei willfährige Dienste, auch unterhalb der Schwelle des Offiziellen. Erstmals seit 1945 wurde die BRD mit ihrer Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien wieder Kriegspartei. Man wirkte am "Verteidigungsfall" Afghanistan mit und "verteidigte" Deutschland am Hindukusch.

Wenn man die Schwätzereien und Kaffeesatzdeutungen von Politikern und Journalisten in den bürgerlichen Medien verfolgt, stellt sich die Frage nach deren Welt- und Weitsicht. Es schmerzt, wenn man diese unsinnigen politischen Entscheidungen und deren Begründungen mit logischem Menschenverstand nachzuvollziehen versucht. Aber dort, wo das Kapital herrscht, gibt es keine oder nur selten menschliche Logik.

Der Westen mit den USA an der Spitze hat 1990 alle Zusagen zur Gestaltung einer europäischen Sicherheitsarchitektur gebrochen. Antisowjetismus und Antikommunismus bestimmten die Richtlinien der Politik. Man hat sich regelrecht an die atlantische Übermacht geklammert, politisch gekuscht und die Situation angeheizt, wo es nur ging.

Nun passierte in den USA mit der Präsidentschaftswahl etwas, womit das europäische und besonders das hiesige Establishment nicht gerechnet hatte. Wovor aber haben sie denn Angst, nachdem Hillary Clinton nicht gewählt wurde? Meinen sie, daß sich irgend etwas am System ändert? Natürlich nicht. Lediglich wurden sie der allgemeinen Lächerlichkeit preisgegeben, nachdem ihre überbordende politische, mediale und finanzielle Unterstützung für diese Präsidentschaftskandidatin nach hinten losging. Entwaffnende Hilflosigkeit in den politischen Hinterzimmern und in den "Qualitätsmedien" wohin man blickt. Daß Trump gewählt wurde, können nur die Russen inszeniert haben ...

Die Ergebnisse sind eine zerstörte Sicherheitsarchitektur in Europa, Kriege in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien und der Ukraine. Die NATO steht an russischen Grenzen wie weiland die deutsche Wehrmacht - jetzt aber, um angeblich Frieden zu stiften. Wann und wo haben imperialistische Armeen schon einmal in der Welt Frieden gestiftet?

Nicht, daß man selbstkritisch eigene Fehler eingesteht. Nein, man kreierte ein neues (altes!) Feindbild: der Russe und ganz besonders Putin als Diktator, als Verbrecher. Mit der Ukrainekrise und mit Libyen hat das nichts zu tun. Die Stoßrichtung im Rahmen einer längst bekannten Strategie hat sich nach 1989/90 nicht geändert. Es geht gen Osten. Man erinnere sich an den damaligen Kriegsminister der USA Donald Rumsfeld, der das "neue Europa" östlich der Oder-Neiße-Grenze favorisierte. Das war der Startschuß für die Errichtung eines Bollwerks gegen Rußland, so wie es Brzezinski vorausgesagt und allen US-Präsidenten seit Anfang der 90er Jahre eingetrichtert hatte.

Man erinnere sich an die warnende Rede Putins auf der "Münchener Sicherheitskonferenz vor zehn Jahren oder an seine Rede vor dem Deutschen Bundestag! Nicht der Westen streckte die Hand zur Verständigung aus. Es war Rußland mit Putin als Präsident - und ist es immer noch. Das paßt jedoch offenbar nicht in die Strategie des Westens.

Reiner Neubert, Berlin

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Weltfestspiele der Jugend und Studenten (3)

Am 14. Oktober starten die XIX. Weltfestspiele der Jugend und Studenten mit einer internationalen Parade auf dem Roten Platz. Am Tag danach können Festivaldelegierte aus 150 Ländern - insgesamt werden 20.000 junge Leute erwartet - in der olympischen Eishalle "Bolschoi" der Festivalstadt Sotschi am Nachmittag die Eröffnungszeremonie erleben. Bereits Stunden zuvor werden die politischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen begonnen haben. Auf der Internetseite des Russischen Nationalen Vorbereitungskomitees (russia2017.com) ist eine große Vielfalt an Aktivitäten angekündigt, mit denen den Vertretern der Weltjugend unvergeßliche Erlebnisse bereitet und deren unterschiedlichste Interessen berücksichtigt werden sollen. Einen ganz besonderen Programmpunkt haben sich die Organisatoren der dritten "russischen" Weltfestspiele (nach 1957 und 1985) ausgedacht: Einige Delegierte werden erst am 17. Oktober in Sotschi eintreffen, denn sie nehmen vorher am Regionalen Festivalprogramm teil. Jugendgruppen aus aller Welt besuchen 15 unterschiedliche Regionen Rußlands, darunter Weliki Nowgorod, Wladiwostok, Nowosibirsk, Kaliningrad, St. Petersburg und Sewastopol. Die Jugendlichen können so die Vielfalt Rußlands erleben und auch an anderen Orten Festivalstimmung genießen.

Wenn dann am 21. Oktober das Festival in der Bolschoi-Halle in Sotschi dem Ende zugeht und die Abschlußerklärung bekanntgemacht ist, wird man wissen, wie erfolgreich der Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) seinen bisherigen Festivals ein neunzehntes hinzufügen konnte. Fragen stellen sich bei genauer Betrachtung der politischen Diskussionsthemen auf der genannten Internetseite und beim Lesen eines Beitrages von Nikolas Papadimitriou, dem Präsidenten des WBDJ, für die Monatsschrift der Schwedischen Kommunistischen Partei "Riktpunkt" (4/2017).

Die Geschichte zeige, so Papadimitriou, daß die Weltfestspielbewegung mit ihrer konkreten historischen Verwurzelung nur dann eine erfolgreiche Fortsetzung findet, wenn sie mit den Ideen des Friedens, der Völkerfreundschaft und des antiimperialistischen Kampfes verbunden bleibt. Eine gute Infrastruktur und eine große Summe Geldes allein seien für einen Erfolg nicht ausreichend.

Diese Aussage spiegelt offenbar eine Auseinandersetzung um die Themen wider, welche das Programm der Konferenzen und Diskussionen in Sotschi bilden. Die Auseinandersetzung fand ihren Abschluß Mitte August, als die veröffentlichten Themen eine "Auffrischung" erfuhren und den Vorstellungen des WBDJ angeglichen wurden. Fand man dort die aus UNO-Zielstellungen wie den "17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung" abgeleiteten Schwerpunkte, so ordnen sich diese jetzt in einen Rahmen ein, der auch Themen enthält wie "Die Ziele und Errungenschaften der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution", "Die Rolle der UdSSR im Kampf gegen Nazismus und Faschismus", "Der Beitrag der UdSSR für die nationalen Befreiungsbewegungen" oder "Das Erbe Che Guevaras in der Jugendbewegung". Das Wort Antiimperialismus wird vermieden. Man findet es, wenn man auf die Internetseite des Allrussischen Leninschen Kommunistischen Jugendverbandes (skmrf.ru) schaut. Der jedoch ist nicht Mitglied des Russischen Nationalen Vorbereitungskomitees - im Unterschied zum Leninschen Komsomol, dem Jugendverband der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (ЛКСМ РФ, komsomolrf.ru), der aktiv im Vorbereitungskomitee mitarbeitet.

Uwe Durak, Greifswald


Unser Autor (hier anläßlich eines Vorbereitungstreffens in Moskau) freut sich auf seine Aufgabe als "Silberner Volontär" - das ist die Bezeichnung für die älteren unter den 5000 freiwilligen Helfern bei den XIX. Weltfestspielen.

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ISOR - Gemeinsam für Gerechtigkeit kämpfen!

Selbst ist der Mann - so lautet der Titel einer Monatszeitschrift für "Heimwerker", der dazu animieren will, am besten selbst zum geeigneten Werkzeug zu greifen, um Geplantes zu verwirklichen. Insbesondere dann, wenn man keine Hilfe von "Leuten vom Fach" erwarten kann.

Der Sozialverband ISOR muß nun - nach der höchstrichterlichen Nicht-Entscheidung vom November 2016, die rechtswidrige und politisch diskriminierende Rentenbestrafung von ehemaligen Angehörigen der DDR-Staatssicherheit als verfassungswidrig zu erklären -, die anfangs zitierte Aufforderung zu seinem Handlungsprinzip machen und sich selbst helfen.

Die im Juni durchgeführte ISOR-Vertreterkonferenz hat mit großer Mehrheit beschlossen: "Wir lassen nicht zu, daß unser Haus einstürzt oder bis auf die Grundmauern abbrennt. Wir handeln selbst als Feuerwehr und Rettungskräfte." Die gewählten ISOR-Vertreter trotzen also der Arroganz und Ignoranz dreier Richter in roter Robe und erheben ihre Stimme für die Fortführung des Kampfes um soziale Gerechtigkeit.

Sie kündigen in ihrer fast einstimmig angenommenen Entschließung an, daß ISOR als größter Sozialverband in Ostdeutschland nicht klein beigeben wird. Die vom höchsten Gericht der BRD auf die Politik und den Gesetzgeber abgeschobene Verantwortung zur Beseitigung des weiterhin existierenden Strafrentensystems in Gestalt des § 7 des AAGÜ sollte ISOR nun veranlassen, "den Feuerwehrschlauch unter vollem Druck" auf die Bundesregierung, die im Bundestag vertretenen Parteien und den Bundesrat zu richten.

Die ISOR-Vertreter wollen auch den juristischen Weg nicht verlassen, bevor die noch begehbare Strecke bis nach Strasbourg nicht absolviert ist. Darum haben sie gemeinsam mit ISOR verbundenen Europarechts-Experten inzwischen kräftig an das Tor des Europäischen Gerichtshofes geklopft und dort ihre Forderungen nach Schutz des Eigentums der in der BRD diesbezüglich Beraubten, nach Beseitigung ihrer Diskriminierung und nach einem fairen Gerichtsverfahren in der BRD vorgebracht.

Gewiß werden diese "ISOR-Thesen" am Gerichtshoftor in Strasbourg nicht das historische Gewicht der "Luther-Thesen" von vor 500 Jahren am Tor der Schloßkirche zu Wittenberg und erst recht nicht das des Aufrufs Lenins vom Juni 1917 zur Oktoberrevolution in Petersburg vor 100 Jahren erreichen. Aber sie werden in diversen europäischen Medien zumindest darauf hinweisen, daß es mit der vielgepriesenen Rechtsstaatlichkeit der BRD nicht weit her ist.

Viele meinten, es sei schon zu viel vernichtet, als daß noch etwas zu retten sei. Überblickt man die Zeit, in welcher der "Brand" schon schwelt, könnte man ihrer Auffassung folgen. Doch selbst Asche ist vielfältig nützlich verwertbar. Auch wenn die Überreste nur "verkohltes Papier" waren, wird daraus noch so manches ablesbar, was für den "Wiederaufbau nach dem Brand" von Bedeutung ist.

Den vielen tausend tapferen "Brandbekämpfern" sei gewünscht, daß sie mit ihrem auf die unsoziale Politik in der BRD gerichteten "Feuerwehrschlauch" und mit ihren "Thesen am europäischen Gerichtshoftor" Erfolg haben mögen.

Manfred Wild, Berlin

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Das Denkmal im Gamengrund

Der 24. August 1941 war ein Sonntag. Viele Berliner wollten auf der Flucht vor der sommerlichen Hitze den Tag im Grünen verbringen. Der Zug nach Tiefensee, dem im Nordosten der Hauptstadt gelegenen Erholungsort, war voll besetzt. Gewiß bedrückte der Krieg die Gemüter, aber noch war ja alles gutgegangen. Seit dem "Polenfeldzug" hatte eine Sondermeldung nach der anderen von Vormarsch und Siegen berichtet. Daß seit einigen Wochen die deutschen Truppen auch in Rußland vorrückten, aber ein Ende noch nicht abzusehen war, das wurde von vielen im Glauben an die "Vorsehung des Führers" einfach verdrängt.

Sicher traf das nicht auf alle Reisenden zu, die in Werneuchen oder Tiefensee ausgestiegen waren. Insbesondere nicht auf jene Frauen und Männer, die sich im Blumenthaler Forst - in der Nähe des Gamensees - zu einem illegalen Treffen verabredet hatten. Es waren etwa 50 Antifaschisten, die sich auf einer abgelegenen Waldlichtung zu einer geheimen Beratung versammelt hatten. Der Überfall auf die Sowjetunion hatte nicht nur Kommunisten, sondern auch andere Widerstandskämpfer alarmiert. Die Nachrichten waren spärlich, und eine nüchterne Einschätzung der Situation war dringend erforderlich. Jeder spürte, daß der Kampf gegen die Weltherrschaftspläne der Faschisten in ein entscheidendes Stadium getreten war.

Der Leiter der Berliner Widerstandsgruppe, Dr. Josef Römer, berichtete über die militärische Lage. Seine Informationen und Argumente bestärkten die Zuversicht seiner Genossen, die unter Einsatz ihres Lebens den illegalen Kampf gegen das Hitlerregime führten. Trotz aller Erfolge der Faschisten werde der "Rußlandfeldzug" mit einer Niederlage enden. Römers Ausführungen wurden ergänzt durch den Bericht von Willy Sachse, der eine Widerstandsgruppe im Berliner Arbeiterbezirk Neukölln leitete. Er sprach über die zunehmende Verschlechterung der Lebensverhältnisse im Land und die wachsenden Schwierigkeiten in der Rüstungsindustrie.

Nach diesem Treffen verstärkten die Antifaschisten ihren Widerstand gegen das Naziregime. Im Februar 1942 wurden viele, die sich nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Gamengrund getroffen hatten, verhaftet. Ein Spitzel hatte sich in ihre Reihen eingeschlichen und verriet sie an die Gestapo. Folterungen und hohe Haftstrafen waren die Folge, die meisten wurden zum Tode verurteilt.

Mitglieder der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, haben ihren von den Faschisten ermordeten Kameraden 1974 im Gamengrund ein Denkmal gesetzt. Auf einer Bronzetafel lesen wir die Namen jener Antifaschisten, die sich im Kampf um ein friedliches und demokratisches Deutschland besondere Verdienste erworben haben.

Dr. Josef Römer, der Initiator des illegalen Gamengrund-Treffens, wurde am 17. Dezember 1892 in München geboren, seit 1932 war er Mitglied der KPD und Herausgeber der Zeitschrift "Aufbruch". Für diese Zeitschrift schrieben Persönlichkeiten aus bürgerlichen Kreisen wie Leutnant Richard Scheringer und der Schriftsteller Bodo Uhse, die Kommunisten Ludwig Renn, Theodor Neubauer und Ernst Schneller. Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau im Sommer 1939 setzte er in München den Kampf gegen die faschistischen Machthaber fort. Im Februar 1942 erneut verhaftet, starb er nach seiner Verurteilung zum Tode am 10. Juli 1944 am 25. September 1944 im Zuchthaus Berlin-Plötzensee unter dem Fallbeil.

Willy Sachse, am 7. Januar 1896 in Leipzig geboren, war während des ersten Weltkriegs einer der Führer des revolutionären Matrosenaufstands in der deutschen Hochseeflotte. Zusammen mit Albin Köbis und Max Reichpietsch wurde er 1917 zum Tode verurteilt. In letzter Minute zu Zuchthaus begnadigt, befreite die Novemberevolution Willy Sachse aus dem Kerker. Als Mitglied der KPD lernt er im antifaschistischen Widerstand Dr. Josef Römer kennen und wird während des Krieges dessen engster Mitarbeiter in der Redaktion des illegal erscheinenden "Informationsdienstes". Im Februar 1942 wird Willy Sachse verhaftet, im Juli 1944 zum Tode verurteilt und am 21. August 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.

Fritz Riedel wurde am 1. März 1908 in Berlin geboren. Er war seit 1929 Mitglied des Arbeitersportvereins Fichte und warb als Mitglied der KPD unermüdlich neue Anhänger für die Antifaschistische Aktion. Fritz Riedel setzte seine antifaschistische Tätigkeit auch während der Hitlerdiktatur fort und war während des Krieges einer der wichtigsten Kampfgefährten von Dr. Josef Römer. Im Februar 1944 wurde er verhaftet, im Juli 1944 zum Tode verurteilt, am 21. August 1944 starb er im Zuchthaus Brandenburg unter dem Fallbeil.

Kurt Ritter, am 31. Dezember 1909 in Ostramond in Thüringen geboren, war von Beruf Landarbeiter und Weber. Er wurde Mitglied und Funktionär der KPD. Als die Faschisten 1933 Jagd auf ihn und seine Genossen machten, übersiedelte Kurt Ritter nach Berlin, um den Verfolgungen der SA zu entgehen. Er fand Arbeit in einem Lichtenberger Rüstungsbetrieb und setzte auch hier seine antifaschistische Tätigkeit fort. Im Februar 1942 wurde er an seinem Arbeitsplatz verhaftet, im Sommer 1944 zum Tode verurteilt und am 28. August 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.

Es ist inzwischen gute Tradition, daß die Mitglieder der Strausberger DKP und der "RotFuchs"-Regionalgruppe mit Freunden und Sympathisanten den Gedenkstein im Gamengrund besuchen. Er ist zu einem Ort des Nachdenkens über den Sinn unseres politischen Handelns geworden, zu einem Ort des Erinnerns an das Vermächtnis jener, die sich damals dort im Zeichen des Widerstands gegen die faschistische Barbarei versammelt haben. Mehr denn je gilt auch in unseren Tagen das in den Gedenkstein gemeißelte Wort: "Laßt die Toten in Euren Taten leben!"

Prof. Dr. Erich Kundel, Eggersdorf

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Junge Frau im Sozialismus (Teil 5)

Was die Reformierung des Sozialismus anbelangt, wurde meine Zuversicht auch getragen von der politischen Entwicklung in Kuba und seit November 1971 in Chile. Dort hatte die Unidad Popular, eine Einheitsfront linker, fortschrittlicher Parteien in Chile, Salvador Allende zum Präsidenten gewählt, der die Kupferminen verstaatlichte und ein umfassendes soziales Programm für die ärmsten Menschen im Lande schaffte. Und wieder schritten amerikanische Geheimdienste ein.

Am 11. September 1973 nahmen sich die Globalstrategen der USA im Namen der "Demokratie" wieder mal die "Freiheit", jede kleinste Regung in Richtung Sozialismus möglichst im Keim zu ersticken. Der gekaufte chilenische Verräter General Pinochet ließ den Präsidentenpalast bombardieren. Allende, der sich bis zuletzt verteidigte, fand den Tod und mit ihm unzählige Anhänger der Volkspartei.

Die folgenden hunderttausendfachen Verhaftungen, Folterungen und Morde an chilenischen Sozialisten und Kommunisten, von Intellektuellen und Künstlern erschütterten vor allem die sozialistische Welt, die sich dem neuen Chile verbunden fühlte. Dazu zählten auch die DDR und viele ihrer Bürger. Wir kannten die wunderbaren Gedichte von Pablo Neruda, wir kannten die Lieder des Volkssängers Victor Jara, dem die Folterknechte von Pinochet im Stadion von Santiago die Gitarre und die Hände mit Gewehrkolben zerschlagen hatten, als er mit seinen Liedern den Mitgefangenen Mut machte. Sie töteten auch ihn. Pablo Nerudas Haus in Isla Negra wurde verwüstet. Der große Dichter, Nobelpreisträger und Kommunist Pablo Neruda starb wenige Wochen später am Kummer um dieses Blutbad an seinem Volk und um den Tod seines Freundes Salvador Allende.

"Sein Leichnam wurde heimlich beerdigt ... begleitet von einer einzigen Frau, die den Schmerz der Welt in sich trug, ... zerfetzt von den Kugeln der Soldaten, die Chile wieder einmal verraten hatten." So schreibt Neruda in seinen erschütternden Memoiren "Ich bekenne, ich habe gelebt", die kurz nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Im Verlag Volk und Welt erschien auch Nerudas umfangreiches Gesamtwerk in vielen Auflagen, großartig übersetzt von Erich Ahrendt. Ich habe diese Bücher von Neruda verschlungen. Seine sprachgewaltigen Gedichte und Oden begeistern mich immer wieder. Und zu meiner liebsten Musik gehören immer noch die Lieder von Victor Jara, wie das: "En ti compañera de mis días y del porvenir ... Sin saber el fin ... el fin" (Gefährtin meiner Tage und der Zukunft ... deren Ende man nicht kennt"). Die DDR-Regierung unter Erich Honecker übte damals tätige Solidarität, nahm Tausende chilenische Flüchtlinge mit Familien auf und gab ihnen Wohnung, Arbeit und eine Heimat. Darüber ist viel geschrieben worden. Aber für viele ist das nach 44 Jahren vergessen, weil ja die DDR nur grau, trostlos und bösartig gezeichnet werden soll.

Ich, junge Frau im Sozialismus, kleine fleißige Studentin, hatte in dieser Zeit beim DEFA-Kurzfilmstudio um unbezahlten Arbeitsurlaub bis zum Ende des Studiums gebeten, um mehr Zeit für die Kinder und fürs Studium zu haben. Das schlechte Gewissen begleitete mich immer, und ich hatte das Gefühl, ich müsse drei Leben leben. Inzwischen war ich Kandidatin des Schriftstellerverbandes und schrieb weiter Gedichte und Geschichten. 1975 bekam ich gemeinsam mit anderen jungen DDR-Autoren vom Schriftstellerverband eine Studienreise nach Moskau und Leningrad geschenkt. Auf den Spuren von Tolstoi und Dostojewski erlebten wir herrliche Tage im Novemberschnee, begegneten sowjetischen Schriftstellern, besuchten den Heldenfriedhof in Leningrad.

Kaum einer von uns konnte die Tränen unterdrücken beim Klang der Windharfen auf dem verschneiten Friedhof mit diesen aber Tausenden Toten. Das Leid des sowjetischen Volkes war uns hautnah. Auf dem Rückflug am 22. November 1975 von Moskau nach Berlin kam im Bordfunk die Nachricht vom Tod Francos. Plötzlich war ein Jubel im Flugzeug, die Menschen standen auf und klatschten, weil ein Massenmörder gestorben war, ein Diktator, der seit dem Spanienkrieg 1936 an der Macht war und viel Blut an den Händen hatte, das nie gesühnt wurde.

Meine Jungs Adrian und Sebastian waren jetzt zwölf bzw. zehn Jahre alt, sehr selbständig und nachmittags im Schulhort in Babelsberg bestens betreut. Ich hatte einen neuen Filmvertrag für einen Kinderfilm fürs DEFA-Spielfilmstudio bekommen. Meine Dramaturgin Katharina Schubert konnte das Drehbuch an den Regisseur Herrmann Zschoche vermitteln, der schon mit zauberhaften Kinder- und Jugendfilmen bekannt war. Herrmann und ich verstanden uns auf Anhieb, hatten die gleiche Wellenlänge, was Ästhetik und die sensible Haltung zu Kindern betraf und was zu einer lebenslangen Arbeitsfreundschaft führte. Der Film "Philipp der Kleine" wurde 1975 abgedreht. Im Juni 1976 war Premiere, und die Presse war begeistert über diese real-phantastische Erzählweise, die mit Selbstverständlichkeit Wunder im Alltag geschehen läßt.

Ein Junge, zu klein für sein Alter, müht sich um Anerkennung, bekommt eine Wunderflöte geschenkt und kann mit einer Zaubermelodie Dinge größer oder kleiner machen ...

Ein schöner runder Film, zauberhaft gemacht von Herrmann Zschoche und dem Filmteam, inzwischen auch als DVD zu haben. Preise gab's im Inland reichlich, auch in Salzburg beim Kinderfilmfestival den Publikumspreis. Der Preis, eine große silberne Nabelschere, die einen Storch mit einem Baby im Bauch zeigt, ist im Filmmuseum Potsdam zu sehen, in der großen Vitrine, die Hunderte Filmpreise aus 40 DEFA-Jahren zeigt. Das war also mein Spielfilm-Debüt. Stolz war ich und glücklich, mußte aber artig weiterstudieren, mich durch Prüfungen quälen.

Inzwischen war auch Rolf Losansky mit dem "Schneemann für Afrika" beim Drehen. Nach einer dreimonatigen Afrikatour an der afrikanischen Westküste entlang, für Schnittbilder mit hoher See, Delphinen, fliegenden Fischen und afrikanischem Hafengewimmel, wurde dann im kleinen Fischerdorf Christianos in Bulgarien ein "afrikanischer Hafen" als Hauptdrehort gezaubert. Dort und im Rostocker Hafen fanden die Außenaufnahmen statt. Unsere kleine achtjährige Hauptdarstellerin Asina, mit brauner Haut wie Milchschokolade und 21 Zöpfen, war in Leipzig geboren und sprach das süßeste Sächsisch. Ihr Vater war Student aus Ghana, der in Leipzig studierte, die Mutter eine Leipzigerin. Asina bezauberte den ganzen Drehstab.

Ich war einmal in Rostock beim Drehen dabei. Drei Tage regnete es wie aus Gießkannen, der Drehstab und dreißig Kleindarsteller waren zermürbt und warteten auf Sonne. Aber das heitere Gemüt von Rolf Losansky ermunterte alle.

Meinen Studienabschluß an der Filmhochschule Babelsberg im Fach Film- und Fernseh-Dramaturgie machte ich am 1. Juni 1976, dem Kindertag. Ich nahm es symbolisch, denn ich war entschlossen, weiterhin für Kinder zu schreiben, die für mich die Ureinwohner des Landes Phantasie sind. Ich habe viel gelernt in den Studienjahren, aber das Beste war, daß ich mich schon als Autorin für Kinderfilme bewährt hatte. Ab jetzt konnte ich nur noch bunte Gedanken im Kopf haben.

Christa Kozik

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Vom schweren Weg der Erkenntnis

Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben!" Diese Worte des Dichters Friedrich Hebbel beziehen sich auch auf die Betrachtung meines Lebens in drei unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen.

"Warum tust du dir das an? Genieße doch den Ausklang deines Lebens. Deine gesundheitlichen 'Fesseln' belasten dich doch schon genügend", sind gutgemeinte Ratschläge und Wünsche von Freunden, die ich auch ernst nehme. Doch wer wie ich die Gnade hat, das 87. Lebensjahr erreicht zu haben, der hat doch auch eine moralische Pflicht sich einzumischen, seine Erfahrungen und Bedenken mitzuteilen. Mein Denken und Tun ist katholisch bestimmt und wie bei wohl allen Menschen von Höhen und Tiefen und der Einsicht geprägt, den Mut und das Vertrauen in die Zukunft niemals aufzugeben.

Die Gesamtheit meiner Lebensbedingungen half mir, "Stolperfallen" zu erkennen, nicht immer auszuweichen, aber auch hinter Irrwege zu kommen, Fehlinformationen und Manipulationen aufzudecken. Das ist ein schwieriger und ständiger Lernprozeß, den man wollen muß, nicht fürchten darf und auf den man sich auch vorbereiten sollte.

Meine Riesengebirgsheimat war lange Zeit fast so etwas wie eine Insel der Seligen, ein kleines Paradies. Die Zeit vor dem Krieg sah mich in einem Gefühl der Sicherheit und Ordnung, in einem uns beschützenden Staat, meinem Vaterland, auf das ich stolz war.

Meine Eltern und Großmutter ließen mich nie ihre Sorgen und Ängste spüren. Für mich war doch alles in Ordnung. Kindliche Aufregung und spontanen Ärger brachte manchmal die Schule. Immer, wenn ich mich mißverstanden fühlte und die Handlung eines Lehrers nicht einzuschätzen vermochte, war für mich der Lehrer schuld.

Zum "Reich" gehörte auch das "Jungvolk". Den "Schwur der Pimpfe" nahm ich sehr ernst: "Pimpfe sind hart, schweigsam und treu. Pimpfe sind Kameraden. Das Pimpfes Höchstes ist die Ehre."

In dieser Gemeinschaft wollte ich aber nicht nur gehorsam sein und bei Geländespielen mitmachen, sondern auch etwas zu sagen haben. Da reichte der Fanfarenzug im Ort nicht aus. Meine Delegierung auf die Bannführerschule während der großen Ferien mit dem Abschluß als "Hordenführer" und später "Jungschaftsführer" "erhöhte" mich und hinderte mich in keiner Weise an meiner Ministrantentätigkeit. Mein Glaube sagte mir auch, wie ich mich zu meinen Kameraden zu verhalten hatte.

Das Leiden und Sterben kam mir nicht nur nahe beim jährlichen Kreuzweg Jesu Christi, sondern in der Zeit, als die ersten Nachrichten und Zeichen des Krieges auch unsere "Insel" berührten. Der Krieg kam langsam und anfangs noch mit wenigen Auswirkungen auf meine Seele und mein Denken.

Es gab die ersten Nachrichten von den Gefallenen, und unserem Pfarrer Renschke versagte oft die Stimme, wenn er Leid und Tod verkünden mußte. Dann fiel der evangelische, auch von uns Kathol'schen geliebte Pastor Marschall in Frankreich. Unsere Herzen waren bei den Soldaten; überzeugt, daß sie das Richtige, das Gute für uns, für unser Vaterland tun. Im Ort und in Hirschberg hörten wir noch nichts vom Lärm und Getöse der Front. Das Gymnasium hatte bereits im Spätsommer des Jahres 1944 den Schulbetrieb eingestellt.

Der Dezember 1944 und die Monate bis zum 8. Mai 1945 wurden zum Trauma, zu einem Schock, zu einem Zerbersten und Zusammenfallen von Idealen. Alles verkehrte sich in das Gegenteil. Immer mehr wurde Schreckliches, unvorstellbar Schlimmes offenbar. Millionen ermordeter Juden, Christen, Antifaschisten, Sinti, Roma, Kriegsgefangene aus all den Gebieten, wo das "Dritte Reich" seine Macht zügellos entfaltet hatte.

Die Informationen und Meldungen beinhalteten auch die immensen materiellen und kulturellen Schäden, einschließlich der Vergewaltigung der Natur in den Kriegsgebieten. Die relativ wenigen Menschen, die das ahnten oder miterlebten, bewegte die Frage: Wie soll es nun mit dieser Schuld weitergehen? Warum haben wir das mitgemacht?

Auch ich erfuhr erst in dieser Zeit vom antifaschistischen Kampf meines Onkels Herbert und vom Engagement meines Vaters gegen den Krieg. Um das Leben unserer Familie zu schützen, mußten meine Eltern und meine Großmutter unerbittlich schweigen.

Wie weiter und wo? Von Mund zu Mund ging das Gerücht nach dem 8. Mai 1945, daß auch unser Kreis von Polen besetzt werden würde. Wie diesen Menschen begegnen und vielleicht mit ihnen zusammenleben angesichts dessen, was geschehen war? Meine Familie hatte viel verloren, andere aber noch viel mehr, besonders liebe Menschen.

Aus der Hoffnungslosigkeit keimte langsam der Gedanke, daß es doch irgendwie wieder gelingt, Fuß zu fassen, ein wenig Heimat und Geborgenheit mit Zukunftschancen zu finden. Meine Familie und mich verschlug es schließlich in die spätere DDR als der von mir gefühlten Alternative zu Krieg und Völkerfeindschaft. Aus all meinem Erleben sah ich in diesem neuen Staat einen Weg in die Zukunft und die Chance für eine berufliche Entwicklung. Das gewollte Engagement für die DDR führte zur kritischen Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit. Diese Auseinandersetzung war dem Wesen nach eine antimilitaristische, antiimperialistische und antifaschistische.

Die "Insel der Seligen" gab es nicht mehr. Was die DDR für mich wurde, wuchs aus dem Schulterschluß mit neuen Menschen an meiner Seite, die für mich Vorbilder waren, mein Denken und Fühlen bereicherten, meine "Grundausstattung" erweiterten und zu neuen Erkenntnissen führten.

Mein Selbstwertgefühl kehrte zurück. Ich konnte lernen, neue Erfahrungen auf verschiedenen Arbeitsebenen sammeln, bekam "Boden unter den Füßen" und Hoffnung in die Zukunft. Das neue gesellschaftliche System war für mich ein Weg in soziale Stabilität und eine friedliche demokratische Entwicklung. Dieser Prozeß war ein außerordentlich schwerer, hürden- wie bürdenreicher mit vielen Unwegsamkeiten und Stolpersteinen, von außen mehr als von innen.

Die Startbedingungen und Existenzgrundlagen der DDR waren unvergleichlich komplizierter als in der Bundesrepublik. Die Menschen in der DDR waren mit denen in der BRD doch aus einem "Stall" und hatten es deswegen besonders schwer, die neue gesellschaftliche Entwicklungs- und Gestaltungslinie zu begreifen, anzunehmen und danach - unter mancherlei Einschränkungen und Mängeln - zu arbeiten. Das internationale Kräfteverhältnis (einschließlich der beiden deutschen Staaten) war eine der Ursachen dafür, daß sich dieser Sozialismus nicht auf Dauer halten konnte. Der Kapitalismus hatte das Sagen, das Übergewicht der Macht.

Die Unterschiedlichkeiten im Erscheinungsbild, in der Attraktivität der beiden deutschen Staaten erzeugten bei vielen DDR-Bürgern den Wunsch auf ein "Ebenso" im Osten. Dogmatismus, Sektierertum, Unerfahrenheit und Unbeholfenheit verhinderten wichtige Maßnahmen zur rechten Zeit. Die Schwierigkeiten, auch Vorbehalte im Umgang mit den Bündnispartnern, einschließlich der Intelligenz, waren ein weiterer Grund für den Vertrauensschwund und die Instabilität des Systems. Wenn es auch verschiedenen Ortes eine Zusammenarbeit mit den Repräsentanten der Kirchen gab, war dieser Weg vom "Ich" zum "Wir" eines Füreinanders und Miteinanders zu oft gestört.

Trotz allem war die DDR ein bedeutender Abschnitt in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands, besonders im Hinblick auf ihre Haltung zu nachhaltigem Frieden, Völkerfreundschaft und sozialem Fortschritt.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz

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An der Grenze erlebt

Über das folgende kann ich aus eigener Anschauung berichten, ich habe es als Werkleiter des Volkseigenen Betriebs "Molkereiarmaturenwerk Hötensleben" selbst erlebt. Ich leitete diesen Betrieb von 1962 bis 1965. Seine Besonderheit bestand darin, daß seine Betriebsgrenze fast identisch war mit einem Stück der Staatsgrenze West. Die Grenze war direkt am Betriebszaun.

Als ich mit Parteiauftrag und einem provisorischen Zugangsausweis für die 500-m-Schutzzone mit meinem Trabant zum ersten Arbeitsantritt fuhr, wurde ich selbstverständlich, wie jeder andere auch, an der Grenzstelle in Marienborn kontrolliert. Ein Grenzer, dem Rang nach war er Unteroffizier, schaute argwöhnisch meinen provisorischen Ausweis an, dann verlangte er die Fahrzeugpapiere und den Führerschein, was natürlich alles in Ordnung war. Nun fragte er mich, was ich in Hötensleben wolle. "Ich will ins Armaturenwerk", sagte ich. "Und was wollen sie dort?" "Ich will den Betrieb ab jetzt leiten", war meine wahrheitsgemäße Antwort. Er lachte, hob die Stimme und sagte: "So, Sie wollen ihn leiten? Ist ja toll, und gibt es denn noch mehr solche wie Sie, die den Betrieb leiten wollen?" Ich sagte: "Hoffentlich nicht, sonst geht es doch durcheinander." Er gab einem anderen Grenzer die Order, mich nicht wegzulassen und gut auf mich aufzupassen, dann ging er ins Dienstzimmer, offensichtlich zu seinem Vorgesetzten.

Nach kurzer Zeit kam ein Oberleutnant heraus, ging mit schnellen Schritten und lachend auf mich zu, hielt mir die Hand entgegen und sagte: "Guten Tag, Genosse Kulitzscher, es ist natürlich alles in Ordnung. Viel Erfolg in der neuen Tätigkeit, das Armaturenwerk hat es nötig!" Er machte den Schlagbaum hoch und grüßte - auch der Unteroffizier, allerdings mit einem etwas süßsauren Gesicht. Er hatte aber richtig gehandelt. Als ich dann später noch oft mit meinem Dienstwagen, einem Wolga, die Kontrolle passieren mußte, weil doch Frau und Tochter in Magdeburg wohnten, grüßte er immer schon von weitem sehr freundlich und machte den Schlagbaum hoch.

Daß es in Sachen Grenzangelegenheiten eine enge Zusammenarbeit zwischen mir und den Sicherheits- und Grenzschutzkräften gab, versteht sich von selbst. Der Schutz der Grenze ist Sache jedes Staates und gehört zum Völkerrecht. Das unberechtigte Übertreten der Grenze ist eine Straftat, die zu verhindern war. Erinnert sei an das Vorkommnis in der BRD an der Grenze zu den Niederlanden im Abschnitt Aachen in den 50er Jahren, bei dem illegale Grenzgänger erschossen wurden, oder an das heutige Geschehen in den USA an der Grenze zu Mexiko, bei dem fast täglich Tote zu beklagen sind.

Da ich ein möbliertes Zimmer in Hötensleben bewohnte und abends zum Essen in die Gaststätte ging, hörte ich sehr viel vom Dorfgerede. So gab es einen, der lauthals in der Kneipe verkündete: "Ich haue ab." Am nächsten Tag war er noch da. Nun nannte er sogar Termine für seine Republikflucht. Immer öffentlich in der Gaststätte. Er war da. Man bewachte nun seine Wohnung. Das Licht brannte, und laute Musik spielte nachts. Sie klingelten, er kam und rief: "Was wollt ihr Kanaken mitten in der Nacht?" Er war immer da und wollte ständig abhauen. Nach einer gewissen Zeit glaubte man ihm nicht mehr und dachte "Angeber". Wieder brannte Licht im Zimmer, und die Musik war laut, sie spielte noch am nächsten Morgen. Er war weg.

Durch sein Getue hatte man natürlich den Hötenslebener Grenzabschnitt besonders im Auge, und so war uns allen rätselhaft, wie das geschehen konnte. Just in der nächsten Nacht meldete ein Kontrollposten einen Grenzdurchbruch in Form einer Spur, die allerdings in die andere Richtung ging. Von West nach Ost. Viele Suchtrupps kämmten systematisch die nähere Umgebung durch - niemand und nichts! Da holte man einen Spurenleser-Spezialisten von der Armee. Der brauchte nicht lange, um zu erkennen, daß da einer rückwärts über die Grenze von Ost nach West gelaufen ist. Er erklärte sehr plausibel, daß das Gewicht eines rückwärts Gehenden anders verlagert ist als im Vorwärtsgang, folglich sind die Tiefen der Fußspur anders. "Das läßt sich sogar nachmessen", meinte er überzeugend.

Unser Mann war ein Schlauer. Mit Psychologie und Technik hat er seine Umwelt überlistet. Auch möglich, daß es noch Hinweise von der Grenze gab, wo es relativ leichter geht. Der Stacheldraht und die Minen waren bei weitem nicht auf jedem Meter vorhanden.

Eines Nachts gab es an der Grenze einen lauten Knall und wildes Geschieße. Ich fragte den verantwortlichen Kommandeur des Streckenabschnitts, was das war. Er erzählte unter Augenzwinkern folgendes: "Den Knall haben wir absichtlich ausgelöst, indem wir eine Mine haben hochgehen lassen. Sofort wurde der bedrohte Grenzabschnitt mit allen zur Verfügung stehenden Leuten im Westen verstärkt. So wurden einige Abschnitte entblößt und genau dort kam eine große Gruppe junger Leute zu uns über die Grenze, die am dritten Deutschlandtreffen 1964 im Mai in Berlin teilnehmen wollten. Sie wurden in der gleichen Nacht mit dem Bus nach Berlin in ihre Quartiere gefahren. Wie diese berichteten, gab es eine ganze Reihe von Hindernissen im Westen zu überwinden, um in die DDR zu kommen.

Als ich einmal wieder auf dem Heimweg nach Magdeburg war, bemerkte ich verstärkte Grenzkontrollen und jede Menge Hektik. Als ich mit meinem Wolga auf der Autobahn weiterfuhr, sah ich vor mir auf der rechten Seite eine Kolonne von Fahrzeugen stehen. Ich traute meinen Augen nicht. Es waren alles Amis mit Militärfahrzeugen. Ich fuhr im angemessenen Tempo an der Kolonne vorbei. Sie war sehr lang. An der Spitze konnte ich deutlich einen Kommandeurswagen ausmachen. Die Offiziere standen im Gespräch vertieft auf der Straße und genau vor ihnen ein russischer Panzer T54. Sein Geschütz war auf die Kolonne gerichtet. Als ich weiterfuhr, der Verkehr war nicht gesperrt, bemerkte ich im Wald jede Menge weitere russische Panzer. Die Radiomeldung am Abend lautete. "Eine amerikanische Militärkolonne hat sich an der Grenze der vereinbarten Grenzkontrolle widersetzt und ist gewaltsam durchgebrochen. Sie wurde später gestoppt und konnte nach ihrer Kontrolle die Fahrt nach Berlin-West fortsetzen." Die Kommentare dazu waren einheitlich. Man wollte prüfen, was man sich auf dem Weg durch die DDR alles leisten könnte. Dieses jedenfalls nicht.

Dr. Werner Kulitzscher, Berlin

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Das Emblem

Was ein vernünftiger Mensch gegen einen Hammer haben kann, ist mir schleierhaft. Ein Hammer ist ein sehr nützliches Werkzeug. Man kann Nägel mit ihm einschlagen oder gewissen Zeitgenossen damit auf die unsauberen Finger klopfen. Nicht weniger sinnvoll ist ein Zirkel. Ich möchte mal wissen, in welche Kreise die Schüler aller Länder geraten würden, hätten sie keinen Zirkel. Was schließlich einen Ährenkranz angeht, so vermag ich beim besten Willen nichts anderes einzusehen, als daß es sich da um eine recht nahrhafte Angelegenheit handelt: Aus Ähren macht man Mehl, aus Mehl Teig und aus Teig Schrippen. Schrippen essen alle Leute gern.

Vereinigt man nun Hammer, Zirkel und Ährenkranz auf unserer Fahne, so ist das ein Emblem. Die Leute gucken sich das Emblem an und denken gleich an lauter vernünftige Sachen wie Arbeiten, Essen, Studieren. Natürlich ist in Wirklichkeit alles etwas feierlicher, aber so kann man's auch sagen. Der Bonner Regierung indes liegt dieses Emblem schwer im Magen, obwohl es dort eigentlich gar nichts verloren hat. Im Grunde hätte sie sich ja ihre Köpfe über ganz andere Dinge zu zerbrechen - beispielsweise darüber, was aus Feierschichten, Mördern im Ministerrang, steigenden Butterpreisen und Bestechungsskandalen werden soll -, aber nein, sie haben's nun mal partout mit unserer Staatsflagge, die geht ihnen nicht aus dem Sinn.

Jedem Einsichtigen dürfte inzwischen allerdings klargeworden sein, daß die getroffenen Maßnahmen gegen unsere Fahne bei weitem noch nicht ausreichen, um dem aufreizenden Symbol die einzig gehörige Abfuhr zu erteilen. Schon vernahm man aus nah und fern Äußerungen renitenten Untertanengeistes, der sich weigerte, das von allerhöchster Stelle mit dem Bannfluch belegte Flaggentuch niederzuholen. So geschehen bei kulturellen, sportlichen und handelspolitischen Veranstaltungen, hinter denen man selbstverständlich die Hand der bolschewistischen Weltrevolution vermuten muß. Um nun die gefährliche Wirkung dieser noch gefährlicheren Fahne mit dem gefährlichsten aller Embleme endgültig und ein für allemal zu beseitigen, sei es gestattet, den Herrn Innenminister in Bonn auf einige naheliegende Schritte in dieser Richtung aufmerksam zu machen. Jeglicher Gebrauch eines Hammers ist ab sofort untersagt. Da das deutsche Volk ein starkes Volk ist, kann es seine Nägel auch mit der Faust durch die Tischplatte hauen. Träger des Namens Hammer werden in Kneifzange umgetauft. Den einzigen Hammer, der im Land noch geduldet wird, hat der Herr Bundeskanzler, um sich bei Sitzungen der Alliierten Gehör zu verschaffen.

Besitz oder Gebrauch eines Zirkels ist Landesverrat. Die herrschenden Kreise benötigen keine solchen, und ob die Schüler rund oder viereckig zeichnen, ist eh schon egal, weil allzuviel Bildung nur schädlich ist. Lese-, Strick- und sonstige Unterhaltungszirkel werden aufgelöst bzw. in eine neuzugründende KDF übernommen. Der Lateinunterricht an den Höheren Lehranstalten wird eingestellt, da sich bereits Archimedes mit seinem Wort: "Noli turbare circulos meos!" (Zerstöre meine Kreise - Zirkel - nicht!) als früher Agent Pankows entlarvt hat.

Die Erwähnung des Ährenkranzes kommt dem Delikt einer Gotteslästerung gleich. Das von Konrad Adenauer regierte Volk braucht keine Ähren, versagt sich daher ab sofort gehorsamst den Verzehr von Schrippen, Brot, Kuchenbrötchen und anderen Näschereien, die sowieso nicht gut für die Zähne sind. Nur mit derart harten, aber rigorosen Maßnahmen dürfte dem Emblem der DDR-Staatsflagge auf die Dauer wirksam beizukommen sein. Wobei es doch immer wieder erstaunlich bleibt, zu welchen weitgehenden Zwangsmaßnahmen ein gar nicht existierender Staat einen anderen treiben kann! Aber das ist eben der Terror.

Hans J. Stein (1960)

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In der DDR hatte der Sport Verfassungsrang

Auch wenn es westlich der Elbe keiner recht wahrhaben will, das Sportsystem der DDR war von Erfolg gekrönt, weil "die sozialistische Gesellschaft eine Mobilisierungskraft hatte, die eine unübersehbare Schar von Lehrern, Kindergärtnerinnen, Betriebsleitern, Gewerkschafts- und FDJ-Funktionären, Pionierleitern, Volkspolizisten, Wissenschaftlern, Ärzten, Journalisten, Übungsleitern, Kampf- und Schiedsrichtern, Platzwarten, Initiatoren und Organisatoren auf das Ziel "Sport für alle" vereinen konnte, wie es unsere Sportlegende Gustav Adolf Schur (Täve) in seiner Rede beim Treffen anläßlich des 60. Gründungstages des DDR-Sportverbandes im Berliner Freizeitforum vor nahezu 200 Teilnehmern hervorhob. Es bleibt dabei, nicht nur die Medaillen bei Olympia, WM und EM, sondern eben die gesamte Organisation des Sports für alle - von den Jüngsten im Kindergarten bis zu den Veteranen - belegt das.

Täve, der zu den Gründungsmitgliedern gehörte, erinnerte daran, wie es begann: "Nach vielen Mühen, partiellen Rückschlägen, aber vor allem Fortschritten, bestand das Ziel darin, ein vielseitiges System der Körperkultur zu vervollkommnen, zu dem alle Bürger Zugang hatten und das den sportlichen Talenten die Möglichkeit bot, nach den persönlichen Neigungen ausgebildet zu werden.

Dafür stand die höchste Autorität: Der Sport hatte Verfassungsrang und zudem eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung. Das Jugendgesetz, das Bildungsgesetz, das Gesetzbuch der Arbeit schufen einen staatlichen Ordnungsrahmen, der die ganze Gesellschaft zu diesem Anliegen verpflichtete.

Alle Welt war voller Bewunderung über die einzigartigen Erfolge unserer sozialistischen Sportbewegung in den Städten und Dörfern, in den Betrieben der Industrie und Landwirtschaft, in den Kindergärten, Schulen und Hochschulen, bei Betriebssportfesten und Spartakiaden, den glanzvollen Turn- und Sportfesten und in den internationalen Arenen des Sports."

Es war dann wohl nur zu verständlich, daß die westdeutsche Sportführung und die Sportverbände 1989 frohlockten und sich schon als Erben des erfolgreichen Sports der DDR sahen. Ganz Einfältige hatten schon die Medaillen addiert und sahen sich konkurrenzlos vorn. Doch sie machten die Rechnung ohne den Wirt, den damaligen Sportminister Wolfgang Schäuble. Der hatte den Sportleuten bedeutet, daß die internationale Sportrepräsentanz Deutschlands durch Fußball, Tennis und Formel 1 abgedeckt sei, DDR-Trainer nicht in Frage kämen, weil die vorhandenen nicht einfach ausgewechselt werden könnten und die Einrichtung von Kinder- und Jugendsportschulen in der Zuständigkeit der Länder läge.

Die euphorischen Einheitsaktivisten wurden dann im Einigungsvertrag Artikel 39, Abs. 2, mit der Formulierung abgespeist, daß vom DDR-Sportsystem zu erhalten sei, was sich bewährt habe.

Die Folge: Die Organisationsstrukturen des DDR-Sports wurden rücksichtslos zerschlagen und das alte Vereinswesen wieder eingeführt. 4700 akademisch ausgebildete Trainer wurden arbeitslos, die international renommierte Deutsche Hochschule für Körperkultur in Leipzig liquidiert und Sportfunktionäre, Trainer und Sportmediziner juristisch verfolgt.

Ein Jahrzehnt nach dem Anschluß zog der Soziologe Dr. Peter Rummelt (damals Düsseldorf, heute Greifswald) dieses thesenhafte "Transformations"-Fazit:

  • Erhaltenswertes des DDR-Sports ist nicht erhalten worden;
  • die Herstellung der inneren Sporteinheit verlief nicht erfolgreich;
  • im Transformationsprozeß sind schlechte Standards des Westens übernommen worden;

mögliche und notwendige Änderungen im bundesdeutschen Sportsystem wurden nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Nun könnte man sagen: Was geht es uns an? Sicher, unsere Einflußmöglichkeiten sind gering. Aber, wo immer möglich, sollten wir unsere Autorität, unseren Sachverstand in die Waagschale werfen, um auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.

In Gesprächen mit Monika Zehrt, Ilona Slupianek und Thomas Köhler als goldene Olympioniken, den olympischen Medaillengewinnern Ulrike Bruns, Maritta Bauerschmidt, Reinhard Gust und eben auch Täve, dem erfolgreichsten Eisschnellauftrainer der Welt Joachim Franke, zahlreichen Generalsekretären olympischer und nichtolympischer Sportverbände, Trainern, Sportwissenschaftlern war der Stolz herauszuhören, dabeigewesen zu sein. Sie alle könnten den heutigen Sportverantwortlichen hilfreiche Tips geben, wie man vom gezielten Schulsport über den Nachwuchsleistungssport ein ganzes Volk zum Mitmachen begeistern kann. Fußball über alles, gespickt mit Milliarden, genießt Vorrang. Nur bei Olympia erinnert man sich daran, daß es noch andere Sportarten gibt, mit denen man auch "Staat" machen könnte. Hätten sie nur ein Drittel der Fußballfinanzen zur Verfügung, wäre diesen Vereinen sehr geholfen.

Thomas Köhler, Berlin

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Die Geschichte des Ausländerstudiums an der DHfK Leipzig
Sendboten Olympias

Die Aufforderung des Begründers der Olympischen Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin, "Den Frieden lieben, das Leben achten!" erlangte auch für die Aus- und Weiterbildung ausländischer Sportfachexperten an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig große Bedeutung. Der Autor dieses bereits 2008 erschienenen Buches, Doz. Dr. paed. habil. Lothar Kalb, schreibt in einem ganz persönlichen Stil über die Geschichte dieser wichtigen Aufgabe im Wissenschaftsprofil der Leipziger Sporthochschule. Es werden anhand von vielfältigen Fakten, Sachverhalten und Namen die sportwissenschaftlichen Ergebnisse sowie die hochschulpädagogischen und sportpolitischen Rahmenbedingungen für alle Studien- und Lehrgangsformen des Ausländerstudiums an der DHfK thematisiert. Über 2400 Diplomsportlehrer, Trainer sowie Sportwissenschaftler aus 94 Ländern, darunter aus 42 afrikanischen Staaten, wurden an der DHfK vorrangig als Solidaritätsbeitrag des DDR-Sports für die Entwicklungsländer qualifiziert. Das Diplom oder die Promotionsurkunde der DHfK waren ein international anerkanntes Gütesiegel.

Die ausländischen Absolventen der DHfK arbeiten bis heute als "Sendboten Olympias" in allen Bereichen der nationalen Körperkultur ihrer Heimatländer oder wirken aktiv in unterschiedlichen Funktionen in den internationalen Gremien des Sports und der Sportwissenschaft.

Bemerkenswert ist die sorgfältige Gestaltung und Herstellung des Buches, welche sowohl Sportenthusiasten als auch "Laien" zum Anschauen und Lesen verführt. RF

Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2008, 312 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 29 €

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Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt - und für uns - war.

Miriam Makeba
Sängerin, Südafrika (1932-2008)

Ich bin beeindruckt von Berlin, von den Menschen hier in der DDR. Alles macht einen ganz anderen Eindruck, als uns eine gewisse Propaganda einzureden versucht. Besonders diese Stadt und ihre offene Atmosphäre haben mich von der ersten Stunde an begeistert und mitgerissen.

Die Stärke eines Landes ist ablesbar an der Haltung der Jugend. Mein Land ist noch unterdrückt, und viele Länder leiden unter dem Neokolonialismus.

Diese Jugend, die sich hier in Berlin zum Festival versammelt hat, trotzt dem Imperialismus! Das ist das Schönste. Und diese Jugend hat nicht nur ein feines Ohr für künstlerische Interpretation, sondern auch ein kluges Gehirn für meine Probleme, über die ich singe. Es ist eine politische Jugend und darum eine sehr menschliche. Manche Leute sagen über mich, die Makeba singt nur politische Lieder; ich antworte: Ich singe die Wahrheit, Kunst und Politik kann ich nicht trennen; denn die Kunst erzählt davon, wie die Menschen leben. Ich stelle meine Stimme in den Dienst der Erkennbarkeit der menschenfeindlichen Apartheidpolitik, möchte Botschafterin der Völker Afrikas sein, Künderin ihres Kampfes gegen Kolonialismus und Rassismus. Und dabei singe ich so gern von der Liebe, von der Fröhlichkeit der Menschen, dem Zauber ihrer Träume. Dafür finde ich in der DDR das richtige Publikum.


Martti Larni
Schriftsteller, Finnland (1909-1993)

Als der bedeutendste Kulturstaat Europas in den 30er Jahren zum sogenannten dritten Reich wurde, mußten viele Vertreter von Wissenschaft und Kultur ihre Heimat verlassen. Wenn sie nicht vertrieben worden waren, suchten sie ein Asyl in fremden Ländern. Zu ihnen gehörte auch der in Augsburg geborene Schriftsteller Bertolt Brecht, der die Bürgerrechte seines Heimatlandes 1935 verlor. Danach begann das jahrelange Wanderleben Brechts, von dem er auch einige Monate in Finnland wohnte. Durch einen glücklichen Zufall machte ich die Bekanntschaft mit Brecht, die unauslöschlich im Archiv meiner Erinnerungen verblieben ist.

Während seines Aufenthaltes in Finnland besuchte Brecht häufig die Redaktion der Zeitung "Elanto", bei der ich damals als Redakteur tätig war. Zu der Zeit wurden in Finnland noch keine Tabakwaren rationiert, so daß es auf dem Regal des Buchschranks auch einen Zigarrenkasten für seltene Gäste gab. Eines Tages erschien Brecht in meinem Arbeitszimmer, bat vielmals um Entschuldigung für die Störung und klagte über eine ungewöhnliche Müdigkeit. Ich forderte ihn auf, es sich auf dem Sofa in meinem Arbeitszimmer bequem zu machen. Er befolgte meine Aufforderung, zog sich die Schuhe aus und machte es sich bequem. Ich bot ihm eine Zigarre an, worauf die Müdigkeit des Gastes wie Kampfer in der Luft verflogen war. Er setzte sich hin, zündete die Zigarre an und sagte folgende Worte, die ich in meinem Notizbuch festhielt: "Wenn alle Mächtigen der Welt sich lieber eine Zigarre ansteckten, als einen sinnlosen Weltbrand anzuzünden, wie glücklich wäre dann die Menschheit. Der Krieg ist ein schreckliches Unglück, dessen Opfer zum größten Teil unschuldig sind. Haben sich Millionen Väter und Mütter, Kinder und Alte wirklich so sehr schuldig gemacht, daß sie massenweise getötet werden müssen? Es ist nur eine Frage, aber die herrschenden Todeshändler werden mir wohl kaum antworten ..."

Diese Worte Bertolt Brechts waren mir viele Kriegsjahre im Gedächtnis und sind mir immer noch in frischer Erinnerung. Bertolt Brecht war einer der bedeutendsten Verkünder der Menschheit unserer Zeit und ein Schriftsteller, der einen bleibenden Platz unter den Unsterblichen einnimmt. Seine Stücke sind fast immer im Repertoire der finnischen Theater zu finden. Er ist in der ganzen Welt als Meister der Dramatik und als mutiger Erneuerer der Schauspielkunst bekannt. Ich war einige Male in der DDR und konnte mit Freude feststellen, daß die Erinnerung an Brecht in seiner Heimat wirklich in schöner Weise gepflegt wird.

Bertolt Brecht war in vieler Hinsicht der Prophet einer neuen Zeit und einer neuen Gesellschaft. Wenn er noch bis zum Jahre 1978 gelebt hätte, könnte er mit Befriedigung feststellen, daß die DDR in einigen Jahrzehnten seinen Traum verwirklicht hat. Auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst blüht ein vielseitiges und reiches Kulturleben. Auch die wirtschaftliche Entwicklung hat neue Erfolge erzielt - und das ganz ohne Marshallplanhilfe.

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Leben ist etwas ungemein Persönliches. Jedes Leben gibt es wie jeden Menschen nur ein einziges Mal. Alle Versuche, Typisches für diese Lebenszeit zu verallgemeinern, mißlingen. Das weiß der Zahn nicht, der hat seine Zeit, dann lockert er seine Beziehungen, läßt los, hinterläßt eine Lücke, eine Erinnerung an seine Vollkommenheit. Aber unersetzbar ist er eben auch nicht. Das Gehirn, unser blödes, versagendes, unerbittlich tüchtiges, ist vom ersten Tag an einzigartig eigenartig. Was es bewahren will, trägt es durch die Stürme des Lebens, hütet es, manchmal mit Umhäutungen, die sich wegleben lassen. Aber immer ein Schrein, ein Prahlhänschen, das wie durch Glas, durch Scheiben schimmern läßt, was vergänglich oder einzigartiger Schatz ist.

Über das Herz können uns die Ärzte etwas mitteilen, aber das sagt uns eigentlich nichts, oder vorschnell zuviel, oder das Wichtigste zu spät, oder alles im falschen Augenblick.

Guck dir deine Hände an. Untätig leben sie im Schoß, oft auch, wo sie sich hätten rühren sollen, sich ballen, aneinander klatschen, sich heben, weit über den Kopf - Streichler die, sanfte Beruhiger, starke Beispringer, vorausarbeitende, manchmal verzweiflungsvolle Ausplauderer, wo das unterbrechende Wort fehlte.

Müde Augen, noch nicht unterrichtete, den Unterschied nicht wahrnehmende, verweilende mit dem Blick auf Gewesenes, auf Kommendes, sich schließend vor dem Beweis der Unwiederbringlichkeit. Die Augen, nachblickende, die nichts sehen können, was kein Bild ergibt: Wer zwingt euch, ein Spiegel zu sein, der keinen Abflug aufhalten kann? "Verweile doch, du bist so schön!": Leben, neuer Versuch, Lehre, vielleicht doch Bereicherung und nicht nur Zeichen von Verlust.

Was ist denn dies, das Leben, wenn es nur dein eigenes ist, nur deine Stillung von Hunger und Durst, dein Ende von etwas, dein Neubeginn, deine Fortpflanzung, deine Angst vor dem letzten Augenblick. He, sagen deine Anlagen, sagt deine Erfahrung, rufen deine unausgelebten Triebe, meint deine ungenutzte Chance, es gibt auch mich noch. Ich kann, was ich nie konnte. Gut, das denke ich nicht zum ersten Mal. Warum? Weil ich jetzt die Zeit dazu habe. Ist dir die ungesunde Eile nie aufgefallen?

Ich war immer eilig, habe zu vieles mit schnick-schnack-schnuck entschieden. Auch das, was Bedächtigkeit gebraucht hätte. Die habe ich auch jetzt nicht, aber ich kann sie mir holen, könnte sie aufbringen, aus der verwundenen und aus der beseligenden Erfahrung. Die ist bunt genug, um alles abzudecken, was den Augen sonst allzu offen läge. Das geht jedem so. Da bin ich nichts Besonderes. Aber wahrscheinlich bin doch auch ich auf die Welt gekommen, um sie zu bereichern, vielleicht sogar zu befrieden. Ich erinnere mich des besonderen Gefühls, als ich inmitten sehr unterschiedlicher Meinungsäußerer in mir einen Gedanken entdeckte, der paßte nicht hinein und nicht dazu. Ich kannte den Augenblick der absoluten Trauer noch ebensowenig wie den der vollkommenen Übereinstimmung, den man Glück nennt, oder mit einem anderen übertreibenden Namen belegt. Ich war noch nicht soweit, erst einmal allein und dann weiterzudenken, Widerspruch lag ganz vorn auf der vorlauten Zunge, recht zu behalten war wichtiger, als teilzuhaben an einem noch nicht erkannten Ergebnis. Ich mag mich nicht besonders, wenn ich mich erinnere, daß ich mit schneller Zunge auch anderen Frauen das Wort abgeschnitten habe, daß sie scheinbar so dumm dastanden, wie ich mir hinterher vorkam. "... und dann hat sie gesagt ­...", da gibt es Anekdoten, die hoffentlich nicht bis zur Urenkelin gelangen.

Und nun, heute?

Der Spiegel sagt mir einen Teil der Wahrheit, eigentlich kaum Neues. Was ich sehe, ist ja nicht über Nacht entstanden, wie man manchmal so sagt. Über Nacht schlohweiß geworden, das hab ich als Kind oft gehört und nie gesehen, und eigentlich glaube ich auch nicht daran. Ja, du bist abgegriffen, welk, du hast ein zerknittertes Herz, manchmal ein naßgeheultes Taschentuch, darin sind auch Erinnerungen - vor dem Papierkorb bewahrt, in den sie eigentlich gehörten. Dem Papierkorb, den dir dein Leben hinhält. Vorschnell entleert? Du hättest froh sein können, wenigstens diesen Ballast los zu sein?

Aber du bist damals nicht mitgerannt, als sich - scheinbar! - die Gelegenheit bot, ohne eigenes Zutun alle Chancen auf einmal sehen zu können, vielleicht sogar zu haben, sie waren zum Anfassen nahe. Das Preisschild ziemlich verwischt, kein Wunder! Vielleicht doch ein Wunder, die soll es ja geben. Anderen ist es doch gelungen, den Zipfel zu erwischen - und er war es, mit dem die Tür aufzureißen war, hinter der alles steckte, wofür sich das Leben lohnte. Hinter dir könnten alle Aufhaltungen, durch deinen unzulänglichen Charakter verursacht, verschwinden - wie eine Wolke am sommerlichen Himmel. Ganz leicht und so, als hätte deine Vergangenheit nichts mit dir zu tun. So sollte sie abgelegt werden, mit Zensuren unterschrieben, wie in der Schule damals. Vielleicht mit "ungenügend", vielleicht auch mit dem obrigkeitlichen Vermerk "Thema verfehlt". Da war dein Weg gemeint, auf den du gestellt worden bist. Oder? Bist du ihn gegangen, erst mal los, mit zögerndem erstem Schritt, zunehmend bewußter, du, dein Fuß, dein Gehirn, dein Weg.

Wie du jetzt bist, dieser Mensch, so bist du geworden, und jeder Vergleich hinkt. Die Summe stimmt nicht? Wie sollte sie!

Es ist vieles noch möglich. Du kannst noch etwas abstellen, etwas beginnen. Nicht alles, nein. Damals? War da mehr, sogar alles möglich? Es gab Kreuzungen, von denen aus hattest du die Wahl. Du hättest auf alles spucken können, was dir vorher wichtig war. Das hätte dir Türen geöffnet: du brauchtest nur vorzubringen, daß du für gar nichts konntest, schon immer gegen alles gewesen bist. Daß du abgehalten, gestraft, gehindert wurdest, dein wahres Leben zu wählen. Du hättest sagen können, daß du jetzt erst angekommen bist in deinem immer erträumten Sein.

Warum hast du das nicht gemacht? Warum hast du genauer hingeguckt und die eben zu freudigem Winken erhobene Hand wieder gesenkt, sogar mit Stirnrunzeln, ein bißchen beschämt, wegen Übereifer, der ja gar nicht zum Zug gekommen war. Du hast nur gedacht - und dafür bist du zu rühmen. Hingeguckt und gedacht. Und etwas verstanden, was sich beim Weiterleben als nützlich erwies. Es kam auf dich an! Was du verlachen oder verteufeln solltest, hatte es so nicht verdient. Auch von dir nicht, und was du bejubeln solltest, brauchte seine Ermutigung. Von dir, für dein Leben. In all dem, was du allein oder mit anderen zusammen versucht hast, steckte ein bißchen mehr Mühe, als du für dich selber brauchtest. Ich habe dich einmal in der Menge gesehen, im richtigen Moment, an wichtigem Platz, mit dem nötigen Aufwand, der nötigen Haltung, auch mit einem nötigen Risiko. Niemand als du selbst konnte da über Abwesenheit oder Einsatz entscheiden. Es hat kaum was gebracht, hast du gesagt. Und dann noch einen Satz darüber, daß die Welt sowieso am Abgrund trudelt. Und daß wir eben nichts machen können. Egal! Du lebst. Was das ist? Nicht genug. Aber du bist einzigartig und machst daraus keine einseitige Forderung an alle andern.

Das Leben ist
Gehen und fliegen
Unterliegen und auferstehn
Über zertretenes Gras weitergehn
Leise sein und die Stimme erheben
Wie am Ende und wieder
Eine Seite vom Ich erleben
Sich zwischen Anfang und Mitte
An vorläufige Enden bringen
Und zwischen Aufschrei,
Heulen und Lachen
Das Eigene irgendwie machen

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LESERBRIEFE

Seit längerem bin ich ein begeisterter Leser des "RotFuchs", war selbst längere Zeit Vollzeit-Journalist und schrieb für bürgerliche Medien ebenso wie beispielsweise für die "junge Welt" und weiß daher Eure Leistungen sehr zu schätzen!
Als politischer Aktivist bin ich u. a. in der Funktion des Bundeskoordinators der österreichischen Linken Gewerkschaftsjugend, also der Jugendgruppe des Gewerkschaftlichen Linksblocks, tätig. In dieser Funktion biete ich Euch an, den "RotFuchs" am "Volksstimme"-Fest - ehemals ausgerichtet von der KPÖ - am 2. und 3. September zu verteilen.

Christian Kaserer, Wien


Erst vor kurzem haben wir über den "RotFuchs" erfahren, daß unser "lustiger" Lutz Jahoda ein aktiver politischer Mensch war und ist, der es auch versteht, Romane zu schreiben.
Nachdem wir, meine Frau und ich, uns aus der Bibliothek den ersten Teil seiner Romantrilogie "Der Irrtum" ausgeliehen hatten, waren wir so begeistert, daß wir uns alle drei Teile im Buchhandel gekauft haben.
Obwohl wir "Leseratten" sind, haben wir lange nicht so ein interessantes und schön geschriebenes Werk entdecken können wie die Geschichte aus dem damaligen Brünn im 2. Weltkrieg. Lutz Jahoda ist es gelungen, eine politische und private Geschichte zu erzählen mit einem klaren Klassenstandpunkt, die sowohl politisch überzeugt als auch menschlich zu Herzen geht.
Es war ein Lesegenuß der Extraklasse. Dafür, lieber Lutz Jahoda, auch für Dich als Autor im "RotFuchs", unseren herzlichen Dank!

Waltraud und Harry Schröder, Berlin


Zu Horst Schneider und Vladimiro Giacche: Über die Produktion falscher Geschichtsbilder (RF 234, Beilage)
Was da vom "RotFuchs" als Beilage zu seiner Juli-Ausgabe geliefert wurde, ist aller Ehren wert. Mit dem kompetenten Hintergrundwissen von Prof. Horst Schneider und einem offenen Brief des italienischen Ökonomen Vladimiro Giacché an die "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" liegt eine thematisch abgerundete Darstellung darüber vor, wie, warum und durch wen falsche Geschichtsbilder produziert werden.
Mit erschütternder Logik zieht der Zeitgeist von Goethe über Richard von Weizsäcker bis zu Roman Herzog und dann den Wendehalsapologeten der Bourgeoisie Schäuble, Kinkel und schließlich Gauck als eine Art Negativ-Rekord vorüber. Die Politiker erwiesen sich als "Kommandeure in der 'Erinnerungsschlacht'".
Siegfried Prokop nannte sein Buch in diesem Zusammenhang pointiert "Die DDR hat's nie gegeben". Der rote Faden ahistorischer Logik führte dann mit "Gauckianern" und "Eppelmännern" direkt zur "Totalitarismusdoktrin", um Faschismus und Kommunismus (Stalinismus) als gleich übel verurteilen zu können. Hier ist interessant zu erfahren, daß diese Doktrin bereits Anfang der 50er Jahre von Alexander Abusch als "vergifteter Dolch" erkannt wurde.
Mit der "Wende" wurde statt der sogenannten inneren Einheit der wurmstichige Sieg des Kapitals über den "Kommunismus" stilisiert und mit ideologischem Wunschdenken die Geschichte des Besiegten trendgemäß ignoriert und desavouiert. Aber diese DDR-Geschichte ist es, die vom bundesdeutschen Mainstream immer noch anscheinend als eine Art Phantomschmerz erlebt wird. Denn wenn eine Mischung von Arroganz und Ignoranz zwanghaft sachliche Informationen verdrängen muß, kommt es zu grotesken leidigen Zweckvorstellungen und einer Art Tunnelblick. Da das aber mainstreamgerecht abläuft, ist die Zeit offensichtlich noch nicht reif für eine historisch gerechte und zugleich auch emotionale Entschärfung. So lange muß sich der "historisch belastete" DDR-Bürger noch gedulden.
Der Mainstream-Michel ist zu sehr systemkonform gefangen, als daß er sich auch staatlich demokratisch frei entscheiden könnte. Aber nun müssen wir uns entscheiden: Können wir souverän und demokratisch leben? - d. h. mit Rußland! -, oder liefern wir uns neokolonialglobalisierter Gewalt aus? - d. h. gegen Rußland! Ohne Selbstbehauptung gibt es keine Freiheit!

Dr. Siegfried Lietz, Potthagen


Die etablierten staatstragenden Parteien können sich seit Jahren auf Großspenden aus der Daimler-Zentrale in Stuttgart verlassen. Insgesamt 320.000 Euro hat der Konzernvorstand dafür bewilligt. Jeweils 100.000 Euro bekommen die SPD und die CDU, zudem noch die CSU 40.000 Euro und ebensoviel jeweils Bündnis 90/Die Grünen und die FDP.
Kein Wunder, daß einige Regierungschefs Deutschlands sich selbst als Auto-Kanzler bezeichnen. Die kapitalistische Gesellschaft ist eine Warengesellschaft, in der alles käuflich ist, auch die Menschen, sagte Karl Marx. Man kann sich Parlamentarier, Minister und sogar Regierungschefs kaufen.
Anfang August 2017 hat der Fußballverein "FC Barcelona" seinen Stürmer Neymar an den französischen Verein "Paris Saint-Germain" für 222 Millionen Euro verkauft. Während die Zeitung "Libération" diesen Menschenhandel als "Meisterleistung" feierte, sahen andere darin den "Gipfel der Unanständigkeit". Ich würde sage, das ist nichts anderes als ganz gewöhnlicher Kapitalismus.

Dr. Matin Baraki, Marburg


Vor nicht allzulanger Zeit hieß es noch, daß die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen Suizid sei. Zuletzt geisterte durch die Medien die Schlagzeile, daß die Selbsttötungsrate bei Senioren jenseits des 60. Lebensjahres rasant gestiegen ist. Es konnte dabei nicht verschwiegen werden, daß dies neben Krankheiten wie Depressionen und Suchterkrankungen mit Armut, sozialem Abstieg - verursacht durch Erwerbslosigkeit, Hartz IV und Niedrigrenten - zusammenhängt. Daß Korrelationen zwischen Krankheiten, gesellschaftlichen Defiziten und Lebensmüdigkeit bestehen, wurde nicht untersucht. Hier war der Soziologe Durkheim (1858-1917) schon weiter!

Uwe Moldenhauer, Altena


Die "documenta", seit 1955 die weltweit wohl bedeutendste zeitgenössische Kunstausstellung, hat in Kassel, diesmal gemeinsam mit Athen, ihre eindrucksvollen Kunstschauen beendet. Jede "documenta" hat unverkennbar ihre Spuren hinterlassen. Es sei nur an die Beuys-Bäume und den Himmelsstürmer erinnert. Auf den bisherigen Ausstellungen gab es viel Herausragendes. Was bleibt Kassel und seinen Menschen davon erhalten?
Die Diskussion dazu ist voll entbrannt. Der auf dem Königsplatz erstellte Obelisk ist für die Besucher aus aller Welt bei zentraler Lage und dem hochaktuellen Thema "Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich beherbergt" eine wertvolle Denkhilfe - in Deutsch, Türkisch, Englisch und Arabisch. "Mein Obelisk soll auch an die erinnern, die Flüchtlinge aufgenommen haben", sagt der "documenta"-Künstler Olu Oguibe (USA).
Vergessen wir dabei nicht: Das Elend der Flüchtlinge steht in direktem Zusammenhang mit der weltweiten Rüstungsproduktion. Hessen ist einer der größten Rüstungsstandorte der Bundesrepublik, und Nordhessen entwickelt sich zum Zentrum des deutschen Rüstungsexports und des Militärinterventionismus. Wer den Tod täglich in die Welt schickt, darf sich nicht wundern, wenn Flüchtlinge aus aller Welt zu uns kommen. Darüber sollte man nachdenken. Der Obelisk auf dem Königsplatz kann dabei helfen.

Karl-Heinz Mruck, Kassel


Es ist doch immer wieder sehr erstaunlich, festzustellen, mit welcher zeitlichen Verzögerung im abendländisch-deutschen Vaterland gewisse historische Vorgänge behandelt werden. Insbesondere betrifft das Vorgänge, die nach gutbürgerlichem Gusto unter die Rubrik "peinlich" oder - noch besser - "Wär's nur net gschehn" fallen.
So konnte der aufmerksame Leser am 15. August in der "Mitteldeutschen Zeitung" lesen: "Bund erforscht NS-Geschichte". Dafür stellt die Kulturstaatsministerin immerhin vier Millionen Euro zur Verfügung. Bis 2020 sollen die Mittel ausgegeben sein. Weiter heißt es: "So wird die Universität Kassel unter dem Titel 'Neue Eliten - etabliertes Personal' untersuchen, wie weit der Neuanfang nach 1945 von Menschen geprägt wurde, die auch zu Hitlers Zeiten schon Karriere machten."
Dazu habe ich zwei Bemerkungen: Welche Gründe waren ausschlaggebend dafür, daß in den westlichen Besatzungszonen sehr bald nach 1945 alte Nazis wieder in alle möglichen Führungspositionen aufrückten, obwohl in Nürnberg ihr System als verbrecherisch verurteilt worden war? Unverkennbar ist, daß es dieser Kräfte bedurfte, um Ziele der "alten Garde" irgendwann wieder anzustreben.
Und: Die Verspätung, mit der sich die BRD bemüht, festzustellen, "wie weit der Neuanfang nach 1945 von Menschen geprägt wurde, die auch zu Hitlers Zeiten schon Karriere machten", gebietet, dieses Ansinnen mit sehr großer Skepsis zu beobachten.
Warum? Es ist bekannt, daß es bis 1990 zwei deutsche Staaten gab, die von der UNO anerkannt waren. Der kleinere (mit einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung) übermittelte dem größeren (mit einer kapitalistisch geprägten Ordnung) zu sehr vielen Anlässen gerichtsverwertbares Tatsachenmaterial über Eliten, "die auch zu Hitlers Zeiten schon Karriere machten" - meistens ohne daß dies für die Betroffenen irgendwelche juristischen Folgen gehabt hätte.
Berücksichtigt man diese historischen Tatsachen, kommt man zu dem Schluß, daß das aktuelle "Projekt" offensichtlich Alibifunktion haben soll. Wie schnell war man doch, nachdem sich die größere 1990 die kleinere Republik einverleibt hatte, mit der Verfolgung der dortigen Eliten! Welche juristischen Purzelbäume und andere Artistik wurden aufgeführt, um ihnen "Straftaten" nachzuweisen!
Auf alle Fälle hat die Uni Kassel jetzt eine Gelegenheit, vier Millionen Euro an Steuergeldern zu "verarbeiten". Wohl bekomm's!

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


Zu Reiner Zilkenat: Westberlin und der kalte Krieg (RF 235, S. 7)
Der Beitrag beleuchtet nochmals sehr eindringlich die Rolle, die der "Frontstadt" Westberlin von den Gegnern unserer Republik zugedacht war: ein Mekka der westlichen Geheimdienste und ein "Pfahl im Fleische der DDR". Auch auf justitieller Ebene wurde der Kampf mit allen Mitteln geführt. Der in die Geschichte eingegangene Rundfunkprozeß gegen Gladewitz u. a. macht das sehr deutlich. Nachzulesen ist er neben anderen Verfahren gegen fortschrittliche Kräfte in Westberlin bei Friedrich Karl Kaul, der zahlreiche Betroffene verteidigte, in dessen Büchern "Ankläger auf der Anklagebank" (2 Bände). Auch nach 1990 kam dem auf ehemals westlichem Territorium gelegenen Berliner Landgericht eine Schlüsselrolle bei der Verfolgung von Angehörigen der Partei- und Staatsführung, der Grenztruppen oder Juristen der DDR zu. Als man dort allerdings Ende der 60er Jahre über den einstigen Beisitzer Roland Freislers am Volksgerichtshof, Hans-Joachim Rehse, zu Gericht saß, wurde dieser in der zweiten Runde nach vorangegangener Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. In der Begründung wurde dem Nazistaat ein "Recht auf Selbstbehauptung" zugesprochen und war man in Verkennung der Rolle des Volksgerichtshofes als politisches Terrorinstrument der Auffassung, seine Beweisführung habe sich "im Rahmen sachlicher Überlegungen" gehalten, und die Verhängung der Todesstrafe habe schließlich "der Bekämpfung der Wehrkraftzersetzung" gedient, sie sei deshalb nötig gewesen.

RA Ralph Dobrawa, Gotha


Zu Otto Köhler: Löst den braunen Haufen auf! (RF 234, S. 15)
Will man den politisch-ideologischen Zustand dieser Armee historisch einordnen, greift man mit einem Zeitfenster "Deutscher Volkssturm Wehrmacht" und 1943 zu kurz. Sowohl die Namensgebungen von Kasernen und Truppenteilen nach Kriegsverbrechern und Tötungsspezialisten der faschistischen Wehrmacht als auch deren Verherrlichung ist nicht auf den im Beitrag genannten Zeitraum und die Person Heusinger zu begrenzen. Er umfaßt die ganze Ära Hitlerdeutschlands.
Die Chancen für eine ehrliche Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit im militärischen Bereich wurden bereits bei der Gründung der Bundeswehr vergeben. Ihre Gründerväter haben Hitlers Vernichtungskrieg geführt. Einige Kasernen umtaufen und die faschistische Wehrmacht verherrlichende Zeugnisse aus den Soldatenzimmern und Traditionsräumen entfernen, verhilft keineswegs dazu, daß aus der braun gesprenkelten Aggressionsarmee eine demokratische, etwas antifaschistisch angehauchte "wahre Volksarmee" (Gauck 2012) wird. Will man tatsächlich etwas in den Köpfen der Bundeswehrangehörigen verändern, braucht es mindestens drei Voraussetzungen: 1. Austritt aus dem NATO-Kriegspakt, 2. Rückzug aus allen Kriegsbeteiligungen, 3. Beschränkung auf eine wirkliche Landesverteidigung.

Harry Pursche, Leipzig


Zu "Für einen kräftigen Oppositionswahlkampf!" (RF 235, S. 13)
Die gegenwärtige Lage ist höchst besorgniserregend. Gegen Rußland wird gehetzt, was das Zeug hält. Auch Deutschland ist wieder dabei. Die Rüstungsindustrie in Bayern und Baden-Württemberg arbeitet auf Hochtouren und "verdient" Unsummen mit dem Geschäft des Todes. Kaum gab es die DDR nicht mehr, wurde Krieg wieder möglich. Die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, um Deutschlands Machtansprüchen den Weg zu ebnen. Wie wird das enden?
Ich denke zurück an das Jahr 1945. Im Herbst des Jahres mußte ich als 14jähriger einen Fuder Weizen nach Oranienbaum als Reparationsleistung bringen und Pferd und Wagen dort abgeben, was mir die Tränen in die Augen trieb. Ein junger sowjetischer Hauptmann erklärte mir, warum das notwendig war. Er erzählte, daß die "Wehrmacht" im Krieg in der Ukraine, in Belorußland und in Rußland kein Stück Vieh, nicht mal die Tauben am Leben ließ und die gesamte Ernte vernichtete, um so die Menschen in diesen Gebieten auszuhungern.
Diese Erklärung wurde für mich das erste Erlebnis, das mich vom Pimpf zum Antifaschisten hat werden lassen. Bis heute stehe ich gegen Krieg und Faschismus. Bei den in Kürze stattfindenden Bundestagswahlen werde ich mich für die PDL entscheiden, in der Hoffnung, mit ihr eine starke Opposition zum Kriegskurs der Bundesregierung zu wählen.

Werner Gericke, Berlin


Eine großartige Idee, für die sich britische Friedenskämpfer mit ihren Rädern auf den Weg machten, um auf einer der Routen der traditionellen Friedensfahrt von Prag nach Berlin die Friedensfahrradtour 2017 zu fahren. Ihr Motto "Nein zur NATO - Ja zum Frieden".
Angehörige des Freundeskreises der Sport-Senioren und Vorstandsmitglieder der GRH (Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e. V.) begrüßten die britischen Friedensbotschafter am 4. August am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow. In drei Tagen hatten sie ihr Ziel - Berlin - erreicht.
In einer Grußbotschaft würdigte Täve Schur diese Radtour für den Frieden u. a. mit folgenden Worten: "Ihr radelt auf den Straßen der nach dem 2. Weltkrieg 1952 geborenen Internationalen Friedensfahrt Warschau-Berlin-Prag. Euer Vorkämpfer Jan Steel startete 1952 mit der britischen Nationalmannschaft bei der Friedensfahrt und gewann die Gesamtwertung, ohne einen einzigen Etappensieg errungen zu haben. ... Der 1. Paragraph unseres Reglements lautete damals 'Die Internationale Friedensfahrt verbindet den sportlichen Wettkampf mit dem gemeinsamen Streben der Völker, den Weltfrieden zu festigen und die friedliche Koexistenz zur Grundlage der Beziehungen zwischen den Staaten verschiedener Gesellschaftsordnungen zu machen.
Ihr demonstriert die Entschlossenheit aller Teilnehmer, für dauerhaften Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit der Völker einzutreten.'
In diesem Sinne radelt ihr in dieser immer kriegerischer werdenden Welt für eine friedliche Welt ohne NATO und ohne Krieg. Ich bin an Eurer Seite für einen sicheren Frieden in der Welt."

Heidi Richter, Berlin


Zu Liane Kilinc: "Immer lebe die Sonne!" (RF 235, S. 16)
Der Artikel hat mich sehr berührt. Die Autorin berichtet darin über ihre Fahrt in die Ukraine, die das Ziel hatte, Hilfe für die leidgeprüften Menschen im Donbass zu leisten. Ganz spontan kam der Wunsch, die künftigen Aktionen selber unterstützen zu wollen. Ein Gespräch mit Frau Kilinc ergab, daß im Oktober/November eine weitere Fahrt mit einem LKW in das Krisengebiet geplant ist, und daß die Organisatoren für Hilfe jeder Art sehr dankbar sind. So konnte ich auf die Kontonummer DE56 1009 0000 2582 7930 02 zu Händen von Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe e.V. eine Spende überweisen. Aber ich habe auch einen Sack Wolle für die fleißigen Strickerinnen sowie Beutel mit Kuscheltieren, gestrickten Socken und Bettwäsche bereitgestellt. Auch 20 Kugelschreiber und Filzstifte werden nun in den nächsten Tagen nach Wandlitz geschickt, um dann auf die weite Reise in den ukrainischen Winter zu gehen.

Hanna Spiegel, Oranienburg


Die "Gretchenfrage" "Nun sag, wie hast du's mit der Religion? aus Goethes "Faust I" ist gerade auch heute aktuell. Goethe stellt die zwei Gesellschaften seiner Zeit dar, die strenggläubige Margarete aus einfachen Verhältnissen, welche den Glauben an Gott in den Mittelpunkt stellt, und den aufklärerischen Wissenschaftler Faust, der argumentiert, er könne genauso leben wie Margarete, auch ohne den Glauben an Gott.
Nun lese ich von Herrn Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz in einem Artikel in der "Thüringischen Landeszeitung" vom 29. Juli: "Ohne Gott wird unsere Gesellschaft erbarmungslos." Und: "Wir Christen haben einen Auftrag, die Welt zu durchdringen mit dem Geist des Evangeliums. Geht in alle Welt, sagt Jesus."
Aber warum verlieren dann die zwei größten Kirchen immer mehr Gläubige?
Nach aktueller Kirchenstatistik hatte die römisch-katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2016 23,6 Millionen Mitglieder (1990 über 28,5 Mill.). Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte 2016 etwa 22 Mill. Mitglieder (1990 ca. 29,4 Mill.). Wohlstand, Bildungsniveau und die soziale Absicherung sind für viele Menschen vorhanden, deshalb benötigen sie immer weniger die Kirche in ihrem Alltag und sparen sich noch dazu die Kirchensteuer. Die Kirche ist heute für die Menschen kein Vorbild mehr. In der DDR war das eine kritische Kirche. Jetzt ist das eine konservative staatstragende Kirche und gibt sich mit der römisch-katholischen Caritas und dem evangelischen Diakonischen Werk als sozial. Aber stimmt das?
Vom Staat bekommen die Kirchen zu ihrem Haushalt jährlich rund 460 Millionen Euro von den Steuerzahlern dazu.
Herr Bischof Wolfgang Ipolt macht in dem o. g. Beitrag die DDR verantwortlich für den Rechtsruck in der Gesellschaft. Was tut aber seine Kirche gegen die sozialen Abstiegsängste der Menschen im heutigen kapitalistischen System, wo schnell Schuldige gesucht und einfache Antworten gefunden werden? Sollte seine Kirche nicht besser zurück zu ihren Wurzeln gehen?

Stanislav Sedlacik, Weimar


Mit dem Buch "Die Berliner VP-Bereitschaften in Basdorf" (ISBN: 978-3-947094-02-0), für das Generalleutnant a. D. Karl-Heinz Schmalfuß das Vorwort geschrieben hat, wird eine Lücke in der Geschichtsschreibung geschlossen. An dem Sachbuch, in dem die Geschichte der VP-Bereitschaften besonders für den Raum Berlin und Basdorf festgehalten wird (es erscheint in Kürze im Verlag am Park), haben sieben frühere Offiziere der 17., 18. und 19. VPB mitgewirkt. Erstmalig wird darin die Rolle der 1. Mot. Brigade der Bereitschaftspolizei bei den Grenzschließungsmaßnahmen am 13. August 1961 publiziert und an weitere bedeutende Einsätze der Berliner VPB zur Gewährleistung einer stabilen Ordnung und Sicherheit in der Hauptstadt der DDR anhand von Originaldokumenten und Zeitzeugenaussagen erinnert. Am Ende wird über die Auflösung ihrer Einheiten im Jahr 1990 berichtet.

Oberstleutnant a. D. der VP Ernst Hornig, Berlin


Der Wahlkampf war gerade angelaufen, und Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linkspartei, gab der evangelischen Kirchenzeitung "Idea" ein Interview u. a. zu Glaubensangelegenheiten. Bartsch kenne ich von den Medien und von persönlichen Streitgesprächen.
Über das Profil von "Idea" erfuhr ich: konservativ, bibelfest, also kein werteneutraler Anschein. "Idea" möchte eine geistige und geistliche Orientierung angesichts einer Gesellschaft, die sich im Verfall befindet, vermitteln. Auf diesen Zug traute sich der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag aufzuspringen und bekundete: "Den Satz 'Ich glaube an Gott' könnte ich nicht sagen. Aber ich finde, daß eine Gesellschaft ohne Glauben sehr problematisch wäre." Also nur die Gesellschaft, er selbst nicht? Steht er außerhalb und über den Dingen? Aber er müßte doch wissen, daß erst die Summe der Individuen die Gesellschaft ausmacht. Oder will er jetzt ernsthaft mithelfen, die vielen Kirchenaustritte zu stoppen? Als bemerkenswert gegenüber "Idea" erwähnte er noch einen angeblichen "Kampf der SED gegen die Kirchen", daß er die Bibel im Bundestag vermutlich am meisten zitiert hätte und wir alle unabhängig vom Glauben christlich-jüdisch geprägt seien. Diesmal schloß er sich mit ein.

Karl Scheffsky, Schwerin


Im Frühjahr 2017 wurde die Bürgerinitiative (BI) "Gedenktafel für Werner Seelenbinder in Köpenick" als gemeinsame Initiative vom Bürgerverein Allende-Viertel Köpenick e. V. (BVAK), dem Rabenhaus e. V., der VVN-BdA Köpenick und des BdA Treptow sowie weiteren Unterstützern gegründet. Die BI möchte vor dem Hintergrund der Ablehnung des NPD-Verbots durch das Bundesverfassungsgericht im Januar 2017 ein Zeichen aktiven Antifaschismus setzen. Die BI-Initiatoren formulierten und verbreiteten einen Aufruf. Das Projekt wurde in dem überparteilichen Bündnis für Demokratie und Toleranz vorgestellt und hat zwischenzeitlich viele weitere Mitstreiter gewonnen.
Das Ziel der Bürgerinitiative ist zunächst die Wiederherstellung und Wiederanbringung der Gedenktafel für den von den Nazis ermordeten Antifaschisten an ihrer alten Stelle, am Gebäude des Amtsgerichts Köpenick am Mandrellaplatz. Genau dort fehlt nämlich die ursprüngliche Tafel seit 2003. Es gab bis heute keine Aufklärung des Falls durch die Polizei - die Tafel ist und bleibt verschwunden.
Zwischenzeitlich gab es einen Versuch ihrer Wiederanbringung durch die VVN-BdA Köpenick, der allerdings scheiterte, da das Amtsgericht Köpenick dies verhinderte. Ein kleiner Gedenkstein wurde verschämt auf dem öffentlich nicht zugänglichen Hof des Amtsgerichts aufgestellt; darauf wird Seelenbinder nur noch als Opfer dargestellt. Der mutige Kämpfer gegen Faschismus, Imperialismus und Krieg hat ein würdigeres Gedenken verdient!
Die Kosten für die Tafel belaufen sich nach aktuellem Stand auf ca. 3500 €, weitere Kosten fallen noch für die Bewerbung der Initiative und Beschaffung weiteren Materials an. Der Auftrag für die Anfertigung der Kopie anhand eines Fotos wurde bereits erteilt.
Die bis jetzt durchgeführten Info-Stände fanden große Beachtung bei den Besuchern. Mit deren Unterstützung konnte bereits ein Spendenaufkommen von ca. 2200 € erzielt werden. Mit Mitteln aus der Kiezkasse der Köpenicker Dammvorstadt in Höhe von 600 € ist somit schon viel, aber noch nicht alles erreicht. Für weitere Spenden (Gedenktafel Seelenbinder, Berliner Volksbank e. G., IBAN DE28 1009 0000 2683 1530 04, BIC BEVODEBB) wären wir deshalb sehr dankbar. Zugleich laden wir zur Einweihung der Tafel herzlich ein, die am Mittwoch, dem 25. Oktober, um 17 Uhr am Mandrellaplatz in Köpenick stattfinden wird - begleitet von einem kleinen Rahmenprogramm.
Da inzwischen sehr viel Material zusammengekommen ist, darunter auch einiges neue, planen wir, eine Bibliographie über Werner Seelenbinder sowie eine Ausstellung zu erarbeiten. Wer etwas über ihn, sein Leben und zur Geschichte seiner Ehrung in Berlin und Leipzig mitteilen kann - sei es als Zeitzeuge oder durch bisher unbekannte Quellen -, den bitten wir um Mithilfe (BVAK e. V. z. Hd. Torsten Postrach, Vorsitzender, Pablo-Neruda-Str. 24, 12559 Berlin, Tel. 0049 30 70 24 61 94).

Michael Fuchs / Torsten Postrach, Berlin


Ich bemühe mich seit einiger Zeit, die Anlässe für den Koreakrieg und den Vietnamkrieg in meinem Gedächtnis wiederzubeleben. Klappt leider nicht, aber auch die Suche im Internet erbrachte keine zufriedenstellenden Ergebnisse, da in den bürgerlichen Medien dazu die Wahrheit unter den Tisch gekehrt wird.
Im Zusammenhang mit einer vor Jahren gehörten Meldung, daß die USA in den 30 oder 40 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 50 Kriege oder Umsturzversuche in anderen Ländern begangen haben, dies sich in den folgenden Jahren nur noch verschlimmerte, komme ich zu der Feststellung: Die Geschichte der USA ist eine Geschichte der Gewalt. Sie beginnt mit dem Genozid an der indianischen Urbevölkerung ("Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer" ...), setzte sich fort mit der Wiedereinführung der Sklaverei, den Sezessionskriegen, der Eroberung fremder Territorien (Teile von Mexiko), der jahrzehntelangen Tätigkeit des Ku-Klux-Klan, der Ermordung eigener Präsidenten, des Umsturzes in Nikaragua, dem Sturz der demokratisch gewählten Regierung in Chile usw. usf. Und in diesem Zusammenhang geht es mir auch um den Korea- und den Vietnamkrieg, der von den USA provoziert wurde.
Übrigens läßt sich die Aussage, nur ein toter Indianer sei ein guter Indianer, auch auf die Nazis beziehen, die sagten, nur ein toter Kommunist sei ein guter Kommunist.

Werner Harzbecker, E-Mail


Zu "Gedanken zur Oktoberrevolution" (RF 235, S. 18)
Nicht alle Autoren der in diesem Beitrag zitierten "Gedanken" sind mir bekannt. Ich würde mich über kurze biographische Hinweise freuen, um das Zitierte besser einordnen zu können.

Alfred Wieser, Esslingen

Martin Andersen Nexö (26.6.1869-1.6.1954): dänischer Romancier und Novellist, "Ditte Menschenkind", siehe u. a. RF 216, S. 27

Ernst Toller (1.12.1983-22.5.1939): deutscher Dramatiker, Lyriker und Erzähler, "Quer durch. Reisebilder und Reden", siehe u. a. RF 199, S. 27

Franz Blei (18.1.1871-10.7.1942): österreichischer Novellist, Lustspielautor und Literaturkritiker, "Zeitgenössische Bildnisse"

Rudolf Kayser (28.11.1889-5.2.1964): deutscher Literaturhistoriker, Chefredakteur der "Neuen Rundschau" von 1924 bis 1932

Manfred Hausmann (10.9.1898-6.8.1986): deutscher Erzähler, Lyriker und Dramatiker, "Abel mit der Mundharmonika"

Alfred Kerr (25.12.1867-12.10.1948): deutscher Theaterkritiker und Lyriker, "Walter Rathenau"

Klaus Mann (18.11.1906-21.5.1949): deutscher Romanschriftsteller, Erzähler und Essayist, "Mephisto"

*

Korrektur zu RF 236, S. 28 (Protest gegen Geschichtsfälschung ­...)
Monika Grütters (CDU) ist nicht "thüringische" Kulturstaatsministerin, wie es bei uns fälschlich hieß, sondern Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Kulturstaatsministerin).

*

RF-Bezugsbedingungen

Kurze Nachricht per Telefon oder E-Mail oder Briefpost an den Vertriebsleiter Armin Neumann genügt.

Er ist folgendermaßen erreichbar.
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E-Mail: arminneumann@ewt-net.de
Adresse: Salvador-Allende-Straße 35, 12559 Berlin

Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.


IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.
Postfach 02 12 19, 10123 Berlin

REDAKTION: Wolfgang Metzger, (V.i.S.d.P.)
Arnold Schölzel, Bruni Steiniger
Anschrift:
Bruni Steiniger
Klopstockstr. 19, 12623 Berlin,
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HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net
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Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 28. eines Monats.

AUTORENKREIS:
Florian Adler
Joachim Augustin
Dr. Matin Baraki
Konstantin Brandt
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Ralph Dobrawa
Dr. Peter Elz
Bernd Fischer
Peter Franz
Bernd Gutte
Helmuth Hellge
Eberhard Herr
Erik Höhne
Lutz Jahoda
Rico Jalowietzki
Ralf Jungmann
Christa Kozik
Marcel Kunzmann
Rudi Kurz
Dr. Dieter Laser
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Prof. Dr. Herbert Meißner
Jobst-Heinrich Müller
Horst Neumann
Cornelia Noack
Prof. Dr. Gerhard Oberkofler (Innsbruck)
Prof. Dr. Horst Schneider
Prof. Dr. Rolf Sieber
Gisela Steineckert
Marianne Walz
Johann Weber
Theodor Weißenborn
Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)
Edda Winkel
Dr. Reiner Zilkenat

KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Dieter Eckhardt, Siegfried Lachmann,
Heinrich Ruynat, Gertrud Zucker

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Quelle:
RotFuchs Nr. 237, 20. Jahrgang, Oktober 2017
Redaktion: Klopstockstr. 19, 12623 Berlin,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2017

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