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ROTFUCHS/201: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 247/248 - August/September 2018


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

21. Jahrgang, Nr. 247/248 - August/September 2018



Aus dem Inhalt
  • Nein zur NATO! Nein zu Trumps Kriegen!
  • Der "Ernstfall Frieden" muß gelernt werden
  • Brasilien am Scheideweg
  • Das Münchner Diktat - 80 Jahre später
  • "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" oder Konterrevolution?
  • Der DGB unterstützt den Appell "Abrüsten statt aufrüsten!"
  • DKP, UZ-Pressefest und der "RotFuchs"
  • Rußland - internationaler Friedens- und Stabilitätsfaktor
  • Rußland und China sichern globale Balance
  • Die Berliner Krise 1948/49 (1)
  • Fritz Cremer (22.10.1906 - 1.9.1993)
  • Verantwortung, ja - aber wofür?
  • Die FDJ - 70 Jahre Mitglied des WBDJ
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

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Wir wollen eure Kriege nicht!

Gegensätze zwischen Teilen des Großkapitals und Kampf untereinander sind imperialistischer Herrschaft wesenseigen. Zu ihr gehört aber auch Einigkeit aller Kapitalfraktionen in einer Frage: Eigentumsverhältnisse und Macht der Monopole müssen erhalten bleiben. Das gilt auch für die Bundesrepublik. Es gab in ihrer Geschichte immer wieder harte politische Auseinandersetzungen um taktische Fragen. Die "Staatsräson" berührte das nie.

Worin besteht sie? Erster Punkt war und ist die Aufstellung einer Nachfolgearmee der Wehrmacht gegen die Sowjetunion beziehungsweise gegen Rußland, um die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges rückgängig zu machen. Dafür wurde der Staat gegründet.

Zweitens die letztliche Unterordnung unter die USA auch bei schweren Differenzen und Interessengegensätzen.

Drittens: keine Abstriche am Führungsanspruch des deutschen Imperialismus auf dem europäischen Kontinent, aber keine Alleingänge mehr wie 1914 oder 1939. Diktate oder Krieg gegen andere Staaten nur im Rahmen der NATO.

Die Bundeskanzlerin erhob 2008 zum vierten Punkt der deutschen Staatsräson den Schutz des Existenzrechts Israels, immerhin einer Atommacht. Das war nicht ernst gemeint, ist aber als Waffe gegen den innenpolitischen Gegner, vor allem die Partei Die Linke, nützlich. Kritik an aggressiver Siedlungspolitik oder gar Aufrufe zum Boykott Israels werden seither verstärkt als "Antisemitismus" etikettiert ebenso wie schon die geringste Kritik an den sich in Tel Aviv an der Macht befindenden extremen Rechten.

Im sogenannten Asylstreit zwischen CDU und CSU ging es im Kern um die drei ersten Punkte. Innerhalb der deutschen herrschenden Klasse bilden sich unterschiedliche Strategien heraus. Sie lassen sich grob so beschreiben: Richtschnur Merkels sind die Interessen der deutschen Exportindustrie. Sie bleibt z. B. in den wirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit den USA hart, folgt aber deren Forderung, die Aufrüstung gegenüber Rußland zu beschleunigen und Sanktionen zu verschärfen. Bei ihren Gegnern sind Sympathien für das "America first" Trumps unverkennbar (Markus Söder: "Die Zeit des geordneten Multilateralismus ist vorbei."), allerdings plädieren sie für weniger Konfrontation im Umgang mit dem Osten. Merkel plädiert für die Stärkung der EU, Seehofer und Co. wollen zurück zu einem "Europa der Vaterländer" und zu nationalen Alleingängen. Merkel geht es darum, Repression und Abschottung mit liberaler Fassade zu versehen (das Bild vom "häßlichen Deutschen" schadet der Exportquote).

Die Fronde in CDU und CSU sowie den Spitzen des Beamtenapparates, der Justiz und der Bundeswehr, die gegen sie kämpft, will einen präventiven Bürgerkriegsstaat jenseits des Grundgesetzes. Die sogenannte Asylkrise ist ein Aufhänger, um für echte Krisen zu trainieren. Internierungslager können auch für innenpolitische Gegner verwendet werden. Die Merkel-Gegner setzen wie die AfD auf soziale Demagogie und Rassismus, auf eine "neue" herrschende Ideologie nach und neben dem Neoliberalismus. Der erste Angriff scheiterte am 2. Juli vorläufig. Die Wahrheit der Koalitionspolitik zeigte sich an den folgenden Tagen. Die Regierungsfraktionen verabschiedeten den Kriegsetat 2018: vier Prozent mehr als 2017, 38,52 Milliarden (= 38.520.000.000 !) Euro. Im kommenden Jahr sollen es 42,9 Milliarden (= 42.900.000.000 !) Euro sein. Der Zuwachs soll sich beschleunigen.

Der Antrag der Fraktion Die Linke, das "Verteidigungs"-Budget um 5,1 Milliarden Euro zu kürzen und insbesondere alle zwölf aktuellen Auslandseinsätze zu beenden, wurde abgeschmettert. Mehr Rüstung und mehr Krieg sind Konsens im Regierungslager - wie stets in der BRD-Geschichte gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit. "Abrüsten statt aufrüsten" bleibt der zentrale Punkt der Klassenkämpfe in Deutschland.

Arnold Schölzel

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- Bitte beachten!

Der nächste "RotFuchs" (Nr. 249) erscheint nach einer Sommerpause am 1. Oktober. Die Veranstaltungsübersicht für September liegt diesem Heft (Doppelnummer 247/248) bei.

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Nein zur NATO! Nein zu Trumps Kriegen!

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Koalition der Kriegswilligen

Deutschland beteiligt sich an einer neuen europäischen Militärformation. Die Europäische Interventionsinitiative, die auf einen französischen Vorstoß zurückgeht, steht EU- wie auch Nicht-EU-Staaten offen; sie soll schnelle Entscheidungen über gemeinsame Kriegseinsätze ermöglichen und die bisherige EU-Militärkooperation ("PESCO") um eine operative Komponente erweitern. Bereits für September ist eine erste Zusammenkunft der militärischen Führungsstäbe der - bislang - neun beteiligten Staaten angekündigt. Mit dabei sind Großbritannien, das auch nach dem EU-Austritt die Militärzusammenarbeit mit dem Kontinent fortsetzen will und Dänemark, das seiner Bevölkerung einst das Recht der Nichtbeteiligung an der EU-Militärpolitik zugestanden hat, dies nun aber umgehen kann, weil die Interventionsebene offiziell nicht innerhalb der EU angesiedelt ist. Experten sprechen von einer europäischen "Koalition der Willigen". Deren Gründung geht mit milliardenschweren Militarisierungsplänen der EU-Kommission und mit teuren deutsch-französischen Rüstungsprojekten einher.

German-foreign-policy

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Verteidigung = Angriff?

Ist heute von "Landesverteidigung" die Rede, scheint es, als sei dieser Begriff ein Synonym für "Angriff" und "Aufrüstung". Selbst in dem führenden deutschen Rüstungsunternehmen Rheinmetall gibt es den Unternehmensbereich Defence, der "Verteidigungs- und Rüstungsgüter", also Waffen und Munition, herstellt. Rheinmetall verfügt über langjährige Erfahrungen bei der Produktion von Tötungsmaschinen der unterschiedlichsten Art, deren Einsatz im 1. Weltkrieg einen ersten Höhepunkt erfuhr, als das Unternehmen zu einem der größten Rüstungshersteller in Deutschland aufstieg und enorme Profite erzielte. Nach dem Krieg mußte man - im Ergebnis des Versailler Vertrages - auf zivile Produkte umstellen. Mit dem erneuten Erstarken des deutschen Imperialismus und der Machtübergabe an die Faschisten begann auch für Rheinmetall eine neue profitträchtige Ära. Im Auftrag des Reichskriegsministeriums wurden ab den 30er Jahren Waffen, Munition und Geschütze geliefert. Planmäßig ging man daran, die waffentechnischen Grundlagen für den 2. Weltkrieg und den Krieg gegen die Sowjetunion zu schaffen. Erprobt wurden die neuen Waffen schon damals auf dem heute größten Truppenübungsplatz von Rheinmetall in der Colbitz-Letzlinger Heide im Osten Deutschlands.

Nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus sah sich das Unternehmen Rheinmetall veranlaßt, zunächst auf zivile Produktion umzustellen. Währenddessen liefen aber bereits umfangreiche Maßnahmen zur Schaffung von Grundlagen für eine Wiederbewaffnung, darunter auch der Wiederaufbau der Rüstungsunternehmen. Von der Öffentlichkeit unbeachtet, ließ Bundeskanzler Konrad Adenauer im November 1949 von ehemaligen Generalen der faschistischen Wehrmacht ein Gutachten zur Wiederaufrüstung der Bundesrepublik anfertigen.

Unter der Bevölkerung der BRD war Anfang der 50er Jahre die Bereitschaft, wieder eine Waffe zu tragen, noch recht gering; die große Mehrheit sprach sich gegen eine Wiederbewaffnung aus.

Selbst Franz Josef Strauß sagte 1949 in einer Wahlrede: "Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen."

Adenauer manövrierte. Einerseits versicherte er, daß eine Entmilitarisierung der Bundesrepublik aufrechterhalten würde. "Mit allen Mitteln soll die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte verhindert werden", versprach er.

Andererseits bekannte er in einem Interview, das er im Dezember 1949 einer amerikanischen Zeitung gab, er sei nun wegen der "Bedrohung aus dem Osten", die eine Gefahr für das "Abendland" und die "christliche Kultur" darstelle, "für die Schaffung einer europäischen Armee, der auch eine westdeutsche Streitmacht unter einem gemeinsamen europäischen Oberkommando angehört ..." Im neu gewählten Bundestag leugnete er (nach einer entsprechenden Anfrage der KPD), jemals eine solche Aussage gemacht zu haben. Adenauer wörtlich: "Artikelinhalte über eine Wiederbewaffnung sind frei erfunden. Die Aufstellung deutscher Divisionen ist mehr als absurd." Was sich tatsächlich vollzog, ist bekannt.

Rheinmetall stand an der Spitze der forcierten Rüstungsproduktion. Zügig wurden die bereits seit dem 1. Weltkrieg praktizierten Schritte zur Aufteilung des Unternehmens in Tochterunternehmen, Holdings und Zweigbetriebe fortgesetzt. Mit Gründung der Bundeswehr zeichneten sich neue Perspektiven für Höchstgewinne der Rheinmetall GmbH ab. Zunächst wurde mit der Produktion von Maschinengewehren und Munition "ganz klein" begonnen. Bereits 1958 erfolgte dann der Einstieg in die Entwicklung von Panzerwaffen für die Bundeswehr, Mitte der 60er Jahre der Bau immer schwererer moderner Waffen. Offiziell betonte man, diese Waffen dienten ausschließlich der "Verteidigung".

Die Finanzierung der Waffenproduktion durch das Finanzkapital - sprich die Banken - ist garantiert. Genutzt werden hierzu u. a. Einlagen der Bankkunden.

Aufschlußreich ist ein kürzlich erschienener Beitrag in der Chemnitzer "Freien Presse" unter der Überschrift: "Auftragsflut für Rüstungsgeschäft": "... Eine Auftragsflut im 1. Quartal bestärkt Rheinmetall in seinen Wachstumsplänen für das laufende Jahr. Weil die Rüstungssparte ihren Auftragseingang mehr als verdoppelte, legt das Bestellvolumen im Vergleich zum Vorjahr konzernweit um 40 % auf fast 1,6 Milliarden Euro zu ..."

Auch die rigorose Durchsetzung der Konzerninteressen mittels Korruption und Bestechung von Regierungsmitgliedern und Konzernvertretern in den von Krisen geschüttelten Ländern spielt keine unbedeutende Rolle bei der Realisierung der Konzernphilosophie. Die Bundesregierung schiebt dem keinen Riegel vor. Das Rüstungskontrollgesetz kann durch die Konzerne (Deutschland hat nicht nur Rheinmetall) bewußt umgangen werden, indem sie Waffen und Munition über ihre im Ausland ansässigen Tochterfirmen abwickeln, die nicht der Kontrolle der Bundesregierung unterliegen. Ihrerseits hingegen werden keine gesetzlichen Regelungen für ein Verbot dieser "Umwegexporte" in Krisengebiete auf den Weg gebracht - ein Geben und Nehmen also. "Wir schränken die Rüstungsexporte weiter ein", so steht es tatsächlich im Ergebnispapier der Sondierungsgespräche von CDU/CSU und SPD Anfang 2018. Mit solchen Aussagen will man das Volk erneut für dumm verkaufen, denn die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Warum ist das so? Man will den Schein wahren, daß Deutschland die Rüstungsexporte in Krisengebiete mittels Gesetz untersagt, zugleich aber die Belieferung mit modernsten Waffen durch die Rüstungsfirmen ermöglichen. Und nicht zu vergessen - die Rüstungskonzerne führen einen nicht unerheblichen Teil von Steuern an den Staat ab. Tatsächlich steigen die Rüstungsausgaben weiter, während Kommunen, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime und eine Vielzahl weiterer Einrichtungen und Menschen vergeblich auf finanzielle Unterstützung hoffen. Die Verflechtung des militärisch-industriellen Komplexes mit der Politik ist offensichtlich, so u. a. durch den ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der dem Aufsichtsrat von Rheinmetall angehört, sowie den ehemaligen Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der zum Cheflobbyisten bei Rheinmatall avancierte. In Niebels Verantwortung als Minister lag es u. a., Waffenexporte in Krisengebiete zu genehmigen. (Genaue Informationen zu diesen Verflechtungen lieferte u. a. auch der Dokumentarfilm "Armeen im Griff der Konzerne. Verteidigung als Geschäft" von Jutta Pinzler, den Arte am 12. Juni zeigte.)

Heute wird nach zwei verheerenden Kriegen wieder verstärkt an der Rüstungsspirale gedreht. Erneut ist Rußland der "Feind". Aber es gibt Menschen, die aus den unterschiedlichsten Motiven gegen den Rüstungswahnsinn mobil machen. 2017 wurden der Rheinmetall-Vorstandsvorsitzende Armin Papperger und der Vorsitzende des Aufsichtsrates Ulrich Grillo sowie weitere Großaktionäre mit der Verleihung des internationalen Schmähpreises "Black Award" angeprangert. In der Begründung heißt es: "Sie treten den Umweltschutz, Frieden und Menschenrechte mit Füßen. Rheinmetall fördert Krieg, ruiniert Menschenrechte und zerstört die Umwelt. Auch illegale Waffendeals, Steuerhinterziehung und Kriegstreiberei zeigen, wie die Verantwortlichen von Rheinmetall für die Profitmaximierung Ethik und Moral mißachten. Sie nehmen durch ihr Handeln den Untergang der Erde ... in Kauf."

Dies nehmen die NATO-Verteidigungsminister und offensichtlich auch die Bundesregierung nicht erst seit heute billigend in Kauf: NATO-Kommandozentrale in Ulm, Vergrößerung der schnellen Eingreiftruppen, geplante Steigerung der Rüstungsausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts, gezielte Aufrüstung gegen Rußland usw. Hinzu kommen steigende Rüstungsexporte nach Australien, Südkorea und andere asiatische Staaten. Man will mit deutschen Waffen bei aktuellen und künftigen Auseinandersetzungen dabei sein.

Es geht uns um den Erhalt unseres Planeten. Dafür lohnt der Kampf.

Dietmar Hänel, Flöha

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Der "Ernstfall Frieden" muß gelernt werden

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Rußland, der Westen und der zweite kalte Krieg

Der studierte Theologe Paul Rohrbach (1869-1956) war vor allem als politischer Publizist tätig. Von 1900 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 gehörte er zu den einflußreichsten Autoren auf dem Gebiet von Kolonial- und Außenpolitik des deutschen Kaiserreichs. Seine Spezialität war ein "ethischer Imperialismus", was im Klartext hieß: Nationalismus, protestantisch gefärbter Kulturchauvinismus und Rassismus. 1912 hieß es bei ihm: "Neger, Kanaken und Chinesen zu nützlichen Menschen erziehen".

Ab 1914 arbeitete Rohrbach in einer Dienststelle des Auswärtigen Amtes und befaßte sich vor allem mit dem Kriegsgegner Rußland. Jörg Kronauer schreibt in seinem Buch "Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Rußland, der Westen und der zweite kalte Krieg", Rohrbach habe dabei die Nationalbewegungen etwa im Baltikum, in der Ukraine und in Georgien in den Blick genommen und gefordert, "das Zarenreich müsse 'in seine innerlich nicht zusammengewachsenen historisch-geographischen Bestandteile zerlegt' und anschließend durch 'ein osteuropäisches Staatensystem' ersetzt werden".

Nur wenn Rußland stark verkleinert werde, könnten Deutschland und die abendländische Kultur "Ruhe und Sicherheit vor Rußland erhoffen". Rohrbach fand dafür das Bild einer Orange: Wie diese "aus einzelnen leicht voneinander lösbaren Teilen" bestehe, "so das russische Reich aus seinen verschiedenen Gebietsteilen". Das Konzept wurde rasch verwirklicht: Berlin wünschte sich "Pufferstaaten" wie Polen und Ukraine, also wurden ab April 1915 z. B. "Ukrainerlager" eingerichtet, in denen Kriegsgefangene nationalistisch präpariert wurden.

Nach der Lektüre von Kronauers Buch läßt sich das Resümee ziehen: Geändert hat sich seit Rohrbachs Zeiten wenig. Das Konzept zur Zerlegung Rußlands wurde nach dem Untergang der Sowjetunion von NATO und EU zu einem großen Teil verwirklicht. Das reicht dem Westen allerdings nicht, der Appetit kam beim Essen. Das vierte und abschließende Kapitel seines Buches beginnt der Autor mit folgender Zusammenfassung: "Deutschland, seit 1990 gewaltig erstarkt, hatte Kurs auf eine neue Runde seiner Expansion nach Osten genommen und hielt um jeden Preis daran fest. Die Vereinigten Staaten waren trotz erster Rückschläge weiterhin bemüht, sich im unmittelbaren russischen Einflußgebiet festzusetzen. Rußland wiederum, im Prozeß der Konsolidierung begriffen, ließ keinerlei Neigung erkennen, sich von den westlichen Mächten immer weiter schwächen zu lassen. Den Funken an die Lunte gelegt haben schließlich Berlin und Washington, als sie im November 2013 alles auf eine Karte setzten, um die Ukraine durch einen Umsturz in Kiew aus ihrer bisherigen Mittelstellung zwischen Ost und West nun komplett auf ihre Seite zu ziehen." Die daraus resultierende "Eskalation der Spannungen" nennt Kronauer "den neuen kalten Krieg".

Und der hat es ebenso in sich wie der alte. Im ersten Kapitel, in dem Kronauer Kontinuitäten deutscher Rußland-Politik seit dem Ersten Weltkrieg herausarbeitet, insbesondere das Schwanken der deutschen Bourgeoisie zwischen Kooperation und Aggression, schreibt er, der (erste) kalte Krieg sei "in der Bundesrepublik nie nur als Systemkampf, sondern stets auch als Kampf zur Zerschlagung des sowjetischen, zuvor russischen Staatsgebiets geführt worden". Das sei nach dem Ende der DDR rasch geschehen, danach habe sich die deutsche Außenpolitik darauf konzentriert, die "Positionsgewinne der 1990er Jahre zu konsolidieren". Sie förderte aber zugleich weitere Umsturzversuche, etwa in Belarus. Schwerpunkt der US-Politik (2. Kapitel) gegenüber Rußland sei dagegen gewesen, dessen Schwäche gezielt zum Ausbau "US-amerikanischer bzw. transatlantischer Machtpositionen" zu nutzen. Leitend war dabei die Einschätzung des US-Sicherheitsexperten Zbigniew Brzezinski (1928-2017), nur ein Rußland, das die Kontrolle über die Ukraine behalten hätte, habe eine Chance, wieder "Anführer eines durchsetzungsfähigen europäischen Imperiums" zu werden. Laut Kronauer verband Rußland dagegen innere Konsolidierung und äußere Stabilisierung (3. Kapitel), etwa durch neue Allianzen mit China und anderen asiatischen Staaten. Der Autor entlarvt nebenbei einige Mythen der westlichen Propaganda über finstere Gurus, denen Wladimir Putin angeblich bei seiner "eurasischen" Politik folgt. Der neue, vom Westen angezettelte kalte Krieg, der nach Rohrbachschem Muster mit "Sanktionen, Aufrüstung, Subversion" geführt wird, habe einen russischen "Gegenschlag" hervorgerufen. Das Eingreifen Moskaus in den syrischen Krieg sei dabei "der erste große Durchbruch" gewesen. Seine Bemühungen um eine "Partnerschaft" mit dem Westen habe es aufgegeben. Ein Ausweg, so Kronauer, könne gemeinsame Abrüstung sein, der Westen aber habe daran kein Interesse.

Arnold Schölzel


Jörg Kronauer: Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Rußland, der Westen und der zweite kalte Krieg. Papyrossa-Verlag, Köln 2018, 208 Seiten, 14,90 €

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Sieg für Alexandria Ocasio-Cortez in New York

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Wirtschaftsgipfel in Kanada (G7) und in China (SCO)

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Groß-Demonstration gegen Personalnot im Gesundheitsweisen

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Brasilien am Scheideweg

Gelingt dem südamerikanischen Riesenland im Superwahljahr 2018 die Rückkehr zur demokratischen Normalität?

Anfang Oktober entscheiden die brasilianischen Wähler nicht nur über ihr nächstes Staatsoberhaupt. Neu gewählt werden auch die 513 Abgeordneten des Parlaments und zwei Drittel der Mitglieder des Senats, des Oberhauses des Nationalkongresses, außerdem die Gouverneure und Volksvertretungen aller 26 Bundesstaaten und des Bundesdistrikts mit der Hauptstadt Brasília. Für die große politische Weichenstellung entscheidend ist nach dem in der Verfassung verankerten Präsidialsystem, wer im Rennen um die gelbgrüne Schärpe vorne liegt. Doch Brasiliens Magna Charta von 1988 - das Regelsystem nach der zivilmilitärischen Diktatur (1964-1985) - ist seit dem kalten Putsch vor zwei Jahren Makulatur. Ohnehin berührt Brasiliens fragile Demokratie nur die Oberfläche der Gesellschaft. Begleitet von einer Kampagne der mächtigen Konzernmedien setzte damals die Mehrheit im Kongreß die 2014 gewählte Präsidentin, Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT), per Amtsenthebungsverfahren ab. Die Anklagen waren fadenscheinig, hohe Justizkreise standen Pate beim politischen Umsturz von rechts.

Ins höchste Amt rückte Michel Temer nach, Rousseffs bis dahin nur mit großem Ego, aber ohne viel Macht ausgestatteter und aus wahltaktischen Gründen mit ins Boot genommener Vize. Der "traditionelle Politiker" (wie man diese Sorte in Brasilien nennt) von der konservativ-opportunistischen Allzweckpartei Demokratische Bewegung (MDB) - blaß, doch mit allen Wassern gewaschen - ist bis zum Hals in die branchenüblichen Korruptionsskandale verwickelt. Vor einem Prozeß bewahrt ihn bislang nur die Immunität, die er sich im Kongreß mit öffentlichen Geldern bei den Lobbies, allen voran der der Latifundisten, zusammenkaufte. Die Figur Temer selbst ist ein Platzhalter. Der Eintrag zu Temer wird im Buch der Geschichte nur eine kurze, doch bittere Glosse sein. Denn seine Regierung im Dienste der reichen Elite, in der auch die 2014 zum vierten Mal in Folge bei Präsidentschaftswahlen der PT unterlegene großbürgerliche PSDB Schaltstellen besetzt, eliminierte radikal Errungenschaften und soziale Programme aus der linken Ära. An deren Stelle traten unverdünnt neoliberale Konzepte. Verkauft wurden diese mit den Versprechungen, einen Aufschwung herbeizuführen (Brasilien bekam es seit 2013 mit den Folgen der vor einem Jahrzehnt von den Jongleuren an den internationalen Finanzmärkten ausgelösten Krise zu tun) und im großen Stil neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Doch mit einer Wende zum Besseren ist es Essig im Land am Zuckerhut. Statt dessen rutscht das Land immer tiefer in die soziale, ökonomische und institutionelle Krise. Das Leben wird zunehmend teurer, die nackte Armut breitet sich aus. Nach einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Ibope - in Auftrag gegeben vom Industriellenverband CNI - bewerteten Ende Juni vier von fünf Brasilianern ihre Regierung "schlecht" oder "sehr schlecht". Die Sympathiewerte für Temer selbst sind unterirdisch und einstellig. Besser geht es da dem Mann, dessen Kandidatur das neoliberale Projekt wieder in Frage stellen würde. Der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva liegt, wie in allen Umfragen aus den vergangenen Monaten, auch bei Ibope mit 33 Prozent weit vor allen anderen aus dem Kreis der wahrscheinlichen Bewerber. Er ist auch der einzige unter ihnen, der im Knast sitzt. Seit dem 7. April befindet er sich in Einzelhaft in einem Gefängnis der Bundespolizei in Curitiba, der Hauptstadt des südlichen Bundesstaates Paraná. Neben dem Verlust der Freiheit droht ihm der Entzug des passiven Wahlrechts.

In einem konstruierten Prozeß war der charismatische Politiker und Mitgründer der Arbeiterpartei Anfang des Jahres ohne eine Spur von Beweisen wegen angeblicher Korruption zu zwölf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Behandlung von Einsprüchen seiner Verteidiger gegen das Urteil wird vom Obersten Gericht unter dem Vorsitz seiner sinistren Präsidentin Cármen Lúcia verschleppt. Auch in diesem Gremium ist die Auseinandersetzung mit dem Fall Lula eine im Kern rein politische. Der ihm angehörende Richter Marco Aurélio de Mello bezeichnete jüngst die Haft des PT-Kandidaten öffentlich als Verfassungsbruch. In Brasilien und international kämpft eine Solidaritätsbewegung für Lulas Freilassung. Der Favorit des brasilianischen Volkes fordert seine vollständige Rehabilitierung und lehnt Deals im Hinterzimmer mit der Justiz - wie eine Entlassung in den Hausarrest mit elektronischer Fußfessel - ab. Er sei ja "keine Brieftaube", ließ der Mann wissen, der mit seinem Kampf gegen die Armut und einer kooperativen und selbstbewußten Außenpolitik Brasilien weltweit Achtung verschaffte.

In einem Artikel für die traditionsreiche, in Rio de Janeiro erscheinende Zeitung "Jornal do Brasil" ging Lula nach mehr als 80 Tagen im Gefängnis auf die geopolitischen Hintergründe des Putsches ein. Die sieht er vor allem bei den Begehrlichkeiten, die weiter nördlich vor einem Jahrzehnt durch die Entdeckung gewaltiger Ölvorkommen vor Brasiliens Küste geweckt wurden. Für die Ausbeutung der Pre-Sal-Lagerstätten verfolgten die Regierungen von Lula und Dilma Rousseff Pläne, die strategisch angelegt waren und sich an den nationalen Interessen orientierten. Die eigene Wirtschaft wurde gefördert, mit China und Rußland die Kooperation vertieft. Der überwiegend staatliche Ölkonzern Petrobras erhielt gesetzlich verbriefte Privilegien, auch Häfen, Maschinenbau und Zulieferindustrie profitierten. Aus den satten Gewinnen der Geschäfte - ein moderates halbes Prozent davon versickerte nach seriösen Schätzungen im seit Jahrzehnten gewachsenen Filz der Korruption - sollte eine feste Quote für Bildung, Gesundheit, Wissenschaft und Forschung im Staatshaushalt landen. Dank der bis heute noch unersetzlichen Ressource Öl, ohne das im modernen Wirtschaftsleben kaum etwas läuft, war Brasilien dabei, ein "Land der Zukunft" zu werden.

Washington reagierte umgehend. Die vierte Flotte der US Navy mit Operationsgebiet Südatlantik wurde bereits 2007 reaktiviert und Brasilien zu einem Schwerpunkt US-amerikanischer Geheimdienstaktivitäten, wie die Enthüllungen des Recherchenetzwerkes Wikileaks vor wenigen Jahren offenlegten. Während das Interesse der Öffentlichkeit auf die Fußball-WM in Rußland gelenkt war, stimmte Ende Juni eine einfache Mehrheit im Abgeordnetenhaus in Brasília dafür, daß siebzig Prozent des Gebiets mit erforschten Ölvorkommen - auf denen bisher Petrobras die Hand hatte - an ausländisches Kapital veräußert werden. Lula nennt dieses Gesetz "Hochverrat". Die Putschisten - insbesondere zielt er dabei auf die PSDB - sieht er als Ausverkäufer, "die Brasilien den geopolitischen Interessen der Vereinigten Staaten unterordnen".

Ohne sich darüber hinwegzutäuschen, daß die massive und dauerhafte Kampagne der großen Medien gegen die Linke nicht auch bei vielen kleinen Leuten Wirkung hinterlassen hat: Das historische Gedächtnis ist nicht ausgelöscht, ihre Lebenssituation macht immer mehr Brasilianern bewußt, daß die Dinge in die falsche Richtung laufen. Und so verkörpert Lula für Millionen heute eine Hoffnung, die auch ein sechster Titel für die Seleção nicht toppen kann. Am 10. August sagen die Gewerkschaften mit landesweiten Streiks und Kundgebungen "basta" zur Demontage des Arbeitsrechts, zur Politik der Privatisierungen und des Ausverkaufs. Fünf Tage später wird die Arbeiterpartei den politischen Gefangenen Lula als ihren Kandidaten bei der obersten Wahlbehörde in Brasília registrieren. Das Endspiel einer dramatischen Phase des Kampfes um die Demokratie steht bevor.

Peter Steiniger

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Das Münchner Diktat - 80 Jahre später

Am 29. und 30. September 1938, vor achtzig Jahren, entschieden Hitler und Mussolini, Chamberlain und Daladier über das Münchner Diktat. Die Prager Regierung war nicht vertreten. Die Tschechoslowakei wurde zerschlagen. Die "Sudetendeutschen" kehrten "heim ins Reich". Das Diktat fand ein zwiespältiges, gegensätzliches Echo. Chamberlain feierte es als "peace in our time" in der Hoffnung, die faschistische Expansionspolitik in Richtung Osten kanalisiert zu haben.

Die Sowjetunion, die Kommunist ische Partei Deutschlands, viele weitsehende Politiker urteilten: "'München' (die Appeasement-Politik) ist der entscheidende Schritt in den Krieg." Die Hitler-Regierung glaubte, den Aggressionskurs ungehindert fortsetzen zu können. Die meisten Bürger der Tschechoslowakei fühlten sich zu Recht verraten und verkauft. Sie waren das Opfer des Münchner Diktats, ein halbes Jahr später wehte auf dem Hradschin die Hitlerfahne.(1) Die Tschechoslowakei war bis 1945 deutsches Protektorat, in dem die Heydrichs die Macht ausübten.

Für alle politischen Kräfte in Europa war nach 1945 ihre Stellung zum Münchner Diktat ein maßgebendes Kriterium. Hier wird nur ein Ausschnitt aus der Entwicklung nach 1945 skizziert, die unterschiedliche Haltung der beiden deutschen Staaten zum Diktat. Die DDR bekannte bereits am 23. Juni 1950 in der "Gemeinsamen Erklärung der Deutschen Demokratischen Republik und der Tschechoslowakischen Republik über Freundschaft und Zusammenarbeit" dessen Ungültigkeit von Anfang an (Ex tunc): "Unsere beiden Staaten haben keine Gebiets- und Grenzansprüche, und ihre Regierungen betonen ausdrücklich, daß die durchgeführte Umsiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakischen Republik unabänderlich, gerecht und endgültig gelöst ist."(2)

Die DDR betrachtete seit 1950 (!) die Umsiedlung als endgültig. Die Alliierten verwendeten das Wort Transfer, die Tschechen jahrzehntelang Abschiebung (odsun), in der DDR hieß es Umsiedler, in der BRD dagegen Vertreibung und Vertriebene. Die Wahl dieser unterschiedlichen Begriffe hat mit Politik zu tun. "Vertreibung" assoziiert von vornherein Unrecht, "Vertriebene" sind "Opfer". Bis heute gilt Roman Herzogs Mahnung am Beginn seiner Präsidentschaft 1995: "Die Wanderung, die vor uns liegt, wird nicht nach einer Wanderkarte vor sich gehen können, weil das Terrain noch nicht vermessen ist. Es kommt alles darauf an, die Richtung zu finden - die Wanderer werden also auf den Kompaß angewiesen sein. Das setzt voraus, daß über die wenigen bekannten Daten absolute Klarheit besteht. Im politischen Leben heißt das: Die Begriffe, mit denen man arbeitet, müssen absolut klar sein. Sie dürfen weder unnötig verwaschen sein, noch dürfen sie falsche Vorstellungen erwecken. Es ist nicht nur eine Frage der politischen Ethik, sondern auch eine Frage des politischen Überlebens, das zu erkennen und sich danach zu richten."(3) Eine Studie Tornas Staneks ("Abschiebung oder Vertreibung") untersuchte die Entwicklung und Bedeutung der Begriffe, um die es hier geht.(4)

Wer den Begriff "Vertriebener" verwendet, muß natürlich auch beachten, welchen amtlichen Inhalt er durch ein Gesetz der BRD vom 3. September 1971 erhielt.(5) Nach diesem Gesetz sind auch die Urenkel von Umsiedlern noch "Vertriebene". So konnte in der BRD das Wunder geschehen, daß sich die Zahl der "Vertriebenen" ständig erhöhte. Für die Bundesrepublik ist festzustellen: Sie hat das Münchner Diktat bis heute nicht "von Anfang an" für ungültig erklärt. Um meine Behauptung beweisen zu können, habe ich am 27. Februar 2013 im Auswärtigen Amt der BRD um eine Information gebeten, ob das Münchner Diktat noch gültig sei. Am 14. März 2013 schrieb der zuständige Mitarbeiter: "Die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei geschlossenen Verträge (1973 und 1992) haben die unterschiedlichen Rechtsauffassungen stets ausgeklammert. Auch in der deutsch-tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 wird festgehalten, daß jede Seite ihrer Rechtsauffassung verpflichtet bleibe und respektiere, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat."(6) Im Juristendeutsch heißt das: "Nach Maßgabe des Vertrages" verlor die ČSSR die Rechtsgrundlage für materielle Ansprüche ihrer natürlichen und rechtlichen Personen. Für die BRD-Seite gab es einen solchen Passus nicht. Und er ist auch nicht das letzte Wort in den Vertragsbeziehungen BRD - Tschechien. In der deutsch-tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997, die von den Parlamenten in Prag und Bonn einmütig (auch von der CDU) gebilligt worden sind, ist festgelegt: "Beide Seiten erklären ..., daß sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden."(7) Helmut Kohl hatte in Prag ausdrücklich betont, daß die Eigentumsfragen unberührt bleiben.

Bis 1990 pochte jede BRD-Regierung darauf, daß die "deutsche Frage" (als territoriale Frage) erst in einem Friedensabkommen endgültig gelöst werden könne. Schon in den Pariser Verträgen von 1954 hieß es: "Bis zum Abschluß der friedensvertraglichen Reglung werden die Unterzeichnerstaaten zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: ein wiedervereintes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist."(8)

Diese Linie blieb bis 1990 unverändert. Erst unter völlig neuen Rahmenbedingungen setzten die wichtigsten imperialistischen Staaten auf den Zwei-plus-vier-Vertrag, aber der war das modifizierte Münchner Diktat für die DDR. Die Tschechoslowakei war gar nicht einbezogen. Zur Wahrheit gehört: In der BRD agierten die Sudetendeutsche Landsmannschaft, der Witiko-Bund und andere revanchistische Organisationen. In der DDR gab es das nicht. Die DDR hatte im Bruderbund sozialistischer Staaten ähnliche politische, außenpolitische, ökonomische und ideologische Interessen und Ziele, was von der BRD wohl nicht gesagt werden kann.(9)

Der Kulminationspunkt 1968 machte deutlich, auf welcher Seite während des "Prager Frühlings" die beiden deutschen Staaten jeweils standen.(10)

1989 gab es in Prag die "samtene Revolution", bei uns die "friedliche Wiedervereinigung", die sich als Ostexpansion des Kapitals erwies. Was geschah u. a.? Vor wenigen Jahren gab es das inszenierte Geschrei um die Beneš-Dekrete, auch im Dresdner Landtag.(11) Von Václav Havel erfuhren wir: "Die Welt in Europa erscheint wie ein riesiger Kessel mit hochexplosiven Gemischen. Die neue Ära kann gefährlicher werden als der kalte Krieg".(12) Was ist denn "gefährlicher als der kalte Krieg"?

Bestimmte Politiker, Publizisten, Historiker und Amtsträger der Sudetendeutschen Landsmannschaften sprachen gern über die "Europäisierung der sudetendeutschen Frage". Sie deklarierten in ihrer Satzung "den Rechtsanspruch auf die Heimat, deren Wiedergewinnung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppe" und "das Recht auf Rückgabe bzw. gleichwertigen Ersatz oder Entschädigung des konfisziertem Eigentums der Sudetendeutschen". Voraussetzung für die Erfüllung solcher Ansprüche wäre die Revision der Resultate des Zweiten Weltkriegs, die sowohl im Potsdamer Abkommen als auch - was die Tschechoslowakei betrifft - in speziellen Präsidentendekreten (ungenau oft als "Beneš-Dekrete" bezeichnet) festgeschrieben wurden.(13)

Die Forderung mancher Politiker und Revanchisten, die tschechische Republik möge die "Beneš-Dekrete" für ungültig erklären, stört immer wieder die Beziehungen zwischen Berlin und Prag und hat innenpolitische Wirkung in beiden Staaten. Das zeigte sich u. a. bei der Wahl des tschechischen Präsidenten Anfang 2012 in direkter Konfrontation zwischen Außenminister Fürst Schwarzenberg (dem Mäzen Havels) und dem Sozialdemokraten Milos Zeman. Die "prodeutsche" Haltung Schwarzenbergs führte zu seiner Niederlage.

Am 20./21. Februar 2012 besuchte der Prager Premier Petr Necas nach 15jähriger Funkstille mit München die bayrische Hauptstadt, das Zentrum des anti-tschechischen Revanchismus. Der entscheidende Satz seiner Rede lautete: "Wir bedauern, daß durch die am Kriegsende erfolgte Vertreibung sowie zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei, die Enteignung und Ausbürgerung viel Leid und Unrecht zugefügt wurde."(14) Das entsprach dem Text der Prager Erklärung von 1997, die den Weg zur Versöhnung freilegen sollte. Dieser Weg ist sehr steinig.(15) Der damalige sächsische Ministerpräsident, Prof. Kurt Biedenkopf, der an der Arbeit der deutsch-tschechischen Kommission teilgenommen hatte, befand am 28. April 1995 an der altehrwürdigen Karls-Universität in Prag: "Objektive Wahrheiten, denen sich alle vorbehaltlos ein- und unterordnen können, gibt es in der menschlichen Erkenntnis nicht."(16)

Eine Begründung für die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Münchner Diktat ist das nicht. Die Standarte auf der Prager Burg verkündet den Satz der Hussiten: "Die Wahrheit siegt." Möge der Satz auch für die Lügen gelten, die NATO-Zentralen bei der Gleichsetzung des Vorgehens Hitlers 1938 und Putins gegenüber der Krim erfinden. Zu denen gehört auch der Generalsekretär der NATO Stoltenberg ("Die Welt", 17. März 2018). In der Regel wird Putins Vorgehen mit dem Hitlers gleichgesetzt. Selbst ein flüchtiger Vergleich entlarvt die Fälschung und Klitterung der Fakten: "München" 1938 war Teil und entscheidender Schritt der Strategie Hitlers zur Eroberung Europas, Putins "Besetzung" diente dazu, die NATO-Strategie der Osterweiterung, wie sie Zbigniew Brzezinski entworfen hatte, zu durchkreuzen.(17)

Die Tschechoslowakei (Königreich Böhmen) hatte bis 1918 zum Reich der Habsburger gehört, nicht zu Deutschland. Die Krim gehörte seit Katharina I. zu Rußland/UdSSR. Erst durch Chruschtschows "Schenkung" kam sie zur Ukraine. Die Ukraine blieb aber Teil der Sowjetunion. In einer Volksabstimmung und bei Wahlen bekannten sich die Russen auf der Krim zu Putins Politik.

Im Lichte des Völkerrechts waren die Ereignisse auf der Krim 2014 eine Sezession, keine Annexion oder Aggression. Die gewählten und zuständigen Repräsentanten der auf der Krim lebenden Bürger hatten ihre staatliche Unabhängigkeit verkündet, ein Schritt, der (vorher) durch ein Referendum gebilligt worden war. (Die DDR-Bürger hatten 1990 keine solche Möglichkeit.) Erst danach wurde der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation gestellt und in Moskau akzeptiert. Zu Recht erklärte Wladimir Putin am 18. Dezember 2014: "Es war nicht wegen der Krim, sondern weil wir unsere Souveränität, das Existenzrecht unseres Volkes verteidigen."

Wenn die Kanzlerin im Zusammenhang mit der Krim von "Verbrechen" und "Verbrecher" sprach, kann das schnell zum Bumerang werden. Für Sanktionen ist nicht Berlin, sondern der Sicherheitsrat der UNO zuständig. Dem gehört Rußland an. Und: Unsere Generation weiß noch, daß der russische Bär nicht nur freundlich brummen, sondern - gereizt - auch tödlich zuschlagen kann.

Prof. Dr. Horst Schneider †

Quellen:
1) Münchner Abkommen. Sachwörterbuch zur Geschichte. Berlin 1970, S. 120 f.

2) Handbuch der Verträge 1871-1968, S. 508

3) Wolfgang Wiedermeyer: Der erste gesamtdeutsche Präsident. Bonn 1994, S. 33

4) Deutsche und Tschechen, S. 528 f.

5) Ebenda, S. 400

6) Brief in meinem Besitz

7) Text in Hunno Hochberger und Emil Hruska: Der deutsche Hegemonialanspruch. Gefahr für Mitteleuropa. Stuttgart 1998, S. 233 f.

8) Handbuch der Verträge, a.a.O., S. 577

9) Horst Schneider: Der Prager Vertrag - Fundament für eine neue Ära in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Tschechen? Dresden 1998

10) Horst Schneider: Der imperialistische Charakter und die aggressive Zielstellung der Politik der BRD gegenüber der ČSSR Ende der sechziger Jahre unter besonderer Berücksichtigung des Inhalts und der Methoden der ideologischen Diversion, Dissertation B, Pädagogische Hochschule Potsdam, 31.3.1977

11) Menschenrechte und Erweiterung der Europäischen Union. Sächsischer Landtag, 66. Sitzung, 14. Juni 2002, S. 4530 f.

12) Václav Havel: Die Dämonen des Hasses. Die Zeit, Hamburg, 17. Juli 1992

13) Emil Hruska: Was wird aus Europa? Antifa, Januar/Februar 2008

14) Süddeutsche Zeitung, 22. Februar 2012

15) Detlef Brandes, Dušan Kováč, Jiri Pesek (Hrsg.): Wendepunkte in den Beziehungen zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken 1948-1989. Essen 2007

16) zitiert nach Biedenkopfs Redemanuskript

17 Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Weinheim und Berlin 1997

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"Sozialismus mit menschlichem Antlitz" oder Konterrevolution?

In der Nacht zum 21. August 1968 überschritten Einheiten der sowjetischen, bulgarischen, polnischen und ungarischen Armeen die Grenzen der Tschechoslowakei und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes.

Am gleichen Tag verbreitete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine offizielle Erklärung zum Einmarsch von Truppen in die Tschechoslowakei: "TASS ist bevollmächtigt zu erklären, daß sich Persönlichkeiten der Partei und des Staates der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik an die Sowjetunion und die anderen verbündeten Staaten mit der Bitte gewandt haben, dem tschechoslowakischen Brudervolk dringend Hilfe, einschließlich der Hilfe durch bewaffnete Kräfte, zu gewähren. Dieser Appell wurde ausgelöst, weil die in der Verfassung festgelegte sozialistische Staatsordnung durch konterrevolutionäre Kräfte gefährdet wurde, die mit den dem Sozialismus feindlichen äußeren Kräften in eine Verschwörung getreten sind. ...

Die weitere Zuspitzung der Situation in der Tschechoslowakei berührt die Lebensinteressen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder, die Interessen der Sicherheit der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft. Die Gefahr für die sozialistische Ordnung in der Tschechoslowakei ist gleichzeitig auch eine Gefahr für die Grundfesten des europäischen Friedens."

Die Feststellung, die KPČ habe um den Einmarsch ersucht, wurde zwar dementiert. Etwas später bekannte sich aber eine Gruppe unter Führung von Vasil Bilak, von Januar bis August 1968 1. Sekretär der Kommunistischen Partei der Slowakei, dazu, um diese Hilfe ersucht zu haben.

Die DDR-Führung unterstützte die Aktion. Aber die Nationale Volksarmee der DDR beteiligte sich nicht, obwohl an der Grenze zur ČSSR zwei NVA-Divisionen bereitstanden. Etwa 30 Soldaten einer NVA-Nachrichteneinheit weilten während der Militäraktion im Führungsstab der Truppen auf dem Truppenübungsplatz Milovice. Ceausescu verweigerte die Teilnahme rumänischer Truppen an der militärischen Aktion. Darüber hinaus verurteilte er am 21. August 1968 auf einer Massenveranstaltung in Bukarest die Besetzung der Tschechoslowakei mit scharfen Worten.

Der 1. Sekretär der KPČ Alexander Dubcek wurde durch Gustáv Husák ersetzt. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei beschloß, keinen militärischen Widerstand zu leisten. Der Staatspräsident der Tschechoslowakei, Ludwik Svoboda, forderte Tschechen und Slowaken in einer Radioansprache dazu auf, Ruhe zu bewahren. Trotzdem gab es Widerstand. So wurden Ortstafeln und Straßenschilder verdreht, übermalt, zerschlagen oder abmontiert, so daß ortsunkundige Besatzer in falsche Richtungen geschickt wurden. Tschechoslowakische Eisenbahner leiteten Nachschubzüge für die Sowjetarmee auf Abstellgleise. Bei der militärischen Aktion der Armeen des Warschauer Paktes starben 98 Tschechen und Slowaken sowie 50 Soldaten der vier Länder. Die NATO verhielt sich ruhig. Aber in den Medien der westlichen Welt wurde die Aktion scharf verurteilt.

Die historische Entwicklung in der ČSSR im Jahre 1968 wird bis heute unterschiedlich interpretiert, so als Versuch zur konterrevolutionären Beseitigung des realen Sozialismus in der Tschechoslowakei. Auch zum militärischen Eingreifen der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten gehen die Meinungen auseinander. Das hängt vor allem damit zusammen, daß bis heute, auch unter Linken, die Auffassung verbreitet ist, daß durch dieses Reformprogramm der Führung der KPČ vom Frühjahr 1968 (das mit dem vom Westen geprägten Begriff "Prager Frühling" in die Geschichte eingegangen ist) zu diesem Zeitpunkt in der ČSSR ein Sozialismus "mit menschlichem Antlitz" errichtet worden sei. Demnach hätte ich also die ganze Zeit in einem Sozialismus "mit unmenschlichem Antlitz" gelebt. Das bestreite ich entschieden, zumal mir nach den damals zugänglichen Informationen die Entwicklung in der ČSSR nicht gefiel. Behauptet wurde, daß es dort nunmehr unbegrenzte Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit gab. Das mag sein. Dadurch erhöhte sich aber auch der Einfluß westlicher Medien bedeutend. Sie konnten nun faktisch ungehindert wirken. Westliche "Berater" gaben sich in Prag die Klinke in die Hand.

Die zentral geleitete Planwirtschaft sollte durch mehr Freiheiten für die Betriebe gelockert werden. Ähnliches gab es aber auch in der DDR mit dem Neuen Ökonomischen System. Ein großer Teil der politisch interessierten Bevölkerung in der ČSSR glaubte subjektiv den verschwommenen Visionen. Demokratie, Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit spielten für die Mehrheit der Bevölkerung allerdings eine zweitrangige Rolle, darauf sprachen vor allem Intellektuelle, Schriftsteller, Studenten und Journalisten an. Es herrschte Meinungsterror bis hin zum Rufmord, vor allem in Zeitungen, aber auch in Rundfunk- und Fernsehsendungen gegenüber jenen, die als "Konservative" und "Dogmatiker" bezeichnet wurden.

Es gibt die Auffassung, daß mit dem Ende des "Prager Frühlings" die letzte Chance für den Sozialismus verspielt wurde. Auf die Frage, warum denn 1989, nur 21 Jahre später, diese Chance nicht genutzt wurde, gibt es meistens die Antwort: Da war es zu spät. Das ist nicht nachvollziehbar - oder nur dann, wenn eine Erneuerung des Sozialismus 1968 und später gar nicht beabsichtigt, sondern schon damals der Übergang zum Kapitalismus geplant war, wie er dann in der "samtenen Konter-Revolution" vollzogen wurde.

Die Kräfte, die den Sozialismus in der ČSSR abschaffen wollten, versteckten sich hinter sozialistischen Phrasen. Ab Mitte der 70er Jahre legten Zdenek Mlynár, früherer ZK-Sekretär der KPČ, Ota Sik, der als Wirtschaftsreformer des "Prager Frühlings" galt, Jiri Pelikan und andere in diversen Publikationen die Karten offen auf den Tisch. Nach 1989 räumte Mlynár unumwunden ein, daß ein System eines westlich geprägten bürgerlich-demokratischen Parlamentarismus angestrebt worden war, und Sik erklärte die sozialistische Terminologie in seinem Reformprojekt als Feigenblatt, mit dem das Ziel, die Restauration des Kapitalismus, von Anfang an getarnt worden sei. Die eigentliche Zielstellung Siks für die Wirtschaftsreform hat er inzwischen selbst offengelegt. Es ging um kapitalistische Marktwirtschaft.

Die umfangreiche Fach- und Memoirenliteratur hat bislang nichts zutage gefördert, was auch nur im entferntesten auf fundierte Konzepte zur Weiterentwicklung oder Reformierung des Sozialismus in der Tschechoslowakei hindeuten würde. Der Publizist Eduard Goldstücker sagte Anfang der 90er Jahre bei einem Vortrag im Haus der Tschechoslowakischen Kultur in Berlin: "Für uns waren Dubcek und seine Leute nur eine Zwischenlösung, denn direkt - ohne diesen Umweg - eine freiheitlich demokratische Grundordnung zu schaffen, schien uns zu riskant. Aber diese strebten wir an, das war von Anfang an unser Ziel!"

Die inzwischen bekannten historischen Tatsachen belegen: Prag 1968 war nichts anderes als ein Probelauf für 1989.

Dr. Kurt Laser

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Die PDL, eine tief zerstrittene Partei?

Es hätte ein glanzvolles Ende des Parteitages der Partei Die Linke (PDL) werden können: Die Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht hatte das Podium im Leipziger Congress Center nach einer brillanten Rede unter tosendem Applaus verlassen, als sich ihre parteiinternen Gegner an den Saalmikrofonen zu postieren begannen. Eine tat sich dabei besonders hervor: Elke Breitenbach, Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Streitpunkt war einmal mehr die Migrationspolitik. Das hauptstädtische Landesregierungsmitglied verlor dabei völlig die Fassung und brüllte ihre Ansichten in den Saal. Ihre Vorwürfe: Wagenknecht zerlege die Partei, indem sie keine Debatten zulasse, ignoriere außerdem die diesbezüglichen Mehrheitspositionen in der PDL, unterscheide in Flüchtlingskategorien.

Presse, Funk und Fernsehen hielten natürlich voll drauf - "Phoenix" verlängerte eigens seine Live-Übertragung aus der Messestadt. Kein Wunder! Denn es gibt in jüngster Zeit in der BRD einige Umfrageschocks zu verkraften. Wobei die 20 Prozent für die PDL in Berlin nicht gerade als große Überraschung gelten dürften. Dagegen sollten die 12 Prozent in Hamburg und gar die 17 Prozent in Bremen dem Großkapital und seinen Handlangern schwer im Magen liegen. Da kam das zu vermittelnde Bild von einer tief zerstrittenen Partei selbstverständlich gerade wieder zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt.

Was war in Leipzig geschehen? Sahra Wagenknecht hatte nicht mehr und nicht weniger als eine solidarische Diskussion innerhalb der PDL zur Flüchtlingspolitik angemahnt. Vorwürfe wie Nationalismus, Rassismus oder AfD-Nähe aus den eigenen Reihen seien absurd. Dabei bezog sie über ein Bernie-Sanders-Zitat dann auch noch einmal Position zur Thematik der offenen Grenzen für alle.

Die Chefin der Bundestagsfraktion hatte sich wiederholt für eine linke Sammlungsbewegung ausgesprochen, die aber keine Alternative zur PDL sein solle. Es gehe vielmehr darum, endlich alle Menschen in der BRD zu vereinen, die für höhere Löhne, bessere Renten und gegen die Kriegspolitik dieses Landes streiten wollen.

Viele teilen Sahras Ansichten, denn allein auf sich gestellt wird die PDL politische Mehrheiten und damit eine grundlegende Systemveränderung nicht erreichen können. Im übrigen ist diese Idee nicht vom Himmel gefallen. Erinnert sei an dieser Stelle nur einmal an das Projekt PDS/Linke Liste aus dem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts. Wenn es etwas an dieser Sammlungsbewegung zu kritisieren geben dürfte, ist es die Tatsache, daß noch nicht abschließend geklärt ist, wie die Einbindung von Kräften links von der PDL geschehen soll.

Ein Wort muß noch zu Senatorin Breitenbach gesagt werden. Anstatt auf Parteitagen für Randale zu sorgen, täte sie wirklich besser daran, sich in Berlin für annehmbare und strukturierte Arbeit stark zu machen. Damit allein hätte sie schon alle Hände voll zu tun. Und gemeinsam mit ihrer Mit-Senatorin und Partei-Kollegin Katrin Lompscher wäre auch noch das Feld der bezahlbaren Preise für Mietwohnungen in der Hauptstadt zu beackern. Denn auch dort hat sich unter rot-rot-grünen Vorzeichen bisher nicht wirklich viel getan. Womit einmal mehr belegt wird: Der Kampf um soziale Rechte im Kapitalismus ist wichtig, doch es wird Zeit, den Blick dafür zu öffnen, daß es, wenn die Menschheit eine Zukunft haben will, um seine Überwindung geht.

Rico Jalowietzki

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DGB unterstützt Appell "Abrüsten statt aufrüsten!"

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Reiner Hoffmann war bereits Erstunterzeichner des Abrüstungsappells. Mitte Mai hat auch der 21. Ordentliche Bundeskongreß des DGB die Unterstützung von "Abrüsten statt aufrüsten!" beschlossen. Im folgenden der Beschluß "#NO2PERCENT - Frieden geht anders!" im Wortlaut:

"Die NATO-Planung, die Rüstungsausgaben auf 2 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen, bedeutet für Deutschland nahezu eine Verdopplung der Militärausgaben.

Das 2-Prozent-Ziel der NATO, das von der Trump-Regierung vehement eingefordert wird, sichert nicht den Frieden, sondern führt zu einer neuen Rüstungsspirale.

2 Prozent des BIP für Rüstungsausgaben - das wären weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen: für Bildung, Hochschulen, Schulen und Kitas, für den sozialen Wohnungsbau, für kommunale und digitale Infrastruktur, für eine ökologische und soziale Gestaltung der Verkehrs- und Energiewende und für die Alterssicherung und mehr soziale Sicherheit.

Deutschland braucht mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung, die an den Ursachen von Kriegen und Konflikten ansetzen. Hierzu gehören vor allem ein fairer Welthandel, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für eine stärkere und bessere Kontrolle von Waffenexporten ein. Wir lehnen Waffenexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an diktatorische oder autokratische Regime grundsätzlich ab. Deutschland darf nicht länger Staaten und Konfliktparteien mit Waffen versorgen, die Krieg, Gewalt und Unterdrückung als Mittel der Politik verstehen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften lehnen bewaffnete Interventionen ohne UN-Mandat ab.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sich gegen das 2-Prozent-Ziel bei Rüstungsausgaben zu engagieren. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern statt dessen verstärkte Initiativen für Abrüstung und Rüstungskonversion und unterstützen deshalb die Petition 'Abrüsten statt aufrüsten!'

Der DGB und seine Gliederungen werden ihre Zusammenarbeit mit Friedensinitiativen ebenso wie ihr Engagement und ihre Öffentlichkeitsarbeit für Frieden, Abrüstung und internationale Konfliktlösungen weiter verstärken, um zu verhindern, daß das 2-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben verwirklicht wird."

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Reiner Hoffmann (DGB): "Aufrüstung ist die dümmste Antwort!"

Neben dem Beschluß hat sich der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann auf der Eröffnungsrede des Bundeskongresses am 13. Mai auch klar gegen Aufrüstung ausgesprochen. Im folgenden ein Auszug aus der Rede.

"Europa ist in keiner guten Verfassung, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch wenn wir den Blick über unseren Kontinent hinausrichten, müssen wir feststellen: Kriege, Konflikte und Naturkatastrophen haben in den letzten Jahren zugenommen. In ihrer Folge wächst seit vielen Jahren die Zahl der Menschen drastisch, die weltweit auf der Flucht sind. Vor zehn Jahren waren es 37 Millionen Menschen. Heute sind es 65 Millionen. Das entspricht der gesamten Bevölkerung Frankreichs. Das zeigt, wie dramatisch sich die Lebensumstände in vielen Teilen der Welt verschlechtert haben. Um dieser Situation überhaupt noch Herr werden zu können, ist Aufrüstung sicherlich die falsche, ja die dümmste Antwort.

Und trotzdem steigen seit einigen Jahren die weltweiten Rüstungsausgaben: von knapp 800 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf unvorstellbare 1,7 Billionen Dollar in 2017!"

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Einfach war es nie - 50 Jahre DKP

Die Neukonstituierung der Partei vor fünfzig Jahren war eine schwere Entscheidung. Es war klar, daß damit der notwendige Kampf gegen das KPD-Verbot schwieriger würde. Andererseits wäre jeder Zeitverlust bei der Schaffung einer legalen KP ein Problem gewesen angesichts der Zunahme von Kämpfen der Studenten, aber auch der Lehrlinge und der Arbeiterklasse. Diese Kämpfe brauchten eine KP. Schnell wurde die junge DKP dann mit einer schwierigen Entscheidung des proletarischen Internationalismus konfrontiert, als die Staaten des Warschauer Vertrags in der ČSSR intervenierten. Die Haltung der Partei war klar, denn es ging um die Verhinderung einer Konterrevolution und des Vorrückens der NATO nach Osten. Die Partei hatte recht - heute liegt das klar auf dem Tisch. Gleichzeitig isolierte es die Partei von vielen.

DKP und DDR

Das war eine historische Besonderheit: zwei Staaten (und Westberlin) - hervorgegangen aus einem -, drei kommunistische Parteien (SED, SEW, DKP) - hervorgegangen aus der KPD. In einem Staat wird Sozialismus aufgebaut, im anderen werden Kapitalismus/Imperialismus restauriert. Im einen wird die KPD elf Jahre nach der Befreiung wieder verboten. Die verfolgten Genossinnen und Genossen finden Asyl im anderen deutschen Staat. Dort regieren Genossinnen und Genossen, mit denen man zuvor in einer Partei war. Das war ein ganz besonderes Verhältnis. Es war politisch zwingend und richtig, daß die Verteidigung der DDR ein zentrales Anliegen, ja auch eine Herzenssache der DKP war. Natürlich trüben Herzensangelegenheiten manchmal den differenzierten Blick. Das Wesen des Verhältnisses zur DDR, zum realen Sozialismus, war und ist auch heute ein unersetzliches Merkmal einer deutschen kommunistischen Partei.

Eurokommunismus

Manche Schwesterpartei in Europa ging einen anderen Weg. Reformistische Illusionen breiteten sich aus, und es entstand eine Kluft zu den Ländern des realen Sozialismus, zusätzlich zur vorhandenen tiefen Spaltung in der kommunistischen Weltbewegung. Es ist ein historisches Verdienst dieser DKP in einem der höchstentwickelten imperialistischen Länder, diesen Illusionen nicht aufgesessen zu sein. Das galt übrigens auch später: Dem Unsinn vom "friedensfähigen Imperialismus", wie er aufkam, als Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU war, ist die DKP nie gefolgt.

Arbeiter- und Friedensbewegung

Das machte auch die Stärke der DKP in der Friedensbewegung aus. Auch damals wollten Kräfte von "links" und "rechts" die Friedensbewegung auf einen "äquidistanten" Kurs (gleichermaßen gegen Warschauer Pakt und NATO) bringen. Damit hätte die Friedensbewegung ihre damalige relative Stärke nicht erreicht, ja sie wäre wie die sogenannte "unabhängige Friedensbewegung" der DDR letztlich durch den Imperialismus instrumentalisiert worden.

Der Einfluß von SDAJ und DKP in den Betrieben war ein realer Faktor. Das zeigte sich auch an der Entwicklung der Gewerkschaften. Kämpfe wurden politischer, Gewerkschaften stellten die Eigentumsfrage (z. B. die Vergesellschaftung der Stahlindustrie).

Die Erneuerer

Gorbatschow verkündete ein Zurück zu Lenin, begann aber mit der Auflösung des Sozialismus. Massen gingen für einen besseren Sozialismus auf die Straße und merkten nicht, wie sie Stück um Stück für die Konterrevolution instrumentalisiert wurden. Aus dem Frust über die eigene parlamentarische Erfolglosigkeit zogen die Erneuerer in der DKP die falschen Schlüsse und gingen den Weg der Anpassung. SDAJ und DKP wehrten das ab, aber der Studentenverband MSB und die Kinderorganisation "Junge Pioniere" sind daran zerbrochen. Ohne die Entscheidung gegen die Erneuerer würde es SDAJ und DKP heute nicht mehr geben. Trotzdem geriet die DKP in eine schwere Krise, die durch die Konterrevolution noch verschärft wurde.

Und heute?

Die Krise der DKP ist gleichzeitig eine Krise der gesamten Arbeiterbewegung, die sich auch deswegen in Standortlogik und Co-Management verliert, weil der revolutionäre, kommunistische Teil klein und schwach ist. 100 Jahre KPD, 50 Jahre DKP und SDAJ, 200 Jahre Karl Marx, 100 Jahre Novemberrevolution und deren Niederschlagung sind ein historischer Auftrag, eine historische Verantwortung, eine Stärkung der Partei zu erreichen. Daran arbeiten wir, dazu laden wir ein.

Patrik Köbele
(Genosse Köbele ist seit 2013 Vorsitzender der DKP)

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Gemeinsamkeiten - das UZ-Pressefest und der "RotFuchs"

Das Pressefest der DKP-Zeitung "Unsere Zeit" fand 1974 zum ersten Mal statt. Damals noch auf den Düsseldorfer Rheinwiesen, wanderte es über Recklinghausen, Duisburg, Essen und Bottrop in den Dortmunder Revierpark, wo es seit 1995 stattfindet. Noch immer ist es das größte Fest einer inzwischen kleiner gewordenen Linken und zieht mit einem außergewöhnlichen Kultur- und Politikangebot Zehntausende Menschen an. Fast ein Vierteljahrhundert nach dem ersten UZ-Pressefest erschien 1998 die erste Ausgabe des "RotFuchs". Die Zeitschrift entwickelte sich seither zur auflagenstärksten und meistgelesenen marxistischen Monatszeitschrift in deutscher Sprache. Beide - das UZ-Pressefest und der "RotFuchs" - haben trotz ihrer unterschiedlichen regionalen Herkunft mindestens zwei wichtige Dinge gemeinsam:

Sie scheuen beide keinen Streit, und sie verweigern die Verwandlung in postmodern-beliebige, dem bürgerlichen Politikbetrieb angepaßte und ungefährliche Varianten des "Links-Seins". NATO-Missionen heißen bei ihnen weiterhin imperialistische Kriege und nicht "Friedenseinsätze für Demokratie und Freiheit"; die DDR bleibt das bessere Deutschland, aus ihren Erfahrungen und auch Fehlern gilt es zu lernen, anstatt sich in antikommunistischer Manier dafür zu entschuldigen, Bourgeois und Großgrundbesitzern 40 Jahre lang das Handwerk gelegt zu haben.

Das UZ-Pressefest und der "RotFuchs" stehen für die Einigkeit, für Einigung und Vereinigung. Sie sind Medium und Ort für Austausch und Annäherung der Linken in diesem Land, die nicht ihren Frieden mit dem Imperialismus gemacht haben und die Erkenntnis nicht vergessen, daß die Eroberung der politischen Macht und der Entzug des Privateigentums an den Produktionsmitteln Voraussetzung für eine menschliche Gesellschaft sind. Das Erkennen dieser Zusammenhänge ist aber keine Bedingung für gemeinsame Aktionen gegen Faschismus und Krieg. Weder Opportunismus noch Sektierertum sind hilfreich bei der Schaffung der nötigen Einheit.

Deswegen gehört das UZ-Pressefest in den "RotFuchs", und deshalb gehören der "RotFuchs", seine Redaktion und seine Leserinnen und Leser auf das UZ-Pressefest, das Fest des Friedens und der Solidarität.

Klaus Leger, Essen

(Mehr im Internet unter
http://pressefest.unsere-zeit.de/)

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Fiat iustitia et pereat mundus*

Eigentlich wußten wir es immer schon, aber jetzt wurde es nach 60 Jahren auch bestätigt durch einen Wissenschaftler, der beim besten Willen nicht verdächtig ist, der linken Bewegung anzugehören. Das KPD-Verbot durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 1956 ist verfassungswidrig! Zeitzeugen, die an dem Verbotsprozeß teilgenommen haben, hatten uns immer wieder darauf aufmerksam gemacht, wie dieser ablief und mit welchen Mängeln er behaftet war. Zu ihnen gehörten Fritz Rische, Friedrich Karl Kaul und Herbert Kröger.

Der Antrag auf Verbot der KPD wurde durch die Bundesregierung bereits am 22. November 1951 gestellt. Dabei warf man der KPD vor allem vor, die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung unterstützt zu haben. Lediglich fünf Dokumente der KPD wurden angeführt, alle weiteren 23 Dokumente hatten nichts mit ihr zu tun und bezogen sich auf die SED und die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Auf einer öffentlichen Anhörung über die Problematik des KPD-Verbotes am 5. Juni 1971 in Duisburg führte F.K. Kaul, einer der Prozeßvertreter der KPD, aus: "Darüber hinaus aber nahm es die Bundesregierung mit der Wörtlichkeit der von ihr aus den Dokumenten zitierten Stellen keineswegs sonderlich genau, um es klar und deutlich festzustellen. Die aus den Dokumenten entnommenen Zitate waren zum großen Teil verfälscht oder dadurch, daß sie aus dem Zusammenhang gerissen waren, in ihrem Sinngehalt entstellt." Ungeachtet dessen kam der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zu der Auffassung, daß der Antrag "zulässig und hinreichend begründet" sei. Bereits das Vorverfahren wies eine Reihe von Mängeln auf: "... Im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen wurde der KPD niemals ein Verzeichnis der Materialien ausgehändigt, die auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in den Räumen des Parteivorstandes und der Landesleitungen der KPD beschlagnahmt worden waren. Damit wurde der KPD jede Kontrollmöglichkeit über den Verbleib der in ihren Büros beschlagnahmten Dokumente und auch über die Herkunft der schließlich zu den Verfahrensakten gekommenen Dokumente entzogen. (...) Im Widerspruch zu eben diesen Bestimmungen wurden vom Bundesverfassungsgericht Geheimakten angelegt, in denen unter anderem eine Korrespondenz des Gerichts mit der das Verbot beantragenden Bundesregierung über den Verfahrensstand abgeheftet und damit der KPD vorenthalten wurde. In den größten Teil dieser Geheimakten wurde der KPD auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung niemals Einsichtnahme gewährt. Im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen über die Pflicht zur Benachrichtigung aller Beteiligten von allen Beweisthemen und über deren Recht auf Teilnahme an jeder Beweisaufnahme wurde im Hauptquartier des amerikanischen Geheimdienstes in Frankfurt am Main ein amerikanischer Agent als Zeuge vernommen und das Protokoll darüber vor der KPD geheimgehalten, den Organen der Bundesregierung aber übergeben."

Der Druck, der auf das Gericht ausgeübt wurde, war beträchtlich. "Die Bundesregierung erwartete vom Bundesverfassungsgericht schnelle Verfahren und rasche Entscheidungen, natürlich in ihrem Sinne und möglichst noch im selben Jahr. Die ständigen Kampagnen von SED und KPD gegen die Wiederbewaffnung und Westeinbindung der Bundesrepublik, das Angebot Stalins, die beiden deutschen Staaten auf der Basis einer Neutralisierung des Landes zu vereinen, sowie die schwierigen Verhandlungen mit den drei Westmächten über eine Ablösung des Besatzungsstatuts erhöhten zusätzlich den politischen Druck auf das Gericht", wie es in einer unlängst veröffentlichten Studie des emeritierten Historikers Josef Foschepoth heißt. Er hat mit großer Sorgfalt den Verbotsprozeß gegen die KPD untersucht, insbesondere, nachdem ihm nunmehr endlich auch Einsicht in Akten gewährt wurde, die über sechs Jahrzehnte unter Verschluß gehalten worden sind. Seine Erkenntnisse machen deutlich, wie eng der Kontakt zwischen der antragstellenden Bundesregierung und deren Vertretern und dem späterhin erkennenden Gericht gewesen ist. So verlangte der damalige Bundesinnenminister Lehr schriftlich vom Verfassungsgericht, daß das Verfahren eröffnet werden soll. Weiter heißt es dazu bei Foschepoth: "Der Druck der Bundesregierung auf das Bundesverfassungsgericht hielt an. Am 27. Mai 1952 kam es zu einem neuen Spitzengespräch in Sachen Verbotsverfahren. ... Die rechtsstaatliche Brisanz eines derartigen Treffens, dem noch viele folgen sollten, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, das hohe Gericht hätte sich nicht mit der Klägerin, den Vertretern und Prozeßbeauftragten der Bundesregierung getroffen, sondern mit der Beklagten, den Anwälten und Vertretern des Vorstandes der KPD, ohne die andere Prozeßpartei, die Bundesregierung, über Art und Inhalt eines solchen Treffens informiert zu haben."

Allerdings hatte sich das Gericht im Vorfeld des Prozesses nicht stets von der Bundesregierung drängen lassen, auch wenn es immer wieder Nachfragen wegen der Terminierung, unter anderem durch den damaligen Bundesinnenminister Lehr, gab. Ein ursprünglicher Termin vom 8. Juni 1953 wurde ersatzlos aufgehoben. Es sollte noch 18 Monate dauern, bis die mündliche Verhandlung stattfand. Zuvor war noch am 13. Juli 1954 der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Josef Wintrich, zu Adenauer gefahren, und nahm auch gleich den Berichterstatter für das Verfahren mit. Auf seiten der Bundesregierung nahm unter anderem auch Hans-Maria Globke teil. Die Erkenntnis Foschepoths ist, der Prozeß war ein "Skandal", da das Verfahren nicht auf der Basis von Recht und Gesetz stattfand und die offiziell herrschende zeithistorische Auffassung der Forschung diesbezüglich wohl der Korrektur bedarf. Obwohl der Berichterstatter des Prozesses, Richter Stein, ein wichtiges Vernehmungsprotokoll inhaltlich verfälschte, wurde der daraufhin ergangene Befangenheitsantrag der KPD abgelehnt. Viele weitere Beispiele folgen, die letztlich belegen, daß es mit der Rechtsstaatlichkeit in diesem Prozeß sehr schlecht bestellt war. Josef Foschepoth schreibt dazu in einem begleitenden Beitrag zu seinem Buch im "neuen deutschland" vom 19.12.2017: "Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD ... war ein durch und durch verfassungswidriges Verfahren. Der gesamte Prozeß ist von Anfang an zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht inhaltlich und taktisch zu Lasten der anderen Prozeßpartei, der KPD, abgestimmt worden. Es gab in diesem Verfahren keine getrennten Gewalten mehr, sondern nur noch einen Staat, der unter dem Druck der Bundesregierung darauf bestand, daß die KPD verboten wurde." Rechtsanwalt Dr. Kaul schrieb dazu bereits 1981: "So konnte es gar nicht anders sein, daß das Urteil, das aufgrund eines derartigen, den prozeßrechtlichen Bestimmungen, den materiell-rechtlichen Gesetzen, den verfassungsrechtlichen Normen zuwiderlaufenden Verfahrens zustande kam, in sich ein Unrechtsurteil ist, das verschwinden muß, um Recht und Gesetz in der Bundesrepublik wieder herzustellen!!"

Foschepoth liefert jetzt mit seinem Buch die späte Bestätigung seiner Erkenntnisse und das auf solider wissenschaftlicher Grundlage.

Ralph Dobrawa

(*) Es soll Gerechtigkeit geschehen und gehe die Welt darüber zugrunde.

Josef Foschepoth: Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im kalten Bürgerkrieg. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, 492 Seiten, 40 Euro

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Rußland - internationaler Friedens- und Stabilitätsfaktor

Mit Beginn des Jahrhunderts hat Rußland einen Prozeß des Übergangs von einem weitgehend defensiven und vorwiegend auf die Nachbarstaaten ausgerichteten außenpolitischen Agieren zu einem aktiven, das internationale Kräfteverhältnis verändernden und geopolitisch ausgerichteten Aktionsradius außenpolitischen Wirkens eingeleitet. In diesem Zusammenhang werden der aktuellen russischen Außenpolitik in Parteien, Regierungskreisen sowie in Medien der BRD imperialistische Ziele unterstellt.

Um solchen Auffassungen zu begegnen, ist es erstens erforderlich, daß wir uns der Grundsätze der marxistisch-leninistischen Weltanschauung erinnern und sie anwenden. Zweitens muß man die objektiven Existenzbedingungen Rußlands und die daraus erwachsenden Interessen analysieren. Und drittens ist zu untersuchen, ob die praktizierte Außenpolitik diesen Erfordernissen entspricht.


1. Die aktuelle Außenpolitik des russischen Staates

Sie resultiert aus der objektiven Bestimmung der nationalstaatlichen Interessen unter konkreten inneren und internationalen Bedingungen und aus den Wirkungen, die sich aus ihrer Konfrontation mit den Interessen der anderen Teilnehmer an den internationalen Beziehungen ergeben. Sie wird von objektiven und subjektiven, von lang- und kurzfristig wirkenden Faktoren, von strategischen und taktischen Überlegungen bestimmt.

Außenpolitik generell und auch die des russischen Staates ist nicht Ergebnis allein persönlicher Fähigkeiten oder Eingebungen einzelner Personen oder sozialer Gruppen. Marxisten betrachten die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen insgesamt als Bestandteil des gesellschaftlichen Organismus. Ihr Wesen und ihr Inhalt sind untrennbar mit dem Klassenkampf sowohl auf internationaler Ebene als auch im Rahmen der Staaten verbunden. Allerdings reduzieren sie ihre Betrachtungen nicht allein auf diese Faktoren. Auch den nationalen, historischen, kulturellen und geographischen Faktoren räumen sie immer eine große Bedeutung ein. Sie sehen diese jedoch immer in ihrem dialektischen Zusammenhang mit den klassenmäßigen Aspekten.

Die jüngste Geschichte zeigt aber auch, daß es von weitreichender Bedeutung sein kann, wie die Subjekte, die Massen und die Staaten und Politiker die sich aus den objektiven Bedingungen ergebenden Interessen erkennen und wahrnehmen. Die wissenschaftliche Weltanschauung lehnt aber eine formale, einseitig juristische, auf idealistische Werte beruhende Beurteilung der politischen Erscheinungen ab. Sie setzt dieser Praxis der bürgerlichen Welt eine soziologische Analyse der Politik entgegen.

Es bleibt dabei, daß Staat und Politik Ausdruck der ökonomischen Bedürfnisse der Gesellschaft und der verschiedenen und auch unterschiedlichen sozialen Gruppen sind, aus der die Gesellschaft besteht. Aber Staat und Politik können auch auf die Gesellschaft, auf die ökonomischen und sozialen Beziehungen zurückwirken. Engels schrieb: "Die Rückwirkung der Staatsmacht auf die ökonomische Entwicklung kann dreierlei Art sein: Sie kann in derselben Richtung vorgehn, dann geht's rascher, sie kann dagegen angehn, dann geht sie heutzutage auf die Dauer in jedem großen Volk kaputt, oder sie kann der ökonomischen Entwicklung bestimmte Richtungen abschneiden und andre vorschreiben - dieser Fall reduziert sich schließlich auf einen der beiden vorhergehenden. Es ist aber klar, daß in den Fällen II und III die politische Macht der ökonomischen Entwicklung großen Schaden tun und Kraft- und Stoffvergeudung in Massen erzeugen kann." (MEW Bd. 37, S. 490 f.)

Daraus geht hervor, daß man - wenn man vom entscheidenden Einfluß der Produktionsverhältnisse auf das soziale Leben spricht - durchaus nicht den gesamten Prozeß der politischen Entwicklung auf eine direkte und unmittelbare Abhängigkeit von der Produktion zurückführen kann. Die materiellen Verhältnisse haben den letztlichen, aber nicht den alleinigen Einfluß. Neben der Ökonomik wirken auch andere Faktoren teils gewaltig auf den politischen Prozeß ein.

Friedrich Engels lehnte den Standpunkt ab, der die marxistische Lehre in eine Abart des ökonomischen Determinismus verwandeln wollte. Er schrieb, die Produktion sei nach der materialistischen Geschichtsauffassung erst das in letzter Instanz bestimmende Moment. "Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus - politische Formen des Klassenkampfs und seine Resultate - Verfassungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klasse festgestellt usw. - Rechtsformen und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form." (MEW Bd. 37, S. 463)

Bei der Betrachtung von russischem Staat und russischer Politik heute müssen diese Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Einseitige Betrachtung führt zu einseitigen, teilweise schädlichen Schlußfolgerungen.


2. Interessen und strategiebildende Faktoren im heutigen Rußland

Die konterevolutionären Rückschläge haben tiefgreifende sozial-ökonomische, politische, geistig-kulturelle Veränderungen zur Folge, die auch die Außenpolitik betreffen.

Eine der wesentlichen Erscheinungen der heutigen Gesellschaft ist die Existenz des Privateigentums an natürlichen Ressourcen, an Produktionsmitteln und Kapital und der damit verbundenen Oligarchen. Ihre Interessen in der Außenpolitik Rußlands entwickeln sich zunehmend im Widerspruch zur Interessenlage der Mehrheit der Bevölkerung und des Staates, in Widerspruch zur geschichtlichen Erfahrung der russischen Bevölkerung und den Erfordernissen eines sozial abgesicherten Lebens in Frieden.

Nach der intensiven Phase der kapitalistischen Restauration Ende des Jahrhunderts und der damit akut zunehmenden Gefahren für die Existenz des Staates, seiner Integrität und Souveränität sowie für den Weltfrieden wurde der Prozeß der Restauration des Kapitalismus in Rußland zunächst politisch eingedämmt, dann blockiert.

Unter der unmittelbaren Beteiligung von Jewgeni Primakow wurde schon Mitte der 90er Jahre ein Konzept vorgelegt, wonach der Ausweg aus der Situation in der Vereinigung einer sozial orientierten Politik und Ökonomie mit progressiv liberalen Werten (bei ausdrücklicher Ablehnung des westlichen Wertekanons) bestehen soll.

Die Gesellschaft ist aber noch immer in einem Prozeß der Suche nach gesellschaftlichen Lösungen und politischen Antworten auf die Erfordernisse der sozialökonomischen Entwicklung und der Stabilisierung im Inneren. Es ist aber auch so, daß nicht die gesamten Produktionsverhältnisse allein vom kapitalistischen Eigentum bestimmt bzw. dominiert werden.

Die russische Führung hat - angesichts der zugespitzten internationalen Auseinandersetzung und der wachsenden Bedrohungen, die sich aus der Politik der imperialistischen Mächte für die Existenz und die Sicherheit Rußlands und des Friedens in der Welt ergeben - bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung und Konsolidierung einer Außenpolitik erreicht. In diesem Kampf um Selbstbehauptung hat sich angesichts der objektiven Lage die antiimperialistische Stoßrichtung der russischen Außenpolitik immer deutlicher herauskristallisiert. Sie zeigt positive Rückwirkungen auf die Gestaltung der inneren Verhältnisse, erzeugt entsprechende Erfordernisse, wenn sie Seite 16 RotFuchs - August/September 2018 beibehalten werden soll, und wirkt positiv auf die Profilierung der internationalen Beziehungen als zunehmend antiimperialistische Aktionsrichtung.

Die auf die Schaffung günstiger internationaler Bedingungen für die Stabilisierung der fortschrittlichen, demokratischen inneren Entwicklung und die Wiederherstellung der Rolle Rußlands in den internationalen Auseinandersetzungen machte es zugleich erforderlich, das strategisch angelegte Bündnis Rußlands mit der VR China und anderen antiimperialistisch orientierten Staaten zu suchen und auszugestalten. Nur so war es möglich, die Zurückdrängung der imperialistischen Politik im innenpolitischen Prozeß und in den verschiedenen Regionen der Welt einzuleiten und zu realisieren. "Rußland und China haben ähnliche oder gleiche Ansätze zu den wichtigsten Problemen der Gegenwart und setzen sich konsequent für den Aufbau einer polyzentrischen Welt auf Basis des Völkerrechts ein", betonte Sergej Lawrow.

Diese Politik stößt auf den wachsenden und aggressiver werdenden Widerstand der imperialistischen Mächte im Rahmen der NATO, der EU und besonders des USA-Imperialismus, weil sie eine Verringerung ihres Einflusses konstatieren müssen. Sie betreiben eine Politik der ökonomischen Sanktionen, der militärischen und politischen Einkreisung und der Drohungen.

Die Ausbeutung der natürlichen Reichtümer Rußlands, die Profite aus ihrer Verwertung und die Kontrolle darüber waren und sind begehrtes Ziel der imperialistischen Mächte. Rußland verfügt über bedeutende Weltreserven an Gas, Erdöl und Gold. Die entscheidenden Elemente der Mendelejew-Tabelle befinden sich auf seinem Territorium. Und: nur zehn Prozent des asiatischen Teils des Landes sind bisher geologisch erschlossen!

Das sind günstige aktuelle und perspektivische Bedingungen, die für eine Politik des Friedens und der inneren Stabilität wirksam gemacht werden können.

Die geographische Lage und die Ausdehnung Rußlands über zwei Kontinente sind wichtige Hindernisse bei der Umsetzung der Pläne der imperialistischen Mächte zur Verwirklichung ihrer Träume von der Weltherrschaft, aber günstige Gegebenheiten für die Gestaltung der Geo-Politik Rußlands.

Schon im 19. Jahrhundert haben USA-Präsidenten Rußland mit seinem Territorium und seinen Naturreichtümern als Feind behandelt. Napoleon hat versucht, das Land zu besiegen. Der deutsche Imperialismus und Faschismus wollte Rußland handgerecht herrichten, damit es besser verwaltet werden kann.

Der Ausgang dieser Kämpfe hat immer zur Verstärkung der progressiven Linien in der Politik und Gesellschaft des Landes und der Region, in der Welt geführt. In dieser Auseinandersetzung erweist sich die auf der Grundlage der Verwirklichung des demokratischen Völkerrechts auf Frieden und gleichberechtigte internationale Zusammenarbeit ausgerichtete Außenpolitik Rußlands als ein entscheidender Faktor des antiimperialistischen Kampfes.

Geschichte wirkt, indem sie dazu beiträgt, geistig-kulturelle Werte zu erzeugen, die als wichtiger Faktor die friedenstiftende und progressive Ausrichtung der russischen Außenpolitik prägend trägt. Weltgeschichtliche historische Prozesse und Ereignisse, an denen Rußland (die Sowjetunion) aktiv beteiligt war, insbesondere der Kampf gegen imperialistische Raubzüge und Faschismus, beeinflussen in starkem Maße die Vorstellungen der Menschen von der Rolle Rußlands in den internationalen Beziehungen und die Erwartungen an seine Außenpolitik.

Das Bekenntnis zur progressiven Tradition und zum geistig-kulturellen Weg Rußlands schränkt den Raum für die Übernahme des "westlichen" Wertekanons als Leitlinie für die Gesellschaft und die Politik, insbesondere für die Außenpolitik, ein. Es verstärkt die Resistenz gegen antirussische Positionen und gegen die sich in den kapitalistischen Staaten ausbreitende Russophobie. Die Erfolge der russischen Außenpolitik in den letzten Jahren (Syrien, Ukraine, China, Verteidigungsfähigkeit) verstärken diese Resistenzkraft und den Stolz der Bürger.

Die offizielle Geschichtspolitik und das geistig-kulturelle Umfeld insgesamt sind darauf ausgerichtet, den Nachweis zu erbringen, daß Rußland:

  • zu Recht die Rolle als Großmacht beansprucht,
  • berechtigt ist, Europa mitzugestalten, und daß dem Land ein bedeutender Platz in Europa zukommt,
  • zu Recht den "Werte"kanon, der durch die EU und ihre Großmächte sowie durch die USA vertreten wird, ablehnt.

Es wird die Forderung nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit der EU und ihren Mächten sowie mit den USA und die Notwendigkeit der Ablehnung (Abwehr) der Einmischung der imperialistischen Staaten in die inneren Angelegenheiten Rußlands (z. B. die Ablehnung der sogenannten "Modernisierungspartnerschaft" zwischen EU und Rußland) begründet.

Die Geschichtsarbeit liefert die historische Begründung für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit auf der Grundlage der Achtung der Souveränität der Staaten und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten.

Die Geschichtsarbeit und das Geschichtsbewußtsein wirken als fördernde Faktoren für die auf Frieden und gleichberechtigte internationale Zusammenarbeit ausgerichtete Außenpolitik Rußlands. Das Geschichtsbewußtsein ist ein Faktor, der eine antiimperialistische Außenpolitik stärkt und fördert.


3. Projekte und Politik des Friedens

Die Außenpolitik Rußlands zeichnet sich dadurch aus, daß sie auf der Grundlage klarer Konzeptionen von der Strategiebestimmung bis zu den einzelnen regionalen und Sachbereichen durchgeführt wird. Trotz Schwierigkeiten hat Rußland so beträchtliche Schritte in Richtung Frieden und gleichberechtigte Zusammenarbeit gehen können - gegen die Absichten der imperialistischen Mächte.

Verhältnis zu China

Besonders die Veränderung des Verhältnisses zur Volksrepublik China glich einer tektonischen Verschiebung in den internationalen Beziehungen zugunsten der Schaffung einer friedenswirksamen Alternative zur Hegemonialpolitik des USA-Imperialismus in Gestalt einer monopolaren Welt. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten wurde zu einem grundlegenden Faktor
a) bei der Entwicklung eines internationalen Kräfteverhältnisses, das bessere Bedingungen für den Kampf um die Gestaltung demokratischer Beziehungen zwischen den Staaten ermöglicht und
b) für die Verhinderung eines durch die imperialistischen Kräfte angestrebten Alles-oder-Nichts-Kurses, einschließlich der Auslösung eines Weltbrandes, zur Sicherung ihrer Herrschaft.

Neue Weltordnung

Die Russische Föderation betreibt erklärtermaßen eine Außenpolitik, "die auf die Schaffung eines stabilen und nachhaltigen Systems der internationalen Beziehungen auf der Grundlage der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Normen und Grundsätze der Gleichberechtigung, der gegenseitigen Achtung, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zwecks Wahrung der zuverlässigen und gleichen Sicherheit jedes Mitglieds der Weltgemeinschaft ausgerichtet ist".

In dieser Ausgewogenheit sind die zwischenstaatlichen Gruppierungen und Abkommen als Bausteine einer Ordnung in der Welt konzipiert, wie sie von den Vereinten Nationen bereits bei ihrer Gründung 1945 angestrebt war.

Der Wertepolitik der BRD, der USA, der EU und der NATO stellt Rußland ausdrücklich die Gleichberechtigung der Subjekte der internationalen Beziehungen entgegen.

Internationale Sicherheitsstruktur

In diesem Sinne hat Rußland recht konkrete und weitgehende Vorstellungen für die weltweite und regionale Sicherheit entwickelt, Vorschläge für Abrüstung gemacht und Vorstellungen für vertrauensbildende Maßnahmen unterbreitet. In den Mittelpunkt der Bemühungen um internationale Sicherheit stellt Rußland die Stärkung der Rolle der UNO.

Regionale Sicherheit und Zusammenarbeit

Ein Schwerpunkt für Rußland ist die Zusammenarbeit mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Dazu dient die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).

Im Jahre 2014 ist aus der Eurasischen Union die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) hervorgegangen. Sie wird als Projekt gesehen, das es den Beteiligten erlaubt, so Wladimir Putin, "einen würdigen Platz in der schwierigen Welt des 21. Jahrhunderts" einzunehmen. Praktisch ist dieses Projekt ein Gegengewicht zur Politik der Expansion der USA im außereuropäischen Raum und ein Gegengewicht zur EU und zu seiner Expansion in Osteuropa bzw. zur "Nachbarschaftspolitik" der EU gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken (Mitglieder: Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Rußland, Weißrußland und Kandidat Tadschikistan). Die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) verfügt über ein breites Spektrum an Institutionen, die der Reaktion auf unterschiedliche Arten externer Bedrohungen dienen. Sie sind gerichtet gegen den klassischen Angriff von außen, aber auch gegen Versuche der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedstaaten und der Destabilisierung ihrer innenpolitischen Lage sowie gegen internationalen Terrorismus. Dazu kommt der Kampf gegen Drogenhandel sowie Gefahren im Bereich der Informationssicherheit. (Mitglieder der OVKS: Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Rußland, Tadschikistan, Weißrußland. Beobachter sind Afghanistan und Serbien.) Praktische Schritte wurden zur Unterbindung des Drogenhandels auf der "Nordroute" aus Afghanistan durch Zentralasien und Rußland nach Europa und zur Bekämpfung Krimineller im Bereich des Informationswesens unternommen. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) ist mittlerweile zur weltweit größten Regionalorganisation aufgestiegen. Sie umfaßt circa 40 Prozent der Weltbevölkerung. Zu ihr gehören neben Rußland und China Indien, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan. Beobachterstatus haben Afghanistan, Iran, die Mongolei und Weißrußland.

Die SCO und die EAWU wirken auch als Verbindung zu dem chinesischen Projekt "Neue Seidenstraße". Die EAWU hat ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit der EU bekundet. Die OVKS betont ausdrücklich die Kooperation mit der UNO, der OSZE, der EU, der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, der Internationalen Organisation für Migration und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Von Streben nach einem einseitigen Einsatz der russischen Außenpolitik für "russische Hegemonie" ist auch in diesen Bereichen keine Spur!

Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit

Rußland lehnt den Standpunkt der Großmächte der EU und der NATO ab, wonach jegliches Sicherheitssystem nur auf zwei Säulen, auf der Grundlage von NATO und EU, aufgebaut werden könne. Seit 2008 fordert Rußland den Abschluß eines völkerrechtlich bindenden multilateralen Vertrages, dem sich alle Staaten und internationale Organisationen anschließen können. Dafür hat der damalige Präsident Medwedew einen konkreten Vertragsvorschlag vorgelegt (am 5. Mai 2008), der von den kapitalistischen Staaten allerdings abgelehnt wurde.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow präzisierte in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung am 27. September 2008, daß es Rußland dabei um die Bekräftigung der grundlegenden Völkerrechtsprinzipien wie Gewaltverzicht, friedliche Konfliktregelung, Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten, um die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, die Unteilbarkeit der Sicherheit sowie die Unzulässigkeit, die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu gewährleisten, geht.

Trotz der ablehnenden Haltung der imperialistischen Großmächte hat Rußland bis heute immer wieder seine Entschlossenheit bekundet, eine Politik des Friedens, der Sicherheit und Zusammenarbeit zu verfolgen und konkrete Vorschläge gemacht, um zu erreichen, daß die EU ihre Politik gegenüber Rußland "aufgrund des Interessenausgleichs" betreibt, wie es Außenminister Lawrow formulierte.

Zu einer solchen Politik wird Rußland auch angesichts der wachsenden Gefahren veranlaßt, die seit der Konterrevolution immer wieder durch die imperialistischen Mächte für die Völker heraufbeschworen werden. Der letzte Akt zur Zerschlagung der UdSSR erfolgte nach der pompösen Verkündung der Pariser Charta (21. November 1990), die auf der Melodie des Antikommunismus, des Antisozialismus und Antisowjetismus das Ende des "Zeitalters der Konfrontation und der Teilung Europas" und das Himmelreich der "blühenden Gärten" verkündete. Die Sowjetunion wurde beseitigt, danach wurde die NATO entgegen aller vorherigen Zusagen, auf das Territorium des ehemaligen Warschauer Vertrages ausgedehnt. Statt "blühender Gärten" mußten die Völker brennende Staaten erleben. Sowohl durch die Politik der "östlichen Nachbarschaft" und die Aufnahme der europäischen RGW-Staaten in die EU als auch durch die Aggression gegen Jugoslawien und die Zerschlagung dieses Staates zwecks Ausbau der Kontrolle und der Herrschaft der EU und der NATO auch über dieses Gebiet wurde imperialistische Expansion betrieben. Dem diente auch die Expansion in die baltischen Staaten, das Schüren der Konflikte in Moldawien, zwischen Aserbeidschan und Armenien sowie der Lage in Georgien und die Aggression in der Ukraine und in Syrien. Durch die imperialistischen Mächte und ihre Bündnisse wurde in Europa und darüber hinaus immer wieder die Gefahr eines Krieges in Kauf genommen, um imperialistische Ziele zu realisieren.

Rußland hat begonnen, aus diesen Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen. Rußland hat (laut Putin) gelernt, seine Interessen "entschieden durchzusetzen, indem wir uns unter anderem auf unsere historische Erfahrung gestützt haben".

Prof. Dr. Anton Latzo

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Rußland und China sichern globale Balance

Friedenskämpfer, Vertreter linker, fortschrittlicher Bewegungen suchen Antworten auf die Frage, ob und wie ein Weltkrieg verhindert und der Frieden gesichert werden kann. Verfügen USA und NATO über die technologische und technische Überlegenheit bei den kriegsentscheidenden strategischen Waffen, wie es Trump im November 2017 in Japan verkündete, oder sind es neuerdings Rußland und China?

Am 13. Oktober 2017 erklärte der Vertreter des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation Alexander Jemeljanow folgendes: Pentagon und NATO befassen sich seit dem Jahre 2000 mit dem verstärkten Ausbau der Komponenten für einen konventionellen Komplex zur Führung eines "unmittelbaren globalen Schlages" zur Vernichtung der strategischen Kernwaffenkräfte Rußlands und Chinas und wollen dabei "Antiraketensysteme" sowie Komponenten des "Prompt-global-Strike-Komplexes" (PGS) zusammenführen. Außenminister Lawrow ergänzte am 25. März, daß die USA für den Fall der Nichtrealisierbarkeit eines solchen Schlages auch einen gesonderten Kernwaffen-Enthauptungsschlag gegen die Russische Föderation auf der Basis von modernisierten und neuen Kernwaffen vorbereiten. USA und NATO wollten das globale Gleichgewicht zu ihren Gunsten aushebeln und bedrohten damit nicht nur die Sicherheit und Existenz Rußlands und Chinas, sondern die der ganzen Welt (ihre eigene eingeschlossen!). Das Resultat wären Chaos und noch mehr Katastrophen für die Menschheit, bis hin zur Zerstörung der gesamten Erde.

Noch vor vier Jahren wähnten sich die USA und die NATO gegenüber Rußland und China aufgrund der Anhäufung von Angriffs- und Verteidigungswaffen absolut überlegen. So verfügten und verfügen sie über Antiraketenkomplexe Aegis Ashore mit Standard-3-Antiraketen und andere Antiraketenkomplexe an Land und auf Schiffen rund um die Russische Föderation und China. Es sollen bis zu 2500 dieser Antiraketen stationiert werden, um einen russisch-chinesischen Antwortschlag nicht zuzulassen. Die dazu gehörenden Antiraketenplattformen (MK-41) sollen in Europa perspektivisch auch für den Start von Flügelraketen mit einer Reichweite von bis zu 2500 km genutzt werden, wodurch Rußland von USA und NATO bis zum Ural durch konventionelle und atomare Mittelstreckenwaffen, unter Verletzung des entsprechenden Abkommens, bedroht würde. Tieffliegende Satelliten der USA sollten gegen ballistische Raketen sowie gegen tieffliegende kosmische Apparate der Russischen Föderation und Chinas eingesetzt werden.

Vorhandene Komponent en des PGS-Konzepts im Rahmen der Triade von konventionellen und Kernwaffen sind: der luft-kosmische Apparat X-47B (Drohne im Unterschallbereich), der orbitale Flugapparat X-37, land- und seegestützte Raketen (z. B. Minuteman-3, Trident-2 älterer Bauart), Tomahawk-Flügelraketen (z. T. veraltet), bemannte und unbemannte Luftangriffsmittel: Abfangjagdflugzeuge, Bomber, Drohnen, Atom-U-Boote und Flugzeugträger, die alle mit Alterungserscheinungen (z. B. schwachen Stealth-Eigenschaften) zu kämpfen haben.

Mit der qualitativen Nachrüstung Rußlands, dessen Kriegserfahrungen in Syrien sowie der Vorstellung perspektivischer strategischer Waffensysteme durch Putin im März 2018 wurden die westlichen Erstschlagsstrategen auf den Boden einer neuerlichen Balance des globalen Gleichgewichts zurückgeholt. Als Antwort auf die PGS-Konzeption der USA und deren Kernwaffenmodernisierung erreichten Rußland und China qualitative Durchbrüche auf technologischem und militärtechnischem Gebiet.

Derzeit existieren bereits 400 Systeme, die die westlichen Abwehrsysteme überwinden können; weitere befinden sich in der Entwicklung:

  1. Antiraketen-, luft-kosmische Komplexe und solche der Truppenluftabwehr (S-400, S-500, Panzir)
  2. Orbitale manövrierende kosmische Abfangsatelliten-Vernichter kosmischen Mülls
  3. Kalibr-, Hyperschall- u. IKB-Raketen - zur Überwindung der US-Raketenabwehrsysteme
  4. Bemannte und unbemannte Flugkörper der 5. und 6. Generation zur überlegenen Luftkampfführung
  5. Kleinst- und Klein-Raketen-U-Boote und Kleinschiffe zum Bekämpfen von Großschiffen u. a. Zielen
  6. Hochwirksame Systeme des funkelektronischen Kampfes, elektromagnetische und Cyber-Systeme

In seiner Rede an die Nation erklärte Präsident Putin unter Hinweis auf die vorgestellten neuen und perspektivischen strategischen Waffensysteme: "Es gibt nichts dergleichen weltweit. Jahrelang haben sie uns nicht zugehört. Jetzt werden sie uns zuhören!"

Bei dem "Kinshal"-Komplex handelt es sich um eine MiG-31 mit einer Hyperschall-Rakete großer Reichweite zur gezielten Vernichtung von strategisch wichtigen Land- und Seezielen, der sich bereits in der Truppe befindet und den Nachweis seiner Effektivität erbracht hat. Die schwerste interkontinentale ballistische Rakete der Welt "Sarmat" kann die Abwehrsysteme der USA über den Nord- oder Südpol überwinden. Sie befindet sich in der Serienproduktion und wird Ende 2019 in der russischen Armee erwartet.

Die Feuerkugel "Avangard" ist ein Hyperschallgleiter, der durch den Einsatz neuer Verbundstoffe sogar in den dichten Schichten der Atmosphäre Geschwindigkeiten von über 20 Mach und eine interkontinentale Reichweite erreicht. Er fliegt wie eine Feuerkugel auf das Ziel zu, kann dabei Abwehrsystemen ausweichen und jedes Ziel auf der Erde in kürzester Zeit erreichen. Der Gleiter befindet sich bereits in Serienproduktion. Ein atombetriebener Marschflugkörper "Sturmvogel" mit quasi unbegrenzter Reichweite wurde Ende 2017 erfolgreich mit einem Minikerntriebwerk getestet. Damit wird Rußland zukünftig über einen völlig neuen Waffentyp verfügen.

Das Laser-Waffensystem "Peresvet", welches neuste physikalische Prinzipien nutzt, soll sich bereits zur Truppenerprobung bei Einheiten der Luftverteidigung in Südrußland befinden.

Bei der atombetriebenen Unterwasserdrohne handelt es sich um das System "Poseidon", welches in großer Tiefe agiert und konventionelle sowie atomare Ladungen mit großer Manövrierfähigkeit und hohen Geschwindigkeiten an die Einsatzziele bringen kann.

Zusammenfassend ist festzustellen:

Die Kräfte des Krieges in den USA und der NATO waren so sehr mit den Aktivitäten zur Vorbereitung eines unmittelbaren globalen Schlages und der Produktion konventioneller und atomarer Waffen befaßt, daß sie von den durch Putin vorgestellten neuen strategischen Waffensystemen völlig überrascht wurden.

Das Erscheinen von Präzisions-Flügelraketen, Drohnen der 6. Generation, von luft-kosmischen Angriffs- und Abwehrwaffen (darunter neue interkontinentale ballistische Raketen sowie land- und seegestützte Hyperschall-Raketen), von kleinen Unter- und Überwasserschiffen mit Präzisionswaffen, von weiteren strategischen Waffen sowie von hocheffektiven Systemen des funkelektronischen Kampfes Rußlands und Chinas in den letzten Jahren, führte zur Wiederherstellung des globalen Gleichgewichts. Diese effektiven Hightech-Waffen entwerten die teuren US-Abwehrsysteme und können (nach Putin) nicht nur die Balance der Seiten aufrechterhalten, sondern USA und NATO an den Verhandlungstisch zwingen, um die Gefahr eines Weltkrieges für einen längeren Zeitraum zu bannen, eine totale Katastrophe abzuwenden sowie bei der Begrenzung und Abrüstung von konventionellen und nuklearen Waffen und beim Aufbau einer multipolaren Weltordnung voranzukommen.

Die Überlegenheit auf wissenschaftlichen und technischen Gebieten sowie der Aufbau moderner Produktionsstätten und neuste Technologien machten die qualitativen Durchbrüche Rußlands - in Syrien für alle sichtbar - möglich. Halten wir fest: Die Russische Föderation bedroht niemanden und will auch niemanden angreifen. Rußland und China sehen sich als Mächte, die das globale strategische Gleichgewicht und somit den Weltfrieden sichern wollen. Beide streben (verkündet beim Staatsbesuch Putins in China am 8. Juni) die Wiederherstellung des internationalen Rechts, die Regelung von Rüstung und deren Kontrolle an und treten gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen ein.

Alle an der Vermeidung eines Weltkrieges interessierten Kräfte sollten Rußland und China dafür dankbar sein und deren Kampf für den Frieden unterstützen, indem sie für die Nichtauflösung bzw. die Wiederherstellung von internationalen Verträgen zur Begrenzung, Verringerung, Vernichtung und Kontrolle strategischer konventioneller und Kernwaffen sowie für die Auflösung von militärischen Stützpunkten eintreten und fordern, daß Interessenkonflikte zwischen Staatengruppen oder Staaten weltweit nur noch mit politischen Mitteln gelöst werden.

Oberst a.D. Dr. h.c. Gerhard Giese, Strausberg

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Sozialismus, Genossen ...

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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WISSENSCHAFTLICHE WELTANSCHAUUNG
Wegbereiter einer neuen Zeit: Vier Zonen - und wie weiter?
Sendung des Deutschlandsenders vom 26. September 1974

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Mythen und Tatsachen zur "Blockade" und zur Teilung Berlins (1)

Die Berliner Krise 1948/49

Im Juni dieses Jahres geschah im Berliner "Tagesspiegel" Ungewöhnliches. Wolfgang Benz, emeritierter Professor für Neuere Geschichte und langjähriger Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, publizierte am 18. Juni einen ausführlichen Beitrag, in dem er sachlich und fernab der üblichen antisowjetischen Geschichtsfälschungen die Ursachen der Berliner Krise von 1948/49 analysierte. Dabei nahm er vor allem die am 20. Juni 1948 in den westlichen Besatzungszonen eingeführte neue Währung ("D-Mark") in den Blick, die kurz darauf auch in den drei Westsektoren Berlins gesetzliches Zahlungsmittel wurde. Bereits seit Oktober 1947 seien die neuen Geldscheine unter strengster Geheimhaltung in den USA gedruckt worden. Dies konnte von der UdSSR nicht unbeantwortet bleiben. Benz schreibt, daß die "logische Folge" der Währungsreform im Westen "die Blockade West-Berlins" gewesen sei. Und weiter: Der 20. Juni 1948 "war schon ein Gründungsdatum der Bundesrepublik und der DDR und deren Systemkonkurrenz. Die Spaltung Deutschlands ging vom Westen aus, sie blieb zentrales Thema des kalten Krieges." Derartige Töne sind in der bürgerlichen Presse vollkommen ungewohnt und forderten natürlich Widerspruch heraus.

Hermann Rudolph, Herausgeber des "Tagesspiegels", antwortete am 24. Juni mit einem Beitrag, in dem die "Blockade" als eine "Attacke auf die Existenz des westlichen demokratischen Teils der Stadt" fehlinterpretiert und ansonsten die gängigen Klischees zur Thematik wiederbelebt wurden. Bei der "Blockade" habe es sich um eine Konfrontation "zwischen sowjetischem Totalitarismus und demokratischer Ordnung" gehandelt; sie sei im übrigen ein Ausdruck des "sowjetischen Expansionswillens" gewesen. Daß die "Währungsreform" und damit als Folge die finanzpolitische und wirtschaftliche Teilung Deutschlands und Berlins der Auslöser war - dies wurde verschämt nur in einem Satz erwähnt. Es stellt sich die Frage, worum es sich tatsächlich bei der "Blockade" handelte, ob es eine solche überhaupt gegeben hat und worin die Ursachen für die Handlungen der Sowjetunion bestanden. Dabei steht außer Frage, daß die Berliner Krise der Jahre 1948/49 eingebettet werden muß in die Analyse der sich damals vollziehenden weltpolitischen Prozesse, was an dieser Stelle allerdings nur bruchstückhaft geleistet werden kann. Hier ging es um den sich in der internationalen Arena immer spürbarer durchsetzenden kalten Krieg, der in Berlin für die kommenden Jahrzehnte eines seiner wichtigsten Aktionszentren bekommen sollte.

Nach dem Tod von Präsident Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 setzten sich diejenigen Kräfte innerhalb der Administration seines Nachfolgers Harry S. Truman und in den Vorstandsetagen großer Banken und Industriekonzerne durch, deren Antisowjetismus sie blind für die Erfordernisse des heraufziehenden atomaren Zeitalters machte. Hier galt die "Eindämmung" des Kommunismus (containment), bei einigen sogar die "Befreiung" der Welt von der "sowjetischen Gefahr" (liberation policy, roll back), als oberstes Gebot der US-amerikanischen Außenpolitik. Letztlich ging es den Verfechtern dieser Konzeptionen um die ökonomische, militärische und politische Beherrschung der Welt durch die USA.

Je mehr sich die von blindem Antisowjetismus geprägte Linie der US-amerikanischen Außenpolitik durchzusetzen begann, desto weniger spielten die gemeinsamen Festlegungen der Antihitlerkoalition, die während der Konferenzen in Jalta und Potsdam 1945 erzielt worden waren, noch eine Rolle. Dies betraf vor allem die Vereinbarung, Deutschland als Ganzes zu behandeln und gemeinsam zu verwalten. Das Jahr 1947 brachte dann den Durchbruch der auf die Konfrontation mit der Sowjetunion ausgerichteten Kräfte in den USA. Zu den entscheidenden Ereignissen gehörte in diesem Zusammenhang die am 1. Januar 1947 gebildete Bizone, bestehend aus der US-amerikanischen und der britischen Zone, die innerhalb kurzer Zeit alle äußeren Merkmale eines eigenständigen Staates aufwies.

Der wichtigste Beweggrund für die Truman-Administration, den Weg in Richtung eines westdeutschen Separatstaates zu beschreiten, bestand in seiner Funktion, als ökonomisches Herzstück eines gegen die UdSSR gerichteten, aggressiven Kurses in Europa zu dienen.

Mit der von Präsident Truman am 12. März 1947 verkündeten Doktrin, der zufolge die USA zukünftig "freie Völker unterstützen" sowie ihnen helfen würden, "Unterwerfungsversuche von bewaffneten Minderheiten oder durch äußeren Druck" zu widerstehen und angesichts des von Außenminister George C. Marshall am 5. Juni desselben Jahres öffentlich vorgestellten Programms, das eine "Wiederaufbauhilfe" für die Staaten Westeuropas vorsah (Marshallplan), war offensichtlich geworden, daß die USA die Signale auf Konfrontation gestellt hatten. Der US-amerikanische Senator Edwin Carl Johnson, ein scharfer außenpolitischer Opponent Trumans, formulierte vor dem Kongreß am 22. April 1947 zutreffend, daß die vom Präsidenten öffentlich verkündete außenpolitische Doktrin "eine Art Kriegserklärung an die Sowjetunion" sei.

Eine Währung für ganz Deutschland?

In diesem Zusammenhang stand seit längerer Zeit die Frage einer Währungsreform in den Westzonen Deutschlands im Raum, mit deren Hilfe die weitgehend wertlose Reichsmark zugunsten einer neuen Währung abgelöst werden sollte; denn einer immensen Menge an Reichsmark stand eine nicht annähernd adäquate Menge von Gütern gegenüber. Die Folge waren die Rationierungen fast aller Waren und die Existenz eines "Schwarzen Marktes". Selbstverständlich war eine Währungsreform von den Alliierten von Anfang an als gesamtdeutsche, zonenübergreifende Maßnahme gedacht gewesen: "Ein Land, eine Währung."

Doch die neue Währung war insgeheim bereits in den USA gedruckt und anschließend auf dem Seeweg nach Deutschland transportiert worden, wo die Geldscheine im November 1947 eintrafen ("Operation Bird Dog"). Sie lagerten in den Kellern der Reichsbankhauptstelle in Frankfurt am Main und warteten hier auf den "Tag X". Dieser Tag war am 20. Juni 1948 gekommen, als in den Westzonen das neue Geld ausgegeben wurde; zunächst 40 DM, später noch einmal 20 DM pro Kopf der Bevölkerung. Damit existierte jetzt in den Westzonen und in Westberlin ein von der SBZ klar zu unterscheidendes Wirtschaftsgebiet mit eigener Währung.

Die Lage in Berlin am Vorabend der "Blockade"

Eine besonders komplizierte Situation herrschte zeitgleich in Berlin. Der hier tagende Alliierte Kontrollrat, das oberste Gremium der vier Siegermächte zur Festlegung gemeinsamer Beschlüsse, war seit dem 20. März 1948 durch den Auszug der sowjetischen Delegation, die unter der Leitung von Marschall Sokolowski stand, praktisch lahmgelegt. Was war geschehen?

Im Zentrum der Auseinandersetzungen standen die Ergebnisse der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz, an der die USA, Frankreich, Großbritannien und die Beneluxstaaten teilnahmen (23. Februar bis 6. März 1948 und 20. April bis 7. Juni 1948). Die Sowjetunion hatte keine Einladung erhalten, obwohl hier außerordentlich bedeutsame Beschlüsse, die "Londoner Empfehlungen", ausgearbeitet und verabschiedet wurden, die Deutschland als Ganzes betrafen: So zum Beispiel die Einbeziehung der Westzonen in den Marshallplan, die Durchführung einer einheitlichen Wirtschaftspolitik in diesen Zonen, die endgültige Absage einer Vier-Mächte-Kontrolle über das Ruhrgebiet sowie die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, die ein Grundgesetz für den angestrebten Separatstaat ausarbeiten und beschließen sollte. Alle derartigen Themen hätten jedoch unbedingt zuvor im Alliierten Kontrollrat bzw. auf einer Außenministerkonferenz der vier Mächte erörtert werden müssen.

Als die Vertreter der Westmächte den Repräsentanten der UdSSR auf der Kontrollratssitzung am 20. März 1948 die Auskunft über die in London gefaßten Beschlüsse verweigerten, verließen sie die Sitzung, da - wie Marschall Sokolowski erklärte - aufgrund der Handlungen der Westalliierten "der Kontrollrat als oberstes Machtorgan in Deutschland, das die Viermächteverwaltung dieses Landes verwirklicht, faktisch nicht mehr besteht".

Unter welchen politischen Optionen konnte die sowjetische Führung angesichts dieser Entwicklungen eine Auswahl treffen, immer unter dem Gesichtspunkt, den beginnenden kalten Krieg nicht unnötig zu verschärfen und - ganz im Gegenteil - die westalliierten Partner wieder auf eine Politik einschwenken zu lassen, die sich von den Prinzipien des Potsdamer Abkommens leiten ließ? Die Sowjetunion entschied sich für eine Mixtur aus Konzilianz und Pressionen. Das bedeutete zum einen die ständige Bereitschaft zu Verhandlungen, auch auf hoher und höchster Ebene, zum anderen die Ausübung von Druck, um die drohende Konstituierung eines westdeutschen Separatstaates, der sich womöglich in nicht allzuferner Zeit in eine antisowjetische Allianz einreihen könnte, zu verhindern.

Die "Blockade" beginnt

In diesen Zusammenhang gehörten die ersten von der SMAD verfügten, eher sporadischen Behinderungen des Verkehrs von und nach Berlin ab dem Januar, dann häufiger praktiziert, seit dem März 1948. Als schließlich am 20. Juni die D-Mark in den Westzonen und am 24./25. Juni auch in den Westsektoren Berlins eingeführt wurde, entstand eine neue Situation. Es bestand ökonomisch die Gefahr, daß die Reichsmark-Bestände jetzt für Käufe in der SBZ, einschließlich des sowjetischen Sektors in Berlin, genutzt werden und dort eine importierte Inflation sowie einen Ausverkauf nicht kontingentierter Güter auslösen würden. Im Kern handelte es sich für die Sowjetische Militäradministration darum, den dramatischen Wertverlust der in der SBZ gültigen Währung und den sich daraus zwangsläufig ergebenden Ausverkauf ihrer Besatzungszone zu verhindern. Die SMAD reagierte daraufhin neben der Organisierung einer eigenständigen Währungsreform mit der Kappung der Verkehrswege zu Wasser, auf der Schiene und auf der Straße in der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1948.

Für die Westmächte kamen diese Maßnahmen keineswegs unerwartet. In seinen Memoiren berichtet Robert D. Murphy, politischer Berater des Außenministeriums der USA für General Lucius D. Clay, daß eine harte Reaktion der UdSSR auf seiten der Westalliierten für durchaus möglich gehalten wurde: "Wir schickten unsere Warnungen an alle beteiligten Stellen in Washington, London und Paris und baten um genaue Anweisungen darüber, ob die Währungsreform in der Bizone auch auf die Gefahr einer sowjetischen Gegenaktion hin weitergehen und ob gegebenenfalls mit Gewalt gegen eine russische Blockierung Berlins vorgegangen werden sollte.

Nicht nur einmal, sondern mehrfach befaßten sich die höchsten Regierungsstellen mit dieser sehr dringenden Anfrage. Es war offensichtlich, daß die politischen Autoritäten in Washington unterschiedliche Auffassungen zu dieser Angelegenheit hatten." Man wußte in den Hauptstädten der Westalliierten also Bescheid, welche Risiken die Einführung der D-Mark in ihren Berliner Sektoren mit sich bringen könnten.

Als es schließlich am 23./24. Juni 1948 zu den von der SMAD verordneten Absperrungen gekommen war, sahen sich die Westberliner jedoch keinesfalls einer totalen "Blockade" ausgesetzt. Für sie wurde vom 1. August an die Möglichkeit geschaffen, sich im sowjetischen Sektor mit Waren einzudecken. Hierfür waren unter anderem zunächst 100.000 Tonnen Mehl und 10.000 Tonnen Fette sowie andere Lebensmittel vorgesehen, die aus der Staatsreserve der Sowjetunion stammten. Die Angaben über die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger der Westsektoren, die sich im sowjetischen Sektor der Stadt, aber auch in der umgebenden Mark Brandenburg regelmäßig mit Lebensmitteln versorgten, ist nicht mehr zweifelsfrei festzustellen. Es dürften zwischen etwa 20.000 und 100.000 Westberliner gewesen sein, die ihre Lebensmittelkarten im sowjetischen Sektor Berlins registrieren ließen.

Inzwischen entfaltete sich das Schauspiel der "Berliner Luftbrücke", die zum Gründungsmythos eines spezifischen "Westberlinertums" avancierte, das aus aggressivem, ja haßerfülltem Antikommunismus und Antisowjetismus sowie einer "Nibelungentreue" gegenüber den US-Amerikanern bestand, die wegen ihrer vollkommen undifferenzierten Bewunderung alles "Amerikanischen" von geradezu peinlicher, mitunter hysterischer Unterwürfigkeit gegenüber den USA geprägt war.

Hinzu gesellte sich die absurde Selbsteinschätzung, die "Insel westlicher Freiheiten" zu sein, ja den "Vorposten der Demokratie" inmitten des "Meeres des Kommunismus" darzustellen. Damit einher ging ein galoppierender politischer Realitätsverlust, der in der vielfach durchaus ernst gemeinten Metapher "Lieber tot als rot" seinen konzentrierten Ausdruck fand.

Selbstredend wurden diese Mentalitäten und Verhaltensweisen durch die täglich vor Augen geführte materielle Überlegenheit der USA gegenüber der Sowjetunion wie auch gegenüber ihren westlichen Alliierten entscheidend begünstigt. Die UDSSR, deren Territorium erst wenige Jahre zuvor von den faschistischen Okkupanten verwüstet worden war, hatte keine Ressourcen, um mit der Verteilung von Care-Paketen, Bohnenkaffee, Zigaretten und anderen knappen Gütern bei der Bevölkerung Berlins Sympathien zu gewinnen.

Das Gefühl, der "Blockade" widerstanden zu haben, ist bis zum heutigen Tage nicht ohne emotionale Bedeutung. Über die tiefer liegenden Ursachen der damals entstandenen Situation sowie über die Tatsache, daß Westberliner die Möglichkeit hatten, sich im sowjetischen Sektor der Stadt mit den lebensnotwendigsten Dingen zu versorgen, und daß ferner ein Vorschlag auf dem Tisch lag, die Westsektoren mit Energie zu versorgen, ist bei solchen Gelegenheiten allerdings nicht die Rede. Auch die "Gegenblockade" der Westalliierten, die alle Lieferungen von Wirtschaftsgütern in die SBZ eingestellt hatten, wird gern verschwiegen.

Reiner Zilkenat

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Fritz Cremer (22.10.1906 - 1.9.1993)

Der vor 25 Jahren verstorbene Künstler, dessen wir hier gedenken, ist in einem arbeitsreichen Leben zu dem Bildhauer und zu einem bedeutenden Graphiker der deutschen Arbeiterklasse geworden. Dabei blieb er stets der Proletariersohn aus dem Ruhrgebiet. Als Schöpfer zahlreicher Mahnmale des Widerstands gegen den Faschismus hat er internationale Anerkennung erworben. Aber sein Werk umfaßt mehr als das Mühen um die Bewältigung finsterer Vergangenheit. Seine Parteilichkeit erschöpft sich nicht in Anklage und Aufruf. Sie weiß auch das Leben und seine sinnliche Erfüllung zu feiern.

Einer dieser Steinmetze, Bildhauer, Zeichner, Farbmischer, Holzschnitzer aus drei-, vier-, fünf- und sechshundert Jahren europäischer Kunst, einer jener Proletarier, deren Vorfahren in der Kunst als Maurer lebten, als Weber, Brauer, Schäfer, Heilgehilfen, Kesselflicker ... In dieser Reihe sah ich ihn von Anfang an: einer jener Blutspender der Kunst Europas, Proletarier, Verwandter und Bekannter, Bruder und wie jene längst Gestorbenen, die ich über die Jahrhunderte hinweg grüße, Genosse meiner Klasse. Günther Rücker (1972)

Ich war zweimal in Buchenwald. Das erste Mal, weil ich das Bedürfnis empfand, diesen schmerzensreichen Ort zu sehen und mein Haupt vor der Asche der Umgebrachten zu entblößen; das zweite Mal, um das von Cremer geschaffene stolze und trauervolle Denkmal, das sich mir fürs ganze Leben ins Gedächtnis gegraben hat, nochmals aus der Nähe zu betrachten.

Ich sah dieses Monument auch noch ein drittes Mal, nun in Skizzen und Einzelheiten, in Berlin, in der Werkstatt des Bildhauers ... Die Geschichte hat dafür gesorgt, daß die Namen der Opfer und Helden, der Söhne und Töchter aller Nationen nicht vergessen werden. Und wenn ich versuche, mir das Bild der Menschheit vorzustellen, die nicht einverstanden ist mit jenen Verjährungsfristen, mit jenen Fristen für das Vergessen, die die Leute aus Bonn ihr vorschlagen, dann sehe ich ein Denkmal vor mir, das auf deutschem Boden von einem Deutschen, einem Antifaschisten, errichtet worden ist. Ich sehe das Buchenwald-Denkmal Fritz Cremers vor mir ...

Es ist charakteristisch für den Menschen, daß er die Größe eines Kunstwerkes vor allem danach beurteilt, wie stark die Wirkung war, die es auf seinen eigenen Verstand und sein eigenes Herz ausübte. Mir scheint, daß Fritz Cremer in Buchenwald ein großes Kunstwerk geschaffen hat. Die aus Bronze gegossenen Gestalten seines Denkmals blicken nicht nur in die Vergangenheit, sie blicken auch in die Zukunft. Sie wollen nicht, daß in dieser Zukunft vergessen wird, was war. Konstantin Simonow (1965)


Bilder zum Artikel siehe in der PDF-Datei des Heftes:
http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2018/RF-247-08-18.pdf

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Zum Chile-Zyklus des Studios H&S
Vom Leben der Filme

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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GEDANKEN ZUR ZEIT

Verantwortung, ja - aber wofür?

"Wer sich nicht mit Politik befaßt, hat die politische Parteinahme, die er sich sparen möchte, bereits vollzogen: Er dient der herrschenden Partei." Max Frisch

Vorab einige Worte zur Klärung der Begriffe: Verantwortung tragen oder Verantwortung übernehmen heißt geradestehen für die eigenen Entscheidungen und das eigene Handeln, im Sinne von Hans Jonas ("Das Prinzip Verantwortung") die Folgen bedenken und in Kauf nehmen, für Schäden haften, Schuld, wenn man schuldig wird, nicht abweisen, sondern beherzt auf sich nehmen, Kritik ertragen, Kontrolle zulassen, Rechenschaft ablegen, sofern man Verbindlichkeiten eingegangen ist, sühnebereit sein und vor allem: nur das tun oder unterlassen (das Handeln umfaßt beides), das nach allgemein geltenden Wertvorstellungen ethisch gerechtfertigt ist oder von dem man glaubt, es ethisch rechtfertigen zu können.

Wer so handelt, gilt als seriös, zuverlässig, honorig und moralisch integer. Wer dagegen sich der Verantwortung zu entziehen sucht, sich aus der Verantwortung stehlen will oder wer glaubt, persönliche Verantwortung delegieren zu können, den wird man zu Recht als pflichtvergessen, charakterlos oder feig bezeichnen.

Des weiteren gilt: Es genügt nicht, daß der Handelnde sich lediglich legal oder gesetzeskonform verhält, denn Gesetze, wenn sie von Schurken erlassen werden, können in Gegensatz zum sittlich Gebotenen oder sittlich Verbotenen stehen. (Beispiel: die "Judengesetze" der Nazis). Verbrechen können niemals ethisch gerechtfertigt sein, auch wenn ein Gesetz sie gutheißt oder gebietet. Und was gesetzlich verboten sein kann (z. B. Kriegsdienstverweigerung, das Verstecken von Juden, die Unterstützung politisch Verfolgter, die Befreiung von Tieren aus Versuchslabors der Pharmaindustrie oder der Verrat militärischer Geheimnisse, die kriminelle Sachverhalte beinhalten), gerade dies kann ethisch nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten und höchst ehrenhaft sein.

Diese Grundüberlegung ist wichtig, weil, wer von "politischer Verantwortung" redet, oftmals Böses im Schilde führt, das sich ethisch nie und nimmer rechtfertigen läßt, weil es, wie die Stationierung oder gar der Einsatz atomarer Waffen gegen ethische Prinzipien verstößt. Höchste Vorsicht und äußerste Skepsis sind also gefordert, wann immer ein Politiker sagt: "Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen." Konkret könnte das nämlich heißen: Wir müssen Truppen entsenden und uns (in Äthiopien, Mali oder sonst irgendwo) an Kampfhandlungen beteiligen. Oder: Wir müssen mehr Panzer nach Saudi-Arabien liefern. Oder: Wir müssen neue Raketenbasen errichten, um uns vor Putin zu schützen.

Warum aber, wenn derlei gemeint ist, ist dann die Rede von "Verantwortung"? Ganz einfach: Weil das Wort Verantwortung vom wahren Sachverhalt ablenkt, Argwohn beschwichtigt, Seriosität, moralische Integrität, Mut und Tapferkeit vortäuscht und jedenfalls unverfänglich klingt. Was wirklich davon zu halten ist, zeigt sich oftmals zu spät, nämlich erst dann, wenn das Schlimmste bereits geschehen ist. Der politisch "Verantwortliche" geht dann in den Ruhestand und lebt fortan als Pensionsempfänger auf Kosten des Steuerzahlers.

Daß man eine fanatisierte Mörderbande wie den IS mit militärischer Gewalt bekämpfen muß, solange eine Alternative hierzu nicht in Sicht ist, leuchtet mir ja noch ein. In diesem Fall sind Notwehr und Nothilfe ethisch durchaus gerechtfertigt wie auch sonst im Leben.

Weit häufiger dürfte aber der Fall sein, daß diktatorische Regenten Gruppen der eigenen Bevölkerung, etwa wegen einer bestimmten Stammeszugehörigkeit oder weil sie zur politischen Opposition zählen, kriminalisieren und als Terroristen brandmarken, nachdem sie sie womöglich durch permanente Vernachlässigung und Unterdrückung geradezu in den Terrorismus hineingetrieben haben. Solche Gruppen, die um ihre legitimen Rechte wie das Recht auf Selbstbestimmung oder politische Gleichberechtigung, also um bürgerliche Grundrechte und Menschenrechte kämpfen, sollte man nicht als Terroristen, sondern als Freiheitskämpfer betrachten.

Und jene Politiker, die partout Verantwortung für den Export von Panzern, für die Aufstockung des Wehretats oder die Entsendung von Truppen in Kriegsgebiete übernehmen wollen, frage ich: Wie wär's denn, wenn ihr einmal die Verantwortung für das genau gegenteilige Handeln, also das Unterlassen solcher Aktivitäten, übernehmen würdet? Läßt Friedfertigkeit sich ethisch etwa weniger gut rechtfertigen als Zornesmut und Kampfbereitschaft? Doch wohl kaum!

Und mit Blick auf militärische Manöver an den Ostgrenzen von NATO-Ländern und somit an der Westgrenze Rußlands: Wer schürt unseren paranoiden Wahn, daß uns oder Polen oder den Ländern im Baltikum von Rußland Gefahr droht? Wer hat ein Interesse an dieser militärischen Eskalation? Und um diese Fragen gleich zu beantworten: Natürlich unsere "amerikanischen Freunde", deren politische Interessen ("America first!") nicht die unseren sein müssen. Was haben die Russen uns getan? Wer hat den Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Rußland gebrochen? Stalin? Nein, Hitler! Die Russen waren es, die uns (im Verbund mit den westlichen Alliierten) von der Hitler-Diktatur befreit haben, und schon allein deshalb sollten russische Freunde uns zumindest ebenso lieb sein wie amerikanische!

Ein Grundsatz, der unbedingt zu be-herzigen ist, soll diese Überlegungen abschließen: Menschen sind sittliche Wesen, und als solche sind wir im Tun ebenso wie im Unterlassen grundsätzlich immer verantwortlich. Wie wir's auch drehen und wenden - immer zieht unser Handeln Folgen nach sich, erwünschte wie unerwünschte, immer lockt Verdienst, immer droht Schuld, immer ist der Nachteil der Preis des Vorteils, immer haften wir nach dem Verursacherprinzip, und aus der tragischen Situation gibt es keinen schuldlosen Ausgang. Wer also sein Heil in der Neutralität sucht, indem er z. B. nicht zur Wahl geht, verkennt, daß er auch dadurch entscheidet: nämlich gegen mögliche Veränderung und für die Aufrechterhaltung des Status quo. Schweigen wird als Zustimmung gedeutet, und immer gilt: Wer die Aktion meidet, trägt die Folgen der Unterlassung, und wer tut, was er für nötig hält, trägt die Folgen seines Tuns.

Es mag trivial erscheinen und bleibt darum doch wahr: Die Welt, in der wir leben, die einzige, die uns gegeben ist, ist durch und durch tragisch strukturiert - vor der Revolution, während der Revolution und nach der Revolution - und mag uns erscheinen als Crux, die uns auferlegt ist. Risiko und Chance sind uns in gleicher Weise gegeben. Nutzen wir die Chance, handeln wir nach bestem Wissen und Gewissen!

Theodor Weißenborn

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WANDERUNGEN DURCH WESTDEUTSCHLAND (5)

Eine westdeutsche Zwangsvereinigung

Aufgewachsen in Westdeutschland, bis in die 1970er unterrichtet von Nazi-Lehrern, belegt mit Ausbildungsverbot, entdeckt der Verfasser negative, aber auch positive Seiten an diesem Land. In loser Folge berichtet er über Entdeckungen auf seinen Wanderungen durch Westdeutschland.

Rund 50 Kilometer ist es von Schramberg im Schwarzwald zum fast tausend Meter hohen Berg der Region, dem Kniebis. Westlich von Freudenstadt gelegen, lebt die Gegend vom Tourismus. Skilaufen im Winter, Wandern im Sommer. Eine Klosterruine steht im zugehörigen Dorf gleichen Namens, wo vor fast 500 Jahren noch Benediktiner-, vorher Franziskanermönche lebten.

1941 mußten hier andere Menschen an der Schwarzwald-Hochstraße schuften: Gestapo-Häftlinge. Einer von Hitlers Unterschlupf-Möglichkeiten war ebenfalls hier gelegen, das sogenannte Führerhauptquartier Tannenberg.

Dem Wanderer fällt jedoch etwas anderes auf: Über den Berg führt eine Grenze, die noch heute hör- und sichtbar ist. Hörbar trennt sie die Mundarten in Schwäbisch und Alemannisch. Sichtbar ist die Grenze durch Grenzsteine zwischen dem schwäbischen Württemberg und dem alemannischen Baden, sogar ein neu aufgestelltes Grenztor weist darauf hin. Warum ist das nicht nur historische Reminiszenz?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Ländergrenzen in Deutschland durch die Besatzungsmächte neu geordnet. Zunächst gehörten Nordbaden und Nordwürttemberg zur amerikanischen Besatzungszone, während für die südlichen Teile Frankreich zuständig war. Die Grenze verlief entlang der heutigen Autobahn A8. Dadurch gab es drei neue Bundesländer: Französisch besetzt Baden (das heutige Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern sowie, US-amerikanisch besetzt, Württemberg-Baden. Sie waren Teil der gerade gegründeten BRD. Angestrebt wurden jedoch entweder ein einheitlicher Südweststaat oder aber die historische Trennung in Baden und Württemberg. Dies sollte, so sah es das Gesetz vor, durch Volksabstimmungen entschieden werden.

Am 24. September 1950 wurden die Abstimmungen durchgeführt. Knapp über 50 Prozent der Einwohner Badens stimmten bei hoher Wahlbeteiligung gegen einen gemeinsamen Südweststaat, während die Mehrheit der Württemberger (bei niedrigerer Beteiligung) deutlich dafür war. Auf Bundesebene setzten sich SPD und FDP für eine Vereinigung der Länder ein, während die CDU dagegen war, da sie um den Verlust der Mehrheit im Bundesrat fürchtete.

Weil vor allem Bevölkerung und Regierung in Südbaden vehement für eine Rückkehr zu den alten Ländergrenzen eintraten, führten die Verhandlungen um den zukünftigen Status zu keinem Ergebnis.

Erneut mußte abgestimmt werden, und wieder entschied sich Südbaden gegen ein gemeinsames Bundesland. Da aber in den anderen Abstimmungsgebieten am 9. Dezember 1951 die Mehrheit für einen neuen Südweststaat stimmte - in Nordbaden nur mit 57,1 Prozent -, war das neue Bundesland Baden-Württemberg geboren. Die Gegner klagten - und verloren vor dem Bundesverfassungsgericht, wo eine dritte Volksabstimmung beschlossen wurde. Und jetzt endlich waren die Badener so weich geknetet, daß auch sie am 7. Juni 1970 mehrheitlich dem neuen Bundesland zustimmten. Genaugenommen ist Baden-Württemberg daher erst 48 Jahre alt.

Kennen wir das nicht von anderen Situationen? Die Herrschenden lassen so lange abstimmen, bis ihnen das Ergebnis paßt. Noch heute bestehen vor allem bei älteren Badenern große Vorbehalte gegenüber den "Schwaben", die den Ressentiments zwischen Bayern und "Preußen" in nichts nachstehen. Befördert wird dies durch eine Politik sämtlicher baden-württembergischer Regierungen, welche die badischen Landesteile benachteiligen und Stuttgart-zentriert agieren.

Wenn dieser Konflikt heute auch nur noch folkloristische Aspekte haben mag, so hat er doch historische Wurzeln. Nicht nur ist Baden durch seine Nähe zu Frankreich ein kulinarisches Paradies. Schon in der 1848er Revolution ging der Fortschritt von Baden aus. Hier wirkten Friedrich Engels, Fritz Hecker, Gustav von Struve und weitere Revolutionäre.

Nach 1945 war der Wunsch von Sozialdemokraten und Kommunisten nach einer Einheitspartei überall in Deutschland offenbar. Überall bildeten sich Zusammenschlußkomitees. Und in Südbaden war dies sogar bis zu einem unterschriebenen, gültigen Vereinigungsvertrag zwischen SP und KP gediehen. Kurz bevor sich dort die Sozialistische Einheitspartei konstituieren konnte, wurde dies im letzten Moment von der westdeutschen SPD-Zentrale in Hannover unter Kurt Schumacher per Befehl verhindert.

Der Wanderer steht also auf dem Kniebis vor dem Tor über der ehemaligen Grenze zwischen Baden und Württemberg und sinniert über Vereinigungen - eine, die zwangsweise geschah, und eine andere, die verboten wurde. Das steht in keinem westdeutschen Schulbuch.

Hans Dölzer

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Guck nicht wie'n Eichhörnchen, wenn's blitzt!

Schreibblockade nenne ich das Foto, das ich an meine Freunde geschickt habe. Über ausgebreitetem Papier hat es sich Kater Tibby auf dem Schreibtisch gemütlich gemacht. Völlig entspannt schläft er da. Wie reagieren Freunde auf das Bild?

Ingrid schickt ein Musik-Video. Damit soll ich Tibby wecken. Renate schreibt, der Kater weiß, daß du eine Pause brauchst. Eva meint, na, die Blockade läßt sich ja beheben. Birgit lacht, einer muß ja schuld sein. Karin resigniert, eine Blockade - habe ich auch ohne Kater. Katrin sagt, der weiß, wann Feierabend ist. Marion ist besorgt, ich hoffe, dir geht's auch gut.

Lera trifft den Kern, Hauptsache, du hast keine Schreibblockade im Kopf, habe gerade an dich gedacht und ob du wohl was schreibst, ich mag Deine Geschichten.

Es ist mir peinlich und so antworte ich: Doch, leider, aber es ist zu warm, und da fällt mir nichts ein. Das allerdings ist geschwindelt, es liegt nicht an der Wärme, ich bin träge und habe keine Lust. Die Entschuldigung - ich sammle jetzt Sprüche - ist eine halbherzige Rechtfertigung vor mir selbst.

Woran hat es wirklich gelegen? War es der längere langweilige Krankenhausaufenthalt und die anhaltende körperliche Schwäche? War es der Unmut über das Gejammer mancher Patienten oder die Unfreundlichkeit einzelner Schwestern? Das waren Ausnahmen, nicht die Regel, ich hätte das komisch ausschlachten können. Was war los? Wegen einer heftigen Bauchspeicheldrüsenentzündung wurden bei mir Gallensteine aus dem Gallengang entfernt, ein Stent zur Entlastung gesetzt. Wieder zu Hause, erhole ich mich langsam. Im Kopf aber bohrt es, ich muß noch einmal ins Krankenhaus, keine gute Bedingung fürs Schreiben.

Nach Wochen werden der Stent samt weiterer Steine entfernt. In einem dritten Eingriff soll ich später die Gallenblase loswerden. Ich frage die Ärztin, warum das nicht in einem Zug gemacht wird. Warum noch eine OP? "Aus gesundheitspolitischen Gründen", sagt sie. Was bedeutet das? "Alles", erklärt sie, "was bisher passiert ist, haben Fachärzte für Inneres gemacht, die Gallenblase wird von Chirurgen entfernt. Es ist zu kompliziert, die Vorgänge bei der Abrechnung voneinander zu trennen." Ich bin sprachlos, dafür also wieder ins Krankenhaus, eine weitere OP, eine dritte Narkose. Es ist zwar lustig, daß die Ärztin ihr Hemd hebt und mir am eigenen Bauch winzige Narben zeigt, um die Harmlosigkeit des erneuten Eingriffs zu demonstrieren, aber das Lachen bleibt im Hals stecken. An das hochgelobte bundesrepublikanische "gesundheitspolitische" System kann ich mich ebensowenig gewöhnen wie an die Zwei-Klassen-Medizin oder an angebotene private Zusatzleistungen. Und meine Schreibblockade? Da hätte ich doch eine neue Ausrede - die "gesundheitspolitischen" Narkosen. Ich muß mich wohl eher ein bißchen antreiben, mir ein tägliches Schreibmaß vornehmen. Das Sprüchesammeln könnte ein Anfang sein, bevor ich wieder eigene klopfe. Schließlich hatte schon mein Vater diese Methode für sich entdeckt. Unter seinen Aufzeichnungen finde ich: Fridtjof Nansen: "Hast du Erfolg - arbeite weiter! Hast du keinen Erfolg - arbeite weiter!" und gleich noch passend zu den "gesundheitspolitischen" Gründen: George Bernard Shaw: "Man lehrt uns: Als Jehova die Welt erschuf, sah er, daß alles gut war. Was würde er heute dazu sagen?"

Ich will wieder schreiben. Bis dahin sammle ich:
Fang nie an, aufzuhören. Hör nie auf, anzufangen.
Glaube nicht alles, was Du denkst!

Lera, unserer russischen Freundin, schreibe ich:
Die Eier sollen das Huhn nicht belehren.
Sie freut sich, kennt das Wort von ihrer Großmutter
und verspricht, für mich weitere aufzuheben.

Und Du? Du könntest auch sammeln für Dich und für mich!
Jetzt guck nicht wie'n Eichhörnchen, wenn's blitzt!

Edda Winkel

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BUCHTIPS

- Georg Auernheimer: Wie Flüchtlinge gemacht werden
Über Fluchtursachen und Fluchtverursacher

Aus welchen Gründen Menschen fliehen, wird häufig im dunkeln gelassen. Denn dann wäre auch zu benennen, wodurch und durch wen dies verursacht wird. Grundlegend ist für den Autor, daß der global entfesselte Kapitalismus und die ihn absichernde Geopolitik der USA und ihrer Alliierten weltweit lebensfeindliche Regionen geschaffen haben, die Menschen massenhaft zur Migration zwingen. Dies belegt er unter anderem mit der Zerstörung Jugoslawiens und Libyens und den Kriegen im Nahen Osten. Ebenso erörtert er die Auswirkungen der neokolonialen Herrschaftssicherung durch die Strukturanpassungsprogramme und Freihandelsabkommen, die dem subsaharischen Afrika aufgezwungen wurden, um dessen wirtschaftliche Abhängigkeit von den westlichen Metropolen festzuschreiben.

PapyRossa-Verlag, Köln 2018. 284 S., 17,90 €


Luciano Canfora: Europa, der Westen und die Sklaverei des Kapitals

Zwei Utopien stehen sich auf der Weltbühne gegenüber: Die der Gleichheit und die des Egoismus, einander entgegengesetzt, doch beide in Schwierigkeiten. Wie die Hydra, das mythische Ungeheuer, dessen von Herkules abgeschlagene Köpfe beim Nachwachsen immer mehr wurden, erscheint der Kapitalismus - einst nur im Westen heimisch - heute weltweit auf der Szene und führt dabei neue und noch stärker ausgefeilte Formen der längst überwunden geglaubten Sklaverei ein. Hat er mehr Leben als die sprichwörtliche Katze?

Ohne Zweifel ist er aus den großen Konflikten des 20. Jahrhunderts als Sieger hervorgegangen. Doch macht ihn das unüberwindlich? Oder bleibt er der Zauberlehrling, der die Kontrolle über seine eigenen Werke verliert? Wird, wer herrscht, dies immer tun? Ist die Ungleichheit, die sich überall noch verschärft hat, eine unvermeidliche Zwangslage?

PapyRossa-Verlag, Köln 2018. 108 S., 9,90 €


Werner Seppmann: Kapital und Arbeit

(Klassenanalysen 1)

Kann die Arbeiterklasse noch als politischer Faktor und progressive Veränderungskraft angesehen werden? Trotz der vielfältigen sozialpolitischen Zumutungen in den letzten Jahrzehnten ist von den Lohnabhängigen auf der politischen Bühne als Widerspruchsfaktor nicht viel zu sehen gewesen. Nicht unberechtigt ist der Eindruck, daß selbst die eklatantesten Angriffe auf ihre Interessen, diese strukturellen Benachteiligungen, von einer Mehrheit als schicksalhaft hingenommen werden. Ist damit die traditionelle marxistische Auffassung vom der Arbeiterklasse als prinzipielle Negation der bürgerlichen Gesellschaft im Sinne von Marx, Engels und Lenin hinfällig geworden?

Mittlerweile sind innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne in den kapitalistischen Hauptländern Widerstandsformen aufgebrochen, die schon als überwunden galten.

Mamgroven-Verlag, Kassel 2018. 162 S., 17 €


Fülberth, Georg: Friedrich Engels

Basiswissen Politik / Geschichte / Ökonomie

Friedrich Engels hat einer modischen Lesart zufolge die Theorie seines Freundes und Mitstreiters Karl Marx von Grund auf mißverstanden. Und er hat sie nach dessen Tod angeblich bis zur Unkenntlichkeit verflacht, wenn nicht gar verfälscht. Dem widerspricht Georg Fülberth.

Er arbeitet die tatsächliche Bedeutung von Engels heraus, indem er belegt, daß dieser zur gesellschaftswissenschaftlichen Revolution des 19. Jahrhunderts gleichermaßen beitrug wie Marx: zur Ersetzung der idealistischen Geschichtsauffassung durch die materialistische. Engels hat Marx zur Veröffentlichung des ersten Bandes des "Kapitals" (1867), der ohne ihn vielleicht nie erschienen wäre, gedrängt, den zweiten 1885 sowie den dritten 1894 zusammengestellt und herausgegeben.

PapyRossa-Verlag, Köln 2018. 124 S., 9,90 €

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Die FDJ - 70 Jahre Mitglied des WBDJ

Am 21. August 1948 wurde die Freie Deutsche Jugend als ordentliches Mitglied in den im November 1945 in London gegründeten Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) aufgenommen.

Drei Jahre nach dem Ende des vom deutschen Imperialismus ausgelösten Völkermordes, der Zerstörung und Verwüstung wurde der Jugend der damaligen sowjetischen Besatzungszone und ihrer im März 1946 gegründeten einheitlichen antifaschistisch-demokratischen Jugendorganisation, der FDJ, die gleichberechtigte Mitgliedschaft im WBDJ zugesprochen.

Das entschlossene Handeln der Jugend und ihrer Organisation im Osten Deutschlands für die Beseitigung der Ursachen des Machtantritts des Faschismus und der Auslösung des Weltkrieges, ihr Eintreten für eine Welt des Friedens und gleichberechtigter Beziehungen zwischen den Völkern hat dazu beigetragen, das Vertrauen der Weltjugend gegenüber der deutschen Jugend zurückzugewinnen. Die Aufnahme der FDJ in den WBDJ stellte einen großen Vertrauensbeweis der Jugend der Welt und ihre internationale Organisation gegenüber der deutschen Jugend dar.

Bereits auf ihrem I. Parlament 1946 in Brandenburg bekannte sich die FDJ zu den Grundsätzen und Zielen des WBDJ. Frieden, Freundschaft, Völkerverständigung und internationale Solidarität bildeten von der Gründung an Grundzüge ihres Denkens und Handelns.

Nur drei Jahre nach der Aufnahme der FDJ in den WBDJ waren der neu gegründete antifaschistisch-demokratische deutsche Staat, die DDR, und seine Bürger Gastgeber für die Jugend der Welt. 26.000 Mädchen und Jungen aus 104 Ländern nahmen an den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1951 in Berlin teil. Die Älteren erinnern sich sicherlich noch gerne an die schönen Tage im August in Berlin und an das in allen Sprachen gesungene Lied: "Im August, im August blühen die Rosen." Unvergessen bleibt die große Friedensdemonstration in Westberlin, die von der Westberliner Polizei blutig zusammengeschlagen wurde.

Sensationell war die Reise der Festivaldelegation der Jugend der DDR im "Expreß junger Sozialisten", dem ersten Doppelstockzug Europas zu den VII. Weltfestspielen im Juli/August 1959 in Wien. Das Festivalzentrum der DDR im Wiener Wald war ein begehrter Treffpunkt unzähliger politischer und kultureller Veranstaltungen für Frieden, Freundschaft und internationale Solidarität.

Im Sommer 1973 war die DDR erneut Gastgeber für die Jugend der Welt. Über 25.600 Mädchen und Jungen, Mitglieder der unterschiedlichsten demokratischen Jugendorganisationen aus 140 Ländern nahmen an dem X. Welttreffen der Jugend und Studenten in der Hauptstadt der DDR, Berlin, teil. Junge Menschen verschiedener Hautfarbe, unterschiedlicher sozialer Herkunft und weltanschaulicher Ansichten feierten gemeinsam mit über einer Million Jugendlicher aus allen Bezirken der DDR ihr Festival. Sie bekundeten ihre Entschlossenheit, den Kampf "Für Frieden und Freundschaft - gegen Atomwaffen" konsequent fortzusetzen. Eine Forderung, die bis heute aktuell geblieben ist.

Allein die Ausrichtung zweier Treffen für die friedliebende und demokratische Jugend der Welt spricht für das Vertrauen der nationalen Jugendorganisationen und des WBDJ in die Friedenspolitik der DDR, das internationalistische Handeln ihrer Bürger und das Wirken der FDJ.

Die DDR unterstützte von ihrer Gründung an den Kampf um die Sicherung und Erhaltung des Friedens in der Welt, trat gegen die imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung anderer Völker, für die nationale und soziale Unabhängigkeit jedes Landes und deren gleichberechtigte Mitsprache in der Welt ein. Die FDJ leistete im Rahmen des WBDJ und der Solidaritätsbewegung der DDR eine beispielgebende internationale Arbeit. Vielfältig waren ihre Formen und Methoden der Unterstützung weltweiter Aktionen sowie der solidarischen Hilfe.

Unvergessen bleiben z. B. die zahlreichen Aktionen zur Unterstützung des algerischen Befreiungskampfes unter Ben Bella, die Initiativen zur Unterstützung des Kampfes von Patrice Lumumba im Kongo, des Kampfes des chilenischen Volkes gegen die Pinochetdiktatur und ihre ausländischen Unterstützer oder die Hunderttausenden Briefe, Soli-Postkarten und rote Rosen für die Freilassung von Angela Davis in den USA. Erinnert sei an die große Solidaritätsbewegung und millionenfache Unterstützung der Jugend der DDR und ihrer Organisation für den Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die USA-Aggression.

Auf zwei Formen internationalistischer Tätigkeit der FDJ soll vor allem verwiesen werden:

- die Ausbildung von Mitgliedern und Funktionären von mit der FDJ befreundeten Jugendorganisationen aus Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien an der höchsten Bildungseinrichtung der FDJ, der Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" am Bogensee, und

- die Tätigkeit der Brigaden der Freundschaft der FDJ in Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, in Ländern, die das Joch des Kolonialismus abgeschüttelt hatten und den Weg ihrer nationalen Unabhängigkeit und sozialen Befreiung anstrebten.

Sowohl die Ausbildung an der Jugendhochschule wie auch der Einsatz von Mitgliedern der FDJ in den jungen Nationalstaaten stellten neue Formen internationaler Hilfe und Unterstützung dar, die bis heute nichts an Bedeutung verloren haben und nachhaltig wirken.

Von 1958 bis zur Liquidierung der Jugendhochschule am Bogensee im Jahre 1990 absolvierten über 4300 ausländische Freunde von über 100 Jugendorganisationen aus 68 Ländern ein kostenloses Studium an dieser Bildungseinrichtung. Jährlich fanden auf Bitten vieler Jugendorganisationen zusätzliche Weiterbildungskurse statt. Zahlreich waren die Besuche ausländischer Jugendorganisationen am Bogensee, um die Erfahrungen der FDJ in der Aus- und Weiterbildung von Jugendfunktionären zu studieren.

Die Jugendhochschule entwickelte sich in dieser Zeit zu einem begehrten und weltweit anerkannten internationalem Zentrum solidarischer Zusammenarbeit, der Aus- und Weiterbildung und des Erfahrungsaustausches der internationalen Jugendarbeit. Sie war eine Stätte internationaler Begegnungen, der Verkörperung gleichberechtigter Beziehungen und des gemeinsamen Handelns von Jugendorganisationen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen.

Das gemeinsame Lernen und Zusammenleben, das Kennenlernen der verschiedenartigen Kulturen und Lebensgewohnheiten, Kampf- und Lebenserfahrungen trugen dazu bei, sowohl bei den Studenten der FDJ als auch zwischen den Mitgliedern der ausländischen Delegationen gegenseitiges Vertrauen, internationale Solidarität, Hilfe und Unterstützung im Kampf für soziale und nationale Befreiung herauszubilden und zu praktizieren.

In all diesen Jahren gab es keinen einzigen Fall von Ausländerfeindlichkeit oder Rassendiskriminierung - weder an der Schule noch bei den zahlreich jährlich durchgeführten Exkursionen unser ausländischen Freunde in Betrieben und Einrichtungen in allen Bezirken der DDR. Im Gegenteil. Unsere ausländischen Freunde waren überall herzlich willkommen und für Jung und Alt interessante Gesprächspartner.

Viele der ausländischen Studenten erinnern sich heute noch gerne an ihr Studium am Bogensee und die herzlichen Begegnungen in der DDR. Ihr einjähriges Studium an der Jugendhochschule trug mit dazu bei, sie zu befähigen, sowohl in ihren Jugendorganisationen wie auch in ihren Heimatländern verantwortungsvolle Funktionen zu übernehmen, sich für die Rechte der Jugend und deren Durchsetzung einzusetzen.

Tausende junge Facharbeiter, Ingenieure, Lehrer, Lehrmeister, Ärzte und anderer Spezialisten aus der DDR waren über viele Jahre in Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika tätig. Die Hilfe und Unterstützung vor Ort half den Menschen in den jungen Nationalstaaten in ihren Bemühungen, die von den Kolonialmächten in Jahrhunderten hinterlassene Armut, das Leid und das Elend, die Unterentwicklung ihres Landes möglichst rasch zu überwinden und Bedingungen für den Aufbau neuer Lebensgrundlagen zu schaffen.

Den Mitgliedern der Brigaden der Freundschaft war bewußt, daß der Einsatz in diesen Ländern ihnen alles abfordern wird. Von gewohnten regelmäßigen Arbeits- und Lebensbedingen konnte keine Rede sein. Ihre Erfahrungen, Ideen und Initiativen waren gefragt. Gemeinsam mit den Menschen des Landes galt es, die Voraussetzungen für eine eigenständige, von den ehemaligen Kolonialmächten unabhängige Entwicklung in ihren Länder zu sichern. Die Brigaden der Freundschaft halfen den Ländern beim Aufbau der Wirtschaft und Infrastruktur, einem Bildungs- und Berufsausbildungssystem, dem Gesundheits- und Sozialwesen, der Kultur und auf vielen anderen Gebieten.

Die vollzogenen Veränderungen in vielen dieser jungen Nationalstaaten ermöglichten es den neuen Staaten und Regierungen, sich dem politischen und ökonomischen Druck des ausländischen Kapitals auf die innere Entwicklung des Landes zu widersetzen und die Durchsetzung einer neokolonialistischen Politik der Regierungen führender kapitalistischer Staaten, so auch der BRD, gegenüber den Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien zu erschweren.

Die Leistungen, der kameradschaftliche Umgang und die Hilfsbereitschaft der Brigadisten der FDJ wurden von der Bevölkerung dieser Länder geschätzt und geachtet. Zu Recht sprach man in diesen Ländern von "Botschaftern der DDR" im Blauhemd der FDJ mit dem Symbol der aufgehenden Sonne. Die internationale Ausbildung an der Jugendhochschule "Wilhelm Pieck", die Tätigkeit der Brigaden der Freundschaft in Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens und die vielfältigen solidarischen Aktionen der Jugend der DDR belegen: Der sozialistische Jugendverband der DDR, die FDJ, hat ihr Versprechen anläßlich ihrer Aufnahme in den WBDJ stets im Geist des Friedens, der Freundschaft, der Verständigung zwischen den Völkern und der internationalen Solidarität zu handeln, erfüllt.

Der Arbeitskreis Geschichte der Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" hat sich zur Aufgabe gestellt, Ergebnisse und Erfahrungen der internationalen Arbeit der FDJ, insbesondere in der Ausbildung ausländischer Freunde an der Schule am Bogensee und die Tätigkeit der Brigaden der Freundschaft der FDJ zu dokumentieren, Berichte von Zeitzeugen und Dokumente zu sammeln und zu bewahren.

Auf einer Veranstaltung im September wird der Arbeitskreis erste Ergebnisse vorlegen.


Im Auftrag des Arbeitskreises Geschichte der Jugendhochschule "Wilhelm Pieck"
Dr. Dieter Luhn,
Dr. Werner Haltinner,
Dr. Heinz Kruse

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Von unserer Parteischule und der Bündnispolitik

In der April-Ausgabe des "RotFuchs" stieß ich auf einen Beitrag von Astrid Landsmann, in dem der Ort Waldsieversdorf eine so lebendige, gesellschaftsträchtige Rolle spielt. Ich erinnerte mich an lange Vergangenes.

In diesem einladenden Waldsieversdorf befand sich die Zentrale Parteischule der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD). Von denen, die mit mir an dieser Hochschule studierten, leben nicht mehr viele. Doch damals hatten wir uns geschworen, daß nie wieder Mächte der Vernichtung, des Krieges und der Heimatvertreibung die Oberhand bekommen dürfen.

Heute, 73 Jahre nach dem verheerenden Krieg, sind diese Kräfte wieder da und, wie es scheint, mächtiger denn je. Der engagierte Friedensförderer, Dirigent und Pianist, Jude und Weltbürger Daniel Barenboim hat sich kürzlich dazu in einem Fernsehinterview sinngemäß geäußert: "Die alte Zeit ist vorbei, die neue noch nicht da ... Jetzt sind es die Monster."

Dieses Bild für die Gegenwart hat er sicher bewußt gewählt und mit persönlicher Zivilcourage, u. a. durch die Rückgabe seiner "Echo"-Preise, auf diese Gefahr hingewiesen.

Was sind "Monster"? Daß sich dahinter etwas Beunruhigendes, Gefährliches verbirgt, ist klar. Daß diese "Wesen" bereits mehrfach in der deutschen Geschichte ihr Unwesen trieben und dies heute zügellos tun, wissen wir. Es sind die personifizierten Mächte, die aus Eigennutz, maßloser Profit- und Machtgier alles Menschliche hinter sich lassen. Diese Mächte scheuen Verbindungen, Bündnisse, die dem Frieden und dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen, wie der Teufel das Weihwasser. Ihre Bezeichnung als Monster ist wohl ein sehr treffender Ausdruck für die von ihnen ausgehende Gefahr. Mit Sorge erleben wir jetzt neue Monster, ihre Sprache ist oft einschmeichelnd und verlockend, ihr Atem aber lähmend und giftig, um sich im Wettlauf um Profit und in Machtkämpfen die Erde unterzuordnen, wenn nicht sie zu vernichten.

Den Wert von Bündnissen und die schwierige Kunst, sie zu schaffen, lernte ich als Mitglied der NDPD und in besonderer Weise bei den Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an der Zentralen Parteischule kennen und schätzen. Eine große Hoffnungskraft der Solidarität und der Bündnisentwicklung war für mich als 19jähriger die Delegierung zum Nationalkongreß der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands vom 25. bis 26. August 1950 in Berlin für die Profilierung des weiteren politischen Wegs der DDR. Der Gedanke des Bündnisses spielte in meiner Partei von Anfang an eine große Rolle, sowohl das Bündnis mit der SED als auch das mit der Sowjetunion. Wir sahen uns aber nie als einen "Ableger" oder "Erfüllungsgehilfen" der SED oder in einem kritiklosen Verhältnis zur Sowjetunion als der Siegerin über den Faschismus. Die Gründungsväter der NDPD waren engagierte Mitglieder im Nationalkomitee Freies Deutschland und im Bund Deutscher Offiziere. Gemeinsam mit den sowjetischen Freunden entwickelten sie Gedanken der nationalen Politik eines künftigen Deutschland und wie unsere Partei darin gestaltet werden mußte. So entstand die NDPD als politische Heimstatt des deutschen Mittelstandes, besonders der Handwerker, Gewerbetreibenden, Kleinunternehmer.

Die Abstimmung über den Beschluß des Parteiprogramms der NDPD erlebte ich als Delegierter des Dritten Parteitages am 18. Juni 1951. Stützpfeiler unserer Bündnispolitik waren die Artikel 17 und 18 des Parteiprogramms: "Die Frage des Vertrauens zwischen der Arbeiterschaft und den anderen schaffenden Schichten unseres Volkes ist die Kernfrage der Blockpolitik ..." "Die Frage des Vertrauens zwischen der Sowjetunion und uns Deutschen ist die Kernfrage des erfolgreichen Kampfes der Nationalen Front des demokratischen Deutschland."

Bewußt wurden diese Gedanken an die Entwicklung notwendigen Vertrauens geknüpft, um den hohen Anspruch an die Pflege des Bündnisgedankens zu verdeutlichen.

Seit dem Jahre 1950 war ich hauptamtlich als Politischer Geschäftsführer eines Kreises tätig und wurde 1953 zum 2. Halbjahreslehrgang an die Hochschule für Nationale Politik delegiert.

Das Lehrprogramm befähigte uns, mit Sachkenntnis und Engagement an der Gestaltung der DDR mitzuwirken. Der theoretische Fundus wurde in vier Arbeitsgebieten vermittelt: National-Demokratische Partei Deutschlands; Deutsche Geschichte; Staats- und Wirtschaftswissenschaften; Sowjetunion und Volksdemokratien. Es war anstrengend, machte aber auch Spaß, in den kleineren Studiengruppen, den größeren Seminaren und vor der gesamten Hörerschaft über Inhalte und Formen, Probleme, Hindernisse und Wegführungen zu diskutieren.

Doch Waldsieversdorf war nicht nur Bildungszentrum für die NDPD, sondern über Parteigrenzen hinweg auch Ort der Begegnung von Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Dr. Fred Dumke, ehemaliger Rektor der Hochschule, schreibt darüber in "Unsere Parteischule in Waldsieversdorf - Pflegestätte der Kultur" (zu finden in: Lebendige DDR, GNN-Verlag, Schkeuditz 2011): "Unsere Schule war eine hoch geschätzte Begegnungs- und Dialogstätte von Autoren unserer DDR-Literatur und der Nationalkultur anderer Völker und Länder, zum Beispiel der UdSSR, Polens und der Tschechoslowakei ... Theaterleute vom "BE" (Berliner Ensemble) Brechts und vom "Maxim Gorki" waren ständige Dialog-Partner unseres Lehrkörpers und der Hörer, von Helene Weigel und Albert Hetterle bis zu ihren Dramaturgen und erst beginnenden Schauspielern."

Und weiter schreibt er: "Unsere Schule ist nach 1989 in FDP-Verwaltung der Verödung preisgegeben worden. Heute droht ein Privateigentümer: 'Betreten verboten - Lebensgefahr!'"

Noch heute denke ich gern an den Gedankenreichtum und historischen Optimismus von Prof. Konstantinow, Gastlektor der Moskauer Lomonossow-Universität. Höhepunkte waren die Begegnungen mit und das Auftreten von den Parteivorsitzenden Dr. Lothar Bolz und Prof. Heinrich Homann sowie weiteren Persönlichkeiten aus dem wirtschaftlichen und kulturellen Leben. In meiner praktischen politischen Tätigkeit sind mir unvergeßlich: Wolfgang Rösser, Wilhelm Funder und Dr. Fred Dumke - Rektoren der Hochschule. Vertieft wurden meine Erlebnisse durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem Landesvorsitzenden, Generalmajor a. D. Wilhelm Adam und dem Politischen Geschäftsführer der NDPD, dem späteren Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung, Generalleutnant Vincenz Müller.

Das Bündnis, das kollektive Denken und Handeln in Führungsfragen verlief nicht ohne Probleme. Aus heutiger Sicht war das ein logischer Prozeß aufgrund der unterschiedlichen Lebensverläufe und Herkünfte der Führungskräfte der Partei der Arbeiterschaft, der SED und der NDPD. Mit Bedauern stellte ich in der praktischen Tätigkeit nicht selten fest, daß Mitglieder der SED, mit denen ich auf Augenhöhe zusammenarbeitete, über das Werden und das Wesen der NDPD nur wenig wußten. Die neue Zeit liegt noch in weiter Ferne, doch sie setzt Zeichen und überläßt die Zukunft offensichtlich nicht Monstern. Diese sind gegenwärtig mit einem "Gespenst" konfrontiert, das manche von ihnen zu beunruhigen scheint - die Idee einer parteiübergreifenden linken Sammlungsbewegung, initiiert von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Das bereits Gestalt annehmende Vorhaben könnte gute Bündnisvoraussetzungen, unabhängig von Partei- und Religionszugehörigkeit, schaffen.

Dieser Weg liegt ganz im Sinne meiner vergangenen Partei, ihrer Aufgeschlossenheit und Toleranz für Andersdenkende in Glaubensfragen und mit einem klaren Bekenntnis zu einem gerechten und friedlichen Land.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz

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Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt (und für uns) war.

Prof. Pierre Bernard
Dozent am Zentralen Universitätskrankenhaus Grenoble, Frankreich

An der Universität Grenoble haben wir viele aufmerksame Leser von Fachzeitschriften und anderen Publikationen aus der DDR. Daraus wie aus erkenntnisreichen Beiträgen zum Gynäkologenkongreß sind wir auch über die positive Bevölkerungsentwicklung in der DDR unterrichtet. Natürlich machen wir uns Gedanken um die Ursachen. Eine wichtige Ursache scheinen mir die familienfördernden sozialpolitischen Maßnahmen des Staates zu sein. Klug durchdacht sind diese nicht schlechthin auf einen Bevölkerungszuwachs um jeden Preis gerichtet. Vielmehr sehe ich in der verwirklichten Gleichberechtigung der Frau, in der ausgeprägten medizinischen und sozialen Fürsorge um sie, in ihrer Entscheidungsfreiheit, gesundes Leben zur Welt zu bringen, einen Entwicklungsstand, von dem in seiner Gesamtheit - die Fürsorge um Schwangere wie um Mutter und Kind eingeschlossen - alle west- und nordeuropäischen Länder noch weit entfernt sind.


Christos Vakis

Gesundheitsminister der Republik Zypern

Während meines DDR-Aufenthaltes beeindruckte mich sowohl die günstige Relation von Ärzten zu der von ihnen zu betreuenden Population, noch mehr aber das kameradschaftliche Verhältnis zwischen Ärzten und Schwestern sowie die von ihnen geschaffene Vertrauensbasis zu den Patienten. Ich sehe die qualifizierte und kostenlose medizinische Betreuung als ersten Dienst des Staates an jenen Menschen, die ihn durch ihre Arbeit tragen. Wie gut eine Regierung ist, wird künftig nicht zuletzt an den Leistungen und Erfolgen für die Volksgesundheit und den sozialen Fortschritt zu messen sein.


Louis Périllier (1900-1986)

Rechtsanwalt, Präsident der Gesellschaft Frankreich-DDR

Unter den charakteristischen Zügen der von der DDR seit ihrer Gründung verfolgten Politik der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung verdient die Wohnungsbaupolitik besonders genannt zu werden. Deshalb meine ich, aufgefordert, über meine persönlichen Eindrücke zu einem Thema eigener Wahl zu berichten, hier das Verdienst dieser Politik und den Umfang der erzielten Resultate hervorheben zu müssen.

Dieses Verdienst ist um so größer, da das Ausmaß der durch den Krieg hervorgerufenen Zerstörungen von Wohnhäusern sehr beträchtlich war. Man kann jedoch sagen, daß man in der DDR alle Anstrengungen unternimmt, um das Wohnungsproblem für die Gesamtheit der Einwohner zu lösen. So sind in den Jahren von 1970 bis 1978 mehr als eine Million neue Wohnungen gebaut bzw. umgebaut worden. Und wir wissen wohl, daß dieses Tempo auch in den nächsten Jahren beibehalten wird. Das vor allem auch deshalb, weil man in der DDR spezialisierte Betriebe mit neuen Techniken und Technologien geschaffen hat und qualifizierte Arbeitskräfte vorhanden sind.

Eine Wohnungspolitik läßt sich nicht nur an der Anzahl der fertiggestellten Wohnungen messen, sondern auch an den Prinzipien der Architektur und der sozialen Zielstellung. Besonders beeindruckt hat mich beim Besuch mehrerer Neubauviertel, daß gleichzeitig Schulen, Kinderkrippen, Kindergärten, Polikliniken, Gesundheits- und Einkaufszentren gebaut worden sind, also alles das, was die Bedingungen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens verbessert. Da die Architekten den Bau zu hoher Wohnblocks unterlassen, harmonieren diese Wohngebiete mit der landschaftlichen Umgebung.

Ich werde meine Leser wohl kaum überraschen, wenn ich den Wert hervorhebe, den wir in Frankreich den Menschenrechten beimessen, wie sie in den Vereinbarungen von Helsinki definiert sind, deren Bedeutung unserer Ansicht nach über den europäischen Rahmen hinausreicht. Doch wir Franzosen vergessen dabei manchmal, daß auch das Recht auf Arbeit, das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Wohnung zu den Menschenrechten zählen.

Man muß objektiv anerkennen, daß die DDR in den 30 Jahren ihres Bestehens die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges beseitigt und mit dem Bau moderner Wohnungen für die Bedürfnisse ihrer Bürger eines der grundlegendsten Rechte der menschlichen Persönlichkeit in die Tat umgesetzt hat.


Prof. Methodi Alexandrow Pissarski

Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Internationalen Verbandes der Architekten

Die Architektur in der DDR in den letzten 30 Jahren steht in engem Zusammenhang mit den bedeutenden Erfolgen des Landes während dieser Periode. Sie ist vor allem charakterisiert durch ihre Orientierung auf die materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Millionen Werktätigen des Landes. Eine große Leistung wurde beim Wiederaufbau und der Modernisierung der Städte und Dörfer sowie im komplexen Wohnungsbau vollbracht, der den Schwerpunkt in der Tätigkeit der Architekten bildet.

Die Entwicklung der Architektur des komplexen Wohnungsbaus ist nach Maßstäben und Möglichkeiten der Anwendung industrieller Baumethoden die wichtigste Erscheinung im Städtebau der DDR. Hier wurden besonders in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, die eine bedeutende Leistung der Architekten und aller Bauschaffenden in der DDR darstellen.

Sehr wichtig erscheint mir, daß der Rekonstruktion und Modernisierung von Altbaugebieten im Zuge der Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem so große Bedeutung beigemessen wird. Bereits realisierte Rekonstruktionskomplexe in verschiedenen Teilen der Hauptstadt Berlin und in anderen Städten der DDR zeigen eine weite Perspektive der künftigen Entwicklung des komplexen Wohnungsbaus. Dies könnte ein lehrreiches Beispiel auch für andere Länder sein. Es ist ein logischer und rationeller Weg für die Entwicklung der Architektur, für die Bewahrung der geschichtlichen Merkmale der Städte und Gemeinden und die Fortsetzung der Traditionen in der Baukunst. Gleichzeitig wird mit angemessenen Mitteln auch Sorge für die Erhaltung der Denkmale der Architektur getragen.

Erfreuliche Erfolge wurden auch in der Synthese von Architektur und bildender Kunst erreicht. Immer schöner, interessanter und harmonischer wird die Umwelt gemäß den Erfordernissen der sozialistischen Gesellschaft gestaltet. Die Architektur wird immer mehr zum wirksamen Faktor für die Bildung und die Vervollkommnung der Persönlichkeit.


Aleida Guevara

Die DDR lieferte Kuba große Mengen Milchpulver, aber nach der Annexion kündigte die Bundesregierung sofort die entsprechenden Verträge und stellte die Lieferungen an Kuba ein.

Das Verschwinden der DDR war für uns ein unvorstellbar großer Verlust. Die DDR war sehr solidarisch mit der sogenannten Dritten Welt. Als die DDR verlorenging, haben wir uns wie Waisen gefühlt. Aus der DDR kamen auch Medikamente, aber das ging mit einem Fingerschnipsen verloren. Ich hatte einen Lehrer, der leider schon vor einiger Zeit verstorben ist, der mir damals sagte: "Aleida, laß den Kopf nicht hängen. Nun, wo wir am Boden sind, kann es nur noch aufwärts gehen."

(Aus einem Gespräch, das André Scheer kürzlich mit der Kinderärztin und Allergologin Aleida Guevara, eine Tochter Ernesto Che Guevaras, führte.)

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Als ich mitten in den nicht abreißenden Freuden der "Wiedervereinigung" an einem Abend in Weißensee das Gesellschaftshaus "Peter Edel" verließ, geschah das nach dem Versuch, an ihn zu erinnern, dessen Name dem Haus nicht länger zugestanden werden sollte. Die Stühle waren leer geblieben, und wir gingen die Treppe hinunter: der Schauspieler Gunter Schoß, die Witwe Helga Edel und neben mir mein Mann. Ich sagte: "Die werden das Haus nicht umbenennen, sie werden es einfach verkommen lassen." Ich hätte gern gehabt, daß man mir widerspricht. Aber in den folgenden Jahren vollzog sich meine frühere Prognose. So blieb die Erinnerung an den Freund immer mit der Trauer über die schleichende Schmähung verbunden.

Es gibt nichts Schöneres, als unrecht zu haben. Neuerdings kümmert sich die öffentliche Hand um das Haus. Der Name wird erhalten bleiben. Und ich will an ihn erinnern: Peter Edel war ein geliebtes, verwöhntes Kind aus bürgerlicher Familie mit künstlerischen Ambitionen. Sein Onkel hat in Deutschland zur Popularisierung der Plakatkunst beigetragen, und künstlerische Talente steckten auch in dem Jungen, der schon frühzeitig malte und zeichnete.

Aber dann wurde er zum "Halbjuden" erklärt und von der Schule gewiesen. Sein Vater versuchte unterzutauchen, während die Mama wenigstens den Sohn retten wollte.

Es war Zufall, daß sie sich an der Wohnungstür begegneten, aber dann rannte der Junge Käthe Kollwitz hinterher. Auf dem Bahnsteig verabredeten sie heimlichen Unterricht. Ihre Lehre für ihn: Näh deine eigene Jacke, sei es mit groben Stichen. Und wäre diese Jacke aus Sackleinwand, so ist das immer noch besser, als Brokat vortäuschen zu wollen.

Peter heiratete Esther, seine Kindheitsliebe. Sie hungerten gemeinsam, fürchteten sich, hofften, gingen einmal heimlich ins Kino, und taten zur Todesstrafe für Herkunft die Gefährdung durch Widerstand, sie klebten nachts Plakate: "Wer Bücher verbrennt ..." Haß und Verfolgung mußten sie hinnehmen. Aber Esther hat bis zuletzt geglaubt, Peter werde überleben. Das stand auf einem Zettel, den Peter in seinem leeren Koffer fand, als sie schon fort war, auf ihrem eigenen Leidensweg, der in Auschwitz nach medizinischen Experimenten an ihr endete. In Auschwitz war auch Edel, und er glaubte bis zu seinem Tod, er habe Esther dort einmal gesehen.

Wie überlebt ein Mensch fünf Konzentrationslager, zuletzt Sachsenhausen, wo er zur Gruppe der Häftlinge gehörte, die englisches Geld fälschen sollten? Ein Himmelfahrtskommando, in dem die Männer trotzdem versuchten, technisch mögliche Fälschungen zu sabotieren.

Bei seiner Befreiung in Mauthausen war er immer noch ein junger Mann. Er fand Helga, später nicht nur Sakowskis, sondern auch meine Fernsehdramaturgin und enge Freundin.

Bis heute traue ich mich kaum zu sagen, daß Peter Edel mein Freund war. Es klingt anmaßend! Gott, wen die alles kannte. Also erzähle ich, was ich von ihm gelernt habe, und was ich ihm geben konnte.

Als ich ihn das erste Mal am Rednerpult erlebte, war das für mich eine prägende Lebenserfahrung. Er hatte keinen Zettel, las also nicht ab. Seine Rede war klangvoll und streng geformt und kam so leicht, als hätten die Wörter und Argumente einander schon immer gesucht. Sein schöner Kopf war durch die freie Rede frei - und ich habe verstanden, welch eine Chance darin liegt, unbehindert bei den Zuhörern zu sein. Daran habe ich mich seither gehalten.

Ich konnte ihm wenig anderes geben als meinen Respekt und meine Lust auf Zuhören. Und meinen durch ihn bestärkten Instinkt für gefährliche und gefährdende politische Situationen. Ich brachte ihm mit meinem Mann Wilhelm einen Bruder ein, der ihn mit dem Auto fuhr und der tolerierte, daß Edel mit seiner Aktentasche das Auto zerkratzte, weil ihm mitunter Bewegungen entglitten.

Im Restaurant hatte er immer Angst, dem anderen sei die letzte Portion serviert worden, und er müsse hungrig bleiben. Und die Nächte, das Wegtauchen in den Traum, haben Helga viel Schlaf gekostet. Er leuchtete ihr oft mit der Taschenlampe ins Gesicht, um zu glauben, daß er lebte. Die Häftlingsnummer 164 145 trug er bis zu seinem Tod.

Wir haben Seite an Seite auch sehr schmerzhafte politische Konflikte und Krisen durchgestanden, in denen ich nicht nur die eigene Integrität verteidigen mußte, sondern auch meinen Freund, dem herabsetzende Angriffe galten. Es ging dabei um viel mehr als um die eigene Arbeit oder eine Partei. Die hat uns damals eine heiße Kartoffel in die Hand gedrückt, sich rausgehalten und uns hinterher getadelt, daß alles so gekommen ist.

Wer "Die Bilder des Zeugen Schattmann" im Fernsehen erlebt hat, der weiß viel über Peter und Esther. Was war es, das ihm dann die Kraft gegeben hat, eine zweibändige Autobiographie zu schreiben, obwohl es schon Anzeichen der tötenden Krankheit gab?

Wir wohnten damals als Nachbarn, hätten uns vom Balkon aus sehen können, so hat er es aufgeschrieben, aber einfacher war doch, mich anzurufen und zum Vorlesen einzuladen: laut lesen, das Tröstende und das Unerträgliche.

Wir haben seine Mazze gegessen, obwohl er auf den jüdischen Teil seiner Identität nur anekdotischen Wert legte. Er konnte so wunderbar Witze erzählen, die nur er erzählen durfte. Es gab etwas anderes, gegen das frühe Herkunft, Leiden und auch menschliche Enttäuschungen niemals ankamen: Er war und blieb sein Überleben lang ein undogmatischer, durchblickender, unbeirrbarer Linker. Auch da hatte ich viel zu lernen.

Einen einzigen Wunsch habe ich ihm nicht erfüllt. Ich war nicht mit Helga und ihm in der Gedenkstätte Auschwitz. Das konnte ich nicht. Ich glaubte seine Erfahrung bei uns gut aufgehoben. Daß er, ehrend, im Pergolenweg beigesetzt würde, war ihm recht. Ich verstand das, denn er war lobsüchtig, im tiefsten Wesen nicht von den Schlägen und vielfachen Erniedrigungen heilbar. Etwas in ihm konnte bis zum Ende nicht glauben, daß er so viel wert sei wie jeder andere. Seine Bewegungen waren meist elegant, aber manchmal warf er Gläser um und verlor die Fähigkeit, Gesten zu koordinieren.

Viel später habe ich an seinem Grab im Friedrichsfelder Ehrenhain eine Genugtuung empfunden. Nun durfte Helga neben ihm liegen, was das Protokoll in der DDR vorher nicht erlaubte. Helga sagte: wegen der Ehrung hätte er notfalls eben auch allein gewartet.

Diese schrecklichen haftenden Vorurteile: Einmal war ich bei Edel und traf dort den Rabbiner aus Westberlin, eine imposante Erscheinung. Seine Frau war blond, blauäugig, mit hellem Teint. Sie sah aus wie von einem Naziplakat. Ich dachte, der Rabbi, der ehemals Verfolgte, hat also seinen früheren Alptraum geheiratet. Als die beiden fort waren, sagte ich darüber etwas zu Edel, etwas Unangemessenes in der gedachten Richtung. Er sah mich erstaunt an: "Das ist Miriam, eine meiner Kameradinnen aus Auschwitz. Eine der Besten."

"Wenn es ans Leben geht" (Verlag der Nation, Berlin 1979) kann man noch antiquarisch kaufen. Ich wünschte mir eine Neuauflage. Es ist ein Lehrbuch über menschliche Größe und ein Stück deutscher Geschichte, die keiner von uns verdrängen sollte. Und ich denke noch immer, worin wir uns einig waren: Nie wieder! Das muß verteidigt werden. Auch im Namen von Peter Edel.

*

LUTZ JAHODA: LUSTIG IST ANDERS ...
Auf schiefer Bahn

Europa, du selten dämliche Schlampe!
Mit wem bloß hast du dich eingelassen!
Keine Ehre im Leib? Ich kann es nicht fassen
und frage mich: Was ist in dich gefahren?
Du hast dich verkauft, mit Haut und Haaren,
an die westlich verkommene Bankenwampe!
Die Geschichte vom Stier laß bitte beiseite!
Die Gegenwart braucht keine Mythologie.
Uns genügen die Fakten der Biographie
deiner sogenannten Eliten
auf verkommenen Arbeitsgebieten.
Du kennst das Übel, das verdammt maledeite.
Du einst so Schöne, wohin bist du geraten?
Du hast dich schamlos verführen lassen,
die Braunen zu schonen, die Roten zu hassen.
Den Ausbeutern hast du geholfen zu siegen,
bist schäbig auf- und abgestiegen
zum Dienstobjekt der Vereinigten Staaten.

Aus Lutz Jahoda / Reiner Schwalme:
Lustig ist anders, Norderstedt 2017

*

LESERBRIEFE

Bitte schickt mir 5 Exemplare der RF-Beilage 244 ("200 Jahre Karl Marx"). Die Beiträge von Eike Kopf, Anton Latzo, Wolfgang Abendroth und Eckart Spoo haben mir so gut gefallen, daß ich sie an besonders aufgeschlossene Kolleginnen und Kollegen in der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) weitergeben möchte - auch eine Werbung für den "RotFuchs", dessen Lektüre seit etlichen Jahren eine wichtige Quelle für mich alten "Wessi" ist.
Mit Dank und solidarischen Grüßen

Dr. Manfred Lotze, Hamburg


Zu Shinzo Hamai: Ein historischer Appell aus Hiroshima (RF 224, S. 6) und Friedensdeklaration von Nagasaki (RF 245, S. 3)
Zur historischen Untersetzung möchte ich hinweisen auf den Brief des Oberbürgermeisters von Dresden, Walter Weidauer (mein Großvater) vom 7. Dezember 1954 an Shinzo Hamai.
Als Dokument ist das Schreiben veröffentlicht u. a. in Max Seydewitz: Die unbesiegbare Stadt, Kongress-Verlag, Berlin 1961

Frank Weidauer, Hohenmölsen


Der 200. Geburtstag von Karl Marx war für die Gesundbeter des Kapitalismus Anlaß, alles zu unternehmen, um den Inhalt seiner Schriften als veraltet und nicht mehr anwendbar auf die heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse hinzustellen. Parallel dazu wurden Widersprüche zwischen dem "jungen" und dem "alten" Marx konstruiert bzw. überbetont. Mit einer regelrechten Flut von Druckerzeugnissen wurde der Markt von Marx-Deutern aller Couleur überschwemmt. Darunter auch von jenen, die an einer weitgehend objektiven Bewertung seiner Leistungen interessiert sind.
Natürlich ist mit der Konterrevolution 1989/90 die Marxsche Lehre nicht zu Grabe getragen worden. Doch leider blasen nicht wenige Autoren in dieses Horn, auch solche, die in der DDR groß geworden sind. Deren Formel lautet auf den Punkt gebracht: Das Ende der übergroßen Mehrheit der sozialistischen Länder ist der praktische Beweis dafür, daß die Gesellschaftstheorie, auf die sie sich beriefen, falsch und untauglich sei.
Die gesellschaftlichen Zuständen heute zeigen etwas anderes. Ob Globalisierung, Neoliberalismus oder Monopolherrschaft - zu all diesen "Sorgenkindern" haben Marx und Engels eine treffliche, heute nach wie vor gültige Analyse hinterlassen.

Reinhardt Koblischke, Aschersleben


Allen, die nach der Aktualität des Marxismus - aus welchen Motiven heraus auch immer - fragen, wäre die Gegenfrage zu stellen, was denn heute zeitgemäß wäre. Was hat das 21. Jahrhundert an Lösungen für die brennenden sozialen Auswüchse des Kapitalismus unserer Tage zu bieten? Welche Theoretiker, Philosophen, Wirtschaftswissenschaftler, Naturforscher oder Politiker haben Antworten, die uns die wesentlichsten Sorgen nehmen könnten? Wir mögen uns noch Jahrzehnte die Köpfe darüber zermartern, wer und was gescheitert ist, der Marxismus, der Sozialismus, unsere Vorstellungen oder wir selbst, unsere beschränkte Sicht, revolutionäre Ungeduld ... "Die DDR hat viel hinterlassen, was erst jetzt seine positive Wirkung wieder entfalten kann", schreibt Arnold Schölzel.
Die Zustände enthemmter imperialistischer Entwicklung lassen heute deutlicher denn je hervortreten, was sozialistische Friedenspolitik, was "verordneter" Antifaschismus, was soziale Grundversorgung aller, was Recht auf auskömmliche Arbeit, was Menschenrechte, die nicht dem Profit geopfert wurden, und vieles mehr für humanistische Werte gewesen sind. Eine Gesellschaft, die ihre "geistigen" und theoretischen Kräfte hauptsächlich dazu aufwenden muß, jeden Gedanken an eine sozialistische Perspektive zu unterdrücken und zu entstellen, fehlt es selbst an einer hoffnungsvollen Zukunft für die Menschheit. Warum nur ist es vielen Linken offenbar so wichtig, in dieser Gesellschaft "anzukommen", wo doch jeder sehen kann, wohin wir gehen, wenn dem nicht Einhalt geboten wird.

Roland Winkler, Aue


Zu Arnold Schölzels Rezension des Buches von Herbert Hörz: Ist Marxismus noch zeitgemäß? (RF 245, S. 23)
Dieser gelungenen Rezension kann ich von der ersten bis letzten Zeile voll zustimmen. Leser, die sich mit dieser Frage beschäftigen, sollten dieses Buch unbedingt lesen, weil es, wie Schölzel richtig schreibt, "eine Anleitung zum Handeln" ist. Ich kenne Herbert Hörz und seine Frau Helga seit vielen Jahren. Mit beiden verbindet uns, meine Frau Gisela und mich, eine feste Freundschaft. Wir sprechen eben, wie man so sagt, die gleiche Sprache.
Herbert Hörz - seit 1973 an der Akademie tätig - wurde Ende 1989 zum Vizepräsidenten für Plenum und Klassen der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) gewählt. Zu jenem Zeitpunkt war ich Leiter dieser Abteilung, somit sein Abwesenheitsvertreter und Leiter seines Geschäftsbereichs.
Mit dem Ende der DDR kam auch das Aus für unsere Akademie. In einem Brief an die Mitglieder der AdW teilte uns der damalige Senator Manfred Erhardt mit, daß die Mitgliedschaft in der Gelehrtensozietät erloschen und der Präsident nun Präsident eines privatrechtlichen Vereins sei. Dies charakterisierten viele Akademiemitglieder völlig zu Recht als einen international einmaligen Vorgang und unerträglichen Eingriff in die Autonomie der Wissenschaft.
Damit wurde der Artikel 38 des Einigungsvertrages verletzt; in ihm ist eindeutig festgelegt, wie (und nicht, ob) die Gelehrtengesellschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR weiterarbeiten soll. Die Akademiemitglieder setzten jedoch unter Leitung von Herbert Hörz ihre Tätigkeit fort und gründeten 1993 die "Leibnizsozietät der Wissenschaften zu Berlin" als legitime Fortsetzerin der Akademie. Herbert Hörz war vom 15. Oktober 1998 bis 12. Januar 2006 Präsident der Leibnizsozietät, seit dem 25. September 2008 ist er ihr Ehrenpräsident.
Ich selber schied - obwohl es mir nicht leicht fiel - neben vielen anderen Mitarbeitern nach über 30jähriger Tätigkeit in dieser akademischen Einrichtung, davon 16 Jahre als Vizepräsident, aus der Gesellschaft aus.
Herbert Hörz ist mein wissenschaftliches Vorbild, seine Arbeit, seine Schriften sind für die Akademie und mein eigenes Wirken von großem, bleibendem Wert.

Dr. sc. phil. Heinz Heikenroth, Berlin


Eine Verbesserung der Lage der am schlimmsten vom Kapitalismus Gebeutelten im Land und die Gegnerschaft gegen den Krieg verlangen eine starke linke Kraft! Das nehme ich für mich aus dem Leipziger Parteitag der PDL mit. Einzige echte Aufhorcher waren aus meiner Sicht die Ausführungen zur linken Sammlungsbewegung, die sich am Schluß allerdings so anhörten, als ob die Partei Die Linke aufgerufen wurde, daran mitzuwirken - was aber wohl nicht so kommen wird, da die "Ruferin" nicht von allen und vor allem nicht von bestimmten Prominenten der Partei unterstützt wird.
Nun hat dies ja Tradition in Deutschland, aber keine glorreiche. Linke haben sich vor dem I. Weltkrieg auseinanderdividiert und den Start in diesen erleichtert. Auch in der Novemberrevolution von 1918 war keine ausreichende Einheitsfront mit den meisten erreicht worden. Der Hamburger Aufstand 1923 verebbte, weil die Linken sich anderswo in Deutschland zu wenig konzentriert haben und zu schwach waren. Bis 1933 gab es u. a. wegen der Sozialdemokraten keine ausreichend starke Einheitsfront von Linken und Fortschrittskräften gegen Hitler mit den bekannten Folgen.
Auch nach 1945 waren die Linken in den westlichen Besatzungszonen zu schwach und uneins über einen möglichen Weg alternativ zum Kapitalismus, von den Weichenstellungen der Besatzungsmächte einmal abgesehen. Kommunisten mußten hinnehmen, daß 1957 die KPD gerichtlich verboten wurde. Die DKP, die 1968 in der BRD gegründet wurde, wird von der Partei Die Linke mehr oder weniger ignoriert. Nun stehen europaweit rechte Parteien und Strömungen in den Startlöchern, die "den Laden" übernehmen wollen - dank medialer Verdummung leider mit einiger Aussicht auf Erfolg. Und in dieser Situation stehen zwei Prominente aus der Partei Die Linke auf, wollen eine überparteiliche Sammlung organisieren und erfahren in der wohl noch größten, sich links verstehenden Partei ersichtlich keine wohlwollende Unterstützung. Geschichte wiederholt sich nicht, sie setzt sich auf diese Weise fort!

Renato Lorenz, Berlin


Auf dem 6. Bundesparteitag der Partei Die Linke in Leipzig haben die Delegierten einen Antrag zurückgewiesen, der partnerschaftliche Beziehungen mit Rußland zum Inhalt hatte. Die Mehrheit der Delegierten der Linkspartei lehnte einen Antrag ab, der sich für eine "gute Nachbarschaft" mit Rußland und Frieden in Europa aussprach.
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Friedensaktivist Wolfgang Gehrcke hatte ihn eingereicht und mündlich begründet. Im Antrag wird auf die völkerrechtswidrigen Angriffe des Westens auf Syrien verwiesen. Rußland dagegen handle besonnen, da es nicht eskalierend auf die Provokationen der USA und der anderen NATO-Staaten reagiere.
In diesem Sinn ist Rußland für Die Linke Partner und nicht Gegner, so der Antrag. Die Linke trete für "gute Nachbarschaft zu Rußland" ein. Das erfordere unter anderem "Zusammenarbeit mit Rußland" und "Aufhebung der Sanktionen".
Doch diese und weitere Forderungen waren für einige Mitglieder der Linkspartei inakzeptabel. Wir, die Mitglieder der GRH, TAG Chemnitz, stimmen den Intentionen des Antrages ausdrücklich zu. Es ist uns völlig unverständlich, daß Aktivitäten zu einer dringend notwendigen Verbesserung des Verhältnisses zu Rußland durch Mitglieder der Partei Die Linke abgelehnt werden.
Wir sehen uns in der Verantwortung gegenüber den Völkern der Sowjetunion, die maßgeblich unter Einsatz ihres Leben und ihrer Gesundheit für den Sieg über den barbarischen Faschismus und für die Befreiung Europas gekämpft haben. Unvergessen die 900tägige Blockade Leningrads, unvergessen die 27 Millionen Toten. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Dankbarkeit - und den Nachkommen unsere Solidarität.
Die NATO-Staaten, und damit auch Deutschland, stehen, entgegen den 2 + 4-Verträgen, unmittelbar an den Grenzen Rußlands, führen große Manöver zu Lande, zu Wasser und in der Luft durch und belegen Rußland mit friedens- und existenzgefährdenden Sanktionen.
Dem wollen und müssen wir uns mit ganzer Kraft entschieden widersetzen!
Wir fordern von der Regierung und den Parteien einen fairen und friedenssichernden Umgang mit Rußland und endlich diplomatische Lösungen zur Überwindung von Konflikten und politischen Differenzen.

i. A. Horst Seiler u. Raimon Brete, Chemnitz


Es kostete mich einige Überwindung, das Gespräch von Anne Will mit Angela Merkel über die Ankündigung des US-Präsidenten, Rußland künftig wieder an den "G 8" zu beteiligen, anzuhören.
Erinnern wir uns! 1998 fand das 24. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Gruppe der acht statt. Es stand unter dem Vorsitz des britischen Premierministers Tony Blair. Bei diesem Treffen wurde Rußland formal als Teilnehmer aufgenommen. Die wichtigsten Teilnehmer waren Helmut Kohl für Deutschland, Jacques Chirac für Frankreich und Romano Prodi für Italien, für Japan Ryutaro Hashimoto, für Kanada Jean Chretien, für die USA Bill Clinton, für England Toni Blair, für die Russische Föderation Boris Jelzin und Jacques Sander für die Europäische Union.
Die scharfe Kritik des russischen Präsidenten Putin "Schluß mit dem Gelaber!" kann nicht überraschen, und das können auch nicht die Schritte zur Schaffung eines Gegengewichts zu den G 8. Zur SCO gehören die Volksrepublik China, vier frühere Sowjetrepubliken sowie die Neumitglieder Pakistan und Indien. Der Iran hat einen Beobachterstatus.

Karl-Heinz Mruck, Kassel


"Wunder gibt es immer wieder", sang Katja Ebstein einst. Ein solches "Wunder" erlebte die Welt Ende Mai. Nachdem von ukrainischen Offiziellen der Mord am russischen Journalisten Arkadi Bobtschenko gemeldet worden war, erschien dieser nur 20 Stunden später quicklebendig auf einer Fernsehpressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes. Man habe den Mord nur vorgetäuscht, um angebliche Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes zu enttarnen und das Leben des Mannes zu retten, hieß es.
So ist die "Auferstehung" Bobtschenkos kein Wunder, sondern ein von langer Hand vorbereitetes Szenario. Sowohl Bundespräsident Steinmeier als auch Außenminister Maas hatten das vermeintliche Verbrechen scharf verurteilt. Jetzt hüllen sie sich in Schweigen.

Günter Röska, Leipzig


Die von Deutschland für notwendig erachtete Gas-Pipeline "Nord Stream 2" soll im "Wettbewerb" unterliegen, dazu scheinen alle Mittel recht zu sein. Die Ukraine befürchtet zwei bis drei Milliarden Euro Verlust an Transitgebühren. Polen bemüht sein Kartellamt, negative Fakten zu schaffen, und dergleichen mehr.
Die USA als Anbieter von gefracktem LVG-Gas sind der treibende Konkurrent. Sie beabsichtigen, alle Staaten mit Sanktionen zu belegen, die am Bau von "Nord Stream 2" beteiligt sind, also auch die BRD. Herr Altmeier, der kürzlich in Sachen Wirtschaft in Moskau weilte, äußerte sinngemäß, wir seien im Bündnis und teilten die atlantische Wertegemeinschaft. Zudem nutzte er seinen Aufenthalt, die Interessen der Ukraine zu vertreten.
Zur gleichen Zeit seines Bittgangs für die Ukraine gab deren Außenminister einem US-Reporter ein Interview. Darin forderte er, die in Rekordzeit erbaute 19 km lange Brücke zwischen Rußland und der Krim zu sprengen.
Diese Forderung ist nicht nur eine Provokation, sondern offener Aufruf zum Terror.

Gerhard Perlick, Bützow


Unter der Operation "Atlantic Resolve" (Atlantische Entschlossenheit) rollen zur Zeit Militärkonvois der US-Army durch die BRD in Richtung Osten. Es sind täglich mehrere Militärkonvois von Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt Richtung Norden. Über den Berliner Ring geht es dann in Richtung Polen.
Man könnte meinen, der Fall Barbarossa, das war bekanntlich der Deckname des NS-Regimes für den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, wird neu aufgerollt.
Die Bundeswehr ist stets dabei. So waren in den letzten Monaten das Panzerbataillon 393 und das Panzerpionierbataillon 701 im Osten eingesetzt. Man fragt sich, wem nützt dieses Säbelrasseln?
Offensichtlich besteht die Taktik der NATO darin, Rußland so lange zu provozieren, bis Präsident Putin sich gezwungen sehen könnte, an der heutigen NATO-Ostgrenze massiv aufzurüsten. Die USA und ihre NATO-Paladine, allen voran die BRD, könnten dann wieder auf Rußland zeigen und sagen: Seht her, wir konnten nicht anders ... Neben der Operation "Atlantic Resolve" verlegen die USA zeitgleich weitere ca. 3300 Mann, 400 Kettenfahrzeuge, 980 Radfahrzeuge und 350 Anhänger nach Polen. Bereits seit 2017 befinden sich allein in Polen 87 Abrams-Panzer, 18 Selbstfahrhaubitzen Paladin, 144 Schützenpanzerwagen Bradley und etwa 3500 US-Soldaten.
So wird Krieg vorbereitet. Europa braucht für eine friedliche Entwicklung keine US-Soldaten.

Wilfried Steinfath, Berlin


In den Tagen der Unwetterkatastrophen in einigen Regionen der BRD, besonders in Thüringen und im Vogtland, hörte man viele Klagen der betroffenen Bevölkerung, die mit den Schäden einfach nicht fertig werden konnte. Auch in der DDR gab es Naturkatastrophen, doch die Menschen wurden nicht allein gelassen. Klar war, daß die Nationale Volksarmee mit anrückte, um Schäden zu beseitigen. Derartiges ist von der Bundeswehr heute nicht zu erwarten. Und so bleibt es eben bei Feuerwehreinsätzen und Vorrücken deutscher Soldaten bis an die russische Grenze.

Hans-Georg Vogl, Zwickau


Für die Jahr für Jahr steigenden Zahlen der Flüchtlinge in der Welt, darunter viele Kinder, ist der Kapitalismus verantwortlich. Was aber sind schon fast 70 Millionen von ihren Lebensgrundlagen getrennte Menschen gegen das zu sichernde System von Maximalprofiten? Trump sperrte illegale mexikanische Einwanderer in Gefängnisse, nahm ihnen ihre Kinder weg und trennte so Eltern und Kinder voneinander. Betroffen sind 2300 Heranwachsende. Aber es gibt Vorgänger dieser menschenverachtenden Politik. In der Zeit von 1960 bis 1962 lief unter D. Eisenhower und J. F. Kennedy die "Operation Peter Pan". Danach gäbe es im gerade entstandenen revolutionären Kuba - so verbreiteten es seinerzeit die CIA und Teile der katholischen Kirche - ein Gesetz, das vorsehe, Kinder von ihren Eltern zu trennen, sie zu Staatseigentum zu machen und in Heime zu bringen, womöglich auch in die Sowjetunion. Auf jeden Fall bekämen sie eine "kommunistische Gehirnwäsche".
Die Kinder bekamen Visa für die USA, die Eltern gingen leer aus. Die Kinder sollten die Opposition gegen Castro stärken, das Land schwächen und für die geplante US-Invasion zur Verfügung stehen. So kamen 14 000 kubanische Kinder in die USA, die daran glaubten, daß sie bald wieder mit ihren Eltern zusammensein würden. Eine US-Invasion sollte es richten. Dieser widerstand das sozialistische Kuba bis heute. Am 1. Januar feierte es seinen 60. Jahrestag.

Karl Scheffsky, Schwerin


In der Juni-Ausgabe des "RotFuchs" stand ein Artikel zu den Berufsverboten in den alten Bundesländer und dem Versuch einer Aufarbeitung des sogenannten Radikalenerlasses.
Die im Artikel genannten Zahlen zu den Berufsverboten bedürfen einer Konkretisierung.
Die Gewerkschaft GEW geht davon aus, daß es 3,5 Millionen Überprüfungen gegeben hat, 25.000 bis 35.000 Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden den Behörden als "verdächtig" gemeldet, 11.000 Verfahren wurden eingeleitet, etwa 2250 Bewerber wurden abgelehnt, und 265 Beamte wurden entlassen. Diese Zahlen belegen das ganze Ausmaß der Bespitzelung in den alten Bundesländern.
Die Initiative des Landtags von Niedersachsen zur Aufarbeitung der Berufsverbote ist zu begrüßen. Es ist aber fraglich, ob die Konsequenzen aus dieser Aufarbeitung den Forderungen der Berufsverbotsopfer entsprechen werden. Am 1. Juni 2017 forderte eine Delegation von 20 Betroffenen von der in Berlin tagenden Ministerpräsidentenkonferenz nach vier Jahrzehnten ihre Rehabilitierung, eine persönliche Entschuldigung für das erlittene Unrecht und eine finanzielle Entschädigung.
Noch weit unsicherer ist, ob und in welchem Umfang andere Bundesländer dem folgen werden. Betrachtet man die Situation in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen, dann sind erhebliche Zweifel angebracht. Das letzte Berufsverbot gab es in Baden-Württemberg im Jahr 2004 (in Hessen 2006) gegen den Berufsschullehrer Michael Csaszkóczy. Im Jahr 2007 wurde durch die Verwaltungsgerichtshöfe in Baden-Württemberg und Hessen dieses Berufsverbot für grundrechtswidrig erklärt. Michael Csaszkóczy konnte seinen Dienst als Berufsschullehrer antreten.
Seine Überwachung durch den Verfassungsschutz aber dauert an. Die Klage gegen die fortdauernde Bespitzelung scheiterte 2016 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Den Opfern der Berufsverbote wurde nie eine konkrete Verfehlung, sondern immer nur ihre demokratische Gesinnung vorgeworfen. Damit war die Zielrichtung klar: Unbequeme Kritiker sollten mundtot gemacht werden. Daß gleichzeitig Existenzen vernichtet wurden und viele Betroffene in soziale Not gerieten, war für die Herrschenden durchaus nützlich: Es war klar, daß es allen, die sich nicht duckten, ebenso ergehen könnte.
Es ist an der Zeit, die politische Geschichte der alten BRD aufzuarbeiten.

Wilfried Furian, Rostock


Mit meinen Zeilen möchte ich auf eine meines Erachtens wichtige Publikation aufmerksam machen. Hermann Leihkauf: DDR. Zum aktuellen Kampf um die Deutungshoheit über den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden. GNN-Verlag, Schkeuditz 2017, 10 Euro.
Prof. Dr. Herbert Graf, dem ich uneingeschränkt zustimme, führt darin aus: "Das vorliegende Buch von Hermann Leihkauf, der von 1949 bis 1990 auf allen Ebenen der Volkswirtschaft in Betrieben, im ministeriellen Bereich und schließlich an führender Stelle der Staatlichen Plankommission arbeitete, vermitttelt dagegen [d. h. im Gegensatz zu einschlägigen Lügenmärchen - E. K.] all denen, die an der Wahrheit über die DDR interessiert sind, ein überzeugendes, weil auf Tatsachen gestütztes Material.
Im heutigen Chaos, das vielen Menschen zunehmend Sorge bereitet, erinnern sich nicht wenige an die Konstruktivität staatlicher Planung, die - trotz mancher zeitbedingter Unvollkommenheit - im Gegensatz zur Brüsseler EU-Wirtschaftssteuerung kein bürokratisches Monster war. Die Planwirtschaft der DDR folgte auch dem Gedanken des großen Albert Einstein, der hinterließ: 'Eine Planwirtschaft, welche die Produktion auf den Bedarf der Gemeinschaft einstellt, würde die durchzuführende Arbeit unter all diejenigen verteilen, die in der Lage sind zu arbeiten, und sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren.' Ein Blick in Leihkaufs Buch macht deshalb klüger und faktensicherer."
Es handelt sich um eine mehr als 150 Seiten umfassende Argumentationshilfe.

Prof. Dr. Eike Kopf, Erfurt


In meiner Generation (80+) und der meiner Söhne (50+) wird es schwerfallen, die gesamte Erinnerung an die DDR mit dem historischen Radiergummi auszulöschen. Bei den Enkeln bin ich mir nicht so sicher, denn als Naturwissenschaftler kenne ich die Evolutionstheorie Darwins gut: "Nur der Angepaßte überlebt." Bei meinen Reisen fand ich sogar in Afrika die halbverwehten Spuren unseres verschwundenen Landes. Anfang der 90er Jahre kam es vor, daß bei Sportfesten dort, an denen Deutsche teilnahmen, der Musikkapelle nur die Noten der DDR-Hymne "Auferstanden aus Ruinen." vorlagen oder etwa der Staatschef Namibias dem pikierten Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern für die Hilfe der DDR beim Aufbau seines Landes dankte.
Am Assuan-Staudamm am Nil war die DDR als "Investor" auf der Ehrentafel unter dem imponierenden Monument im Jahre 2001 noch aufgeführt. Zum Bau hatte die DDR über 300 Millionen Dollar zugegeben.
Kürzlich schickte mir ein Enkel aus Sansibar Fotos von DDR-Bauten aus dem Beginn der 60er Jahre, als die Inseln Sansibar und Pemba diplomatische Beziehungen zu dem "sogenannten" Land unterhielten. Vom Zahn der Zeit und dem Wetter zwar gezeichnet, stehen aber bis heute noch viele der seinerzeit errichteten Bauten.
So ist das nun mal - irgendwann kommt jemand (so wie ich) daher und "frißt das längst über der Historie gewachsene Gras wieder ab".

Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin


Die Antagonismen des Kapitalismus treiben auf die Spitze und zerreißen von Island bis Griechenland die alten parlamentarischen Klassenordnungen. In der Bundesrepublik Deutschland - dem Herz der antikommunistischen Nachsystemkoexistenz - ist das Beben deutlich zu spüren. Hier schickt sich die Reaktion an - frei nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf -, eine Politik durchzusetzen, die versucht, den alten Formelkompromiß nach dem Motto "Teile und herrsche!" auszuhebeln und durch eine Praxis der "eisernen Faust" - des Rechts des Stärkeren - zu ersetzen.
Während letzteres durch die AfD repräsentiert wird, wird auf der linken Seite der parlamentarischen Wirklichkeit noch zwischen Anpassung an die SPD auf der Basis der traditionalistischen Sozialpflege und der vollständigen Beliebigkeitspolitik einer diffus-heterogen herumirrenden fundamentalmenschenrechtsströmungsübergreifenden sonstigen Linken in der Linken gestritten. Während der zugeneigte Wähler bei der erstgenannten Richtung die Wahl hat zwischen der Parteiversammlung in Bewegung und der Bewegung aus der Partei hin zu einer übergreifenden Sammlung, erschwert ihm der Spagat zwischen fragend voranschreitender Beliebigkeit und "Hier darf jeder sein eigenes antikapitalistisches Süppchen kochen" auf der anderen Seite die Wahl ...

Tilman Rosenau, Hamburg


Immer wieder führt die Frage nach den Ursachen für die Niederlage der DDR und anderer sozialistischer Staaten im Wettbewerb der Systeme zu Auseinandersetzungen unter Marxisten über die Rolle der Arbeitsproduktivität. Obwohl doch ziemlich klar ist, daß die Bedeutung der Konterrevolution und die Bedeutung des politischen Systems des Sozialismus - ja der Politik im Sozialismus überhaupt - keineswegs abgeschwächt wird, wenn wir bei Marx, Engels und Lenin bleiben, die niemals einen Zweifel daran gelassen haben, daß es sich bei der Arbeitsproduktivität um das letztlich (und damit vornehmlich) entscheidende Kriterium für den Sieg und die Entwicklung des Sozialismus handelt - aus der Perspektive der Abschaffung der Klassen und damit der Aufhebung des Gegensatzes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit gesehen, um die es schließlich in weiter, aber nicht unerreichbarer Ferne geht, ist dieser Zusammenhang ohnehin klar.
Wenn wir über Arbeitsproduktivität sprechen, geht es doch nicht um die Profitmaximierung und die Zerstörung der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens, sondern um die ökonomischen Voraussetzungen des Sieges des Sozialismus über den Kapitalismus und die ökonomischen Grundlagen für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft hin zum Kommunismus mit dem Absterben (durchaus auch der Abschaffung, wie Engels ausführlich erläuterte) des Staates und eben der Abschaffung der Klassen. Dann gilt ja, daß die individuelle Freiheit eines jeden die Bedingung für die individuelle Freiheit aller ist; oder wie die kritisch-utopischen Sozialisten schon ausführten, die Bedürfnisse und Fähigkeiten den Maßstab des Fortschritts ausmachen. Warum sonst hätte Lenin immer wieder nachdrücklich auf die Bedeutung der Arbeitsproduktivität verwiesen?
Über die Methoden zur Messung der Arbeitsproduktivität hat Fritz Behrens manchen wertvollen Text hinterlassen. Daran sollte es nicht scheitern. Die Frage ist doch vielmehr: Was und wer hinderte die Sozialisten, "... mit ungeheurer Schnelligkeit die Produktivkräfte zu entwickeln, alle jene Möglichkeiten zu entfalten, die sich zum Sozialismus verdichtet hätten, und aller Welt anschaulich, augenfällig den Beweis zu liefern, daß der Sozialismus gigantische Kräfte in sich birgt und daß die Menschheit jetzt in ein neues Entwicklungsstadium eingetreten ist, das überaus glänzende Perspektiven eröffnet." (Lenin in "Lieber weniger, aber besser", Werke, Band 33, S. 486) Diese Frage ist schon sehr umfassend beantwortet worden und wird auch in Zukunft noch weiter beantwortet werden. Aber den Boden der materialistischen Geschichtsauffassung verlassen, um unbequeme Fragen, Antworten und Verantwortlichkeiten zu umgehen, halte ich für uns Marxisten für unzulässig.

Herbert Münchow, Leipzig


Schwerpunkt des einmal jährlich erscheinenden Rundbriefs der Bredel-Gesellschaft ist die jahrzehntelang verdrängte Novemberrevolution in Bredels Heimatstadt Hamburg. Im Mittelpunkt der zwei Beiträge von H.-K. Möller steht die literarische Verarbeitung der Ereignisse durch den Zeitzeugen und späteren Arbeiterschriftsteller. Hans Matthaei berichtet über die Geschichte des Gräberfeldes für die "Gefallenen der Revolutionsjahre 1918-1920" und das Revolutionsdenkmal auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf. Der österreichische Autor Erich Hackl und H. Matthaei befassen sich mit der erstmaligen Herausgabe eines Werkes von Bredel in Spanien. Der ehemalige "Gastarbeiter" Antonio Barbado übersetzte die "Begegnung am Ebro". Herbert Schneider beleuchtet anläßlich der 800-Jahr-Feier Rostocks das Wirken Bredels dort und seine literarische Verarbeitung in "Ein neues Kapitel".
Zu beziehen ist der 72seitige Rundbrief (Jg. 29/2018) für 2,50 € über: Willi-Bredel-Gesellschaft, Ratsmühlendamm 24, 22335 Hamburg, E-Mail: willi-bredel-gesellschaft@t-online.de

Hans-Kai Möller, Hamburg


Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.
Postfach 02 12 19, 10123 Berlin


Das Impressum für die obenstehende Ausgabe ist zu finden unter:
http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2018/RF-247-08-18.pdf

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Quelle:
RotFuchs Nr. 247/248, 21. Jahrgang, August/September 2018
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2018

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