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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1239: Kartoffelsorte Linda wird abgewickelt


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2 - Februar 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Kartoffelsorte Linda wird abgewickelt
Warum Konzentration in der Landwirtschaft verheerend ist

Von Boris Schultz


Für den Ökoanbau ist die Kartoffelsorte Linda wichtig. Das liegt in erster Linie an ihren guten Anbaueigenschaften, denn sie benötigt wenig Dünger, ist sehr ertragreich und lässt sich lange im Keller lagern. Aufgrund ihres guten Geschmackes ist sie bei der Bevölkerung sehr beliebt. Wer sich jedoch im Herbst bei einem gut sortierten Gemüsehändler auf dem Markt oder beim Direktvertrieb umschaute, wird festgestellt haben, dass Linda schwerer zu bekommen war und ihre Knollen kleiner geworden sind.


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In Deutschland darf nur Pflanzgut bzw. Saatgut hergestellt und vertrieben werden, das vom Bundessortenamt bzw. in einem anderen EU-Land zugelassen ist. Die Zulassung gilt für 30 Jahre, und während dieser Zeit genießt die Sorte Sortenschutz, vergleichbar mit dem Patentschutz. Die Sorte darf dann nur von der Saatgutfirma vertrieben werden, die Inhaberin des Sortenschutzes ist. Wenn der Sortenschutz abgelaufen ist, kann eine andere Person die Wiederzulassung neu beantragen, was jedoch ein neues langes Zulassungsverfahren nach sich zieht. Eine Verlängerung der Zulassung ist jedoch möglich.

Seit 2007 ist die Sortenzulassung für Linda, die bei der Firma Europlant Pflanzenzucht lag, ausgelaufen, eine Verlängerung war nicht beabsichtigt. Dies führte dazu, dass im Frühjahr 2008 kein offizielles Pflanzgutmaterial zur Verfügung stand und die Bauern darauf angewiesen waren, Pflanzkartoffeln aus der eigenen Ernte zu nehmen oder auf andere Sorten umzusteigen. Der Verein "Freundeskreis Rettet Linda" hatte 2005 eine Neuzulassung beantragt. Im Herbst 2008 sollte es zu einer Entscheidung kommen, bis jetzt liegen jedoch keine Informationen darüber vor. Gleichzeitig wurden Anträge in den Niederlanden und in Großbritannien gestellt - hier wird mit einer Entscheidung in 2009 gerechnet. Bei einer Neuzulassung kann die Sorte EU-weit reimportiert werden, der weitere Anbau wäre auf diese Weise gesichert.

Was beabsichtigt Europlant mit der Nichtverlängerung der Zulassung? Welche Interessen verfolgen die Saatgutfirmen? Mit welchen Folgen für die Landwirtschaft und die Bevölkerung?


Marktmacht der Saatgutfirmen

Europlant hat Linda vom Markt genommen, weil die Firma mit der Sorte keinen Profit mehr meinte erzielen zu können. Den Bauern und der Bevölkerung gegenüber wurde behauptet, die Sorte sei anfällig für Krankheiten und ihre Qualität schlecht. Während der Lagerung würden sich zudem ihre Kocheigenschaften verändern. Diese Behauptungen entsprechen aber nicht der Wahrheit. Angepriesen werden jetzt neue Sorten wie Belana, Leila oder Solana, die angeblich geschmacklich der Linda nahe kämen, jedoch weniger krankheitsanfällig und während der Lagerung stabil seien. Tatsächlich nimmt Europlant aber die alten Sorten vom Markt, damit sich die neuen Sorten durchsetzen, die das Unternehmen für profitabler hält.

Dieses Problem gibt es nicht nur bei der Kartoffel, sondern nahezu bei jeder Nutzpflanze. Bis vor 25 Jahren gab es weltweit noch über 7.000 Saatgutfirmen, von denen jede maximal 1% Marktanteil hatte. Mittlerweile teilen zehn Konzerne über 50% des Weltmarktes unter sich auf. Die wichtigsten sind Syngenta, DuPont und Monsanto. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verstärken. Die Konzerne stellen nicht nur Pflanz- bzw. Saatgut her, sondern auch Düngemittel und Pflanzenschutzmittel. Durch die Konzentration auf wenige Agrokonzerne, bei gleichzeitiger Vermischung von Pflanzenzucht und Herstellung von Agrochemikalien, entsteht eine totale Abhängigkeit der Bauern von einzelnen Konzernen. Neue Sorten werden auf den Markt gebracht und gleichzeitig Pflanzenschutzmittel und Düngemittel, die sich nur mit einer Sorte vertragen. Sorten, die für jeden frei verfügbar sind, sind da nur störend und werden als Konkurrenz betrachtet. Also wird versucht, sie mit allen Mitteln vom Markt zu drängen.

Die BäuerIn weiß selber am besten, was für Sorten unter den örtlichen Bedingungen auf dem Acker am besten gedeihen, bzw. wie sie durch natürliche Züchtung soweit verbessert werden können, dass sie höheren Ertrag bringen. Jede Person muss das Recht haben, Sorten zu züchten und sie in Umlauf zu bringen. Nur so ist eine angemessene Welternährung möglich, kann die Macht der Agrokonzerne gebrochen werden. Das Schicksal der Kartoffelsorte Linda ist ein gutes Beispiel dafür.


Generosion

Das Verhalten der Agrokonzerne führt dazu, dass es nicht nur zu einer Verringerung der Vielfalt der Arten kommt, die für die menschliche Ernährung zur Verfügung stehen, sondern auch zu einer deutlichen Abnahme an Sorten, was mindestens genauso problematisch ist. Dieser Prozess ist schon sehr lange im Gang und wird sich auch noch verstärkt fortsetzen. Es wird davon ausgegangen, dass weltweit mittlerweile 75% der genetischen Vielfalt bei Kulturpflanzen verloren gegangen sind (Generosion). Jeder weitere Verlust schränkt diese Basis weiter ein und gefährdet so die Sicherung unserer Ernährungsgrundlage. Eine Sorte läuft Gefahr, unwiederbringlich zu verschwinden, wenn sie nicht mehr genutzt und in der Folge nicht mehr angebaut wird.

Dadurch, dass immer weniger Sorten zum Anbau zur Verfügung stehen, kommt es zu einer Konzentration auf wenige Sorten. Die genetische Vielfalt auf den Ackerflächen geht verloren. Jede einzelne Sorte hat bestimmte Eigenschaften, die zum großen Teil genetisch bedingt sind. Dazu gehören u.a. Inhaltsstoffe, Habitus, Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern und Standorteigenschaften wie Nährstoff- oder Wasseraufnahme. Die beiden Letztgenannten sind für die Welternährung besonders wichtig. Krankheitserreger und Pflanze reagieren miteinander nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Jede einzelne Sorte weist unterschiedliche Abwehrmechanismen gegenüber jedem einzelnen Krankheitserreger auf, und jeder einzelne Krankheitserreger hat Mechanismen entwickelt, die Abwehrmechanismen zu durchbrechen. So kann nicht jede Sorte von jedem Krankheitserreger angegriffen werden. Der Bedarf lässt sich ausreichend mit anderen Sorten decken. Wenn ein Erreger in einem Jahr verstärkt auftritt und eine Sorte befällt, bleiben bei Sortenvielfalt immer noch genügend andere übrig. Bei Konzentration auf wenige Sorten besteht diese Möglichkeit nicht mehr und es kommt zu massiven Ernteausfällen.

Die Agrokonzerne lösen das Problem, indem sie den Bauern Pflanzenschutzmittel anbieten und dabei bewusst ökologische und gesundheitliche Risiken in Kauf nehmen, um die Ernte zu sichern.

Ähnlich verhält es sich bei den anderen Standorteigenschaften. Viele Sorten sind speziell für einen bestimmten Standort gezüchtet. So gibt es Sorten, die mit wenig Nährstoffen auskommen, salztoleranter sind oder extreme Feuchtigkeit vertragen. Diese breite Palette von Möglichkeiten können wenige Sorten, die zum Anbau kommen, nicht ausschöpfen. Eine Sorte kann nicht tolerant gegenüber Trockenstress sein und gleichzeitig viel Wasser benötigen. Bei plötzlich hereinbrechenden Wetterkapriolen, die in Zeiten des Klimawandels nicht ungewöhnlich sind, kommt es dann zu Ernteausfällen, die durch den Anbau von vielen Sorten abgemildert worden wären. Dies ist z.B. der Fall, wenn kältetolerante Sorten neben hitzetoleranten angebaut werden. Bei einer plötzlichen Kältewelle würden zwar die Sorten absterben, die kühlere Temperaturen nicht so gut vertragen, aber die kältetoleranten Sorten würden noch zu ernten sein.

Katastrophale Folgen hat der Verlust der genetischen Vielfalt vor allem für die Kleinbauern des Südens. Sie haben immer schon mit dem Überleben zu kämpfen und werden dadurch zusätzlich immer stärker in die Abhängigkeit der Agrokonzerne gedrängt. Diese bieten immer weniger Sorten an, dafür aber umso mehr Agrochemikalien. Die können sich die Kleinbauern nicht leisten. Dadurch kommt es zu Ernteausfällen, die überhaupt nicht zu kompensieren sind, und die Bevölkerung leidet Hunger.

Es ist deshalb wichtig, alles zu unternehmen, um die genetische Vielfalt auf dem Acker zu bewahren. Das ist nur möglich, wenn die Bauern die Möglichkeit erhalten, Sorten selber zu züchten und sich der Kontrolle durch die Agrokonzerne zu entziehen.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2, 24. Jg., Februar 2009, Seite 18
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2009