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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1698: Zum 50. Todestag von Hanns Eisler


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11 - November 2012
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Zum 50. Todestag von Hanns Eisler
"...der Karl Marx des Kommunismus auf musikalischem Gebiet..."

Von Peter Fisch



"Viele versuchten umsonst, das Freudigste freudig zu sagen,
Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus."


Am 26. März 1948 endete das fast achtjährige Exil Hanns Eislers in den USA, keineswegs freiwillig, sondern erzwungen. Er wurde politisch verfolgt und des Landes verwiesen: ein Opfer der antikommunistischen Hysterie in den USA im beginnenden Kalten Krieg. Vom "House Committee on Un-American Activities" war er vom 24.-26. September 1947 zum öffentlichen Verhör in Washington geladen worden, ein Schicksal, das er mit Tausenden unangepassten Zeitgenossen, vorwiegend kommunistischer Aktivitäten verdächtigten Intellektuellen, teilte.

Die Druckfassung des Verhörs Eislers umfasst unglaubliche 209 Seiten. Ihr ist auch der Satz in der Überschrift entnommen, das Resümee des leitenden Ermittlers, Robert Stripling. Verständlich die Antwort Eislers: "Sie schmeicheln mir." Man wollte ihm nachweisen, er habe bei der Einreise in die USA seine Mitgliedschaft in der KPD verschwiegen.

Den Vorwurf konnte Eisler entkräften, denn er gehörte der Partei nominell nicht an, doch sein Bruder Gerhard war im Auftrag der KPD illegal in die USA eingereist. Die Schwester, Ruth Fischer, Mitbegründerin der KPÖ und 1924/25 Vorsitzende der KPD, inzwischen zur exponierten Antikommunistin mutiert, hatte ihre Brüder beim FBI denunziert. Alle Proteste des zu Eislers Verteidigung gegründeten Komitees, dem namhafte Intellektuelle wie Leonard Bernstein, Charlie Chaplin, Albert Einstein, Pablo Picasso, Jean Cocteau, Thomas Mann und Igor Strawinski angehörten, halfen nicht. Hanns Eisler und seine Ehefrau Lou wurden ausgewiesen. Seinen kommunistischen Überzeugungen blieb er fest verbunden.


Die Wurzeln

Von Anfang an verstand er sich als Kunstproduzent, der mit seinen spezifischen Mitteln und Fähigkeiten Musik für den Sozialismus und "gegen die Dummheit" schreibt. Seine Kompositionen sollten eine soziale Funktion haben, ein Mittel des politischen Kampfes sein, nicht für den oberflächlichen Genuss, den Rausch und die Selbsterbauung gedacht. "Dummheit in der Musik" sieht Eisler, wenn diese in Form und Inhalt nicht den tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen entspricht: Dadurch würden "Gefühle beschmutzt" und Menschen zur politischen Handlungsunfähigkeit bzw. Inhumanität verführt. Diesem ästhetisch-politischem Credo folgte er auch in der DDR.

Woher kam das, dass Hanns Eisler als Komponist, Hochschullehrer und Musiktheoretiker so dachte, lebte und arbeitete? Paul Dessau brachte es einmal auf den Punkt: "Überlegen Sie auch mal seine Herkunft, sein Vater war Philosoph, seine Mutter eine Arbeiterin. Welch eine großartige Kombination."

Eislers Politisierung und das Bekenntnis zur kommunistischen Arbeiterbewegung hatten mehrere Wurzeln: die jüdische Herkunft des Vaters, die Mitgliedschaft im "Sprecherclub sozialistischer Mittelschüler" im Wiener Gymnasium und sein verehrter Lehrer Arnold Schönberg, den Begründer der Zwölftontechnik, der Eislers Credo, eine politische Musik zu schaffen, zwar strikt ablehnte, ihm aber dennoch unentgeltlich half. War da nicht auch die nachhaltige "Aufklärung" durch seinen Bataillonskommandeur im Jahre 1916, der ihm an der Front erklärte: "Du stinkender Sozialist, wenn du deinen stinkenden Sozialismus meinen Jungs propagieren willst, werde ich dich erschießen"?

1926 zog es Eisler nach Berlin. Hier trat er der linksorientierten "Novembergruppe" bei. Und da entstanden die freundschaftlichen Beziehungen zu Weinert, Webern, Piscator, zu seinem Interpreten Ernst Busch und - ein Glücksfall für beide und die Entwicklung einer revolutionären Kunst - das Zusammentreffen mit Bertolt Brecht (1927), eine Freundschaft, die lebenslang Bestand haben sollte.

Gedichtvertonungen, aber auch die Musik für die Brecht-Stücke, beginnend mit der "Maßnahme" und der "Mutter", wurden zu einem Arbeitsprinzip. Es folgten Werke für Bühne, Podium, Film und die Lieder der revolutionären Arbeiterbewegung, wie das "Einheitsfrontlied", "Roter Wedding" und das "Solidaritätslied".


In Spanien und Amerika

Mit der Machtübertragung an Hitler war Eislers Existenz gleich auf mehrfache Weise gefährdet: als Jude und als Künstler. Zudem zählte Eisler zu den Vertretern der künstlerischen Avantgarde der Wiener Schule, seit 1926 versuchte er, neue Musik mit dem Marxismus zu verbinden. Sein Engagement für die Arbeiterbewegung verstand er als Engagement für den Kommunismus. In die Hände der Faschisten zu fallen, hätte seinen sicheren Tod bedeutet. Nicht umsonst setzte die Gestapo 1933 ein Kopfgeld auf ihn aus.

So lebte er in Wien, Dänemark, New York und Los Angeles, mit Zwischenaufenthalten u.a. in Mexiko-Stadt, London, Paris und Prag. 1936 führt ihn sein Weg in das gegen Franco kämpfende Spanien. Und, wie anders, unterstützte er es mit seiner Waffe - der kämpferischen Musik. Zwei Wochen lang besuchte er die XI.Interbrigade in Murcia und komponierte den "Marsch für das Fünfte Regiment".

Sein Exil in den USA dauerte zehn Jahre, zunächst in New York, dann, ab 1942, in Los Angeles (Hollywood, Pacific Palisades, Malibu). Hier gelang es ihm, künstlerisch anerkannt zu werden und materielle Sicherheit zu finden. Das hier entstandene umfangreiche Liedgut, besonders das "Hollywooder Liederbuch", die Komposition der "Deutschen Symphonie" sowie seine Bühnen- und vor allem Filmmusiken stellen seine dauerhafteste und bedeutendste kompositorische Hinterlassenschaft dar. Allein zu acht Hollywood-Filmen, z.B. zu Fritz Langs "Hangman Also Die" (1943), schrieb er die Musik. Der Preis war die weitgehende Anpassung an die Produktionsbedingungungen der Filmindustrie und die gesellschaftlichen Normen in den USA, die seine harte Kritik herausforderten, aber auch Lohn und Brot bedeuteten.

Am 1. April 1948 kamen Lou und Hanns Eisler in das noch von den Kriegsereignissen gezeichnete Wien. Eisler fand auch hier nicht die ihn befriedigenden Arbeitsmöglichkeiten und übersiedelte schließlich Anfang 1950 nach Berlin, in die Hauptstadt der am 7. Oktober 1949 gegründeten DDR. Hier übertrug man ihm eine Professur für Musiktheorie an der "Deutschen Hochschule für Musik". Ein halbes Jahr zuvor hatte er den Auftrag erhalten, zu dem bekannten Text Bechers die Nationalhymne der DDR zu komponieren.


Unbequemer Kommunist

Dennoch blieb die "Deutsche Symphonie" das bedeutendste Werk Hanns Eislers, das allerdings erst 1959 uraufgeführt wurde. Trotz aller Würdigungen und hohen Auszeichnungen, die er in der DDR erhielt, blieb er ein von der SED-Führung kritisch beäugter Zeitgenosse, denn er bekannte sich öffentlich zu undogmatischem Denken und lehnte jede Bevormundung ab. Sein Verhältnis zur DDR war und blieb ambivalent.

Das zeigte besonders sein Versuch, eine deutsche Nationaloper mit dem Titel "Johann Faustus" zu schaffen. Damit begann für den Komponisten eine schwere Zeit. Die Textfassung war 1952 im Aufbau-Verlag erschienen. Eisler versuchte damit, eigene inhaltliche Wege, jenseits der Goethe-Nachfolge, zu gehen. Die Debatte darüber wurde von der SED-Führung - hervor traten besonders Girnus und Abusch - mit dem Argument des "Formalismus" abgewürgt. Das Verdikt lautete: "pessimistisch, volksfremd, ausweglos, antinational." Girnus setzte dem noch, in typisch stalinistischer Manier, verbunden mit einer deutlichen Drohung, hinzu: "Faust ist nach deiner [Eislers] Konzeption ein Renegat nach dem Typus von Slansky, Rajk oder Tito." Das endgültige ablehnende Urteil über die Oper sprach Ulbricht am 3. Juni 1953 persönlich. Die Oper gibt es deshalb nur als Text - ohne die dazu gehörige Musik.

Wer nach den Ursachen für die Absage an Eislers Oper fragt, sollte noch hinzudenken: Es war die Zeit der Schauprozesse und "Säuberungen" in mehreren Ländern des Ost-Blocks, die Zeit der "Abrechnung" mit den "West-Emigranten". Nur wenige Künstler hatten auf der Seite Eislers gestanden und die Faustus-Oper und damit dessen ästhetisches Credo verteidigt: Thomas Mann, Feuchtwanger, Brecht, Arnold Zweig, Felsenstein und Hermann Duncker.

Tief enttäuscht und verbittert, stark depressiv und niedergeschlagen reiste Eisler nach Wien und kehrte erst Anfang 1954 nach Berlin zurück. Zwei Jahre später sollten weitere Tiefschläge folgen, die seine Lebenskraft aufbrauchten: der Tod seines Freundes Bertolt Brecht am 14.8.1956 und die Geheimrede Chruschtschows am 25.2.1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU, die, zumindest in Umrissen, die Verbrechen Stalins benannte. 1960 erlitt er den ersten Herzinfarkt. Am 16. September 1962 ist Hanns Eisler in Berlin verstorben.

Seine "Ernsten Gesänge" waren die letzte Botschaft an die Nachgeborenen. Diese aus sieben Gesängen bestehende Komposition trägt das Hölderlin-Motto:

"Viele versuchten umsonst, das Freudigste freudig zu sagen,
Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus."

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11, 27. Jg., November 2012, S. 21
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2012