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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1744: Italien - Der neue Pakt über die gewerkschaftliche Vertretung


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6 - Juni 2013
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

ITALIEN
Der neue Pakt über die gewerkschaftliche Vertretung

Von Angela Klein



Am 30. April dieses Jahres haben die drei gewerkschaftlichen Dachverbände in Italien, CGIL, CISL und UIL, einem "Pakt über die gewerkschaftliche Vertretung" zugestimmt, der das Recht auf Beschäftigtenvertretung gravierend beschneidet.


Gewerkschaftliche Vertretung ist künftig an die Bedingung des Wohlverhaltens gebunden. Nur die Gewerkschaften werden als Verhandlungspartner anerkannt, die darauf verzichten, gegen Vereinbarungen vorzugehen, die sie nicht unterstützen. Wenn also in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit erhöht, die Qualifikation gesenkt oder das Recht auf Krankheit beschnitten wird, und wenn die Mehrheit der Gewerkschaftsvertreter oder der Beschäftigten dies akzeptiert, darf eine Minderheitsgewerkschaft dagegen nicht mehr vorgehen. Sie darf nicht streiken, nicht vor Gericht ziehen, nicht mal die Arbeiter schützen, die nicht einverstanden sind. Verstößt sie dagegen, ist sie vom Vertretungsrecht ausgeschlossen.

Die Vertretung ist so geregelt: An Tarifverhandlungen dürfen nur Gewerkschaften teilnehmen, die über 5% der Beschäftigten vertreten. An Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen dürfen die Betriebsräte und die in ihnen vertretenen Gewerkschaften teilnehmen. Ein Abkommen oder eine Vereinbarung ist gültig, wenn die Mehrheit der Gewerkschaften oder des Betriebsrats unterschreibt.

Der "Pakt über die Gewerkschaftsvertretung" richtet sich gegen alle Gewerkschaften, die den sozialpartnerschaftlichen Kurs der drei gewerkschaftlichen Dachverbände CGIL-CISL-UIL nicht mitmachen. Zum erstenmal wurde dieses Verfahren bei Fiat in Pomigliano im Jahr 2010 erprobt. Damals drohte Fiat-Chef Marchionne mit der Schließung des Werks, wenn die Belegschaft nicht Pausenkürzungen, eine willkürliche Verlängerung der Arbeitszeiten und die Nichtanerkennung der ersten beiden Krankheitstage hinnehmen würde. Er verband sein Diktat mit der Forderung, die Gewerkschaft, die sich im Falle der Annahme des Diktats durch die Mehrheit der Belegschaft nicht daran halte, werde als Verhandlungspartner nicht mehr akzeptiert. Die Branchengewerkschaften der CISL und UIL unterzeichneten das Abkommen, einschließlich der präventiven Fesselungsklausel. Die FIOM lehnte damals eine Unterschrift ab.

Den neuen "Pakt über die gewerkschaftliche Vertretung" hat nun jedoch auch die CGIL unterzeichnet, deren Metallgewerkschaft die FIOM ist. Ihrem früheren Vorsitzenden, Giorgio Cremaschi, der auf der genannten Vorstandskonferenz der drei Dachverbände als einziger (!) gegen den Pakt sprechen wollte - und das formale Recht dazu hatte -, wurde das Mikrofon abgedreht, er wurde von der Bühne gedrängt und ihm wurde bedeutet, er solle auf seine Gesundheit aufpassen. Der Ordnerdienst schob ihn aus dem Saal.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, 28. Jg., Juni 2013, S. 11
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013