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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2393: Massenhafter Arbeitsplatzabbau - 20.000 bei Bayer


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6 · Juni 2019
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Massenhafter Arbeitsplatzabbau
20.000 bei Bayer

Über Bayer sprach die SoZ mit Karl-Heinz Neumann


Bayer und Ford sind nur zwei Beispiele, wo derzeit ein massiver Arbeitsplatzabbau läuft und wie die Konzernleitungen versuchen, ihn so abzuwickeln, dass Massenentlassungen vermieden werden.
Über Bayer sprach die SoZ mit Karl-Heinz Neumann, einem langjährigen Mitarbeiter bei Bayer-Pharma.


SoZ: Bayer gab im Dezember letzten Jahres den Abbau von 12.000 Arbeitsplätzen bekannt, wobei weitere 9.000 durch Ausgliederung wegfallen sollen, insgesamt 20.000 also. Daraufhin gab es bei euch in Wuppertal heftige Proteste, danach hat man nichts mehr gehört. Was ist der Stand der Dinge?

Karl-Heinz Neumann: In einzelnen Bereichen gibt es unterschiedlich starke Auswirkungen und das führt zur Entsolidarisierung in der Belegschaft. Fakt ist, dass in den Produktionsbereichen bis zum 1.September 380 Arbeitsplätze weg sein werden. Schon jetzt suchen Kollegen andere Jobs und werden zum Teil in anderen Bereichen untergebracht. Den Rest will man nach Bekunden des Unternehmens momentan noch auf freiwilliger Basis loswerden, ganze Bereiche werden jedoch von dieser Freiwilligkeit ausgeklammert, das führt zu Spannungen.


SoZ: Was bedeutet das konkret?

Karl-Heinz Neumann: Naja, es dürfen sich alle melden, aber nicht alle erhalten ein Angebot. Es wird gefragt, ob man in einem Bereich arbeitet, wo der Arbeitsplatz wegkommt. Und wenn das so nicht der Fall ist, wird mit einer Bewertung reagiert, so ist man im Entwicklungs- und Forschungsbereich offiziell nicht betroffen, d.h. die Freiwilligkeit ist nicht gegeben.


SoZ: Welche Angebote werden denn gemacht?

Karl-Heinz Neumann: Das sind Abfindungsangebote für Leute unter 56 und Frühruhestandsregelungen für Menschen ab 57.


SoZ: Wie hoch sind diese Angebote?

Karl-Heinz Neumann: Für Menschen unter 56 gilt: Das letzte Bruttogehalt (inklusive 1/12 Weihnachtsgeld und 1/12 Urlaubsgeld) wird mit der Anzahl vollendeter Dienstjahre und einem Faktor multipliziert. Für Schichtler werden einige Schichtzulagen berücksichtigt. Es wird mindestens 3 Monatsentgelte/, max. 63 Monatsentgelte geben. Für Kinder, Lebenspartner oder Schwerbehinderung gibt es weitere Zuschläge.

Für Menschen über 56 gilt: Schwerbehinderte oder Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren sollen eine ungeminderte Rente erhalten. Die Maßnahme läuft maximal 6 Jahre. Die Bezüge bis zum 60. Lebensjahr sind abhängig vom letzten Bruttoentgelt. Ab dem 60. Lebensjahr ist die persönlich zu erwartende Rentenzahlung der Rentenversicherung und der Bayer- Pensionskasse die Grundlage für die monatlichen Bezüge. Die Rentenbezüge der gesetzlichen Rente und der Pensionskasse werden für einige Jahre weiterentwickelt, Bayer gewährt lebenslange Ausgleichsbausteine.

Das sind schon Angebote die die Leute gern annehmen. Das gilt selbst für sog. sichere Bereiche, denn die Stimmung im Unternehmen ist nicht gut und wird als Bedrohung wahrgenommen.


SoZ: Um welche Bereiche handelt es sich da?

Karl-Heinz Neumann: Um Forschung und Entwicklung. In der Forschung werden in manchen Abteilungen signifikant Arbeitsplätze wegfallen, rund 20-30 Prozent der Belegschaft sollen da reduziert werden. In der Entwicklung ist das momentan noch nicht so, das hat eine eigene Logik. Projekte in der Entwicklung brauchen rund halt fünf Jahre, bis sie ihre Marktreife erhalten, wenn's gut läuft.

Und dann gibt's Bereiche, die massiv betroffen sind wie die Personalabteilung oder die IT-Bereiche, da werden massiv Stellen eingespart. Dazu kommt, dass noch nicht definiert worden ist, welche Länder und Bereiche vom Abbau dieser 12000 Arbeitsplätze betroffen sind. Für uns als Arbeitnehmer ist es aber wichtig, das zu wissen, um solidarisch sein zu können.


SoZ: Wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Arbeitsplatzabbau jenseits vom Monsanto-Debakel Teil eines größeren Umbauplans?

Karl-Heinz Neumann: Ja, da kommen zwei Sachen zusammen. Da ist einmal die Monsanto-Integration, das sind, wie sie das so schön nennen, die Synergieeffekte, die man nutzen will. Also übersetzt: überflüssige Arbeit. Das ist natürlich eingepreist. Zum anderen ist die Situation in der Pharma nicht rosig.


SoZ: Ist es richtig, dass Bayer sich aus dem Pharmageschäft etwas zurückziehen will und stattdessen mehr auf Agrochemie setzen möchte?

Karl-Heinz Neumann: Das kann ich nicht ehrlich beantworten. Gefühlt würd ich sagen nein, das ist nicht so. Allerdings laufen bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten in ein paar Jahren die Patente aus. Man weiß also heute schon, dass es große Umsatz- und Gewinneinbrüche geben wird und hat gerade nichts in der Pipeline, um das irgendwie aufzufangen. Wenn man nicht irrsinnig große Summen für so einen Giftladen wie Monsanto ausgegeben hätte, hätte man natürlich in der Pharma reinvestieren können.


SoZ: Warum wird in der IT-Abteilung abgebaut, wo man doch auf Digitalisierung setzt, wie passt das zusammen?

Karl-Heinz Neumann: Ja, das klingt widersprüchlich, es wird aber ganz stark auf die Digitalisierung der Landwirtschaft gesetzt, das ist eine eigene Forschungsabteilung. IT meint aber hier eine eigene Plattform, die vorwiegend mit der Betreuung der internen IT-Systeme zu tun hat - da soll massiv abgebaut werden, ebenso wie in der Personalverwaltung.


SoZ: Du sagst, die Belegschaft ist gespalten, weil unterschiedliche Bereiche betroffen sind. Wie verhalten sich denn die Betriebsräte und die IG BCE?

Karl-Heinz Neumann: Das ist eine sehr gute Frage und die Antwort ist vielschichtig. Die IG BCE macht alles mit bei Bayer, die haben im Dezember auch den nach außen sichtbaren Widerstand mitgemacht - aus Notwendigkeit und nicht, um ein Zeichen zu setzen oder zu mobilisieren. Schließlich haben sämtliche Beschlüsse des Vorstands vorher den Aufsichtsrat passiert. D.h. der Gesamtbetriebsrat hat sämtliche Maßnahmen mitbeschlossen und unterstützt. Der Tenor war: Das ist so eine Art Naturkatastrophe, da müssen wir jetzt gemeinsam durch.

Dieser kämpferische Moment, den du eingangs erwähnt hast, war kosmetisch, einen wirklichen Widerstand hat's nie gegeben. Teile der Belegschaft wären durchaus kämpferischer und haben auch diese Demo anders gesehen als die Betriebsräte. Die internen Diskussionen sind sehr gespalten, ich kenne keinen aus meinem Arbeits- und dem weiteren Umfeld, der sagt, der Monsanto-Deal war gut für uns und wird was Gutes bringen. Die Belegschaft ist schon sehr kritisch.


SoZ: Bei der Aktionärsversammlung fiel auf, dass die Großaktionäre dem Vorstand richtig die Leviten lasen, die IG BCE hingegen ihm brav die Stange gehalten hat. Das ist doch verdammt kurzsichtig, oder?

Karl-Heinz Neumann: Ich persönlich bin entsetzt, dass das so ist. Es ist ein Armutszeugnis, dass das Großkapital kritischer mit dem Vorstand umgeht als die Arbeitnehmervertreter. Das führt unser Mitsprachesystem ad absurdum. Sie sind kurzsichtig, haben keine kritische Haltung und kriegen wohl irgendwelche Schmankerl, z.B. die Standortsicherungsvereinbarung hinsichtlich des aktuellen Abbauprogramms der Arbeitsplätze. Die besagt, es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Arbeitsplätze nachher weg sind. Auch wenn es einen Unterschied gibt, ob betriebsbedingt gekündigt wird oder nicht, das Ergebnis ist das gleiche.


SoZ: Siehst du eine Möglichkeit, dass sich die Stimmung noch mal ändert?

Karl-Heinz Neumann: Ich rechne nicht damit. Möglichkeiten gibt's natürlich immer, aber ich halte das nicht für realistisch, zumal es keine Struktur gibt, die das trägt.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, 34. Jg., Juni 2019, S. 14
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
SoZ-Verlag, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2019

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