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VORWÄRTS/679: Das Verbot der Kommunistischen Partei der Schweiz KPS


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 33/34/2010 vom 10. September 2010

BLICKPUNKT ÜBERWACHUNGSSTAAT
Das Verbot der KPS


Redaktion. An der sehr gut besuchten Veranstaltung der PdA Zürich zum Thema "70 Jahre Kommunistenverbot - Fichenstaat heute" hielt der Autor Manfred Vischer ein Kurzreferat, das wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten.


Die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) wurde am 26. November 1940 durch einen Bundesratsbeschluss aufgelöst und damit in die Illegalität verwiesen. Das Parteiverbot traf die KPS in einem stark geschwächten Zustand. Ihr politischer Einfluss beschränkte sich zu dieser Zeit vorwiegend auf die Städte Zürich, Basel und Genf. In ihren besten Zeiten hatte sie 110 Lokalsektionen, die sich über die ganze Schweiz verteilten. Die Mehrsprachigkeit der Schweiz hatte sich erschwerend auf die Organisationsarbeit ausgewirkt. Der Zusammenhalt zwischen der Partei in der Deutschschweiz und in der Romandie hatte sich im Verlauf der Jahre gelockert und der Schwerpunkt der Partei hatte sich ganz in die Deutschschweiz verschoben. In den späten dreissiger Jahren waren die Westschweiz und das Tessin kaum noch im Zentralkomitee vertreten. Interne Richtungskämpfe hatten zudem zu Austritten und Ausschlüssen geführt. 1936 musste die Partei ihre beiden deutschschweizerischen Tageszeitungen, den Zürcher Kämpfer und den Basler Vorwärts, zu einer einzigen Zeitung, der Freiheit, zusammenlegen, und während sich der Kämpfer im Untertitel noch stolz und selbstbewusst Organ der Kommunistischen Partei der Schweiz, Sektion der 3. Internationale, genannt hatte, bezeichnete sich die Freiheit im Untertitel als Schweizerische Volkszeitung, und ganz klein stand noch darunter: Organ der Kommunistischen Partei der Schweiz. Seit 1939 war die Partei überdies nicht mehr im Nationalrat vertreten.


Absurde Begründung

Die Auflösung der Partei war nur der letzte Schritt in einer Reihe von Massnahmen des Bundesrats gegen die KPS und ihre verwandten Organisationen. Schon in den 20er und 30er Jahren wurden der Kämpfer und der Basler Vorwärts zeitweise verboten oder konnten nur unter Vorzensur erscheinen. Wiederholt wurden Redaktionsmitglieder verhaftet und die Redaktionsräume von der Polizei besetzt. Im Dezember 1932 wurden die KP-Mitglieder aus dem Bundesdienst ausgeschlossen. 1936 erfolgte ein Bundesratsbeschluss zur Ergreifung von Massnahmen gegen kommunistische Umtriebe in der Schweiz. Dieser Beschluss hatte zahlreiche Hausdurchsuchungen und Bücherbeschlagnahmungen bei Kommunisten durch die damals neu geschaffene Bundespolizei zur Folge. Ende 1939 wurde dann die Freiheit verboten. Bereits 1935 konnte die Westschweizer KP-Zeitung La Lutte nicht mehr öffentlich verkauft werden. Dies ist nur eine kleine Auswahl der gegen die Kommunisten gerichteten Massnahmen.

Mit der Kriminalisierung der Kommunisten wurde versucht, eine politische Partei unter Verletzung der Normen des Rechtsstaates auszuschalten, eine politische Partei, die zwar die bestehende gesellschaftliche Ordnung in Frage stellte, die sich aber in den Jahren des aufkommenden Faschismus und der Bedrohung durch Nazideutschland eindeutig als antifaschistisch-demokratische Bewegung definiert hatte. An ihrem 6. Parteitag im Frühjahr 1936 hatte die KPS die Verteidigung und Unabhängigkeit des Landes und den Schutz der demokratischen Einrichtungen als wichtiges Ziel ihrer Politik erklärt. Am 7. Parteitag im Mai 1939 hatte sie bestätigt: "Die Landesverteidigung der Schweiz ist ein Teil des grossen internationalen Kampfes gegen die faschistische Barbarei. Die Unabhängigkeit und die Existenz unseres Landes verteidigen heisst, alle Eroberungen der Zivilisation verteidigen, die der Faschismus zerstören will, die Volksfreiheiten, die Arbeitsorganisationen und die Arbeitsbedingungen, die die internationale Arbeiterklasse im Laufe von Jahrzehnten des Kampfes erobert hat". (Anm. d. Autors: Es ist hier interessant zu sehen, dass die KPS die Landesverteidigung in einen internationalen Zusammenhang stellt, der über den Rahmen der Nation hinausgeht). Weiter steht im Bericht zum 7. Parteitag: "Die Landesverteidigung muss also im Mittelpunkt unserer Besorgnisse sein. Sie ist der Motor unserer ganzen Politik". Umso absurder wirkt die Begründung des Kommunistenverbots im Bericht an die eidgenössischen Räte' im Juni 1941, wo der Beschluss des Bundesrates bestätigt werden musste. Darin heisst es, dass die, Kommunisten durch ihre Umtriebe die äussere und innere Sicherheit des Landes gefährdeten.

Die KPS wurde somit entgegen allen schriftlichen Zeugnissen und wider besseres Wissen als staatsgefährdenden Verein eingestuft. Gegen die Genehmigung des Berichts im Nationalrat stimmten nur die vier Vertreter der Fédération Socialiste Suisse, die tags darauf aus dem Rat ausgeschlossen wurden. (Anm. d. Autors: Die FSS war eine Gruppierung von linken Sozialdemokraten aus Genf und dem Kanton Waadt, die mit der Politik der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz gebrochen hatten und sich mit Kommunisten aus diesen Kantonen zusammengeschlossen hatten. Sie stand unter der Leitung von Léon Nicole und wurde 1941, ein Jahr nach der KPS, vom Bundesrat ebenfalls verboten.) Man muss also feststellen, dass das Verbot der KPS ganz klar verfassungswidrig war, weil es drei in der Bundesverfassung garantierte Grundrechte, die Vereinigungs-, die Versammlungs-, und die Pressefreiheit verletzte. Es ging einzig darum, eine unbequeme kritische Stimme, die Stimme der einzigen oppositionellen Partei in der Schweiz, zum Schweigen zu bringen. Dazu kam die Rücksichtnahme auf Hitlerdeutschland, das für die Existenz der Schweiz eine reelle Bedrohung darstellte.


Verfassungsbruch

Um die innenpolitische Sicht dieses Verfassungsbruchs zu verstehen, muss man kurz in die 20-er und 30-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückschauen. Der Antikommunismus bildete seit dem Generalstreik und seit der Gründung der KPS im Jahr 1921 einen festen Bestandteil der schweizerischen Innenpolitik. Schon vor dem Generalstreik hatte das Bürgertum Gerüchte über eine bevorstehende bolschewistische Revolution in der Schweiz verbreitet, obwohl die Forderung der Streikenden keinen revolutionären Charakter hatten. Es war aber vor allem die Gründung der KPS, welche die antikommunistische Stimmung in der Schweiz aufheizte. Die KPS war eine Sektion der Kommunistischen Internationalen und als solche mit einer anderen schweizerischen Partei nicht vergleichbar. Als Sektion der Komintern musste sie gemäss den Statuten alle Beschlüsse der Kommintern nachvollziehen, das heisst sie musste die politischen Direktiven der Komintern, die später immer mehr von der Sowjetunion abhängig wurde, zum Ziel ihrer Parteipolitik und ihrer Organisationsstruktur in der Schweiz machen. Sie tat das, bisweilen widerwillig und mit Verspätung, aber sie vollzog im wesentlichen die Politik der Komintern. So zum Beispiel die Gründung einer eigenen Gewerkschaftsorganisation, der RGO, in Opposition zum reformistischen Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Oder die 1928 von der Komintern beschlossenen verschärften Angriffe gegen die Sozialdemokraten, die als Handlanger des Bürgertums, als Sozialfaschisten, bezeichnet wurden. Die KPS hat auch die Prozesse in Moskau gegen das sogenannte sowjetfeindliche trotzkische Zentrum gebilligt, denen zwischen 1936 und 1938 viele bekannte Kommunisten zum Opfer fielen. Sie hat auch den Nichtangriffspakt von 1939 zwischen der Sowjetunion und Hitlerdeutschland befürwortet und dafür die sowjetische Begründung übernommen. Auf der anderen Seite stand der schweizerische Antisowjetismus, der zwischen den beiden Weltkriegen (und natürlich auch später) die Politik des Bundesrates prägte, zum Beispiel mit der hartnäckigen Weigerung, diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion aufzunehmen. Diese Bemerkungen sollen nur die damalige Situation illustrieren. Die Tatsache bleibt bestehen, dass die Kommunistenverbote vor dem Zweiten Weltkrieg eindeutig im Widerspruch zur schweizerischen Bundesverfassung standen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Illegalität. Während dieser Zeit wurden immer wieder Kommunisten verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Es geschah viel Unrecht. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Berufsverbote waren an der Tagesordnung. Doch die Illegalität hatte auch ihre, gute Seite. Die Opposition der Kommunisten war nicht zu unterdrücken. Wie schon erwähnt, war die KPS vor dem Verbot verunsichert und geschwächt. Die Arbeit in der Illegalität hat die Partei wieder gestärkt. Ihre Mitgliederzahlen stiegen beträchtlich an. Die beiden kommunistisch-sozialistischen Parteien; die KPS und die FSS in der Westschweiz, arbeiteten eng und erfolgreich zusammen, und diese Zusammenarbeit wurde dann einige Jahre später durch die Gründung einer neuen Partei, der Partei der Arbeit, gekrönt.


Ein Blick auf die KPS

Die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) wurde gegen den Widerstand der Sozialdemokratischen Partei (SP) gegründet. Die SP lehnte 1919 und 1920 den Beitritt zur Komintern ab und provozierte so die Abspaltung der Parteilinken unter Franz Welti. An einem Vereinigungskongress der Sozialistischen Linken am 5. und 6. März 1921 in Zürich wurde die Fusion von Weltis Gruppe mit den "Altkommunisten", einer ersten kommunistischen Parteigründung unter Jakob Herzog 1918, und die Gründung der KPS beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Partei rund 6000 Mitglieder.

Die KPS war vor allem in der Deutschschweiz verbreitet, mit Schwerpunkten in Zürich, Schaffhausen und Basel. Im Kanton Schaffhausen gelang es ihr, die Sozialdemokratie fast ganz zu verdrängen und zeitweise 26 Prozent (1928) Wähleranteil zu erreichen. Auch in Basel war die KPS zeitweise stärker als die SP, so dass sie 1929 mit 19,7 Prozent Wähleranteil 25 Sitze im Grossen Rat erringen konnte. Unter dem Eindruck des aufkommenden Krieges verlor die KPS an Rückhalt und Anhängern. Zuerst wurde sie in zahlreichen Kantonen, schliesslich 1940 auch schweizweit als staatsgefährdende Organisation verboten.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 33/34/2010 - 66. Jahrgang - 10. September 2010, S. 8
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2010