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VORWÄRTS/770: Der Imperialismus der EU


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 39/40/2011 vom 4. November 2011

Der Imperialismus der EU

von Johannes Supe


jos. Die EU und immer wieder die EU. Die EU verhalf der SVP zu ungemeiner Popularität, die EU beschäftigt die Linken immer wieder, die EU, der wollte auch die PdA vor 20 Jahren beitreten. Aber nicht mehr heute. An der PdAZ-Veranstaltung im Zürcher Volkshaus untermauert Tibor Zenker, freier Journalist und Mitglied der "Kommunistischen Initiative Österreichs" eindrucksvoll diese Haltung.


Um den Charakter der heutigen EU zu verstehen, ist ein Blick in ihre Entstehungsgeschichte, die in drei Phasen eingeteilt werden kann, sehr lehrreich. Kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs ist die Situation für die progressiven Kräfte der Welt nicht schlecht: Der Osten Europas war von der Roten Armee befreit worden, Volksrepubliken gründeten sich, der Sozialismus befindet sich nach dem imperialistischen Krieg Nazideutschlands auf dem Vormarsch. Entsprechend aufgeschreckt waren die verbleibenden imperialistischen Kräfte. <(Um die Lage des monopolistischen Kapitalismus Westeuropas zu stabilisieren, wurde 1948 der so genannten 'Marshallplan' eingesetzt", erklärt Tibor Zenker. 1949 wurde die NATO gegründet, zwei Jahre später begann die Wiederbewaffnung der BRD, dem Nachfolgestaat Hitlerdeutschlands. Gleichzeitig wurden im Bereich Kohle und Stahl (1951) sowie Atom (1957) verschiedene Wirtschaftsbündnisse eingegangen. Dies markiert die erste Phase der Entwicklung unserer heutigen EU - es ist die Phase der "defensiven" Bündelung insbesondere ökonomischer Potenzen, um dem Sozialismus entgegentreten zu können.

1967 entsteht aus dem Wirtschaftsbündnis die Europäische Gemeinschaft (EG) und es beginnt die zweite, die "offensive" Phase des europäischen Kapitalismus. Diese ist geprägt durch eine verstärkte politische Zusammenarbeit und endet mit dem Zusammenbruch der UdSSR.

Die dritte Phase beginnt mit der Gründung der heutigen Europäischen Union (EU) im Jahre 1992. Es ist der Versuch, einen möglichst einheitlichen imperialistischen Block in Europa herzustellen. Kurz zusammengefasst: Historisch aus der Abwehr und dem Kampf gegen den Sozialismus hervorgegangen, ist die EU heute bestrebt, Einflussbereich und Macht der imperialistischen Länder Europas auch gegenüber der aussereuropäischen Konkurrenz zu konsolidieren.


Vier Aufgaben, drei Folgerungen

Zenker hält fest, dass "sich der EU nunmehr vier Aufgaben stellen". Erstens die Koordination innerhalb der EU, der imperialistisch-monopolistischen Länder und ihrer Konkurrenz untereinander. Zweitens die Koordination des Imperialismus-Monopolismus zur besseren Ausbeutung anderer, vor allem von den so genannten Drittweltländern. Drittens die Abgrenzung von der nicht-europäischen Konkurrenz von Ländern wie die USA oder, in geringerem Masse, Japan. Und schliesslich der Kampf gegen jedwede Emanzipationsbewegung, die sich für die Überwindung des aktuellen Wirtschaftssystems erheben.

Aus diesen Aufgaben der EU ergeben sich wiederum drei direkte Aktionsbereiche, die sich jeweils in der momentanen Situation gut beobachten lassen. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, muss die EU einerseits die wirtschaftliche Stabilität des Kapitalismus gewährleisten - eine Aufgabe, die jetzt mit allerlei Euphemismen (Rettungsschirm) umschrieben, höchste Aktualität hat. Weiterhin erweist es sich für die EU als Notwendigkeit, getreu ihrer monopolistischen Struktur, auch die politischen Entscheidungen zu zentralisieren und letztlich zu monopolisieren. In der Europäischen Zentralbank einerseits und in der von Frankreich und Deutschland, als treibende Kräfte der EU, vorgeschlagenen "Wirtschaftsregierung" findet diese Tendenz ihren Ausdruck. Zuletzt, und dies darf wohl als Grundlage eines jeden Imperialismus betrachtet werden, muss die EU eine militärische Potenz schaffen. Dies, um einerseits jegliche bedrohende Opposition zu unterdrücken und um sich andererseits auch vom US-Imperialismus emanzipieren zu können. Der Plan einer europäischen Armee und die zwangsweise Aufrüstung der Mitgliedsstaaten sprechen eine klare Sprache.


Klassencharakter der EU

Zenker analysiert die EU aus marxistisch-leninistischer Sicht und hält fest: "Wer die objektive Entwicklung der EU verfolgt, ihre Tendenzen, ihre Aufrüstungs- und Zentralisationsbestrebungen sowie ihre Abschottung nach Aussen, kommt zum Schluss, dass die EU ein monopolistisch-imperialistischer Zusammenschluss ist." Aus dieser Tatsache ergibt sich denn auch ihr spezifischer Klassencharakter. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man Griechenland nun vor ein Verelendungsprogramm stellt. Im Zentrum der Politik der EU steht nicht das Wohl der Arbeiterklasse, sondern umgekehrt die Erhaltung der monopolistischen Verhältnisse innerhalb der Union. Dementsprechend illusionär und idealistisch ist es, an die "Wandelbarkeit der EU" zu glauben und etwa, wie "Die Linke" Deutschlands, zu versuchen, die EU zu "transformieren". Zu diesem zentralen Aspekt der EU unterstreicht Zenker deutlich: "Jedem Transformationsprozess steht der Charakter der EU entgegen. Einer Demokratisierung von unten steht die Zentralisierung von oben entgegen. Würde, was bereits utopisch ist, die Möglichkeit einer Veränderung der EU von unten bestehen, so liesse sich die EU im Zweifel einfach von oben auflösen. Daraus ergibt sich für die Arbeiterbewegung als Folge, dass ein Kampf nicht um und mit, sondern gegen die EU geführt werden muss."


Kampf gegen die EU

Der Kampf gegen die EU ist der Kampf gegen den Monopolismus wie den Imperialismus. Wie dies in der Geschichte immer war, ist dieser Kampf dem Inhalt nach international, der Form nach aber national. Konkret, in Bezug auf die Schweiz bedeutet dass, dass ein EU-Beitritt unbedingt abzulehnen ist. Allerdings genügt es nicht, den Beitritt zu verweigern. Vielmehr muss man den Monopolismus im eigenen Land bekämpfen und international antiimperialistische Positionen stärken. Dem "Nein" zur EU muss gleichzeitig ein Bekenntnis zu einem antiimperialistischen Staatenbund beigefügt werden - wie er etwa von Venezuela bereits gegründet wurde. Gleichzeitig muss das Monopolkapital im eigenen Land angegriffen werden. Es ist ja kein Zufall, dass die Schweiz, obgleich nicht in der EU, mit ihr eng verwoben ist: Ihrer Struktur nach selbst monopolistisch liegt ihr an einem Kampf gegen den Monopolismus/Imperialismus nichts; der momentane nicht-Beitritt zur EU dürfte vielmehr den Interessen der nationalen Monopolbourgeoisie dienen. Den Monopolismus im eigenen Land treffen, den Imperialismus international verurteilen und wo möglich verhindern - das dürfte der entschiedenste Kampf gegen die EU und für eine wirklich solidarische Welt sein.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40/2011 - 67. Jahrgang - 4. November 2011, S. 8
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2011