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VORWÄRTS/806: Crash the Jets!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12/2012 vom 9. März 2012

Crash the Jets!

von Johannes Supe


Es ist noch keine drei Monate her, da berichtete der vorwärts über die allgegenwärtige Korruption im Rüstungsgeschäft. Es wurde nahegelegt, dass auch der geplante Kampfjetkauf der Schweiz kaum ohne Bestechung und Schmiergeld abgelaufen ist. Mittlerweile ermittelt sogar die Bundesanwaltschaft in Bezug auf das Rüstungsgeschäft. Grund: Indiskretion, Weitergabe von Insidermaterial. Wie konnte es soweit kommen?


Die Rüstungsbranche ist profitträchtig. Geschäfte in diesem Bereich bewegen sich meist in Milliardenhöhe, entsprechend werden einige Millionen an Schmiergeld durchaus als Geschäftsförderung betrachtet. Kaum war der "Typenentscheid" zugunsten des Fliegers "Gripen" vom schwedischen Anbieter Saab gefallen, regte sich bereits ein veritabler Widerstand gegen ihn. Von Parlamentsseite. Der Gripen, das sei der Flieger mit den schlechtesten Testresultaten, schlichtweg ungeeignet für die Schweizerischen Anforderungen. Worin die hohen Anforderungen eines sieben Millionen EinwohnerInnen Staates, kleiner als manches Bundesland der BRD, begründet sein könnten, bleibt bis heute schleierhaft. Der Bundesrat fühlte sich aber gezwungen, seine Entscheidung zu begründen und auf das beste bestehende Argument zu verweisen: das liebe Geld. Genau dieses sollte mit dem Gripen gespart werden, kostet er doch schlappe drei Milliarden Franken.


"Insider" in der Armee

Dabei blieb es aber nicht. In den letzten Wochen und Monaten durften die Schweizer BürgerInnen ZeugInnen einer beispiellosen Kampagne werden. Gegen den Gripen wurde im Parlament und in den Medien Stimmung gemacht. Der Höhepunkt dieser Kampagne: Die fast täglich neuen "Indiskretionen" aus den Reihen von entweder Armee oder parlamentarischer Kommission. Deren Inhalt bezieht sich durch die Bank auf die "Leistungsstärke" des Gripen - die Indiskretionen gehen in die selbe Richtung wie der erste Widerstand des Parlaments. Da kaufe man doch glatt einen Flieger, der nicht der beste der Welt sei!

Das ist die erste interessante Beobachtung der letzten Wochen: Es wird nicht gegen den Fliegerkauf Stimmung gemacht, sondern gegen den Kauf des Gripen. Die Implikation ist eindeutig. Andere Flieger braucht das Land. Dass die Schweiz tatsächlich bereits gut bestückt mit Waffen aller Art ist, dürfte dabei nebensächlich sein. Die jetzige Kampagne wird eben nicht von Armeegegnern betrieben, sondern von Rüstungsfreunden anderer Art. Neben dem Anbieter Saab gibt es noch immer EADS und die französischen Dassault-Werke. Und mit ihnen ihre PR-Agenturen. Ihr Interesse ist es, den "Typenentscheid" zu revidieren, damit sie selbst zum Zuge im Milliardengeschäft um den Waffenkauf kommen. Unter diesem Diktum wundert es dann nicht mehr, dass wir "Insider" in der Armee haben, die vertrauliches Material veröffentlichen. Es überrascht dann wenig, dass im "Blick am Abend" letzthin fast wörtlich stand: "Nur die Slowakei kauft den Gripen."

Der Kampf um den Gripen - im Moment ist das der Kampf der verschiedenen Monopole im Rüstungsgeschäft. Dassault und EADS gegen Saab. Es passt dazu, dass Dassault eine neue Offerte einreichte. Nachdem der Gripen aufgrund seiner "Leistungsfähigkeit" gründlich diskreditiert war, kam es nun darauf an, ihn auch finanziell unattraktiv zu machen. Eine perfekte Kampagne. Dass dabei Millionenbeträge eingesetzt werden und Gesetze wenig Beachtung finden, versteht sich von selbst. Natürlich ist all das Wahnsinn. Aber Wahnsinn auf höchster Stufe, auf der Ebene einiger der grössten bestehenden Monopole. EADS etwa ist der siebtgrösste Rüstungskonzern der Welt, mit etwa 120.000 Angestellten. Dassault Aviation hingegen ist der drittgrösste Hersteller von Militärflugzeugen in Europa, mit etwa 12.000 Arbeiterinnen. Die Ironie: Gute 46 Prozent der Aktien von Dassault gehören EADS. Entsprechend verdient EADS also selbst, wenn ein neuer Typenentscheid zugunsten von Dassault gefällt würde. Der Antrieb, den bestehenden Typenentscheid rückgängig zu machen ist also umso grösser. Dass das nicht unmöglich ist, hat Bundesrätin Doris Leuthard zu verstehen gegeben. Ihre kryptische Aussage, dass "Offerten von Unternehmen nicht mehr möglich" seien, Angebote von Staaten aber geprüft werden, ist die Einladung zu einer neuen Runde des Kampfjetgeschachers. Die Rüstungsindustrie ist aufs engste Verwoben mit den jeweiligen Staaten. Sie zählt zu den strategischen Sektoren der Industrie, entsprechend springt im Zweifel die Regierung ein. So wird EADS insbesondere von Frankreich und Deutschland, Dassault von der französischen Regierung getragen.


Jets aufhalten

Der Kampf der Monopole untereinander kann den GegnerInnen des Kampfjetkaufs durchaus nützlich sein. Es wird immer durchsichtiger, wie verworren und verlogen das gesamte Rüstungsgeschäft ist. Auch wenn die Propaganda momentan sich vor allem gegen den Gripen richtet, verfehlt sie ihre Wirkung in Bezug auf den gesamten Kampfjetkauf nicht. Für grosse Teile der Bevölkerung wird es zunehmend greifbarer, warum das Milliardengeschäft mit den Jets untragbar ist. Nachdem nun der Bundesrat die notwendigen Einsparungen selbst beim billigsten Deal offenlegen musste (der vorwärts berichtete), sind die BefürworterInnen der Jets zunehmend in Erklärungsnot. Die Uneinigkeit in der Rüstungsindustrie verschlechtert ihre Position weiter. Darin liegt die grosse Chance, den gesamten Deal zu Fall zu bringen. Wenn das gelingt, wäre der Militarisierung der Gesellschaft zumindest vorläufig ein Riegel vorgeschoben. Zusätzlich wäre ein nicht unbedeutender Schlag gegen die Monopolindustrie im Rüstungsbereich ausgeführt.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. Nr. 11/12/2012 - 68. Jahrgang - 9. März 2012 , S. 1
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2012