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VORWÄRTS/1010: Opposition innerhalb der grössten Gewerkschaft Italiens


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.13/14 vom 11. April 2014

Opposition innerhalb der grössten Gewerkschaft Italiens

Von Maurizio Coppola



Die grösste Gewerkschaft Italiens, die CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro), steckt in einer Krise der Vertretung - und antwortet autoritär. Der Erfolg einer internen Bewegung für eine andere Gewerkschaft hängt massgeblich von kommenden Arbeitskämpfen ab.

"Il sindacato è un altra cosa" - die Gewerkschaft ist etwas anderes. So nennt sich die Opposition innerhalb der grössten italienischen Gewerkschaft CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro). Damit soll die innergewerkschaftliche Demokratie gestärkt werden. Denn obwohl die Gewerkschaften keinen Moment zögern, um gegen die "undemokratischen" Austeritätspläne Italiens und der EU anzukämpfen, scheint der Gewerkschaftsapparat mehr Mühe zu haben, wenn es um interne, kontroverse politische Prozesse geht.

Vom 6. bis zum 8. Mai 2014 wird der 17. Kongress der CGIL stattfinden. Seit dem 7. Januar werden daher in den Regionen und Sektionen Basisversammlungen abgehalten. Dies um einerseits die politischen und gewerkschaftlichen Themen vorzubereiten, andererseits um die Vertretungen am Kongress zu bestimmen. Nun wurden in zahlreichen Basisversammlungen Unregelmässigkeiten aufgedeckt, die nicht Ausnahmecharakter haben, sondern einer systematischen Unterbindung von kontroversen politischen Debatten gleichen. So wurden in einigen Sektionen Texte von BasismitaktivistInnen und oppositionelle Positionen zur "Linie Camusso" (Präsidentin der CGIL) systematisch den Vorbereitungsunterlagen entzogen und den Basismitgliedern vorenthalten. In anderen Regionen wurden die festgehaltenen Abstimmungsresultate zugunsten der Mehrheit manipuliert, so dass für den Kongress im Mai nicht ersichtlich wird, dass auch Gegenstimmen existierten. Und dies sind nur einige Beispiele der autoritären Antworten der CGIL auf die Opposition.


Der Verfall der CGIL

Die Bildung einer Opposition innerhalb der CGIL ist sicherlich ein wichtiger politischer Schritt, denn die CGIL ist weiterhin die grösste Gewerkschaft Italiens mit den meisten Basismitgliedern. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob diese innergewerkschaftlichen Probleme nicht das Spiegelbild der aktuellen gewerkschaftspolitischen Ausrichtung der CGIL darstellen. Denn Anfang Januar 2014 unterzeichneten die drei grossen Dachgewerkschaften CGIL, CICL und UIL mit dem Unternehmensverband Confindustria den "Testo Unico sulla Rappresentanza" - den Einheitstext zur Repräsentanz. Dieses Abkommen regelt die Fragen, welche Gewerkschaften innerhalb der Unternehmen von Confindustria Basisvertretungen aufbauen und welche Gewerkschaften an den Verhandlungen teilnehmen können. Neu gilt, dass diejenigen Gewerkschaften, die innerhalb eines Betriebes nicht mehr als fünf Prozent Stimmen erhalten, aus den Verhandlungen ausgeschlossen werden. Betroffen davon sind eher kämpferische Gewerkschaften wie die FIOM und besonders unabhängige Basisgewerkschaften.

Die Krise der Vertretung hat auch die CGIL erfasst. Mit ihrer aktuellen Politik trägt sie massgeblich zur gewerkschaftlichen Durchsetzung des "sistema Marchionne" bei, einem System, in dem die Gewerkschaften zu einem schlichten Anhängsel der Unternehmen und somit zur ersten Kontrollinstanz einer "disziplinierten" Arbeitskraft mutieren. Um diese Rolle der Gewerkschaften zu umgehen, bedarf es in erster Linie Arbeitskämpfe, in denen die Proletarisierten als autonome Subjekte auftreten und ihre eigenen Repräsentationsstrukturen aufbauen. Eine Opposition innerhalb der CGIL ohne autonome Arbeitskämpfe wird längerfristig wohl auch um ihr eigenes Überleben kämpfen.


Weitere Informationen: www.sindacatounaltracosa.org

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14 - 70. Jahrgang - 11. April 2014 , S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2014