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VORWÄRTS/1220: SuperQueeroes at work


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 31/32 vom 9. September 2016

SuperQueeroes at work

Von Sabine Hunziger


Im Schwulen Museum in Berlin gab es eine Ausstellung zu LGBT-Comic-HeldInnen, die zeigte, dass diese SuperheldInnen genauso die Welt retten können wie alle anderen.


Es gibt nur wenige SuperheldInnen auf dieser Welt. Von dieser kleinen Zahl sind 80 Prozent wahrscheinlich zu beschäftigt, um über ihre Sexualität nachzudenken - geschweige denn sie ausüben zu können. 10 Prozent interessiert Sexualität nicht und die restlichen würden sich als LGBT-Comic-HeldInnen bezeichnen. Ist das eine zu sehr optimistische Einschätzung von mir?

Versteckte Helden, bei denen der Verdacht aufkam, dass sie schwul oder lesbisch sind, gab es schon lange. Batman und Robin sind beispielsweise längst zu Ikonen der Schwulenbewegung geworden. Leider sind sie niemals offen zu ihrer Sexualität gestanden.


Northstar, Wolverine und Batwoman

Heute lebt Deadpool aus dem Marvel-Universum seine Sexualität offener. Zum Marvel Verlag zählen bekannte Titel wie Spider-Man, Iron Man, die Avengers, Hulk, Daredevil, Captain America oder auch die erfolgreichste amerikanische Comic-Serie der 1990er Jahre "X-Men". Wie viele dieser Comics wurde auch aus Deadpool ein Film gemacht, der 2016 in den Kinos gezeigt wurde. Nur kam hier bei den ZuschauerInnen die Frage auf: Ist Deadpool pansexuell? Ist er schwul? Bisexuell? Verdammt - welche Sexualität hat Deadpool? Ja, Deadpool ist ein Schürzenjäger und schwärmt unter anderem für Thor - sein Miterfinder Fabian Nicieza bezeichnet ihn als omnisexuell (was soviel bedeutet wie pansexuell). So schert sich Deadpool beim Thema Liebe weder um das Geschlecht noch um Geschlechteridentität. Ein pansexueller Mensch ist in der Lage, für Menschen jeder Geschlechtsidentität sexuelle oder romantische Gefühle zu empfinden - so heisst es. Doch Deadpool ist nicht der einzige Held, der zu den "SuperQueeroes" gehört. Northstar ist Mitglied der Alpha Flight und wirkt auch bei X-Men mit. Der homosexuelle Star lebt mit einem Sporteventmanager zusammen. Die beiden heiraten sogar: Northstar macht seiner grossen Liebe Kyle einen Antrag und überreicht den Ring. Gleichgeschlechtliche Ehen passen gut ins Marvel-Universum, meint die Redaktion des Verlags. Die Hochzeit zwischen Northstar und Kyle wurde nur rund zwei Wochen, nachdem sich US-Präsident Barack Obama 2012 erstmals für die Ehe-Öffnung ausgesprochen hat, geschlossen. Küsse gab es schon zuvor: 2009 küsste bei X-Men der mexikanische Mutant Rictor seinen begehrten Shatterstar. Das ist noch nicht alles: Wolverine is totaily gay? Ja, in einem Paralleluniversum. Sein Sohn Daken soll nach bestimmten Quellen aber sogar im offiziellen Kanon bisexuell sein. Und Batwoman ist lesbisch. Die Figur aus den DC-Comics, neben Marvel Comics einer der grössten US-amerikanischen Comicverlage, stellt das weibliche Gegenstück zum Helden Batman dar. Als Tochter eines prominenten Colonels versuchte sie, ihren Vater zu beeindrucken, indem sie der Armee beitrat. Über ihre Zeit bei der Armee ist nicht viel bekannt. Sie wurde aber oft wegen ihrer sexuellen Orientierung gemobbt. Später schafft sie sich einen neuen Lebensinhalt und wird Verbrechensbekämpferin.


Meist nur Nebencharaktere

Zwar war das Hauptthema der Serien rund um Marvel oder DC schon immer auch die Toleranz/ Diskriminierungs-Thematik. Auch allgemein wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Comic-Helden der gesellschaftlichen Vielfalt angepasst: Frauen haben eine aktivere Rolle und es gibt Helden und Heldinnen aus verschiedenen Gegenden der Erde. Dass es aber oft "nur" LGBT-Nebencharaktere hat, liegt unter anderem auch daran, dass man die Fans nicht vor den Kopf stossen will, nur um ein Zeichen zu setzen. Wie ernst diese Etablierung von LGBT-Charakteren in Superheldencomics ist, bleibt abzuwarten. Noch in den 1980er Jahren waren jegliche Darstellungen von Homosexualität bei Marvel per Vertragsrichtlinie verboten - im Sinne: No Gays in the Marvel Universe. Heute treten wichtige Charaktere lediglich in Paralleluniversen auf, wenn sie mit Menschen gleichen Geschlechts Sex haben oder sie auch nur küssen. In den Hauptserien sind sie weiterhin heterosexuell - was nicht gerade sehr revolutionär ist. Ausnahmen sind Helden wie Green Lantern, der jahrzehntelang als Mitglied einer intergalaktischen Polizeitruppe für Recht und Frieden gesorgt hatte und nun plötzlich schwul ist. Verlage können so neue LeserInnenschichten ansprechen, ohne aber mit den StammleserInnen brechen zu müssen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 31/32 - 72. Jahrgang - 9. September 2016, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2016

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