vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 39/40 vom 23. November 2017
Brutal asozial!
von Tarek Idri
Überall in der Schweiz finden Angriffe auf die Sozialhilfe statt. In Basel und Zürich wurde sie für vorläufig Aufgenommene gekürzt, im Aargau und in Bern soll sie allgemein verschlechtert werden. Dieser menschenfeindliche Generalangriff wird von der SVP angeführt.
Nun ist auch Basel gefallen. Als letzter Kanton hat Basel-Stadt
die Sozialhilfe für vorläufig aufgenommene AusländerInnen gekürzt. Als
Grund für den Sinneswandel der Basler Regierung nennt die "Tageswoche"
eine vergangene Abstimmung in Zürich. Im Schatten des Referendums über
die Altersvorsoge wurde am 24. September im Kanton Zürich über die
Sozialhilfe von vorläufig Aufgenommenen abgestimmt. Zwei Drittel der
Stimmberechtigten votierten dafür, sie auf das tiefe Niveau der
Asylfürsorge zu kürzen. Nun erhalten die vorläufig Aufgenommenen bloss
noch 35 Prozent der zuvor ausbezahlten Beträge. Danach war Basel-Stadt
als einziger Kanton übriggeblieben, der vorläufig Aufgenommenen
weiterhin die vollen Sozialhilfebeiträge gewährte. Jetzt hat sich das
geändert: Die Basler Regierung gab bekannt, die Beiträge auf 80
Prozent des bisherigen Niveaus zu senken. Damit ist Basel dem brutalen
Einschnitt von Zürich also nicht ganz gefolgt, wo die Beiträge auf das
Minimum runtergebracht wurden. Die SVP forderte prompt eine
Zurückstufung der Beiträge auf das Niveau der Asylfürsorge.
AusländerInnen mit Status F sollten pro Tag gerade noch 10 Franken
- wie jetzt im Kanton Zürich - erhalten für Essen, Kleidung und
sonstige Bedürfnisse. Im Grossen Rat kam die diskriminierende
SVP-Motion zum Glück nicht durch. Die bürgerlichen Parteien enthielten
sich mehrheitlich der Stimme und die Motion wurde deutlich abgelehnt.
In der ganzen Schweiz finden in der letzten Zeit vermehrt Angriffe auf die Sozialhilfe statt. Menschen, die nicht ohne staatliche Unterstützung über die Runden kommen, sind wie alle Wenigverdienenden den Angriffen des Kapitals und seinen StellvertreterInnen, den bürgerlichen Parteien, wehrlos ausgeliefert. Die Spaltung der ArbeiterInnenklasse in Arbeitende, Arbeitslose oder SozialhilfeempfängerInnen ist dabei eine besonders wirksame Waffe der KapitalistInnen. Im Kanton Aargau muss die Regierung Möglichkeiten prüfen, um die Sozialhilfe abzustufen, also zusätzlich eine Spaltung zwischen verschiedenen SozialhilfeempfängerInnen machen. Ein Postulat hatte im Grossen Rat vor Kurzem Erfolg. Es verlangt, dass die Ansätze der Sozialhilfe danach abgestuft werden, wie lange die BezügerInnen zuvor schon AHV-Beiträge und Steuern bezahlt haben. Kim Schweri von den Grünen kritisierte zu Recht, dass die Abstufung gemäss dem Vorstoss vorab Frauen treffen würde, die Kinder haben und deshalb einige Jahre nicht arbeiten, oder junge Erwachsene, die gar keine AHV hätten zahlen können.
Die Abstufung der Leistungen, wie sie den SozialhilfeempfängerInnen im Aargau bevorsteht, geht auf einen Vorschlag zurück, den die SVP in ihrem Positionspapier 2015 gemacht hat. Die rechtsnationalistische SVP publizierte 2015 ein Positionspapier zur Sozialhilfe, nach dessen Vorlage die Bürgerlichen einen gezielten Generalangriff auf die Sozialhilfe gestartet haben und einen massiven Sozialabbau anführen. Neben vielem anderen, das nun Realität ist, wurde gefordert, dass die Richtlinien der Schweizerischen Sozialhilfekonferenz (Skos) nicht mehr als verbindlich gelten und dass sie kantonal unterschritten werden sollen. Im Kanton Bern wurde genau dies gemacht. Dort wird die Sozialhilfe allgemein um zehn Prozent unter den Grundbedarf nach den Skos-Richtlinien gesenkt. Vorläufig Aufgenommene bekommen 15 Prozent weniger, junge Erwachsene sogar bis zu 30 Prozent weniger. Mit den Sparmassnahmen werden jährlich bis 25 Millionen Franken von den SozialhilfebezügerInnen weggenommen. Auch bei diesem Sozialabbau stand die SVP dahinter. Mit einer Motion zwang sie die Kantonsregierung zur Revision des Sozialhilfegesetzes. Die SVP befiehlt, die bürgerliche Politik gehorcht.
Die Gesetzesänderungen auf Bundesebene der letzten Jahre haben mehr Menschen in die Sozialhilfe getrieben. Beispielsweise sind durch die Reform der Arbeitslosenversicherung junge Erwachsene weniger lange bezugsberechtigt. Ebenso macht es die Reform der Invalidenversicherung Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen schwieriger, eine Rente zu erhalten. Das hilft den Menschen aber nicht, einer Arbeit nachzugehen, sondern führt sie in die Sozialhilfe. Die Sozialhilfe selber versuchte man, durch eine Reform nach den Skos-Richtlinien zu harmonisieren. Das bedeutete, dass die meisten Kantone den Grundbedarf für Grossfamilien und junge Erwachsene reduzierten. In 17 Kantonen müssen junge Erwachsene mit 20 Prozent weniger, das heisst mit 789 Franken pro Monat, über die Runden kommen. Sechs Kantone legen einen noch tieferen Grundbedarf für junge Erwachsene fest. Im Kanton Thurgau müssen junge Erwachsene bis 30 Jahre mit maximal 611 Franken auskommen. Auch im Wallis sind junge Erwachsene sehr schlecht gestellt. Sie erhalten nur noch 500 Franken monatlich. In den meisten Kantonen werden Sanktionen verschärft und Zulagen (zum Beispiel für Alleinerziehende) gestrichen. "Die Angleichung der Sozialhilferegelungen zwischen den Kantonen führt zu einem deutlichen Leistungsabbau", schreibt die Caritas. Die Skos-Richtlinien bedeuteten bereits eine Verschlechterung der Leistungen und dennoch war es der raffgierigen SVP nicht genug. Die Skos hat ihre Richtlinien revidiert und nach unten angepasst. Aber die Bürgerlichen drängen die Kantone dazu, bei den Leistungskürzungen unter die Richtlinien zu gehen. Die Abwärtsspirale dreht sich.
*
Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40 - 73. Jahrgang - 23. November 2017, S. 1
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis
veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2017
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang