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VORWÄRTS/1416: Besser gar keine Autobahn


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 35/36 vom 2. November 2018

Besser gar keine Autobahn

von Damian Bugmann


Die vierspurige Autobahnumfahrung Westast Biel und Nidau ist trotz grossem Widerstand aus der Bevölkerung noch nicht vom Tisch. Das kantonale Baudepartement, die Bieler Stadtregierung sowie Interessengruppen streiten um Autobahnvarianten. AktivistInnen und Solidarische bereiten sich auf eine bunte Grossdemo in Biel vor.(*)


Für den vollständigen Verzicht auf die Autobahn durch die Stadt und für sozial und ökologisch verträgliche Verkehrslösungen setzen sich vor allem die Gruppe «Häb' Sorg zur Stadt» und die Partei der Arbeit ein. Das Komitee «Westast so nicht!» hält an seinem gemilderten Alternativvorschlag fest, der den A5-Westast retten soll. Der ehemalige Bundesrat und Verkehrsminister Moritz Leuenberger distanziert sich vom offiziellen Projekt. Die Stiftung für Landschaftsschutz fordert einen Übungsabbruch oder ein Moratorium. Für den regierenden und oft neoliberal inspirierten Bieler Gemeinderat mit «rot-grüner» Mehrheit ist das ein No Go, der Westast habe grosse Bedeutung für die Entwicklung der Stadt.


«Städtebauliche Chancen»

Im Sommer schmetterte der Regierungsrat des Kantons Bern kurzerhand die Alternativlösung ohne die beiden riesigen Zufahrtslöcher am Bahnhof und am See und mit vierspurigen Tunnels im Grundwasser (wie im offiziellen Projekt) ab. Die KompromisslerInnen hegten trotzdem weiter die Hoffnung auf die Realisierung der gemilderten Autobahn-Alternative. Die Hoffnung wurde erfüllt, denn eine Mehrheit des Grossrats des Kantons Bern erkannte die Brisanz des Themas angesichts des grossen Widerstands in der Region Biel und verpflichtete den Regierungsrat, die Alternative zu prüfen und mit den Interessengruppen in Dialog zu treten.

Der Gemeinderat von Biel muss nach der Annahme eines entsprechenden Postulats im Stadtrat seine Fixierung auf das offizielle Projekt aufgeben und einen «breiten Dialog betreffend den Westast der Autobahnumfahrung A5» führen. Die Stadtbehörden wollen nun, im Gegensatz zum Kanton, die beiden Westastprojekte nicht mehr nur auf ihre «verkehrliche Wirkung» vergleichen, sondern auch «hinsichtlich der städtebaulichen Chancen» sowie der «Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft». Die Stadtregierung will nun auch die Verkehrssituation, wie sie sich seit der Eröffnung der bereits realisierten Autobahnumfahrung Ostast im Südosten der Stadt entwickelt hat, in die Diskussion einfliessen lassen. Ergebnisse der neuen Verkehrszählungen liegen vor.


Dialog unter BefürworterInnen

Der Dialog, wie ihn der Gemeinderat wünscht, soll nur zwischen VertreterInnen der kantonalen und kommunalen Behörden und mit den Gruppen stattfinden, die das Ausführungsprojekt oder den Alternativvorschlag befürworten - dabei gibt es zahlreiche weitere Vorschläge. Die konsequenten GegnerInnen des pharaonischen Jahrhundertprojekts hoffen auf eine Ablehnung der Alternative («Säuhäfeli, Säuteckeli») und dann auf eine Bündelung der Kräfte für den Kampf für den Verzicht auf Stadtverschandelung und Verkehrszunahme, für die Realisierung ihrer Vorstellungen für eine Zukunft ohne weitere Strassenkapazitäten und ohne Westastautobahn.

Wirtschafts- und wettbewerbsfreundliche Kreise hingegen wollen solche gigantische Projekte bauen, weil die Strassentransportbranche, die Strassenbaulobby und ihre LieferantInnen davon profitieren. Und der Strassenbaufonds des Bundes ist mit Milliarden überdotiert, erst recht seit der Schaffung des Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds Naf, der von der Stimmbevölkerung haushoch angenommen wurde - das Geld muss verbuttert werden. Nicht nur in Bern und Biel gibt es nicht wenige VerantwortungsträgerInnen, die noch denken wie in den Fünfziger und Sechziger Jahren und mit einer stetigen Verkehrszunahme rechnen - und diese mit neuen Autobahnen und weiteren Tunnelröhren auch stetig fördern. Notsituationen durch immer schlimmere Staus werden herbeigeredet, Staustatistiken werden frisiert, stockender Verkehr wird als Stau ausgegeben. Die Wohn- und Lebensqualität der Bevölkerung und grossspurig international erklärte und unterschriebene CO2-Ziele bleiben dabei auf der Strecke.


Demos, Aktionen, Strassenfest

Um Druck zu machen gegen die Westast-Gigantomanie, mobilisieren BefürworterInnen des Alternativprojekts und AutobahngegnerInnen zur Grossdemo diesen Samstag in Biel. Es ist die zweite Grossdemo zum Westast und hat das Motto «Biel bleibt laut». Bisher gab es auch spontane Aktionen wie das mehrmalige Markieren der vom Fällen bedrohten Bäume sowie Flashmobs, eine grosse Velodemo und das grosse Strassenfest «Tavolata Biel-Bienne-Nidau» Mitte August auf der Aebi- und der Gurnigelstrasse in Biel und Nidau im von der Verschandelung bedrohten Gebiet. Am letzten Freitag des Monats findet jeweils eine verkehrspolitische «Critical Mass»-Velodemo mit reger Beteiligung statt und informative Begehungen des betroffenen Gebiets werden durchgeführt. Die letzte Grossdemo im September des vergangenen Jahres erklärte: «Biel wird laut», und brachte fast 3000 Menschen auf die Strasse.


(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Zwischen 4500 und 5000 Personen haben am Samstag, den 3. November 2018 in Biel gegen den Westast der Autobahnumfahrung protestiert.

Weitere Informationen:
https://www.westastsonicht.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 35/36/2018 - 74. Jahrgang - 2. November 2018, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2018

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