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VORWÄRTS/1489: Es geht um echte Gleichberechtigung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 27. Juni 2019

Es geht um echte Gleichberechtigung

von Damian Bugmann


Afrikanische Staaten entkriminalisieren Homosexualität - trotz rigider Sexualmoral, der Altlast der europäischen Kolonisierung. Kuba engagiert sich trotz christlicher Altlasten und permanenter Störmanöver der USA schon länger, differenziert und erfolgreich für freie sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität.


In mehr als der Hälfte der afrikanischen Staaten ist Homosexualität illegal. Botswana schaffte Anfang Juni endlich die Verfolgung Homosexueller ab. Bisher konnten in dem Land gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden. Dies ist auf die Kolonialgesetzgebung Grossbritanniens zurückzuführen. Über zwanzig Staaten südlich der Sahara kriminalisieren queer lebende Menschen nach wie vor. In einigen Ländern wie dem Sudan oder Mauretanien droht sogar die Todesstrafe. Erst vor einem Monat verhandelte das Oberste Gericht von Kenya über eine mögliche Legalisierung, entschied dann aber dagegen, auch hier sind die Kolonialmächte massgeblich dafür verantwortlich.

Für eine Entkriminalisierung entschloss sich vor einigen Monaten Angola. Das Oberste Gericht geht sogar so weit, jede Diskriminierung von Homosexuellen unter Strafe zu stellen. Auch in Angola ist die Kolonialgeschichte für diesen Zustand verantwortlich, dort jedoch die portugiesische. Menschenverachtende Strafen gegen queer lebende Menschen kennen in Afrika vor allem Staaten, in denen monotheistische Religionen aus dem Ruder gelaufen sind und/oder wo rückschrittliches koloniales Unrecht nach wie vor Recht ist wie zum Beispiel in Uganda oder Simbabwe. Am effizientesten wütete offenbar die englische Kolonisation. Vieles spricht dafür, dass die afrikanischen Gesellschaften in vorkolonialer Zeit einen recht toleranten Umgang mit Homosexualität pflegten, so wie es auch in Europa vor der Missionierung war.


Kuba ist führend

Unter dem Motto "Humanidad es diversidad" (Menschlichkeit ist Vielfalt) finden in diesem Monat die vierten Aktionstage gegen Homophobie im sozialistischen Kuba statt. Es sei der allgemeine Auftrag, heisst es sinngemäss im Programm der Aktionstage, für eine Aufklärung in der Gesellschaft - angefangen bei der Familie - aufzutreten, für das Recht einer freien und verantwortungsbewussten Wahl von Sexualität und Geschlecht als Elemente von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit. In Kuba ist man also offensichtlich wesentlich weiter als die meisten Länder dieser Welt, was die wirkliche Akzeptanz von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen angeht. Anders als in Deutschland und der Schweiz geht es nicht nur um ein auf Akzeptanz und Toleranz beschränktes Programm. Nicht nur um eine meist einseitig schwule Zielgruppe, entdeckt von Marketing und Politik als Konsument*innen und Stimmvieh. Es geht um echte Gleichberechtigung und Bekämpfung von Diskriminierung.

Als spezifische Zielstellungen der Aktionstage werden postuliert: Bewusstsein zu entwickeln, in den verschiedenen Schichten Kubas, um deren Unterstützung zu gewinnen, für die permanente Aufklärung für eine freie sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität. Weiter die Förderung persönlicher, familiärer und sozialer Verhältnisse, die die Praxis der sexuellen Rechte von Männern* und Frauen* im unterschiedlichen Kontext ihres Wirkens in der Gesellschaft, ohne Ausschluss ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität, zu ermöglichen. Auch alle Formen von Diskriminierung aufgrund von Sexualität oder Geschlecht aufzudecken, zu bekämpfen und auszumerzen. Die Aktivitäten werden unterstützt von Institutionen, Politik und Regierung in Kuba als Teil des Nationalen Programms für sexuelle Aufklärung und die Achtung der Menschenwürde homosexueller, bisexueller und Transgender-Personen.


Emanzipierende Revolution

WikiLeaks deckte 2011 auf, dass die US-Regierung damals 300.000 Dollar ausgab für die Beseitigung des kubanischen LGBTIQ-Projekts von Cenesex, Nationales Zentrum für Sexualerziehung, geleitet von Mariela Castro Espin. An erster Stelle zeigt dies, dass die Arbeit, die in Kuba für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transmenschen und Intersexuellen vorangetrieben wird, die US-Regierung beunruhigt. Warum? Weil es den politischen Willen der kubanischen Regierung zeigt, deutlich zu machen, dass Homophobie und Transphobie mit der emanzipierenden kubanischen Revolution nicht in Einklang gebracht werden können.

Mehrere Schritte wurden auf Kuba getan, um die freie und verantwortliche sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu fördern. Es wird angestrebt, sie in den Herzen aller Kubaner*innen zu verankern und ein für allemal die Homophobie zu verbannen. Die ersten Schritte dazu wurden von der Föderation der kubanischen Frauen (FMC) bereits 1972 gemacht mit der Entwicklung der Arbeitsgruppe für sexuelle Aufklärung, dem Vorläufer von Cenesex.


Auch Heterosexuelle

Ein grosser Moment war die Veröffentlichung des Buchs "Mann und Frau in der Intimität" (Sigfred Schnabel, 1979), in dem zum ersten Mal in Kuba eine wissenschaftliche Stimme auftrat, die begründete, warum Homosexualität keine Krankheit ist. 2007 schloss sich das Land der Initiative des französischen Aktivisten Georges Tin an, den Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai zu begehen. Die Arbeit wird von mehreren gesellschaftlichen Organisationen und auch der ideologischen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kuba unterstützt. Sie trugen auch dazu bei, eine LGBTIQ-Bewegung aufzubauen, bei der auch Heterosexuelle mitwirken. Fachleute aus vielen Staaten nehmen jeweils am kubanischen Kongress zu Sexualerziehung, Orientierung und Therapie in Havanna teil. Kuba bietet seit 2008 kostenlose Operationen zur Geschlechtsumwandlung durch sein nationales Gesundheitssystem an. Mariela Castro und unabhängige LGBTIQ-Aktivist*innen fordern seit dem letzten Jahr das Recht auf Heirat für gleichgeschlechtliche Paare.

Quellen: DKP-QUEER.DE und AMERICA21.DE

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22 - 75. Jahrgang - 27. Juni 2019, S. 10
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2019

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