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BERICHT/199: Zur Lage bei der Frankfurter Rundschau (NG/FH)


Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 9/2011

Zur Lage bei der Frankfurter Rundschau

Von Inge Wettig-Danielmeier


Rudolf Walther schreibt in der Juni-Ausgabe der NG/FH[*] Bedenkenswertes und Alarmierendes über Entwicklungen auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt, leider illustriert er seine Darstellung mit dem Beispiel Frankfurter Rundschau, was zu fehlerhaften Schlüssen führen kann.

Erstens: Es ist nicht so, dass die Frankfurter Rundschau ihre Selbstständigkeit zugunsten der Berliner Zeitung verliert. Beide Zeitungen gemeinsam bilden eine Redaktionsgemeinschaft in Berlin, die sie auch gemeinsam mit Redakteuren beschickt haben. Aus dieser Gemeinschaft wird je nach den Bedürfnissen der Zeitungen angeliefert. Vieles wird in beiden Zeitungen zu finden sein, manches aber auch nicht.

Richtig ist, dass die Pool-Bildung auch Personalkosten spart, wenn auch erst mittelfristig, diese Einsparungen sind für den Erhalt der Frankfurter Rundschau dringend notwendig.

Zweitens: Die wirtschaftlichen Probleme der Frankfurter Rundschau werden fehlerhaft dargestellt und wichtige Fakten werden unterschlagen. Zunächst ist festzuhalten, dass die FR durch die Stiftungslösung seit 1973 eine komfortable Unternehmenssituation hatte. An die Karl-Gerold-Stiftung musste nur wenig ausgeschüttet werden, die Erträge konnten im Unternehmen bleiben. Darauf haben Geschäftsführung und Chefredaktion eine in den wirtschaftlichen Ruin führende Unternehmenspolitik gestützt, die die FR an den Rand der Insolvenz brachte. Neben Fehlinvestitionen war auch eine Überbesetzung beim Personal dafür verantwortlich.

Drittens: Das 2002 eingeleitete Sanierungsprogramm brachte kaum Erleichterungen, sodass nur der Verkauf an einen risikobereiten Investor die Rettung für die FR bringen konnte. Da die Übernahme durch einen Heuschrecken-Investor drohte, wandten sich 2004 verantwortliche Redakteure der FR an mich, um den Kauf der Mehrheitsanteile an der FR anzuregen. Das wurde vom Betriebsrat unterstützt.

Die SPD-Unternehmensholding DDVG ist diesen Schritt dann gegangen. Die DDVG unternahm große Anstrengungen, um die FR zu sanieren und brachte hierfür erhebliche finanzielle Mittel ein. Vorab waren sehr schwierige Verhandlungen mit den Kreditgebern der FR notwendig, Umschuldungen mussten eingeleitet werden und ohne einen weiteren Personalabbau hätte die FR nicht gerettet werden können. Die Redaktion wurde weitgehend vom Personalabbau verschont, die Hauptlast trug das Personal des Verlages und die Technik.

Festhalten möchte ich ausdrücklich, dass die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth in dieser Situation viel zum Fortbestehen der FR beigetragen hat.

Viertens: Durch nichts zu belegen ist die Behauptung: "Ausgesprochen teuer kamen die Zeitung zwei Umzüge der Redaktion zu stehen". Der Umzug aus dem historischen Rundschauhaus war notwendig, weil ohne den beträchtlichen Erlös aus dem Verkauf des Hauses die FR nicht sanierbar war.

Das Zwischenquartier im Colosseo konnte wegen Leerstand deutlich unter Marktpreis angemietet werden - es wurde also Geld gespart - und im weiteren Verlauf erweist sich das neue Quartier im sanierten Straßenbahndepot als kostenmindernd, sodass die Umzüge zur finanziellen Sanierung der FR beigetragen haben.


Linke und liberale Zeitung

Fünftens: Die Behauptung, die Umstellung auf das Tabloid-Format habe 15.000 zahlende Abonnenten gekostet, ist falsch. Richtig ist, dass die verkaufte Auflage stabil blieb. Zeitweilig wurde zur Kosteneinsparung die kostenlose Marketing-Auflage zurückgeführt. Das Problem der FR sind die Rückgänge im Anzeigenaufkommen wie bei den meisten Zeitungen. Der "vernommene" Verlust für 2010 ist ebenfalls eine Spekulation.

Sechstens: Über das Wirken des Chefredakteurs Wolfgang Storz wird in verschiedenen Medien eine Legende gepflegt, die ihn als Opfer der intoleranten damaligen Mehrheitseigentümerin SPD darstellt. Tatsächlich lag der Fehler wohl darin, dass ihn die Karl-Gerold-Stiftung 2002 zum Chefredakteur gemacht hatte und von ihm den entscheidenden Beitrag zur Sanierung des Unternehmens erwartete, den er nicht leisten konnte. Die FR blieb dennoch bis heute eine linke und liberale Zeitung.

[*] Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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BERICHT/198: Zum Wandel des Tageszeitungsmarktes
(NG/FH)


Inge Wettig-Danielmeier (* 1936) gehörte 25 Jahre dem SPD-Parteivorstand an und war bis 2007 u.a. Schatzmeisterin der SPD.
info@inge-wettig-danielmeier.de


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Quelle:
Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 9/2011, S. 57-58
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Klaus Harpprecht, Jürgen Kocka, Thomas Meyer und Peter Struck
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2011