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BERICHT/215: UHUDLA - Die rebellischste Straßenzeitung Österreichs (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 20 vom 18. Mai 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Die rebellischste Straßenzeitung Österreichs
Ein linkes Zeitungsprojekt kommt in die Jahre

von Martin Wachter



Unabhängig, Heiß, Urig, Demokratisch, Links, Außergewöhnlich: Zusammen ergeben diese Eigenschaftswörter das Wort UHUDLA. Seit 21 Jahren steht dieser Name für den bescheidenen Erfolg der ältesten und rebellischsten Straßenzeitung in Österreich.

Die Zeitschrift hatte ihren Ursprung in den gravierenden Veränderungen der kommunistischen Bewegung in Österreich. 1990 war die kleinste Landesorganisation der KPÖ im Burgenland im Zustand der Auflösung. Aus der "Konkursmasse" entstand ein Medienprojekt wider Willen. Ein paar Freundinnen und Freunde feierten in einem kleinen Ort an der ungarischen Grenze ein rauschendes Fest. Aus einer "Rauschidee" in den frühen Morgenstunden wurde Ernst. Zwei Redakteure der eingestellten kommunistischen Tageszeitung "Volksstimme" machten sich einen Jux und bastelten mit FreundInnen und KollegInnen eine 0,0-Promille-Nummer namens UHUDLA Die Erstausgabe zählte lediglich 16 Seiten im Großformat und eine Auflage von 10 000 Exemplaren. Die Zeitschrift fand in Wien und dem östlichsten Bundesland Burgenland großen Anklang und Zuspruch. Aus Spaß wurde Ernst und es entstand eine Monatszeitschrift.


Macht die Starken stärker und haut die Schwachen um

Der Name UHUDLA war eigentlich als Nonsens gedacht. In Ostösterreich war damals ein seit 1934 verbotener Wein namens Uhudler bekannt. Von diesem wilden Rebsortengesöff behauptete der Volksmund, dass er die Starken stärker macht und die Schwachen umhaut. "Macht die Starken stärker und haut die Schwachen um", war jahrelang der viel umstrittene politisch unkorrekte Untertitel der Zeitschrift. Hatte sich das UHUDLA-Team anfangs spaßeshalber für die Legalisierung des rabiaten "Edeltropfens" stark gemacht, stellte sich ein Jahr später der Erfolg ein. Das österreichische Parlament legalisierte den verbotenen Traubensaft.

Erfolgreich behauptete sich die Underdog-Zeitung in finanzieller Hinsicht. Die KPÖ Burgenland investierte insgesamt umgerechnet etwa 30 000 Euro, der Rest des finanziellen Aufwands musste durch den Verkaufserlös erzielt werden. Geld kam auch von kleineren Firmen und Initiativen. Selbst die Grünen, die Sozialdemokraten, die KPÖ und Gewerkschaftsgruppierungen bekundeten das ein oder andere Mal mit Inseraten ihre Solidarität. Zuwendungen gab und gibt es von der im steirischen Landtag vertretenen KP und deren Grazer Stadtorganisation.

Neuartig und erstmalig praktizierte der UHUDLA in Österreich den Verkauf nach dem Fifty-fifty System. Die Hälfte des Verkaufspreises bleibt der Verkäuferin, dem Verkäufer. Sozial Schwachen, vorwiegend Obdachlosen wurde eine Möglichkeit gegeben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der UHUDLA war die erste Straßenzeitung im deutschsprachigen Raum. Er erschien ein Jahr vor der Hamburger Obdachlosenzeitung "Hinz & Kunzt", der auflagenstärksten Zeitschrift unter den 40 bundesdeutschen Straßenzeitungen.


Für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben

Der UHUDLA wurde im Laufe der Jahre ein fixer Bestandteil der österreichischen Straßenzeitungsszene. In Innsbruck, Salzburg, Linz und Graz fand das Modell Nachfolger und der UHUDLA leistete "Entwicklungshilfe". In der Zeitung gab und gibt es immer Beilagen, die unabhängig vom UHUDLA sind. Die Zeitschrift wird gegen Bezahlung als Vertriebsmittel für ihre Zwecke und als Transportmittel ihrer Anliegen benutzt. Der UHUDLA war die Mutter oder der Vater von Wiens größter und auflagenstärkster Obdachlosenzeitung namens AUGUSTIN. Jahrelang als Beilage im UHUDLA, erschien ab September 1995 die erste österreichische Boulevardzeitung eigenständig. Bis Oktober 1998 waren die Redaktionen von UHUDLA und AUGUSTIN faktisch eine Personalunion.

Zum Erfolg des UHUDLA zählt noch ein Kleinverlag, welcher 35 Bücher verlegt hat. Fünf Jahre lang nannte sich im Zentrum von Wien ein Literaturcafé mit 30 Sitzplätzen "Salon UHUDLA". Bei politischen Diskussionen und Lesungen war Platz für 80 Personen. Alle Projekte haben einen gemeinsamen Nenner: Sprachrohr und Betätigungsfeld für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben müssen. Selbstverständlich dürfen linke Politik und Weltverbesserung nicht zu kurz kommen.

Nicht nur der Rand der Gesellschaft, die Unterdrückten und Ausgebeuteten und die Verwerfungen des kapitalistischen Systems sind Themen im UHUDLA. Die Zeitschrift selbst ist Thema in den Medien. Der omnipräsente ehemalige Im-Kreis-Autoraser Niki Lauda schwärmte im April in einer Talkrunde vom UHUDLA. Er lobte in einer Sendung des Dosenfernsehsenders von Red-Bull-Boss Didi Marteschitz den UHUDLA über den grünen Klee. Besonders ausführlich schilderte er im "Servus TV" die Lebensgeschichte des Verkäufers. StraßenzeitungsverkäuferInnen werden nicht selten als "Psychotherapeuten" benutzt. Schließlich wollen die Käufer für zwei Euro auch noch einen Zusatznutzen.


Harte Zeiten erfordern flexibles Handeln

Vor sieben Jahren hat sich der UHUDLA auf eine völlig neue Situation umstellen müssen. Krankheitsbedingt hat es den Hauptprotagonisten und Herausgeber nach Portugal an die Algarve ans Meer verschlagen. Das war eine neue Herausforderung und eine neue Chance. Jetzt ist der UHUDLA zum Teil "portugiesisch". Das ist eine inhaltliche Bereicherung für die Zeitung. Denn was in dem ärmsten westlichen EU Land abgeht, kann schneller als uns lieb ist in Deutschland und Österreich eintreffen.

Im organisatorischen Bereich ist die Angelegenheit komplizierter geworden. Der UHUDLA funktioniert durch gute Arbeitsteilung und Organisation. Ein Dutzend MitarbeiterInnen stellen die Redaktion. Alle sind vom Brotberuf journalistisch tätig. Weil der UHUDLA angemessene Honorare zahlt, kommen die Texte auch termingerecht zustande. Technisch ist es kein Problem, denn via Internetz funktioniert Herstellung und Druck wie am Schnürl.

Die Zeiten werden härter, und das wirkt sich auf den Vertrieb und den Verkauf aus. Die Menschen sparen und so mancher Verkäufer, manche Verkäuferin hält dem Druck der Straße nicht stand. Ihr Kampf ums tägliche Überleben und die Phobie in der Wienerstadt sind schlecht für's Geschäft. Auf Grund des Personalmangels hat sich die Zahl der UHUDLA VerkäuferInnen auf ein Dutzend reduziert. Das ist mit weniger Konflikten verbunden, verlängert aber die Zeitspanne für den nächsten Erscheinungstermin. Die nächste Ausgabe geht erst dann in Druck wenn 8 000 Exemplare verkauft sind. Umfang 48 Seiten in Kleinformat DIN A4 und durchgehend farbig.


Linker Boulevard und linke Einigung

Gregor Gysi und Oskar Lafontaine bedauern manchmal das Fehlen einer linken Boulevardzeitung in Deutschland. Im Prinzip ist die linke Boulevardzeitung möglich. Schon Jahrzehnte beweist die rebellische Straßenzeitung in Österreich, dass Unterhaltung und Spaß für die LeserInnen, gepaart mit klaren gesellschaftsverändernden Standpunkten und fortschrittlichen Visionen, möglich sind. Voraussetzung ist eine Redaktion mit größtmöglicher Toleranz und Freiheit in Geist und Schrift. Wie lautet das Motto der UHUDLArianerInnen: Jede und jeder kann und soll das zu Papier bringen, was ihr oder ihm unter den Nägeln brennt. Hat bis dato optimal geklappt!

Genau so ein "Kinderspiel" wäre die linke Einigung. Im UHUDLA werden alle linken Strömungen vereint. Sie werden nicht einmal gefragt, ob sie es wollen oder nicht. Wer mitmacht, macht mit, und wer nicht, halt eben nicht. Die Zeitungsmacher haben damit kein Problem. In einigen linken Gruppierungen in Österreich haben manche Akteure diese Art des Umgangs nicht kapiert. In der Alpenrepublik gibts eben auch persönliche Eitelkeiten und sektiererische Haarspalterei.

Der mediale Kampf gegen das Diktat des Kapitalismus hat in Österreich einen Namen. Aus dem roten UHUDLA wird kein grüner Frosch, der die kapitalistische Heuschrecke frisst. Ist auch gut so, weil den UHUDLA-MacherInnen gefällt: Small is beautiful ohnehin besser. Sie wollen mit ihrer Arbeit auch Spaß haben, die LeserInnen unterhalten und mit außergewöhnlicher Information einen kleinen Beitrag zur Weltverbesserung leisten.


Martin Wachter ist Herausgeber des UHUDLA und lebt als freier Journalist in Portugal.
E-Mail: uhudla@sapo.pt

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 20 vom 18. Mai 2012, Seite ...
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012