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FESTIVAL/323: Cannes bietet mehr als Glamour - Filme setzen Zeichen gegen Intoleranz und Verfolgung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Mai 2014

Menschenrechte: Cannes bietet mehr als Glamour - Filme setzen Zeichen gegen Intoleranz und Verfolgung

von A.D. McKenzie



Cannes, 20. Mai (IPS) - Einige der bemerkenswertesten Filme, die in diesem Jahr beim Festival in Cannes gezeigt wurden, handeln von Menschenrechten und dem Kampf für Pressefreiheit. Ihre Regisseure mussten unter großen Mühen die erforderlichen Gelder auftreiben, die Zensur umgehen und logistische Probleme meistern, um die Geschichten erzählen zu können, die ihrer Ansicht nach erzählt werden müssen.

'Timbuktu', gedreht von dem mauretanischen Regisseur Abderrahmane Sissako, ist einer der 18 Wettbewerbsbeiträge, die um die Goldene Palme konkurrieren. Dieser bildmächtige Film hat bereits Diskussionen angeregt, die sich um das Thema Intoleranz und die Auswirkungen von Konflikten auf Zivilisten drehen.

Sissako reagiert mit seinem Werk auf das Erstarken des religiösen Extremismus im Norden Malis, seit Dschihadisten 2012 die Kontrolle über das Gebiet übernahmen. Die Kämpfer zwangen Frauen neue Kleidervorschriften auf und verboten Musik, Zigaretten und sogar Fußball. Französischen und afrikanischen Truppen gelang es, die Islamisten größtenteils aus der Region vertreiben. Hin und wieder kommt es aber immer noch zu Kämpfen und Anschlägen auf Sicherheitskräfte.

Während der Herrschaft der radikalen Islamisten wurde ein junges Elternpaar, das zwei Kinder hatte, zu Tode gesteinigt. Sie gerieten ins Visier der Extremisten, weil sie nicht verheiratet waren. Sissako zufolge hat ihn diese Gewalttat zu seinem Film motiviert. Die Morde seien ein "unsägliches" und von den Medien weitgehend ignoriertes Verbrechen. Die Täter stellten ein Video über die Steinigung ins Internet ein.


Würdevoll dargestellte Charaktere

Mit poetischen Stilmitteln werden in 'Timbuktu' Unterdrückung und Menschenrechtsverstöße angeprangert. Sissako hebt die Menschlichkeit seiner Filmfiguren hervor, indem er Frauen zeigt, die mit Würde der Tyrannei die Stirn bieten. Aus diesem Grund hat der Film bei dem Festival, das noch bis 25. Mai dauert, viele Unterstützer gewonnen. Die Preisträger werden am 24. Mai bekanntgegeben.

Souleymane Cissé, ein malischer Filmemacher, dessen Werk 'Yeelen' 1987 bei dem Festival den Preis der Jury gewonnen hatte, ist in diesem Jahr nach Cannes gekommen, um Sissako zu unterstützen. Afrikanische Regisseure hätten es schwerer als die meisten anderen Kollegen, ihre Arbeiten fertigzustellen und international zu vertreiben, erklärte er.

"Nicht nur der Konflikt, sondern auch die Finanzierung ist ein riesiges Problem", sagte Cissé, der den Verband der Filmschaffenden und -unternehmer in Westafrika (UCECAO) leitet. "Selbst Low-Budget-Filme müssen um Geld kämpfen. Bis jetzt ist kein politischer Wille erkennbar, den Filmemachern zu helfen. Denn in Afrika gilt Kino weder als Kunst noch als Wirtschaftszweig."


Karikaturisten kämpfen für Meinungsfreiheit

Von den mehr als 1.700 in Cannes eingereichten Filmen sind nur wenige in die offizielle Auswahl gekommen. Zu den Beiträgen, die das Thema Menschenrechte und insbesondere Pressefreiheit behandeln, gehört 'Caricaturistes - Fantassins de la Démocratie' (Karikaturisten - Infanteristen der Demokratie).

Der Dokumentarfilm der französischen Regisseurin Stéphanie Valloatto, in dem zwölf Karikaturenzeichner aus aller Welt vorgestellt werden, läuft in Cannes außerhalb des Wettbewerbs. Valloatto besuchte die Zeichner in Ländern wie Tunesien, Côte d'Ivoire, Burkina Faso, Frankreich, Israel und Venezuela. Einige von ihnen bringen sich in ihrer Heimat dadurch in Gefahr, dass sie mit Hilfe des Humors gegen Ungerechtigkeit und Scheinheiligkeit angehen.

Der syrische Karikaturist Ali Ferzat wurde beispielsweise 2011 von Armeesoldaten misshandelt. Man versucht seine Hände zu zertrümmern, um zu verhindern, dass er wieder zeichnen konnte. Mit mehreren Cartoons hatte er das Regime von Präsident Baschar al-Assad kritisiert. Den Ärzten gelang es, Ferzats Finger zu retten, nachdem die Vereinigung 'Cartoonists For Peace' seine Ausreise aus Syrien erreicht hatte.

Die Organisation war 2006 unter anderem von dem bekannten französischen Cartoonisten Plantu und dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gegründet worden. Sie arbeitet eng mit Filmemachern zusammen, fördert den Dialog und wirbt für das Recht auf Meinungsfreiheit.


"Liebenswerte Verrückte"

Valloatto erklärte in einem Interview, die Organisation habe sie zu dem Film inspiriert. Filmproduzent Radu Mihaileanu bewundere seit Langem ihren Einsatz für die Menschenrechte und Plantus Kampagne für mehr Toleranz. Die zwölf Protagonisten des Films seien "liebenswerte Verrückte, die das Komische und das Tragische in allen Ecken der Welt einfangen", bekannte sie. "Der Film ist sehr humorvoll, vermittelt aber auch eine ernsthafte Botschaft. Wir hoffen, dass ihn viele Menschen sehen, denn er kann uns alle dazu anregen, für Toleranz und Menschenrechte zu kämpfen."

Im Rennen um die Goldene Palme ist außerdem der Film 'Winter Sleep' des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylan, der sich mit der scheinbar unüberbrückbaren Kluft zwischen Arm und Reich und dem Stellenwert von Religion im Leben beschäftigt.

'Winter Sleep' spielt in Zentralanatolien und zieht die Zuschauer durch suggestive Bilder und subtilen Humor in seinen Bann. Zum Schluß bleibt die Frage offen, was jeder Einzelne tun kann, um die Welt besser zu machen und die Rechte der anderen zu schützen. Am Ende der Vorführung in Cannes gab es für den Film jede Menge Applaus. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/05/behind-glamour-cannes-film-festival-puts-spotlight-human-rights/

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IPS-Tagesdienst vom 21. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2014