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FESTIVAL/352: goEast 2016 - OPPOSE OTHERING! Festivalleiterin Gaby Babi im Gespräch (goEast)


Presseinformation: Wiesbaden, 05.04.2016

"Wir sind nicht nur ein Festival des mittel- und osteuropäischen Films, sondern auch ein Menschenrechtsfestival"

Festivalleiterin Gaby Babi im Gespräch


goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films startet mit der 16. Festivalausgabe vom 20. bis 26. April ein neues Projekt für junge FilmemacherInnen: OPPOSE OTHERING! Wie der Titel schon verrät, dreht sich dabei alles um das Phänomen "Othering" - ein Begriff, der verschiedene Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit umfasst. Im Gespräch liefert Festivalleiterin Gaby Babi Hintergründe zur Entstehung und zum Programm - und gibt auch schon einen Ausblick in die Zukunft.

Wie entstand die Idee zum neuen Nachwuchsprojekt OPPOSE OTHERING! und was genau ist geplant?

goEast beschäftigt sich kontinuierlich mit politisch engagiertem Filmemachen, besonders im Hinblick auf Themen wie das Erstarken der rechten Szene in Mittel- und Osteuropa, der Aufarbeitung des NS-Unrechts und der Vergangenheitsbewältigung im osteuropäischen Kontext, virulenten Ausgrenzungsphänomenen wie Homophobie oder Antisemitismus, aber eben auch mit dem zivilen Widerstand gegen Diskriminierung aller Couleur. Wir begreifen das als integralen Bestandteil unserer Festivalarbeit. In diesem Sinne sind wir nicht nur ein Festival des mittel- und osteuropäischen Films, sondern auch ein Menschenrechtsfilmfestival. Kritische Perspektiven im Film, transnationale und solidarische Perspektiven sind uns ein besonderes Anliegen. Nicht umsonst heißt eine unserer Festivalsektionen auch "Beyond Belonging". Hier zeigen wir Filme, die zu jährlich wechselnden gesellschaftspolitischen Themenkomplexen Bilder und Beispiele liefern, ob sie nun aktuell oder historisch sind, in Osteuropa produziert oder in anderen Teilen der Welt. Sie alle stellen sich entschieden gegen ein Denken in Schubladen, unmenschliche Kategorisierungen und Abwertung und fordern filmisch einen "gesellschaftlichen Mehrwehrt" ein, ein Umdenken, das auch offen gelebt werden soll.

Im vergangenen Jahr schlug uns schließlich die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ) vor, ein neues Programm zu konzipieren, nachdem ein anderes gemeinsames Projekt ausgelaufen war. Schnell war klar, dass sowohl die Stiftung als auch goEast das thematische Feld "Othering", also gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, gemeinsam bearbeiten will. Wir sind gegenwärtig ZeugInnen davon, dass Othering in großen Teilen der Bevölkerung in Ost wie West zunimmt und erschreckenderweise auch von manchen Politikerinnen und Politikern oder einzelnen Regierungen als probates Mittel der Politik benutzt wird - eine menschenfeindliche und - verachtende Reaktion auf globale Probleme wie Kriege, Terror, die Zerstörung von Lebensgrundlagen. Hier findet meiner Meinung nach in letzter Zeit eine harsche Zuspitzung statt, der wir im Rahmen unseres Projekts etwas entgegensetzen wollen. Insbesondere auch, indem wir Beispiele zeigen von Menschen und ihren Projekten, die aktiv gegen Othering vorgehen, die Menschenrechtsarbeit machen, die in verschiedenen sozialen Kontexten, im Privaten oder im ganz normalen Berufsleben ihre Stimmen erheben und ganz konkret anders agieren - oft entgegen der öffentlichen Mehrheitsstimmung.

Was genau erwartet die TeilnehmerInnen von OPPOSE OTHERING!?

Über einen Aufruf haben wir Zweierteams um ihre Kurzfilmideen zum Thema "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" gebeten. Abseits vom Thema haben wir jedoch keine weiteren Vorgaben gemacht. Anhand der Einreichungen haben wir zehn Teams nominiert. Diese zehn internationalen Regietandems aus Deutschland, Mittel- und Osteuropa sind nun eingeladen, in der Festivalwoche vom 20. bis 26. April an Workshops und Vorträgen teilzunehmen, die unterschiedliche Erscheinungsformen von "Othering" bearbeiten und beispielhaft vorstellen, wie eine filmische Auseinandersetzung mit dem Thema aussehen kann. Der Input aus diesen Tagen soll als Unterstützung und Inspiration für die weitere Entwicklung der eigenen Filmideen dienen. Am Ende der Festivalwoche stellen die Tandems ihre Projekte einer dreiköpfigen Fachjury vor, die die fünf besten Konzepte mit Produktionspreisgeldern in Höhe von je 3.000 Euro auszeichnet. Das Geld soll den Teams die Möglichkeit geben, ihre Arbeit zu realisieren.

Wie geht es im Anschluss an die Festivalwoche weiter?

In den Monaten nach dem Festival sollen die Teams ihre Filme drehen und - im Idealfall - im Laufe eines Jahres fertigstellen. Wir wollen sie dann bei goEast, aber auch bei anderen Filmfestivals präsentieren. Wir haben jetzt schon rund zehn Film- und Menschenrechtsfestivals und NGOs in Deutschland und Mittel- und Osteuropa als Projektpartner gewinnen können. Die Idee ist, ein OPPOSE OTHERING!-Netzwerk zu schaffen, das die Teams, die entstehenden Filme, aber auch die Grundidee des Projektes unterstützt. Im kommenden Sommer soll auch eine Projektwebsite online gehen, auf der zunächst Zwischenergebnisse und am Ende die fertigen Filme veröffentlicht werden." Zudem soll die Website gesellschaftspolitisch engagierten Amateurinnen und Amateuren die Möglichkeit geben, eigene Videos und Filme hochzuladen.

Gibt es auch Programmpunkte, zu denen ein öffentliches Publikum zugelassen ist?

Die eben erwähnte Sektion "Beyond Belonging" ist gewissermaßen komplementär zum neuen Projekt kuratiert worden. Unter der Überschrift "Wir uns sie? Vom Anderssein uns Andersmachen" zeigen wir 20 Kurz- und Langfilme, darunter aktuelle Dokumentarfilmproduktionen, aber auch das filmhistorisch bedeutende Westernepos HEAVEN'S GATE von Michael Cimino. Zudem wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema geben, an der Filmschaffende mit mir über unsere Fragestellung diskutieren werden. Auch sind die beiden Eröffnungsvorträge von OPPOSE OTHERING!, "Reflecting on the Process of Othering" und "The Invisible Representation: Whiteness and Film" von Dr. Andrés Nader und der Filmwissenschaftlerin Dr. Susanne Kappesser, für alle Interessierten offen - und zugleich eine Gelegenheit, um die nominierten Teams kennenzulernen: Es ist der Auftakt zu ihrer Festivalwoche oder vielmehr ihrer OPPOSE OTHERING!-Woche. Filme, die Othering thematisieren, sind darüber hinaus natürlich auch in anderen Sektionen des Festivalprogramms zu finden. Im Wettbewerb etwa zeigen wir unter anderem den tschechisch-französischen Spielfilm WIR SIND NIE ALLEIN von Petr Václav, der eine skurrile Geschichte von Menschenfeindlichkeit in der tschechischen Provinz erzählt, die immer wieder deutlich märchenhafte Züge erkennen lässt. Direkt nach goEast, am 27. April um 22:25 Uhr, wird unser letztjähriger Gewinnerfilm NIEMANDSKIND von Vuk Rsumovi auf 3sat ausgestrahlt - auch ein perfektes Beispiel für einen Film, der sich gegen Othering ausspricht. Und das in filmisch beeindruckender Form!

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OPPOSE OTHERING! wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ), die auch Mitinitiatorin des Projektes ist. Weiterer Förderer des Projektes ist die Solidaritätsaktion Renovabis.

goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom Deutschen Filminstitut veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt: Hauptförderer sind das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Landeshauptstadt Wiesbaden, die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ), der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Robert Bosch Stiftung, SKODA AUTO Deutschland, die BHF-BANK-Stiftung, die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege, das Auswärtige Amt, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, Krusovice und Renovabis. Medienpartner sind u.a. 3sat, die FAZ, hr-iNFO und sensor.

Veranstalter: Deutsches Filminstitut - DIF, Schaumainkai 4, D-60596 Frankfurt am Main

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Quelle:
Presseinformation: Wiesbaden, 05.04.2016
goEast-Festivalbüro: Friedrichstraße 32, 65185 Wiesbaden
Telefon: +49 - 611-236 843 -0, Fax: +49 - 611-236 843 -49
E-Mail: info@filmfestival-goEast.de
Internet: www.filmfestival-goEast.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2016

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