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FORSCHUNG/043: Geschichte der Presse (Bremer Uni-Schlüssel)


Bremer Uni-Schlüssel - Nr. 99, Februar 2008
Die interne Zeitung der Universität Bremen

Presseforschung zeigt den Alltag vergangener Zeiten

Von Richard Verhoeven


Die Deutsche Presseforschung in Bremen ist Deutschlands einziges universitäres Institut, das zur Geschichte der Presse forscht - und das seit 50 Jahren. In vielen Publikationen schildert es, wie Zeitungen entstanden sind und was der Leser erfuhr.

Zeitungen, einmal gelesen, landen für gewöhnlich im Altpapier. Bestenfalls wickelt man seine Gemüsereste darin ein. "Das macht die Suche so schwierig", meint Holger Böning. "Über viele Zeitungen wissen wir nur aus dritten Quellen, dass es sie einmal gegeben hat." Böning fahndet nach alten Zeitungen. Die älteste Ausgabe, die er kennt, ist vom 8. Januar 1609. Es ist zugleich die älteste überlieferte Ausgabe der ersten Zeitung der Welt, der deutschsprachigen Straßburger Relation.

Böning ist Professor am Institut Deutsche Presseforschung der Uni Bremen. Im Flur vor seinem Arbeitsraum türmen sich regaleweise historische Zeitungen, Kopien und Mikrofilme. Zusammen mit seinen Institutskollegen arbeitet er die Presselandschaft der vergangenen 400 Jahre auf.

"Die Presse war damals enorm vielfältig", erklärt Böning. Allein vier Bände haben die Forscher über die historische Presse in Hamburg herausgebracht: Titel der Blätter, Auflagen, Redakteure und Inhaltsbeschreibungen. Neben den Archiven europäischer Monarchien gelten Zensurunterlagen aus den Behörden als wichtige Quellen, die Zeitungen selbst sind oft gar nicht mehr auffindbar. In Zukunft wollen die Presseforscher die Zeitungen Leipzigs unter die Leselupe nehmen. Böning schätzt den Umfang dieser Arbeiten auf 10 Bände.

Die ersten Zeitungen berichteten aus der weiten Welt. Wissenschaft und Kurioses, vor allem aber Kriege und Politik. Lokales brauchte man nicht in der Presse lesen, das erfuhr man auf der Straße oder im Wirtshaus. So trug die Zeitung zur Volksaufklärung bei, Praktische Lebenshilfe gewinnt mit der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert in der Presse an Bedeutung: Pflanzenbau, Gesundheit, Ankündigungen und wichtige Alltagsinformationen.

"Es wird immer unterschätzt, wie viele Menschen früher schon lesen konnten", meint Böning. Zwar konnten sich nur wenige Interessierte regelmäßig eine Zeitung leisten. Dafür gab es Abo-Gemeinschaften und öffentliche Lesezimmer. Zeitungen gingen von Hand zu Hand und wurden den Umstehenden vorgelesen. Am Kiosk gab es besondere Angebote: Zu einem geringen Preis konnte man das Blatt gleich dort lesen und wieder zurückgeben.

Die Geschichte der Zeitung ist auch eine Geschichte der Demokratie. "Nun lernten auch die einfachen Leser, dass Politik nicht von Gottes Gnaden geschieht, sondern auf Entscheidungen einzelner Menschen beruht", fasst Böning die Rolle der aufklärenden Presse zusammen. "Und an diesen Entscheidungen kann man auch mitwirken."

Um 1900 hatte jeder politische Verein seine eigene Zeitung. In Bremen erschienen nebeneinander fünf große Tageszeitungen, bevor die nationalsozialistische Diktatur die Vielfalt zerbrach. Danach entstand der Weser-Kurier als einzige von den Alliierten lizenzierte Zeitung in Bremen. "Von dieser Marktkonzentration", stellt Presseforscher Böning fest, "hat sich die Bremer Presse bis heute nicht erholt."


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Quelle:
Bremer Uni-Schlüssel Nr. 99, Februar 2008, S. 5
Herausgegeben im Auftrag des Rektors von der
Pressestelle der Universität Bremen
Bibliothekstraße, VWG
Postfach 33 04 40, 28334 Bremen
Tel.: 0421/218-60 150
E-Mail: eschol@presse.uni-bremen.de
Internet: www.uni-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2008