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FORSCHUNG/109: Medien als grenzenlose Ware (AGORA - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ausgabe 2 - 2015

Medien als grenzenlose Ware

von Pamela Przybylski


Chinesen schauen österreichische Serien. Die BILD-Zeitung gibt's auch auf Polnisch. Britische TV-Unterhaltung erreicht in Deutschland höchste Quoten. Ein internationales Forschungsprojekt auf Initiative der KU analysiert, warum und unter welchen Bedingungen Medien nationale und kulturelle Grenzen überwinden.

House of Cards, Dexter, Breaking Bad, True Detective - Kritiker, Fernsehmacher und Zuschauer feiern aktuelle US-amerikanische Serien als Musterbeispiele an hochwertigem Fernsehen. Diese Serien seien das 'neue Kino'. Ihre Erzählweise sei das, was eine 'gute' Fernsehserie ausmacht. Die Folge: Kritiker und Zuschauer schimpfen, wie einfallslos deutsche Serien im Vergleich seien. Zeitgleich diskutiert die TV-Branche, wie sie die Qualitätsstandards auf hiesige Produktionen übertragen kann. Die US-Serien sind sicherlich ein populäres, zugleich jedoch nur eines vieler Beispiele dafür, wie Medienkommunikation Grenzen überschreitet und auch in anderen Ländern Sehgewohnheiten und Produktionsmechanismen beeinflussen kann. "Management und Ökonomie grenzüberschreitender Medienkommunikation" stehen daher im Fokus eines Forschungsprojekts, in dem Wissenschaftler der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Universität Mainz, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Zürich kooperieren. Die Forscher untersuchen in welchem Umfang, wie, warum und wann Medienkommunikation nationale und kulturelle Grenzen überwindet. Die Projektleiter Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen (Eichstätt, Studiengang Journalistik), Prof. Dr. Dr. Matthias Karmasin (Wien/Klagenfurt) und Dr. Bjørn von Rimscha seit Oktober Mainz, zuvor Zürich) werden dabei von den drei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Funda Güngör (Zürich), Pamela Przybylski (Eichstätt) und Denise Voci (Klagenfurt) unterstützt.

Medienkommunikation macht an nationalen und bisweilen auch kulturellen Grenzen keinen Halt. Dabei lässt sie sich nicht auf Medienprodukte - die Bollywoodfilme, die südamerikanischen Telenovelas, die Auslandsausgaben der Tageszeitung, die skandinavischen Romane etc. - reduzieren. Medienunternehmen bauen ausländische Dependancen auf, sie kaufen ausländische Verlage, sie kooperieren mit Produktionsfirmen aus unterschiedlichen Ländern. Medienkommunikation zeigt sich folglich nicht nur im Import und Export von Medienprodukten, sondern in vielfältigen, grenzüberschreitenden Aktivitäten von Medienunternehmen.

Damit ist die Information und vor allem die Unterhaltung, die wir als Leser, Hörer, Zuschauer rezipieren, nicht selten international geprägt. Zugleich sind informierende und unterhaltende Inhalte nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Kulturgüter. Sie spielen eine wichtige Rolle für die demokratische Meinungs- und Willensbildung und/oder prägen als Populärkultur unsere Wertvorstellungen und Identitäten. Unter welchen Bedingungen, in welchem Umfang und in welcher Form Medienkommunikation in andere Länder, Regionen und Kulturen diffundiert, ist folglich eine gesellschaftlich relevante Frage. Der Doppelcharakter von Mediengütern (als Kultur- und Wirtschaftsgüter) begründet zugleich, warum sich die Medien nicht einfach mit anderen Wirtschaftszweigen gleichsetzen lassen.

Zu Strategien des Medienmanagements und den Umfang ökonomischer grenzüberschreitender Medienkommunikation ist bisher jedoch nur wenig bekannt. Welche Ursachen und welche Folgen internationale Aktivitäten von Medienunternehmen haben, ist noch nicht systematisch untersucht worden. Dabei zeigen bisherige Studien, wie weit verzweigt und wie komplex transnationale (über nationale Grenzen hinweg) und transkulturelle (über kulturelle Grenzen hinweg) Aktivitäten sein können. Grenzüberschreitende Aktivitäten unterscheiden sich nicht nur zwischen sondern auch innerhalb von Medienunternehmen. Die Ziele des Mutterkonzerns und der Tochtergesellschaft können sich ergänzen oder gar entgegenstehen. Das Management greift zeitgleich auf lokale und globale Strategien zurück. Um diese komplexen Mechanismen zu verstehen, ist es zunächst einmal wichtig zu analysieren, was grenzüberschreitende Aktivitäten eigentlich sind und wie sie von den Medienunternehmen und den Marktbedingungen gleichermaßen geprägt werden.

Das Forschungsprojekt geht dabei grundsätzlich davon aus, dass sich die Marktstrukturen einerseits und die Strategien der Unternehmen andererseits gegenseitig beeinflussen. Ein theoretisches Modell stellt diese rekursive Beziehung dar und dient damit als ein wesentliches Raster der Analyse. Wie und ob grenzüberschreitende Transaktionen stattfinden, hängt jedoch nicht nur von den Märkten und Unternehmen ab, sondern auch von den Eigenschaften der Produkte, die Gegenstand dieser Transaktionen sind. Bücher und vor allem Filme, Serien und zunehmend auch Fernsehformate, d.h. Konzepte für einzelne Fernsehsendungen ("Wer wird Millionär" ist dafür ein bekanntes Beispiel), eignen sich für den internationalen Handel besonders gut. Der Im- und Export von Zeitschriften und Zeitungen findet hingegen nur begrenzt statt. Hier greifen Medienunternehmen eher auf Kooperationen und lokale Niederlassungen zurück, um die Printprodukte vor Ort produzieren zu lassen. Auch dies nimmt das Forschungsprojekt in den Blick und untersucht, wie sich die Unterschiede zwischen den Produkten über die bisherigen Annahmen hinaus auf die Ökonomie und das Management grenzüberschreitender Transaktionen auswirken.

Letztlich ist das Ziel des Projekts, Muster grenzüberschreitender Medienkommunikation zu identifizieren. Dafür erforschen die Wissenschaftler das Volumen und die Intensität grenzüberschreitenden Transaktionen, die Strategien und Ziele von Medienunternehmen sowie die Rolle der Medienmanager in der grenzüberschreitenden Medienkommunikation. Letztere geraten in den Blick, weil sie als Persönlichkeiten mit ihren spezifischen Visionen, ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund die Entscheidungen in Unternehmen wesentlich prägen. Die Entscheidungen der Medienmanager wiederum sind der Ausgangspunkt und der Kern grenzüberschreitender Aktivitäten. Die Identifikation ausländischer Märkte, die Wahl internationaler Kooperationspartner und die Initiierung transnationalen Handels - all diese Aktivitäten basieren auf Entscheidungen, die in kommunikativen Prozessen koordiniert werden. Daher spricht das Projekt nicht von Medienprodukten, sondern von Medienkommunikationen.

Die Projektpartner kombinieren in ihrer Studie drei Analysen: Eine Markt-, eine Organisations- und eine Managementanalyse. Die Marktanalyse sammelt öffentliche und kommerzielle Daten zum transnationalen Handel. Dabei interessiert, wovon wie viel in welches Land verkauft, in welche Länder investiert wird und zwischen welchen Ländern Kooperationen bestehen. Das Problem: Offizielle Daten sind rar. Zwar gibt es eine Vielzahl nichtoffizieller Datenbestände, aber diese basieren meist auf unterschiedlichen Quellen und Methoden. Die Daten lassen sich daher nicht so einfach in einen Topf werfen. Dennoch ist es der Anspruch des Projektteams, diese verstreute Datenbasis zu verknüpfen. Über die Organisationsanalyse sollen schließlich jene Medienunternehmen, die international aktiv sind, identifiziert und Art sowie Umfang ihrer Aktivitäten untersucht werden. Eng damit verbunden und Kern der Studie ist die Managementanalyse. Diese basiert vor allem auf Interviews mit Medienmanagern in den Unternehmen. Muster lassen sich nur erkennen, wenn die Forscher ihren Blick auf eine Vielzahl unterschiedlicher Austauschbeziehungen zwischen unterschiedlichen Ländern richten. Daher untersuchen die Kommunikationswissenschaftler nicht nur ihre Heimatländer, d.h. Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zum Ländersample gehören auch Großbritannien, die Niederlande, Spanien, die USA sowie eines der drei Länder China, Indien und Mexiko.

Am Ende des Projekts wird sich zeigen, was von dem, was wir täglich lesen, hören und sehen, einen internationalen Ursprung hat. Dann sollte auch klarer sein, warum die Deutschen produzieren wollen wie die US-Amerikaner - und nicht bei den Chinesen und Indern abkupfern. Oder etwa doch? Das Forschungsprojekt "Management und Ökonomie grenzüberschreitender Medienkommunikation" ist ein so genanntes D-A-CH-Projekt. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als Lead Agency sowie vom Wissenschaftsfonds FWF in Österreich sowie vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert. Das Projekt läuft seit Juli 2015 und bis Dezember 2017.

Weitere Informationen unter
www.cbmc.info


Pamela Przybylski ist Promovendin am Studiengang Journalistik und wissenschaftliche Mitarbeiterin im hier vorgestellten CBMC-Projekt.

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Quelle:
AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 2/2015, Seite 24-25
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU, 85071 Eichstätt
Telefon: 08421 / 93-21594 oder -21248, Fax: 08421 / 93-21594-0
E-Mail: pressestelle@ku.de
Internet: www.ku.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2015

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