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INTERNATIONAL/099: Mobiltelefone für alle, Toiletten noch lange nicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. April 2013

Entwicklung: Mobiltelefone für alle, Toiletten noch lange nicht

von Thalif Deen


Bild: © Manipadma Jena/IPS

Indische Kinder vor einer Sanitäranlage in einem Slum der indischen Stadt Bhubaneswar, die mit einem Mikrokredit finanziert wurde
Bild: © Manipadma Jena/IPS

New York, 26. April (IPS) - UN-Vizegeneralsekretär Jan Eliasson mag drastische Vergleiche und harte Fakten. Als er kürzlich über die Defizite bei der sanitären Grundversorgung sprach, wies er darauf hin, dass sechs Milliarden der sieben Milliarden Erdenbürger zwar ein Handy besitzen, doch nur 4,5 Milliarden Zugang zu einer Toilette haben. "Somit bleiben 2,5 Milliarden Menschen, überwiegend Landbewohner, ohne Sanitäranlagen."

Dass die Welt mit Mobiltelefonen reicher gesegnet ist als mit Aborten, ist eine Ironie, die auch in einem Cartoon im Weltbankkalender 2013 thematisiert wurde. Gezeigt wird ein Dorfbewohner am Ende der Welt, der in der einen Hand eine Rolle Klopapier und in der anderen ein Smartphone hält, mit dem er über GPS das nächste Klosett zu orten versucht. Auf dem Display des Geräts erscheint die Info: Nächste Toilette zwei Kilometer entfernt."

Im realen Leben haben viele Menschen weit weniger Glück. "So sehen sich 1,1 Milliarden gezwungen, unter freiem Himmel zu defäkieren", betonte Eliasson.

Die Weltbank will nun mit der Hilfe digitaler Technologien und Apps zur Lösung des Problems beitragen. In der dritten Aprilwoche gab sie die drei Preisträger der sogenannten 'Sanitation Hackathon and App Challenge' bekannt, die innovative und lokal relevante Apps rund um das Problem der sanitären Unterversorgung und Hygiene entwickelt haben.


Missstände orten

'Manobi', ein Handy- und Internet-Dienstleister mit Sitz im senegalesischen Dakar, ist Erfinder eines SMS-Info-Tools, das Kindern, Eltern und Lehrern ermöglicht, sich über sanitäre Schulanlagen auszutauschen und zu informieren. 'Sun-Clean' wiederum ist ein App, das eine Gruppe Studierender der Universität von Indonesien entwickelt hat, um Kindern spielerisch beizubringen, wie man sich richtig die Hände wäscht und den Müll entsorgt. Und 'Taarifa', eine Open Source-Web-Anwendung von Programmierern aus Deutschland, Großbritannien, Tansania und USA, ermöglicht Behörden und Organisationen auf sanitäre Missstände zu reagieren, die von Betroffenen selbst digital angezeigt werden.

"Diese Apps sind gute Beispiele für die Vielfalt von Innnovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, die das Sammeln von Informationen und Erziehungsarbeit in Sachen Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene möglich machen", meinte Joseph Pearce, technischer Berater der Hilfsorganisation 'WaterAid' mit Sitz in London.

Pearce zufolge haben diese einfachen Ideen das Potenzial, Leben zu verändern. Allerdings bestehe die große Herausforderung darin, diese Projekte in dauerhafte Lösungen umzumünzen. "Apps werden eine zunehmend wichtige Rolle spielen, Informationen für die Entscheidungsfindung zusammenzutragen, doch fehlt es bislang an einer technischen Lösung, die Infos zu nutzen."

Noch gestaltet sich die Sammlung von Daten als eine kostspielige Angelegenheit, und es bedarf eines politischen Willens, auf die Ergebnisse zu reagieren. Auf der Grundlage der zusammengetragenen Informationen Entscheidungen zu treffen und diese in konkrete Aktivitäten zur Verbesserung der sanitären Grundversorgung umzusetzen, dürfte die größte Herausforderung sein, meinte Pearce.


"Jede noch so kleine Innovation zählt"

Clarissa Brocklehurst, eine ehemaligen Mitarbeiterin des Weltkinderhilfswerks UNICEF, die für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene zuständig war, denkt ähnlich. "Wir sind auf jede noch so kleine Innovation angewiesen, um die große Sanitärkrise zu meistern", betonte sie. Zwar reichten Apps und Webseiten nicht aus, um das Problem zu lösen, könnten aber entscheidende Wege aufzeigen, um es richtig anzupacken.

Technologien in Kombination mit den Know-how von Unternehmern, Strategen, Soziologen und Ingenieuren könnten zu Innovationen führen, meinte Andy Narracott, stellvertretender Geschäftsführer von 'Water and Sanitation for the Urban Poor' (WSUP), einer Partnerschaft aus Hilfsorganisationen, Wirtschaft und Forschung. Auf dieser Prämisse baue auch die Sanitation Hackathon-Initiative auf.

Narracott zufolge muss der Sektor zudem mit ausreichenden Kapazitäten und Finanzmitteln ausgestattet werden, um die gesammelten Informationen in konkrete Projekte überführen zu können, die vor allem den Menschen in den Armenvierteln der Städte in den Entwicklungsländern zugutekommen sollen. "Wir müssen uns jetzt der Herausforderung stellen."

Wie Clarissa Brocklehurst betonte, ist es vor allem wichtig, die sanitäre Krise engagiert anzugehen. Sie wies darauf hin, dass für die internationale Gemeinschaft das Millenniumsentwicklungsziel (MDG), die Zahl der Menschen ohne sanitäre Grundversorgung bis 2015 zu halbieren, nicht fristgerecht erreichbar sei. Blieben zusätzliche Bemühungen aus, könne frühestens 2026 mit der Umsetzung dieses speziellen MDGs gerechnet werden. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.sanitationhackathon.org/
http://taarifa.org/
http://www.wsup.com/
http://www.ipsnews.net/2013/04/cell-phones-yes-toilets-no-world-body-laments/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2013