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INTERNATIONAL/194: Simbabwe - Zambezi News. Politische Satire gegen staatliche Repression (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August 2016

Zambezi News - Politische Satire gegen staatliche Repression
Mit bissigem Humor und grotesker Ironie hält die fiktive Nachrichtenshow Zambezi News dem Mugabe-Regime den Spiegel vor.

von Itai Mushekwe


Witzige Parodien der unprofessionellen Sendungen im Staatsfernsehen begeistern viele Simbabwer. Sie wollen sich nicht länger von der propagandistischen Hofberichterstattung der Regierungspartei berieseln lassen, die trotz ihres Dilettantismus einer staatlich verordneten Gehirnwäsche gleichkommt.

Zambezi News ist ein Kind unserer Zeit und erreicht durch die sozialen Medien vor allem junge Bürgerinnen und Bürger Simbabwes. Nur das Internet bietet noch einen gewissen Freiraum. Hier werden die fiktiven Nachrichtensendungen verbreitet. Diese Tatsache resultiert aus den drakonischen Mediengesetzen, der scharfen Zensur und dem auf vermeintliche Sicherheit fixierten Public Order and Security Act (Posa) mit rigidem Versammlungsverbot. Das waren die Sargnägel für die abgewürgte Rede- und Meinungsfreiheit. Deshalb bleiben der kritischen Kunstszene nur Selbstzensur oder marginale elektronische Nischen. Wenn Kabarettisten Probleme direkt beim Namen nennen, droht ihnen Gefängnishaft. Das Mugabe-Regime hat die öffentliche Satire weitgehend mundtod gemacht - und das in einem Land, in dem sich über Jahrzehnte eine lebendige, kritische und international anerkannte Kulturszene entwickelt hatte. Inzwischen werden unbescholtene Staatsbürger sogar für einen Witz über den Präsidenten auf WhatsApp oder Facebook von der Polizei verprügelt. Ihnen wird zur Last gelegt, sie hätten das Staatsoberhaupt beleidigt.

Wenn man kürzliche Vorgänge in Europa betrachtet, könnte man meinen, das sei kein Ausnahmefall. Denn der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sie würde deutsche Satire opfern, um dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Gefallen zu tun. Über ihn hatte sich Jan Böhmermann im "Neo Magazin Royal" lustig gemacht. Die türkische Regierung verlangte juristische Schritte wegen Majestätsbeleidigung - in dem Fall eines ausländischen Staatschefs - und nahm damit auf ein Gesetz von 1871 Bezug.


Strafen gegen Künstler

In Simbabwe hat Strafverfolgung missliebiger Kulturschaffender eine lange Tradition, die der dortigen Kulturszene schwere Verluste zufügten. So floh der Chimurenga-Superstar Thomas Mapfumo ins Exil in die USA. Er war einer der bedeutendsten Musiker des Landes und hatte sich mit seinen Liedern seit dem Unabhängigkeitskrieg hohes Ansehen erworben. Das brutale Vorgehen des Mugabe-Regimes 2005 kritisierte er von außen. Im gleichen Jahr erschien das Musikalbum "Welcome to Jamrock" von Damian Marley, dem jüngsten Sohn des Reggae-Meisters Bob Marley, und des Rap-Stars Nasir Jones, auch als Nas oder Escobar bekannt. Sie prangerten die Menschenrechtsverbrechen und das wirtschaftliche Desaster des Regimes in Harare an. Paradoxerweise hatte Damians Vater bei den Unabhängigkeitsfeiern Heldenlieder auf Mugabe gesungen. Nun warf das Duo im Lied "Road to Zion" dem Heroen von einst vor, Gewehrläufe an die Köpfe der eigenen Bevölkerung zu halten. Unschuldige Körper würden zu Geistern und Zombies gemacht, lautete ihr Albtraum in 2005. Ein Feuersturm der staatlichen Medien und Behörden war die Folge.

Seit 2011 gibt es Zambezi News, eine Show des Magamba Network. 10.000 Klicks pro Woche beweisen, wie beliebt diese unterhaltsame und gleichzeitig absurde Berichterstattung ist. Neben politisch brisanten Themen parodiert sie das alltägliche Chaos mit hintersinnigem Humor. Völlig überzeichnete Werbespots und Musikvideos durchbrechen das politische Programm - eigentlich sind sie aber mit diesem subversiv verwoben. Als Nachrichtensprecher wirken Samuel Farai Monro alias Jerome Weathers oder Comrade Fasto, Leslie Tongai Makawa alias Mandape Mandape oder Outspoken und Michael Kudakwashe alias Kudzaishe Mushayahembe oder Michael K. Samuel. Farari Monro ist der Produktionsleiter.


Realsatire

Ihre Wurzeln liegen in der simbabwischen HipHop-Szene - der Protestpoesie, die den Verlust zentraler Bürgerrechte anprangerte. Das merkt man, wenn die Gruppe live auftritt - gelegentlich auf Festivals in Simbabwe -, oft von internationalen Gebern gefördert, zudem in Südafrika und in Europa. Sie karikieren rassistische und homophobe Stereotype sowie die heuchlerische Sexualmoral. Sarkastisch kommentieren sie die widersprüchliche Landreform und machen sich über nationalistisch aufgeladene Sportereignisse lustig. Satirische Steilvorlagen bieten die dilettantischen Nachrichtensendungen des Staatsfernsehens, die teilweise wie Realsatire wirken. Zambezi News bietet vor allem jungen Menschen eine andere Sicht auf die Machtpolitik und auf die desaströsen Zustände im Land, die ihnen Zukunfts- und Berufsperspektiven rauben. Und das in einem Staat, der erst durch den mutigen Kampf Hunderttausender junger Leute 1980 seine politische Unabhängigkeit erzielte.

Längst hat der staatliche Sicherheitsapparat, der die Gesellschaft in seinen Klauen hält, der Jugend den Kampf angesagt. Mit Schlägertrupps - oft gedrillte junge Gewalttäter im Regierungsauftrag - und einem weit verzweigten Spitzelsystem wird die Öffentlichkeit seit Jahren in Schockstarre gehalten. Es ist ein kostspieliges Unterfangen, das immer tiefere Löcher in den Staatshaushalt reißt. Das begann mit dem politischen und wirtschaftlichen Niedergang ab 2000 und eskalierte im Umfeld der Wahlen. Solchen Machtmissbrauch karikiert Zambezi News; die Sendung stellt die skrupellose Gewaltbereitschaft und exzessive Korruption fiktiver Parteifunktionäre und Minister bloß. Allerdings wird kein ranghoher Politiker namentlich genannt, insbesondere der Präsident wird nicht erwähnt. Um deren Namen ist ein markantes Absperrband gezogen: "No go". Deshalb ist die Sendung nicht verboten und aus diesem Grund gab es noch keine diplomatischen Dissonanzen.


Subversiver Humor

Trotzdem werden die Satiriker bedroht, neuerdings wird ihnen Arbeit für Weiße, ja sogar Landesverrat unterstellt. Selbst vor Drohungen gegen deren Familienmitglieder schrecken die Schergen des Geheimdienstes nicht zurück. Sie kennen keinen Humor und verstehen keinen Spaß. Lachen über das politische Desaster ist im schlichten Weltbild ihrer paranoiden Auftraggeber eine Majestätsbeleidigung. Aber Humor lässt sich nicht umbringen, genauso wenig wie das Verlangen der Menschen nach Gerechtigkeit. Das sind die Grundlagen der Satire - so lautet zumindest die Meinung der Zambezi News-Macher.

Sie bieten der Medienkommission, der Zensurbehörde und der Polizei die Stirn. Mit Sorge beobachten sie das Vorgehen der Polizei in der Hauptstadt Harare. In einem Klima der Einschüchterung nutzen die Zambezi News das Internet zur Meinungsäußerung. Sobald sie in ländlichen Regionen ihre DVDs verkaufen wollen, müssen sie mit Konfiszierungen rechnen. Die Landbevölkerung soll abgeschottet werden und gehorsam bleiben. Hier ist schon das Hören der DVDs ein subversiver Akt. Die positive Resonanz in Europa interessiert die Regierung nicht, sie kann dem Regime sogar recht sein - denn sie produziert den Schein angeblicher Medienfreiheit. Doch wenn subversive Meinungen im ländlichen Raum Verbreitung finden, läuten die Alarmglocken im Sicherheitsapparat. Tongai Makawa bringt die absurde Situation sarkastisch auf den Punkt: Demnach herrscht einhundert Prozent freie Meinungsäußerung, die Probleme würden aber direkt nach der Meinungsäußerung beginnen.

Dennoch versteht er seine Arbeit als kulturellen Aktivismus. In einem Interview erklärt er: Satire würde wunderbare Möglichkeiten bieten, Menschen zu unterhalten und sie gleichzeitig zu informieren. So könne man Menschen motivieren, über mögliche Problemlösungen nachzudenken. Mit etwas "Zuckerwatte" sei das leichter, als wenn man immer nur negative Energien verbreiten würde. Michael Kudakwashe ergänzt: Es gehe darum, jungen Leuten das eigenständige Denken beizubringen. Sie seien keine Roboter, die nur Befehle empfangen. Doch seiner Meinung nach sind inzwischen viele Kinder in Simbabwe so programmiert: Die Regierung lehrt Gehorsam, anstatt sie im Denken zu unterrichten. Die politischen Kabarettisten hoffen, dass Satire dazu beitragen kann, die Dinge anders zu sehen. Es gehe vor allem darum, Auswege zu erkennen.

Zambezi News baut darauf, weitere gesellschaftliche Gruppen zu erreichen; teilweise erhalten sie schon Zuspruch bei älteren Leuten. Gleichzeitig gibt es viel Kritik von Regimeunterstützern. Aber die ideenreichen Satiriker bleiben zuversichtlich und glauben, Humorschaffende könnten auch in autoritären Regimen durch soziale Medien Einstellungen ändern, dabei schauen sie nach Kenia oder Ägypten. Satire würde jungen Menschen in schwierigen politischen Situationen neue Informations- und Ausdrucksmöglichkeiten bieten. Aber: Politische Satire blüht vor allem im vergleichsweise aufgeschlossenen Senegal und in Südafrika. Ein Blick über den Sambesi beweist: Satire gehört zur lebendigen Demokratie.


Zambezi News-Sendungen sind auf HBS-Webseiten, Reliefweb und Youtube zu sehen.

Der Autor ist freiberuflicher Journalist aus Simbabwe und lebt im Exil.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 4, Juli/August 2016, S. 26-27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2016

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