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MIKROBIOLOGIE/031: Wie der Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa gegenüber Antibiotika resistent wird (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2019

Antibiotika
Rasche Resistenz

von PM/RED


Ein Kieler Forschungsteam untersucht am Beispiel von Mukoviszidose-Erkrankten, wie der Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa resistent gegenüber Antibiotika wird.


Antibiotikaresistente Krankheitserreger stellen weltweit eine der größten Gefahren für die Öffentliche Gesundheit dar. In naher Zukunft könnten eigentlich harmlose Bakterieninfektionen nicht mehr behandelbar sein und erneut zu den häufigsten nicht-natürlichen Todesursachen werden. Gleichzeitig wird das zur Verfügung stehende Repertoire an antibakteriellen Wirkstoffen durch die steigenden Resistenzraten kleiner. Die prinzipiellen Mechanismen der Resistenzevolution, also die Anpassungen eines Krankheitskeims an die Wirkungsweise eines Medikaments, sind experimentell gut erforscht. Wie sich eine solche Behandlungsunempfindlichkeit gegenüber bestimmten Erregern bei einzelnen Patienten im Zuge einer Standard-Antibiotikatherapie entwickelt, wurde bisher noch wenig untersucht.

Ein Forschungsteam aus der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat die Resistenzentwicklung des Erregers Pseudomonas aeruginosa am Beispiel einer kleinen Gruppe von Mukoviszidose-Patienten im Detail untersucht. Erstmals erforschten sie, in welchem Umfang die Resistenzbildung des Keims bereits im Laufe eines einzelnen Anwendungszyklus der Antibiotikatherapie abläuft. Tatsächlich bildeten sich bei rund einem Drittel der Betroffenen rasch Unempfindlichkeiten des Erregers gegenüber der Behandlung. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind im Rahmen des Leibniz Wissenschafts-Campus "EvoLUNG" und des Exzellenzclusters "Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen" (PMI) entstanden und wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Antimicrobial Chemotherapy veröffentlicht.

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In künftigen Forschungsarbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters PMI wollen Wissenschaftler evolutionsbasierte Strategien gegen die Resistenzbildung auch im klinischen Umfeld untersuchen, die sich in Laborexperimenten als vielversprechend erwiesen haben. "Die Abläufe der Resistenzevolution sind grundsätzlich vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um ein Laborexperiment mit einem bestimmten einzelnen Bakterium oder die Behandlung einer bakteriellen Infektion bei Patienten handelt", sagte Prof. Hinrich Schulenburg, Leiter der CAU-Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik.
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Das Forschungsteam konzentrierte sich in der Studie auf eine kleine Gruppe von Mukoviszidose-Patienten. Die bislang unheilbare Krankheit, auch als zystische Fibrose bekannt, beruht auf einem gestörten zellulären Wassertransport und führt zu zähflüssigen Körpersekreten und damit verbundenen Funktionsstörungen zahlreicher Organe. Sie betrifft insbesondere Atemwege und Lunge und macht die Erkrankten anfällig für Infektionen. Bei den meisten erwachsenen Betroffenen ist für Lungeninfektionen der Erreger Pseudomonas aeruginosa verantwortlich. Sie müssen in der Folge häufig oder permanent mit Antibiotika behandelt werden.

Um zu beobachten, ob bereits im Zuge einer einzelnen antibiotischen Standardbehandlung mit zwei oder mehreren parallel verabreichten Wirkstoffen Resistenzen entstehen, untersuchten die Wissenschaftler täglich das Bronchialsekret der Betroffenen und entnahmen daraus Pseudomonas-Bakterien. So konnten sie den Verlauf der Anpassung des Keims an die Therapie im Verlauf von 14 Tagen untersuchen. "Bei etwa jedem dritten Erkrankten passte sich der Erreger überraschend schnell an die Medikamentengabe an und es bildeten sich innerhalb von einem bis drei Tagen Antibiotikaresistenzen", fasste Dr. Leif Tüffers, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik, zusammen. "Die schnelle Resistenzentwicklung betraf vor allem neu verabreichte Antibiotika aus der Wirkstoffklasse der Betalactame", sagte Tüffers.

Diese erstmals in Echtzeit an Patienten im klinischen Alltag gewonnenen Erkenntnisse decken sich mit den experimentellen Beobachtungen aus vorangegangenen Laborexperimenten mit dem Pseudomonas-Erreger. Zwar entwickeln sich Resistenzen im Labor schneller, teilweise innerhalb weniger Stunden, allerdings wachsen die Bakterien im Körper der Erkrankten deutlich langsamer. Worauf die besonders schnelle Resistenzbildung gegenüber den Betalactam-Antibiotika beruht, zu denen auch das Penicillin gehört, ist noch nicht vollständig geklärt. "Möglicherweise geschieht diese schnelle Anpassung an das Medikament infolge spontan entstehender, neuer Mutationen bestimmter Resistenzgene des Krankheitskeims", sagte Tüffers.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201912/h19124a.htm

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Dezember 2019, Seite 42
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2020

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