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NEUROLOGIE/742: PET zeigt Erfolgsaussichten einer Operation bei engem Halswirbelkanal (idw)


Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin / Kommunikation - 28.05.2013

Drohende Querschnittslähmung bei verengtem Halswirbelkanal

PET zeigt, ob eine Operation die Beschwerden bessert



Düsseldorf - Der verengte Halswirbelkanal ist ein Rückenleiden, das meist in der zweiten Lebenshälfte auftritt und bis zur Querschnittslähmung führen kann. Grund sind Wucherungen von Knochen und Bändern, die aufs Rückenmark drücken. Wenn Physiotherapie nicht mehr hilft, beseitigen Neurochirurgen die Einengung mit dem Skalpell. Bislang gab es jedoch keine Möglichkeit, die Erfolgsaussichten dieser Operation vorherzusagen. Eine neue Studie zeigt, dass eine Stoffwechseluntersuchung im Positronen-Emissions-Tomographen (PET) Auskunft geben kann, wie stark sich die Beschwerden bessern werden.

"Das PET hilft, den Krankheitsverlauf nach einer Operation besser abzuschätzen", erklärt Privatdozent Dr. med. Jörg Herdmann auf der 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC). Erkrankungen der Wirbelsäule sind ein Schwerpunkt der DGNC-Jahrestagung, die vom 26. bis 29. Mai in Düsseldorf stattfindet.

Beim verengten Halswirbelkanal - einer zervikalen Spinalkanalstenose - drücken knöcherne Wucherungen auf das sensible Rückenmark. Die Folge können Taubheitsgefühle und Bewegungseinschränkungen an Händen und Beinen sein, im schlimmsten Fall eine Querschnittslähmung. Um dies zu verhindern, tragen Chirurgen die knöchernen Wucherungen mit dem Skalpell ab und befreien das eingequetschte Rückenmark. "Manche Patienten erholen sich sehr gut, bei anderen kommt es trotz vollständiger Befreiung des Rückenmarks zu keiner Besserung", berichtet Dr. med. Jörg Herdmann, Chefarzt der Klinik Wirbelsäule & Schmerz am St. Vinzenz Krankenhaus Düsseldorf. "Weshalb die Ergebnisse unterschiedlich sind, blieb bislang unklar", setzt der Co-Präsident der 64. DGNC-Jahrestagung hinzu.

Neue Erkenntnisse liefert nun eine spezielle Stoffwechseluntersuchung im Positronen-Emissions-Tomographen (PET). Dabei spritzen die Ärzte den Patienten radioaktiv markierte Glukose, um anschließend die Verteilung dieses Energieträgers im Rückenmark zu messen. "Bei gesunden Menschen ohne Spinalkanalstenose fanden wir eine ganz gleichmäßige Glukose-Verteilung im Rückenmark", erläutert Studienautor Herdmann.

Spinalkanalstenose-Patienten zeigten dagegen eine ungleichmäßige Glukose-Aufnahme an der Engstelle. "Besonders interessant war für uns die Beobachtung, dass sich bei einigen die Glukose an der Engstelle stärker anreicherte, bei anderen auffallend schwach", berichtet Jörg Herdmann. Das Forschungsteam fand heraus, dass diese beiden veränderten Stoffwechsellagen unmittelbar im Zusammenhang mit dem Erfolg der Operation standen. "Bei einer starken Glukoseanreicherung besserte sich das Krankheitsbild nach dem Eingriff gut bis exzellent, im Fall einer geringen Anreicherung bildeten sich die Beschwerden nach der Operation nur gering oder gar nicht zurück", so Herdmann.

Die Wissenschaftler nehmen an, dass Entzündungsprozesse für die unterschiedliche Glukoseanreicherung im PET verantwortlich sind. "Dort, wo das Rückenmark eingeengt wird, kommt es vermutlich zunächst zu einer Entzündung", erklärt Herdmann. "In Folge dieser Entzündung wandern weiße Blutkörperchen ins geschädigte Gewebe. Die Immunzellen verbrauchen viel Glukose, was sich im PET als starke Anreicherung darstellt." Hält der Druck auf das Rückenmark aber dauerhaft an, schrumpfe das Gewebe schließlich und die Entzündungsprozesse klingen ab. "Damit weist eine starke Glukoseanreicherung auf ein frühes Krankheitsstadium hin, eine schwache Glukoseanreicherung dagegen auf eine fortgeschrittene Schädigung", erklärt Herdmann.

Die Studie erlaube zwei Schlussfolgerungen, bilanziert der DGNC-Experte. Zeige das PET bei einer Spinalkanalstenose eine starke Glukose-Anreicherung im Bereich der Engstelle, sind die Erfolgsaussichten einer Operation gut. "In diesem Fall ist es darüber hinaus sinnvoll, vor der Operation die Entzündung im Nervengewebe über einen Zeitraum von sieben Tagen mit Kortisontabletten einzudämmen", betont Neurochirurg Jörg Herdmann.


Quellen:

Eicker SO, Langen KJ, Galldiks N, Stoffels G, Steiger HJ, Herdmann J, Floeth FW:
Clinical value of 2-deoxy-[18F]fluoro-D-glucose Positron-Emission-Tomography in patients with cervical spondylotic myelopathy; Neurosurg Focus
Accepted 3.2013

Floeth FW, Galldiks N, Stoffels G, Eicker SO, Herdmann J, Steiger HJ, Antoch G, Rhee S, Langen KJ:
Focal Hypermetabolism in 18F-FDG PET Indicates Potential of Postsurgical Recovery in Patients with Cervical Myelopathy. J Nucl Med.
Accepted 4.2013


Weitere Informationen
sowie das Programm der 64. DGNC-Jahrestagung sind unter
www.dgnc.de/2013/ abrufbar.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgnc.de/2013/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution76

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin - Kommunikation, 28.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013