GEMEINSAME PRESSEINFORMATION
der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) - 26.04.2018
Neue Migräne-Leitlinie veröffentlicht: Patienten in Deutschland müssen besser versorgt werden
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) haben heute neue Empfehlungen für die Therapie der Migräneattacke und die Prophylaxe der Migräne vorgelegt
"Migränepatienten sind in Deutschland nicht ausreichend versorgt. Die Behandlungsmöglichkeiten werden derzeit nicht bei allen Patienten ausgeschöpft", so Professor Hans-Christoph Diener, Kopfschmerzexperte der DGN, der die Leitlinienarbeit gemeinsam mit PD Dr. Charly Gaul und Professor Peter Kropp, beide von der DMKG, koordiniert hat.
Die neue Leitlinie soll die Versorgungssituation für Kinder und Erwachsene mit Migräne verbessern. Sie gibt Ärzten und Patienten einen umfassenden Überblick, was nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Medizin akut und vorbeugend gegen die häufige Kopfschmerzerkrankung hilft - und was nicht. Das knapp 100 Seiten umfassende Nachschlagewerk gewichtet medikamentöse, nicht medikamentöse und interventionelle Verfahren und nimmt Stellung zu Therapien ohne Wirksamkeitsnachweis. Die Leitlinie, die auch Sondersituationen wie Migräne in der Schwangerschaft beleuchtet, ist auf der Webseite der DGN (www.dgn.org/leitlinien) sowie unter www.dmkg.de und www.awmf.org frei zugänglich.
Migräne ist die häufigste neurologische Erkrankung, an der in Deutschland etwa acht bis zehn Prozent der Männer und zehn bis 25 Prozent aller Frauen leiden. Die Kopfschmerzerkrankung kann das Leben enorm beeinträchtigen, wie die "Global Burden of Disease"-Erhebung belegt. Sie misst die Beeinträchtigung durch eine Erkrankung nach dem Parameter "Years lived with disability". In der Altersgruppe der 15-49-Jährigen nimmt die Migräne unter allen neurologischen Krankheiten Platz eins ein.
Eine aktuelle Repräsentativbefragung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) in Deutschland zeigt, dass die Prophylaxe-Möglichkeiten kaum ausgeschöpft werden. Weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Migränepatienten werden beim Hausarzt oder Internisten zu vorbeugenden Maßnahmen beraten; selbst beim Facharzt bekommen zu wenige Patienten (57 Prozent) entsprechende Informationen. "Nur 22 Prozent der Migränepatienten, die von einer Prophylaxe profitieren könnten, erhalten auch vorbeugende Medikamente oder Maßnahmen", erläutert PD Dr. Charly Gaul, Generalsekretär und Pressesprecher der DMKG. "Dass auch nicht medikamentöse Maßnahmen in der Migränebehandlung eingesetzt werden können, wissen viele Patienten gar nicht."
"Die neue Migräne-Leitlinie ist eine Fortentwicklung von sechs deutschen und internationalen Leitlinien und derzeit der aktuellste Leitfaden zur Migränebehandlung", sagt Professor Diener. Die Publikation, an der 23 Neurologinnen und Neurologen, Verhaltenspsychologinnen und Verhaltenspsychologen im Auftrag der DGN und der DMKG mitgearbeitet haben, ist für Hausärzte und Internisten ebenso relevant wie für Neurologen, Nervenärzte und Schmerztherapeuten. Auch Nichtmediziner können die frei zugängliche Leitlinie online abrufen.
Die Leitlinie gibt dezidierte Empfehlungen zu allen in der Akuttherapie und Prophylaxe eingesetzten Medikamenten. Neu ist die Erkenntnis, dass bei chronischer Migräne und mit oder ohne Gebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln Topiramat und Onabotulinumtoxin A wirksam sind. Zur Migräneprophylaxe bei Kindern konnte angesichts einer sehr hohen Placeborate keine therapeutische Überlegenheit von Valproinsäure, Topiramat oder Amitriptylin gezeigt werden. Bei der Akuttherapie der Migräneattacken sind nach wie vor die Triptane am besten wirksam mit einem sehr guten Sicherheitsprofil. Die Wirksamkeit der Betablocker Metoprolol und Propranolol, des Kalziumantagonisten Flunarizin, der Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure und des trizyklischen Antidepressivums Amitriptylin sind in der Migräneprophylaxe am besten durch randomisierte Studien belegt.
Die medikamentöse Therapie sollte durch nicht medikamentöse Verfahren ergänzt werden. "Regelmäßiger Ausdauersport hilft, Migräneattacken vorzubeugen. Auch Entspannungsverfahren und Stressmanagement haben sich in der Prophylaxe als wirksam erwiesen", sagt Professor Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock. "Die nicht medikamentösen Verfahren aus der Verhaltenstherapie sind so wirksam, dass sie als Alternative zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden können."
Quelle
Diener H.-C. et al. S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und
Prophylaxe der Migräne. 2018. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie,
Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online:
www.dgn.org/leitlinien und www.awmf.org und www.dmkg.de
Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
Die Leitlinien der DGN
Die Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener (Essen) und Prof.
Dr. Christian Gerloff (Hamburg) bringt mit ihren circa 80 medizinischen
Leitlinien neue wissenschaftliche Erkenntnisse schnellstmöglich in die
therapeutische Praxis und damit an die Patienten mit neurologischen
Erkrankungen. Leitlinien spielen damit eine wichtige Rolle für die
schnelle und kompetente Verbreitung von Forschungsergebnissen. Verfasst
werden die Leitlinien für Diagnostik und Therapie von ausgewiesenen
Experten auf dem jeweiligen Gebiet, unter Beteiligung von österreichischen
und Schweizer Neurologen, teilweise auch unter Beteiligung von Therapeuten
und Patientenvertretern. Wichtig ist die bestmögliche Objektivität der
ausgesprochenen Empfehlungen. Aus diesem Grund erfolgen die
Zusammenstellung der Leitliniengruppe und die Konsensfindung bei
Empfehlungen nach klaren Vorgaben auf Basis des Regelwerks der
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF). Alle Leitlinien der DGN sind auf www.dgn.org
frei zugänglich publiziert.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen
Verantwortung, mit ihren rund 9.000 Mitgliedern die neurologische
Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN
Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der
Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion.
Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle
ist Berlin.
www.dgn.org
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/56-pressemitteilung-2018/3587-neue-migraene-leitlinie-veroeffentlicht-patienten-in-deutschland-muessen-besser-versorgt-werden
Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/attachment65419
Pressemitteilung als PDF
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1276
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Frank A. Miltner, 26.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2018
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