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ONKOLOGIE/1640: Kein erhöhtes Risiko für Zweittumore durch Strahlentherapie bei Enddarm- oder Gebärmutterkrebs (idw)


Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin - Kommunikation, 30.01.2015

Kein erhöhtes Risiko für Zweittumore durch Strahlentherapie bei Enddarm- oder Gebärmutterkrebs



Berlin - Wer eine Krebserkrankung von Enddarm oder Gebärmutter überlebt hat, erkrankt in den Folgejahren dreimal häufiger als andere Menschen erneut an einem bösartigen Tumor. Fester Bestandteil der Therapie ist heute die Bestrahlung der Beckenorgane. Eine aktuelle Studie aus den Niederlanden zeigt, dass die Radiotherapie nicht für diese erhöhte Rate von sekundären Krebserkrankungen verantwortlich ist. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) bewertet diese Ergebnisse als wichtig und hilfreich für die Beratung der Patienten, da sie zeigen, wie sicher die Strahlentherapie bei diesen Krebserkrankungen ist.

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 62 000 Männer und Frauen neu an einem Rektumkarzinom. Die Zahl der neu erkrankten Frauen mit Gebärmutterkrebs, dem Endometriumkarzinom, liegt bei etwa 11 500 pro Jahr. Die meisten dieser Patienten erhalten heute eine Radiotherapie. "Die Radiotherapie bringt Vorteile für die lokale Tumorkontrolle, das heißt, sie senkt die Zahl der Tumorrückfälle und erspart vielen Patienten eine erneute Operation", erläutert Professor Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Universität Lübeck. Bislang war jedoch unklar, ob es durch die Bestrahlung einen langfristigen Überlebensnachteil gibt, erklärt das DEGRO-Vorstandsmitglied. "Patienten, die von einer Krebsbehandlung geheilt sind, haben ein erhöhtes Risiko, in den nächsten Jahrzehnten noch einmal an einem Krebs zu erkranken. Unklar war bislang, ob oder welche Rolle die Strahlentherapie dabei spielen könnte." Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass viele Menschen, die ein Endometrium- oder Rektumkarzinom überlebt haben, später erneut an Krebs erkranken. Eine Auswertung des US-amerikanischen Krebsregisters hatte vermuten lassen, dass bis zu acht Prozent dieser sekundären Tumore eine Spätfolge der Strahlentherapie sein könnten.

"Diese Zahlen müssen nach einer neuen Untersuchung aus den Niederlanden revidiert werden", sagt Professor Dunst. Ein Team um Corrie Marijnen von der Universität Leiden hatte die Daten aus drei großen Therapiestudien ausgewertet. Insgesamt 2554 Patienten waren nach einer Behandlung ihres Rektum- oder Endometriumkarzinoms nachbeobachtet worden. Jeder vierte Patient erkrankte innerhalb von fünfzehn Jahren erneut an Krebs. Die meisten Patienten entwickelten einen Hautkrebs oder Krebserkrankungen fern der Bestrahlungsfelder. Es gab jedoch auch Tumore im Bereich von Darm und Harnwegsorganen, die im Bestrahlungsfeld der Radiotherapie lagen.

Die niederländischen Forscher fanden allerdings heraus, dass Patienten, die keine Radiotherapie erhalten hatten, ebenso häufig an einem sekundären Krebs erkrankten wie solche, die bestrahlt worden waren. Mit Radiotherapie betrug die Rate nach 15 Jahren 25,6 Prozent, ohne Radiotherapie 26,5 Prozent. Auch im Beckenbereich kam es nicht zu vermehrten Krebserkrankungen. "Dies zeigt, dass die hohe Zahl von sekundären Krebserkrankungen andere Gründe als die Radiotherapie gehabt haben muss", sagt der Experte. Er vermutet, dass bei vielen Patienten die Ursachen für die Krebsentstehung weiter bestanden. "Dies können Verhaltensweisen der Patienten sein oder eine genetische Anfälligkeit für Krebs", so Professor Dunst.

"Die Ergebnisse sind für alle Patienten mit Rektum- und Endometriumkarzinom eine gute Nachricht", sagt Professor Dr. med. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim und Pressesprecher der DEGRO. "Sie können sich für eine Radiotherapie entscheiden, ohne dass die Gefahr von sekundären Krebserkrankungen steigt", so Professor Wenz. Ob diese Ergebnisse uneingeschränkt auf andere Krebserkrankungen oder Personengruppen übertragen werden können, müssen weitere Untersuchungen zeigen, ergänzt der DEGRO-Pressesprecher.


Literatur:
Wiltink LM, Nout RA, Fiocco M, Meershoek-Klein Kranenbarg E, Jürgenliemk- Schulz IM, Jobsen JJ, Nagtegaal ID, Rutten HJ, van de Velde CJ, Creutzberg CL, Marijnen CA. No Increased Risk of Second Cancer After Radiotherapy in Patients Treated for Rectal or Endometrial Cancer in the Randomized TME, PORTEC-1, and PORTEC-2 Trials. J Clin Oncol. 2014; doi:
10.1200/JCO.2014.58.6693. Abstract:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25534376


Zur Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.degro.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution76

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin - Kommunikation, 30.01.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2015


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