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ONKOLOGIE/1897: Kooperation über die Grenze hinweg (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2018

Onkologie
Kooperation über die Grenze hinweg

von Uwe Groenewold


Beim Forschungsprojekt InnoCan arbeiten dänische und deutsche Forscher Hand in Hand für die Versorgungsforschung und für die konkrete Patientenversorgung auf beiden Seiten der Grenze.


Die Qualität der Krebsbehandlung bewahren und verbessern - das ist das Ziel des 2015 initiierten deutsch-dänischen Forschungsprojekts InnoCan. Die grenzüberschreitende Krebsforschung wird noch bis Ende 2018 von der EU Interreg mit insgesamt 4,27 Millionen Euro gefördert.

Um bis zu 30 Prozent wird die Zahl der Krebserkrankungen in der Region in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich steigen; insbesondere die gestiegene Lebenserwartung ist hierfür verantwortlich. Deutsche und dänische Wissenschaftler wollen in dem gemeinsamen Projekt die Krebsversorgung optimieren und schonendere Behandlungsmethoden entwickeln. An InnoCan ("Innovative High Technology Cancer Treatment") sind insgesamt zehn Universitäten, Kliniken, Institutionen und Wirtschaftsunternehmen dies- und jenseits der Ländergrenze beteiligt.

"Die Idee zu InnoCan wurde als Folge der erfolgreichen deutsch-dänischen Zusammenarbeit im 'Krebsforschung Fehmarnbelt-Projekt' entwickelt", erklärt Prof. Dirk Rades, Leiter der Klinik für Strahlentherapie am UKSH-Campus Lübeck, auf Anfrage des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes.

"Gemeinsam mit unseren dänischen Partnern wurden drei Bereiche definiert, die durch eine binationale Kooperation zur Verbesserung der Versorgung von Krebspatienten führen können: gemeinsame klinische Studien, ein gemeinsames Krebsregister und ein gemeinsames Testcenter." Das Testcenter solle insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen dabei unterstützen, innovative Produkte, von denen Krebspatienten profitieren können, schneller auf den Markt zu bringen, so Rades. Geprüft wird derzeit etwa ein Gerät zur Messung von Vitalparametern, das die Temperatur der Körperoberfläche sowie Atem- und Herzfrequenz misst und dessen Ergebnisse per Bluetooth auf einem Tablett abgelesen werden können. Ähnlich funktioniert ein Gerät, das Blutuntersuchungen zu Hause ermöglichen soll. Rades: "Hinzu kommt, dass durch die Interreg-Förderung klinische Studien mit dem Ziel, die Behandlung von Krebspatienten zu verbessern, ermöglicht wurden, die wir sonst mangels finanzieller Ressourcen nicht hätten durchführen können."

Auch Prof. Alexander Katalinic, Leiter des Instituts für Krebsepidemiologie der Universität Lübeck, war bereits an dem Fehmarnbelt-Projekt beteiligt: "Als sich die Chance für ein Folgeprojekt ergab, haben wir zusammen mit der Krebsgesellschaft Dänemark sofort ein Arbeitspaket geschnürt. Wir sind froh, dass es geklappt hat und wir nun die onkologische Versorgung in beiden Ländern tiefergehend und datengestützt untersuchen können."

"Die internationale Zusammenarbeit von zwei sehr unterschiedlichen Gesundheitssystemen gibt uns die Möglichkeit, voneinander zu lernen und die Vorteile beider Systeme zum Wohle der Patienten zu nutzen."

Krebserkrankungen werden in beiden Ländern aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitssysteme gänzlich unterschiedlich versorgt. "Wir hoffen, aus den Unterschieden zwischen den Ländern Verbesserungspotenziale für beide Regionen ableiten zu können", sagt Katalinic. Derzeit wird untersucht, ob sich ein in Dänemark entwickeltes Verfahren zur Einbeziehung der Patienten auf das deutsche Gesundheitssystem übertragen lässt; eine entsprechende Pilotstudie in Schleswig-Holstein wurde in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht. 400 Brust- und Darmkrebspatienten werden zu Erfahrungen mit der medizinischen Versorgung sowie zur Zufriedenheit mit Lebensqualität und Arbeitsvermögen befragt. Katalinic: "Wir sind sehr gespannt, wie sich die Antworten von dänischen und deutschen Patienten unterscheiden." Initiiert wurde auch eine gemeinsame Datenbank mit Krebsregisterfällen aus beiden Ländern, die derzeit ausgewertet wird. "Besonders interessiert uns der Vergleich von Überlebensraten nach Krebserkrankungen zwischen den beiden Regionen. Gibt es Unterschiede im Überleben, und wenn ja, worauf könnten diese zurückzuführen sein?"

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit betrifft nicht nur die Versorgungsforschung, sondern auch den klinischen Bereich - ist doch neben den beiden UKSH-Kliniken für Strahlentherapie Kiel und Lübeck auch die onkologische Abteilung der Universitätsklinik Odense an InnoCan beteiligt. "Für Patienten mit geringer Lebenserwartung zählt jeder Tag, an dem sie keine Therapie erhalten müssen. In einer Studie setzen wir modernste Bestrahlungstechniken ein, um eine Verkürzung der Behandlungszeit bei Patienten mit Metastasen zu ermöglichen", sagte Rades. Das Ziel einer weiteren Studie sei die Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren. Bis zum Ende der Projektlaufzeit im Dezember 2018 sollen mindestens vier der sechs gemeinsamen klinischen Studien abgeschlossen sein, inklusive der Einreichung wissenschaftlicher Publikationen.

Rades' Beweggründe für den nicht alltäglichen länderübergreifenden Austausch: "Die internationale Zusammenarbeit von zwei sehr unterschiedlichen Gesundheitssystemen gibt uns die Möglichkeit, voneinander zu lernen und die Vorteile beider Systeme zum Wohl der Patienten zu nutzen." Auch Katalinic begrüßt die auf Nachhaltigkeit angelegte deutsch-dänische Kooperation: "Schon beim Vorläuferprojekt Krebsforschung Fehmarnbelt haben wir erleben dürfen, wie wichtig und inspirierend der Blick über den Tellerrand hinaus in ein anderes Land sein kann. Dazu muss man sich kennenlernen, sich verstehen, gemeinsam Daten sammeln und gemeinsam auswerten. Solche grenzüberschreitenden Auswertungen sind etwas ganz Besonderes; das war auch meine persönliche Motivation, mich für InnoCan einzusetzen."


InnoCan

Projektpartner auf deutscher Seite sind die UKSH-Kliniken für Strahlentherapie in Lübeck und Kiel, die beiden Universitäten und das Krebsregister. In Dänemark sind die Projektpartner die Region Seeland, Produktion, Forschung und Innovation (PFI), Odense Universitetshospital, University College Sjaelland, Designskolen Kolding Cortrium ApS/GmbH, Kraeftens Bekaempelse.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201801/h18014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2018, Seite 20 - 21
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2018

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