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AUGEN/350: Erste klinische Studien zur Gentherapie bei Netzhautkrankheiten ausgewertet (DOG)


DOG - Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft - 17. April 2012

Gentherapie gegen erbliche Netzhautkrankheiten



München - Gentherapien könnten in der Augenheilkunde bald häufiger zum Einsatz kommen: Erste klinische Studien haben die prinzipielle Sicherheit und potenzielle Wirksamkeit dieser Therapie für Netzhautdystrophien belegt. Bei diesem vielgestaltigen Krankheitsbild gehen Teile der Netzhaut des Auges zugrunde - häufig schon von Geburt an. Die Patienten leiden unter schweren Sehstörungen oder erblinden sogar völlig. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) rechnet damit, dass die Indikationen für eine Gentherapie in der Augenheilkunde zunehmen werden.

Veränderungen im Erbmaterial können Entwicklung und Funktion der Netzhaut behindern. Durch die genetischen Fehler nehmen auch jene Sinneszellen Schaden, die Licht in Nervensignale umwandeln. "Jeder einzelne Gendefekt ist selten, doch insgesamt stellen erbliche Netzhautdystrophien die häufigste Ursache für Erblindungen im Alter von 21 bis 60 Jahren dar", erläutert Professor Dr. med. Christian Ohrloff, Pressesprecher der DOG aus Frankfurt. Bislang gab es keine wirksame Therapie - abgesehen von wenigen Ausnahmen, bei denen eine Ernährungsumstellung den Krankheitsverlauf milderte. Dies wird sich nach Einschätzung der DOG in den nächsten Jahren ändern.

Eine Gentherapie könnte eine Netzhautdystrophie lindern, indem sie eine korrekte Version des defekten Gens in der Netzhaut installiert. Dafür spritzt der Arzt speziell veränderte Viren, welche das intakte Gen tragen, direkt unter die Netzhaut des Patienten. "Das Auge bietet geradezu ideale Bedingungen für eine Gentherapie", erläutert Professor Dr. med. Peter Charbel Issa von der Universitäts-Augenklinik Bonn. Die Behandlung erfolge in einem abgegrenzten Raum am Augenhintergrund. Aufgrund der geringen Größe seien auch nur geringe Virusmengen erforderlich. "Die Therapie ist nebenwirkungsarm und die Kosten für die Produktion überschaubar", sagt der Experte für Erkrankungen der hinteren Augenabschnitte.

Die erste Gentherapie einer Netzhautdystrophie führten Augenärzte vor fünf Jahren in den USA und Großbritannien bei Patienten mit Leber?scher Congenitaler Amaurose (LCA) durch, einer Variante der Netzhautdystrophie. Neben der LCA werden derzeit zwei weitere Erkrankungen, die Chorioidermie und der Morbus Stargardt, in Studien behandelt. "Gentherapien für weitere Netzhautdystrophien werden folgen", erwartet Professor Charbel Issa: "Es sind derzeit 175 Gene bekannt, deren Mutation zur Entwicklung einer Netzhautdystrophie führt."

Nicht nur die Einsatzgebiete, auch die Gentherapie entwickelt sich. "Bislang musste die Therapie erfolgen, bevor es zum Untergang der Sinneszellen gekommen war", so Charbel Issa. In Zukunft könnten die Gene auch in Ersatzzellen der Photorezeptoren eingebaut werden. "Die Optogenetik würde dann auch bereits erblindeten Menschen eine begrenzte Sehfähigkeit zurückgeben", hofft der Experte.

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft weist darauf hin, dass sich die Gentherapien bislang in einem experimentellen Stadium befinden. Die Behandlung findet ausschließlich im Rahmen klinischer Studien statt. "In Zukunft werden wir unsere Patienten mit Netzhautdystrophien jedoch genauer untersuchen müssen", sagt Professor Charbel Issa: "Ein Gentest wird dann zeigen, ob eine Gentherapie für den Patienten infrage kommt."


Literatur:

P. Charbel Issa. Therapiekonzepte bei erblichen Netzhautdystrophien; Ophthalmologe 2012; 109: 110-111

P. Charbel Issa, M. Groppe, R.E. MacLaren. Gentherapie bei Netzhautdystrophien. Ophthalmologe 2012; 109: 121-128


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DOG - Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012