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BILDUNG/1062: Weiterbildung neu denken (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2017

Weiterbildung
Diskussion und offene Fragen vor dem großen Umbruch

von Dr. Carsten Leffmann


Weiterbildung ist und bleibt eine Kernaufgabe der Ärztekammern. Der neue Rahmen dafür wird derzeit erarbeitet. Ziel ist eine fachlich-inhaltliche Modernisierung.


Nach der Approbation stehen jungen Nachwuchsmedizinern 33 fachärztliche Gebiete und 48 Zusatz-Weiterbildungen offen. Gebändigt wird diese Vielfalt und Komplexität über die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und die darauf basierenden Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern.

Damit die bei der Vielzahl von Interessen und ständigen Veränderungen in der Gesundheitsversorgung nicht unter die Räder kommt, arbeitet die Bundesärztekammer unter Federführung von Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann mit Hochdruck an einer neuen, dringend benötigten Musterweiterbildungsordnung. Ziel ist nicht nur, Ärzten in Weiterbildung berechenbare und verlässliche Inhalte und Zeiten an die Hand zu geben. Zugleich wird eine bundeseinheitlich verbindliche Mindestdokumentation angestrebt. Kernstück der neuen Weiterbildungsordnung sollen Weiterbildungsblöcke sein, deren erfolgreiche Absolvierung nach der Kennen-Können-Beherrschen-Systematik zu bewerten ist, womit auch auf die Weiterbildungsbefugten als zentral Verantwortliche neue Herausforderungen zukommen. Der Meinungsbildungsprozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen. So wird derzeit etwa über die Weiterbildungszeit diskutiert; diese ist in Deutschland mit fünf Jahren länger als bei den meisten Nachbarn. Verfechter einer Anpassung an EU-Vorgaben treten faktisch für eine Kürzung der Weiterbildungszeit ein. Offen ist auch noch, ob Forschungszeiten anrechenbar sein werden und wie die Dokumentation zu erfolgen hat. Logbücher haben sich zwar etabliert, werden von den einzelnen Landesärztekammern aber unterschiedlich gehandhabt. Was das an administrativen und praktischen Problemen für die Ärzte und ihre Körperschaften mit sich bringt wird deutlich, wenn man sich eine Zahl vor Augen hält: Jedes Jahr verzeichnet die Ärztekammer Schleswig-Holstein Zu- oder Abgänge von 1.800 Ärzten - das sind mehr als zehn Prozent ihrer Mitglieder. Ärzte in Weiterbildung sind ein entscheidender Faktor bei dieser Fluktuation - ein wichtiges Argument für eine starke IT-Unterstützung, aber auch für länderübergreifende Lösungen.


Ärztlicher Nachwuchs
Weiterbildung neu denken

Eine fachlich-inhaltliche Modernisierung der aktuellen Weiterbildungsordnung ist überfällig, aber auch eine neue Bildungssystematik.


Im Rahmen der Selbstverwaltung gibt sich die Ärzteschaft mit gesetzlichem Auftrag ein Regelwerk für die ärztliche Weiterbildung nach der Approbation. Das ist auch gut so!

Wer sonst sollte die Vielfalt und Komplexität bei 33 fachärztlichen Gebieten mit ihren zahlreichen Facharztbezeichnungen und Schwerpunkten und 48 - teilweise gebietsübergreifenden - Zusatz-Weiterbildungen "bändigen" können? Die aktuelle Weiterbildungsordnung ist aber nunmehr fast fünfzehn Jahre alt und bedarf daher schon mal ganz sicher einer fachlich-inhaltlichen Modernisierung. Immer deutlicher wird allerdings auch, dass die zugrunde liegende Bildungssystematik über die Jahrzehnte lediglich fortgeschrieben wurde und nicht mehr so recht in die heutige Gesundheitsversorgung passt. Die Weiterbildung droht vielmehr "unter die Räder zu kommen".

Das bestehende System der ärztlichen Weiterbildung basiert eher auf einem traditionellen "Lehrling-Meister"-Verhältnis. Nach einer zuletzt immer straffer durchstrukturierten Ausbildung im Zuge eines überall auf gleichen Lerninhalten beruhenden Studiums der Humanmedizin mit standardisierten Abschlussprüfungen folgt eine eher wenig strukturierte, irgendwie in den klinischen Alltag eingebettete Weiterqualifikation mit einem aus gesammelten Fakten und Fertigkeiten, einer Abarbeitung von Katalogen und Erfüllung von Zeiten, einem "Eignungsvermerk" und einem nicht standardisierten kollegialen Gespräch zusammengesetzten "Abschluss". Das funktioniert auch leidlich. Bislang ist es mehr oder weniger gelungen, den Bedarf an fachärztlichem Nachwuchs zu decken und das recht hohe Niveau der medizinischen Versorgung zu halten. Mittlerweile treiben uns aber nicht mehr nur hauptsächlich Neugier, Forschungsergebnisse und Innovationen in der Medizin, sondern insbesondere auch rapide Diversifizierungen und Veränderungen in der Berufsausübung und Versorgungslandschaft. Mehr und mehr wird deutlich, dass Weiterbildungsprozesse und die resultierenden Kompetenzen zur Facharztqualifikation schlecht beschrieben und kaum messbar sind. Aufkommende Fragen zur Planbarkeit und zeitgemäßen Sicherstellung von medizinischer Versorgung in der Fläche und in gewohnter Qualität können nur schwer beantwortet werden. Diese Fragen und Anforderungen ergeben sich längst nicht mehr implizit aus den Bedürfnissen und Nöten individueller Patienten, sondern werden teils lautstark von Interessengruppen, Arbeitgebern, spezialisierten Anbietern, Planungsbehörden und nicht zuletzt auch von den in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen selbst gestellt.

Warum kann die Weiterbildung so nicht weitergehen?

Zunächst haben wir es mit immer neuen Ärztegenerationen zu tun, die sich naturgemäß in ihrer Einstellung zum Leben und zur beruflichen Verwirklichung weiterentwickeln. Zahlreiche Umfragen unter Weiterbildungsassistenten in den letzten 20 Jahren haben aber überwiegend ähnliche Ergebnisse gezeitigt. Eine wesentliche Forderung der "jungen Leute" ist z.B. immer wieder die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der auf sie zukommenden Weiterbildungszeiten und Inhalte. So fordern die Ärztekammern bereits seit Jahren vor der Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis die Vorlage eines Curriculums, das den Weiterbildungsassistenten zu Beginn der Weiterbildung auch ausgehändigt und im Verlauf durch Jahresgespräche nachgehalten werden sollte. Das Curriculum ist dabei als Leitfaden zu verstehen. Bei unvorhergesehenen organisatorischen Herausforderungen innerhalb der Abteilung oder der Klinik müssen Abweichungen selbstverständlich möglich bleiben. Das Jahresgespräch, in vielen anderen Branchen als "Personalentwicklungsgespräch" fest etabliert, dient dem Feedback, der Wertschätzung des "Lehrling-Meister-Verhältnisses" und der gegenseitigen planerischen Sicherheit.

Bereits für Famulaturen und im praktischen Jahr begeben sich immer mehr Studierende ins Ausland, die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union hat die Mobilität zusätzlich befördert. Nun sind die geforderten Weiterbildungszeiten im benachbarten europäischen Ausland in den meisten Facharztqualifikationen kürzer als in Deutschland. Inzwischen droht ein europäischer Wettbewerb um die ärztliche Weiterbildung, denn die oft um ein ganzes Jahr kürzere Weiterbildungsqualifikation aus diesen nahen Ländern kann (und muss) bei Rückkehr nach Deutschland gemäß Berufsqualifikationsrichtlinie der EU komplikationslos anerkannt werden.

Eine zunehmende Mobilität ist aber auch innerhalb Deutschlands von Bundesland zu Bundesland zu verzeichnen. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein verzeichnet pro Jahr ca. 1.800 Zu- und Abgänge von Mitgliedern - das sind über zehn Prozent der Gesamtklientel. Die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung "sammeln" sich immer öfter die Facharztqualifikation an mehreren Weiterbildungsstätten zusammen. Ein Wechsel der Weiterbildungsstätte hat im ärztlichen Selbstverständnis sogar eine gewisse Tradition. Bei Umzug von Bundesland zu Bundesland ist es den jungen Kolleginnen allerdings unverständlich, wenn sie auf wesentlich unterschiedliche Weiterbildungssystematiken treffen. Da die ärztliche Tätigkeit und das fachliche Spektrum zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen kaum unterschiedlich sein dürften, kommen die Ärztekammern auch zunehmend in Begründungsnöte für etwaige Abweichungen von der vom Deutschen Ärztetag verabschiedeten Musterweiterbildungsordnung.

Die derzeitige Weiterbildungsordnung und vor allem die heterogene Handhabung ihrer Umsetzung in den verschiedenen Bundesländern, die langen Novellierungszyklen und die rasante Veränderung der Versorgungslandschaft bieten viel Raum für "feindliche Übernahmen". So fordern medizinisch wissenschaftliche Fachgesellschaften, Universitätsinstitute, Krankenhauskonzerne oder Krankenhausgesellschaften, Kassenärztliche Vereinigungen und nicht zuletzt auch Krankenkassen nicht nur Mitspracherecht in der ärztlichen Weiterbildung, sondern machen zunehmend deutlich, mindestens eigene Ideen zu haben, wenn nicht gar den Anspruch, es insgesamt besser machen zu können.

Insbesondere seitens der Fachgesellschaften und der Unikliniken gibt es längst zahlreiche Strukturierungs- und Dokumentationshilfen für die Weiterbildungsgänge, während die Landesärztekammern mühselig an einem möglichst perfekten Gesamtkonzept arbeiten und sich anschließend bei der Umsetzung im föderalen Gefüge verzetteln. Eine Haupterkenntnis ist dabei, dass wir als Ärztekammer nicht (mehr) gefragt, sondern mit fertigen Teilprodukten konfrontiert werden. Insbesondere im Rahmen der Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin nach § 75a SGB V droht landauf, landab eine "Zuschreibung" der Weiterbildungskompetenz zu den Universitätsinstituten. Bei uns in Schleswig-Holstein ist glücklicherweise ein integratives Kooperationsmodell in Planung, das mit gleichberechtigten Partnern eher auf Bündelung der unterschiedlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten ausgelegt ist.

Die enorme Stofffülle im Medizinstudium, die schnelllebigen Innovationszyklen in der Medizin und die hochtourig laufende Versorgung lassen kaum noch Raum zur ärztlichen Identitätsstiftung. An namhaften Hochschulstandorten in den Vereinigten Staaten von Amerika ist dieses Phänomen längst erkannt worden. Die Antwort sind kontinuierliche und verpflichtende Fortbildungen zur Medizinethik und "Professionalität" für alle in Aus- und Weiterbildung. Ziel ist es dabei, selbstbewusste und "besser gefestigte Arztpersönlichkeiten" in die durch verschiedene und oft sogar gegenläufige Interessen der Gesundheitsakteure geprägte "freie Wildbahn" entlassen zu können. Auf die politisch geforderte und vom Gesetzgeber nunmehr gebahnte qualitätsgesteuerte Planung der Gesundheitsversorgung muss der fachärztliche Nachwuchs ebenso in besonderer Weise vorbereitet werden wie auf die vielen neuen Formen der Patientenversorgung durch Sonderverträge oder Zusammenschlüsse von "Leistungsanbietern" in neuen Rechtsformen.

Bekannter- und richtigerweise ist die ärztliche Weiterbildung in Deutschland keine Ausbildung. Die Ärztin/der Arzt ist mit Erlangung der Approbation berechtigt, die Heilkunde am Menschen auszuüben. Die Facharztqualifikation erfolgt somit unter Ausübung des ärztlichen Berufes mit entsprechenden, dem Hochschulabschluss angemessenen Bezügen. Dennoch darf das natürlich nicht heißen, dass Erkenntnisse aus der Erwachsenenpädagogik und der kognitiv relevanten Neurophysiologie in dieser fortgeschrittenen "Bildungsphase" bei Weiterbildungsassistenten keine Anwendung finden. Und das ist kein Vorwurf gegenüber unseren Weiterbildern, bleibt es doch im Zuge einer "normalen" Arztkarriere der persönlichen Initiative überlassen, dieses Know-how zu erwerben. Insofern spricht vieles dafür, zumindest einen "roten Faden" einer von der Hochschule her bekannten Bildungssystematik auch in der Weiterbildung fortzuführen. Grundlage für diese Entwicklungen könnte der nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog sein.

Dass die Anforderungen an die individuellen ärztlichen Kompetenzen wachsen, liegt in der Natur des Fortschritts. Der regelhafte unterjährige Anpassungsbedarf von Richtzahlen in der Weiterbildungsordnung zwischen den eigentlichen Novellierungen zeigt, dass diese mit der rasanten Wissensentwicklung kaum noch mithalten kann. Die Laufzeiten sind zu lang, wir brauchen eine schnellere "Modellfolge". Die heutige sekundenschnelle Wissensverfügbarkeit (zum Beispiel durch elektronische Medien) mahnt zudem zur "Entrümpelung" der Weiterbildungsinhalte. Auch sind die zeitlichen Vorgaben zur Erlangung von Zusatz-Weiterbildungen zu starr. So muss ein Ziel sein, Weiterbildungsqualifikationen auch berufsbegleitend - z.B. aus der Niederlassung heraus - erlangen zu können, ohne die Erwerbsbiografie unterbrechen zu müssen.

Nicht zuletzt sehen sich die Weiterbildungsabteilungen der Landesärztekammern zunehmend Anwürfen und juristischen Auseinandersetzungen rund um die Weiterbildungsbefugung oder die Zulassung zur Facharztprüfung ausgesetzt, was eine bessere "Gerichtsfestigkeit" der Weiterbildungsordnung erfordert.

Woran werden wir Ärztekammern dabei gemessen?

Die Zuständigkeit der Ärztekammern für die ärztliche Weiterbildung verlangt, bei allen Weiterbildungsfragen der Akteure im deutschen Gesundheitswesen zeitnah kompetenten Input geben zu können. Insbesondere aber gilt es, den eigenen Mitgliedern - Weiterbildungsbefugten wie Weiterbildungsassistenten - bei dem durch die Kammer begleiteten Prozess der Weiterbildung bestmögliche Unterstützung zu bieten. Der Gedanke der "Kundenorientierung" mit echter Hilfestellung und profundem Service ist dabei in der Kammerlandschaft durchaus noch ausbaufähig. Leider werden die administrativen Notwendigkeiten zur Sicherstellung der Weiterbildungsqualität "draußen" oft als lästig und überflüssig wahrgenommen und Mitarbeiterinnen der Ärztekammer beschimpft. Das erschwert die Zusammenarbeit, wobei sich bei näherer Erläuterung die meisten Konflikte erfahrungsgemäß rasch lösen lassen.

Bevölkerung, Politik, Anbieter, Kostenträger und nicht zuletzt unsere Kollegen fordern mehr Transparenz und Planungssicherheit. Wir brauchen klare, verständliche und justiziable Normen und darüber hinaus die bundeseinheitliche Verbindlichkeit einer Mindestdokumentation. Das alles macht letztendlich die Qualität der Weiterbildung aus, deren lückenlosen Nachweis wir auch führen können sollten. Nur so können Weiterbildungsbefugte und Kammern gemeinsam guten Gewissens die Verantwortung dafür übernehmen, unsere neuen fachärztlichen Kollegen in die selbstständige, freiberufliche und damit eigenverantwortliche Krankenversorgung zu entlassen.

Damit wird deutlich, dass ein "wenig schmerzhaftes Drehen an kleineren Stellschrauben" innerhalb der Weiterbildungslandschaft nicht mehr hilfreich, ja wahrscheinlich nicht mehr möglich ist. Eine bloße Fortschreibung der (Muster-)Weiterbildungsordnung aus dem Jahr 2003 wäre nicht mehr glaubwürdig, wesentliche Anteile der Weiterbildungsordnung müssen neu gedacht werden, wir brauchen den "großen Wurf" und wir müssen nach sieben Jahren nun endlich vorankommen.

Der Auftrag zur Novellierung der Weiterbildungsordnung erging nämlich bereits auf dem Deutschen Ärztetag im Jahr 2010 in Dresden. Eindeutig wurde damals eine kompetenzbasierte Bewertung gefordert. Die Abarbeitung von Weiterbildungsinhalten in Form von "Spiegelstrichen" erschien nicht mehr zeitgemäß. Ein Kernstück der neuen Weiterbildungsordnung sollen somit Weiterbildungsblöcke sein, deren erfolgreiche Absolvierung anschließend gemäß der Kennen-Können-Beherrschen-Systematik zu bewerten ist. Kompetenzerwerb wird auch weiterhin zum gewissen Teil ein Produkt aus Inhalten und Zeit (Engramme!) bleiben, die Bescheinigung einer Kompetenz allerdings erfordert eine differenzierte "Lehrling-Meister"-Beziehung. Hier werden die Weiterbildungsbefugten als mit der Weiterbildung beliehene Verantwortliche in neuer Weise gefordert. Angesichts des in der Regel nur einmal im Arztleben vorkommenden Abschlusses einer Weiterbildungsqualifikation wird das weithin für angemessen gehalten.

Qualifikationen für Gendiagnostik und Hygiene gehören in die WB-Ordnung

Die oben bereits erwähnte Möglichkeit der Weiterqualifizierung ohne komplette Unterbrechung der Erwerbsbiografie ermöglicht auch die zeitnahe Aufnahme neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht zuletzt auch mit dem Ziel der Abrechenbarkeit. Und die in der Zwischenzeit von der Politik an der Weiterbildungsordnung vorbei verpflichtend eingerichteten Qualifikationen in der Gendiagnostik und Hygiene müssen fest in die Weiterbildungsordnung integriert werden und damit wieder der Zuständigkeit und Verantwortung der Kammern unterliegen.

Eine große Diskussion ist um die Weiterbildungszeiten entbrannt. So gibt es eindeutige Verfechter einer durchgängigen Anpassung der Weiterbildungszeiten an die EU-Vorgaben, was einer Kürzung gleichkäme. Hauptargument ist dabei stets die schon erwähnte Inländerdiskriminierung durch längere Weiterbildungszeiten für identische Facharztanerkennungen. Dieser Diskurs ist noch nicht beendet. Wohlwollend beraten wird zudem über Möglichkeiten zur Anrechnung von Forschungstätigkeiten. Inwieweit diese obligat unmittelbare Bezüge zum Fach und/oder zu Patienten haben müssen, wird ebenfalls noch abgestimmt.

Eines der großen Probleme ist die Dokumentation der Weiterbildung. So sind seit über zehn Jahren Logbücher etabliert, die aber von den verschiedenen Landesärztekammern sehr unterschiedlich gehandhabt und von den Weiterbildungsassistenten sowie den Weiterbildungsbefugten sehr unterschiedlich angenommen werden. Die bereits mit der letzten Weiterbildungsordnungsnovelle eingeführten Jahresgespräche sind - wenn denn überhaupt durchgeführt - häufig unzureichend und ebenfalls wenig aussagekräftig dokumentiert. Die eingereichten Zeugnisse sind oft zu pauschal formuliert und enthalten bloße "Abschriften" aus den Anforderungen der Weiterbildungsordnung. Ein individueller, glaubwürdiger Eignungsvermerk wird gelegentlich vermisst. Der hochtourige klinische Alltag verleitet hier zu Flüchtigkeit und Abkürzungen.

Die Vielfalt und die Komplexität der Weiterbildungsadministration lassen sich ohne IT-Unterstützung nicht mehr beherrschen. Die Operationalisierung erfordert auch innerhalb der Kammern ein Umdenken und die Ausarbeitung neuer Prozeduren. Daraus folgt die Forderung nach einer bundeseinheitlichen und verbindlichen elektronischen Dokumentation mit einer gemeinsam entwickelten und finanzierten Software. Dieses "elektronische Logbuch" würde dem Weiterzubildenden und den Kammern auch einen Wechsel des Bundeslandes sehr viel einfacher machen. Dem Weiterbildungsbefugten soll es gleichzeitig als Checkliste entlang des selbst erstellten Curriculums dienen. Wer in welcher Form dabei wie viel Details dokumentiert, wird fachspezifisch ausgehandelt werden müssen. Die heutige Technik lässt dabei zweifellos sichere und bedienerfreundliche Lösungen zu. Eine intelligente Umsetzung kann die lästige Auflistung kleinteiliger Weiterbildungsinhalte im Zeugnis entbehrlich machen und zum Bürokratieabbau beitragen. Das Hauptaugenmerk könnte dann vielmehr auf eine aussagekräftige Bescheinigung der tatsächlich erworbenen Kompetenz gerichtet werden.

Wir halten Sie auf dem Laufenden.

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WORKSHOP FÜR WEITERBILDUNGSBEFUGTE IN DER ALLGEMEINMEDIZIN

Am 18. März lädt das Institut für Ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein in Kooperation mit den Universitäten Kiel und Lübeck weiterbildungsbefugte Ärzte in der Allgemeinmedizin in das Bildungszentrum der Ärztekammer in Bad Segeberg ein, um erprobte Train-the-Trainer-Konzepte in Erinnerung zu rufen, zu diskutieren und bei Bedarf zu ergänzen. Geleitet wird der Workshop von Prof. Hanna Kaduskiewicz (Lehrstuhl für Allgemeinmedizin Kiel) und Prof. Jost Steinhäuser (Lehrstuhl für Allgemeinmedizin Lübeck), die im Rahmen des Workshops u.a. über Qualität und Effizienz in der ärztlichen Weiterbildung sprechen werden. Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, wird über die aktuelle Bedeutung der Weiterbildung für die Ärzteschaft referieren. Steinhäuser wird das Kompetenzbasierte Curriculum Allgemeinmedizin vorstellen. Auf dem Programm stehen außerdem die Themen Feedbacktraining und Fallstricke in der Weiterbildungssystematik. Der Workshop dauert von 10 bis 15:30 Uhr. Für die Teilnehmer gibt es sieben Fortbildungspunkte. Veranstaltungsort ist die Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in der Esmarchstraße 4 in 23795 Bad Segeberg. Weitere Informationen zur der Veranstaltung gibt es bei Nina Brunken unter Telefon 04551 803760 oder über die Homepage der Ärztekammer Schleswig-Holstein (www.aeksh.de/akademie). Im Institut für Ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein haben sich wie berichtet die Ärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein zusammengeschlossen. Gemeinsam mit den Universitäten in Kiel und Lübeck stärken die drei Organisationen unter diesem Dach die Weiterbildung.



Infos

1.800 - Zu- und Abgänge von Mitgliedern registriert die Ärztekammer Schleswig-Holstein jedes Jahr - dies sind rund zehn Prozent ihrer Mitglieder. Insbesondere Ärzte in Weiterbildung sammeln ihre Facharztqualifikationen oft an Weiterbildungsstätten in verschiedenen Bundesländern. Für sie ist es unverständlich, wenn sie dabei auf wesentliche Unterschiede in der Weiterbildungssystematik stoßen.

§ 75a
des Sozialgesetzbuches V regelt die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Danach droht eine Zuschreibung der Weiterbildungskompetenz zu den Universitätsinstituten. Schleswig-Holstein verständigt sich auf ein integratives Modell mit gleichberechtigten Partnern, die gemeinsam die Weiterbildung stärken wollen. Sie bieten Curricula und Workshops an (siehe Kasten WORKSHOP).


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201703/h17034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, März 2017, Seite 1 + 6 - 9
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2017

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