Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


BILDUNG/1195: Mehr Sicherheit bei der Leichenschau ... Polizei und Kammer bilden Ärzte fort (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2020

LEICHENSCHAU
Polizei und Kammer bilden Ärzte fort

von Stephan Göhrmann


In Lübeck ist die Idee für ein gemeinsames Fortbildungsprojekt entstanden. Ziel: Mehr Sicherheit bei der Leichenschau und Austausch zwischen Ärzten und Polizisten.


Die Beamten des Kriminaldauerdienstes der Bezirkskriminalinspektion Lübeck beschäftigen sich rund um die Uhr mit schweren Delikten. Bei vielen ihrer Ermittlungen im Raum Lübeck und Umgebung haben es die Kriminalbeamten mit Todesermittlungen zu tun, bei der die Ursache unklar ist.

Dass ein Mensch verstorben ist bestätigt meistens der Notarzt. Ob der Verstorbene eines natürlichen Todes oder eines nichtnatürlichen Todes gestorben ist, stellen in der Regel niedergelasse Ärzte aus dem Einzugsgebiet fest. Wenn möglich, wird der Hausarzt des Verstorbenen informiert und zur Leichenschau herangezogen. In vielen Fällen ist dieser jedoch nicht bekannt. Daher wird überwiegend ein Arzt des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der KV für die Leichenschau angefordert. Da der Notdienst der KV erst die Notfälle behandeln muss und nicht rund um die Uhr im Einsatz ist, müssen die Beamten und Angehörigen oft zwei bis vier Stunden auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst warten.

Bei einer umfänglichen Leichenschau durch die gerufenen Hausärzte kommt es nach Erfahrungen der Polizei vor, dass Leichen nicht vollumfänglich entkleidet untersucht werden - die Inaugenscheinnahme des komplett entkleideten Leichnams ist aber gesetzlich vorgeschrieben.

Ein Problem ist auch die korrekte Dokumentation der Leichenschau. In Schleswig-Holstein können die Ärzte nur zwischen der Feststellung eines "natürlichen" und "nicht natürlichen" Todes entscheiden. Ist sich ein Arzt über die genaue Todesart nicht im Klaren, wird oft "nicht natürlich" angegeben. Mit dieser Bescheinigung muss die Polizei ihre Ermittlungen aufnehmen. In Hamburg haben Ärzte bei der Leichenschau eine dritte Option: Todesart "unklar". Dann geht der Leichnam direkt an die Rechtsmedizin.

Christian Stahl arbeitet seit 17 Jahren bei der Bezirkskriminalinspektion. In dieser Zeit hat der Kriminalhauptkommissar neben den langen Wartezeiten auch oben beschriebenen Probleme - oft wegen fehlender Routine und daraus entstehender Unsicherheit sowie wegen Unkenntnis der Vorgeschichte des Opfers - bei den Ärzten beobachtet. "Zusammen mit dem Zeitdruck stellt das die Ärzte oft vor große Hürden", sagt Stahl. Zusammen mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein plant der Leiter der "Arbeitsgemeinschaft Ärzte" deshalb eine curriculare Fortbildung.

Erste Ideen dazu existieren schon längere Zeit. Durch die regelmäßige Zusammenarbeit zwischen Notärzten und Beamten gibt es gemeinsame Treffen und begleitende Einsätze. Mal fahren die Beamten bei den Notärzten mit, mal können die Notärzte bei der Kripo hospitieren. Gemeinsame Fortbildungen für Notärzte und Beamte des Kriminaldauerdienstes werden von Dr. Frank Hackmann und Christian Stahl organisiert.

Die geplante curriculare Fortbildung soll den niedergelassenen Ärzten mehr Sicherheit und Einblick in die Tätigkeit der Kriminalbeamten geben. Fortbildungsgrundlage bildet im ersten Teil eine mehrstündige Schulungen per E-Learningmodul des Interdisziplinären Fachforums Rechtsmedizin sein. Der dazugehörige "forensic-atlas" vom Fachforum Gerichtsmedizin ist online abrufbar und wird mittlerweile auch von vielen Kriminaldienststellen zur Fort- und Weiterbildungszwecken verwendet.

Ein weiteres Modul umfasst einen drei bis vierstündigen praktischen Teil in der Rechtsmedizin. Dabei lernen die Teilnehmer, einen Leichnam "vom Scheitel bis zu Sohle" zu überprüfen.

In dem letzten ein- bis zweistündigen Modul informiert die Kriminalpolizei zusammen mit der Staatsanwaltschaft Lübeck über die Rechte und Pflichten der Ärzte in Bezug auf das Bestattungsgesetz.

Geplant ist, dass die curriculare Fortbildung mit einem Zertifikat der Ärztekammer Schleswig-Holstein abgeschlossen werden kann. Ihr Zeil sei nicht nur die Qualifizierung der Ärzte. Sie soll zugleich einen regelmäßigen Austausch zwischen Medizinern und Beamten initiieren. "Ich hoffe, dass wir einen Pool von motivierten Ärzten zusammenbekommen, die Lust am Thema Leichenschau haben, und auf Anforderung der Rettungs- und Polizeistelle zur Leichenschau kommen", sagte Stahl.

Interessierte aktive Ärzte sowie Ärzte im Ruhestand oder direkt aus dem Studium können sich bei der AG Ärzte melden. Stahl sieht die Gruppe als Vermittlungsstelle zwischen Ärzten und Polizei: "Wir sind Ansprechpartner für alle an der Leichenschau Beteiligten."


Kontakt

Wenn Sie Interesse an einem Kontakt mit der Kriminaldienststelle Lübeck haben, können Sie sich unter der folgenden Mailadresse bei Christian Stahl melden: ag-aerzte.luebeck.bki@polizei.landsh.de


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202004/h20044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, April 2020, Seite 30
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang