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FORSCHUNG/2390: Epigenetik - Den Falten auf der Spur (einblick - DKFZ)


"einblick" - die Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Ausgabe 3/2010

Den Falten auf der Spur

Von Lukas Schürmann


Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Sie ist ständig verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt, wird im Lauf des Lebens mal braun, mal bleich und irgendwann runzlig. Wissenschaftler in Heidelberg und Hamburg haben gemeinsam epigenetische Faktoren ausgemacht, die einen wichtigen Beitrag dazu leisten.


Wirkt regelmäßiges Sonnenbaden der Hautalterung entgegen? Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man die jüngsten Forschungsergebnisse der Abteilung "Epigenetik" des Deutschen Krebsforschungszentrums betrachtet. Doch der Eindruck täuscht. "Zu lange Sonnenbäder sind schädlich, das ist erwiesen; daran ändern auch unsere Ergebnisse nichts", erklärt Professor Frank Lyko, der die Abteilung leitet. Sein Team hat gemeinsam mit Wissenschaftlern der Firma Beiersdorf untersucht, wie sich die Haut im Laufe des Lebens epigenetisch verändert. Lyko und seine Kollegen richteten ihr Augenmerk dabei vor allem auf die Methylierung des Erbmoleküls DNA.

Unter Methylierung versteht man eine chemische Veränderung der DNA. An bestimmte Stellen des Erbmoleküls können kleine Moleküle angefügt werden, so genannte Methylgruppen, die aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen bestehen. Dieses Anheften hat zur Folge, dass die Erbinformation an der entsprechenden Stelle der DNA nicht mehr so gut abgelesen werden kann - die Methylierung schaltet Gene stumm.

Besonders wichtig ist das bei der Entwicklung des Menschen von der befruchteten Eizelle zum erwachsenen Organismus. Jede Zelle des menschlichen Körpers enthält die komplette Erbinformation, allerdings sehen nicht alle Körperzellen gleich aus. Eine Haarwurzelzelle unterscheidet sich grundlegend von einer Nerven- oder einer Leberzelle - dafür sorgt die Epigenetik. "In meinen Augen besteht die wichtigste Funktion der Epigenetik darin, die spezifischen Eigenschaften der unterschiedlichen Zelltypen festzulegen", sagt Frank Lyko. Er erklärt: Nur, weil mithilfe von Methylierungen bestimmte Gene in einer Zelle ausgeschaltet werden, kann sich diese Zelle zu einem spezialisierten Zelltyp entwickeln, der im Körper bestimmte Funktionen übernimmt. Aus Hautzellen entstehen neue Hautzellen, weil die molekulare Maschinerie in der Zelle über epigenetische Schalter verhindert, dass etwa Gene für Herz- oder Hirnzellen abgelesen werden.


Die Haut: gut geeignet für die Forschung

In einem Forschungsprojekt zusammen mit dem Unternehmen Beiersdorf untersuchten die Wissenschaftler, wie stark die DNA in alter und junger, in gebräunter und nicht-gebräunter Haut methyliert ist. "Wir haben Hautproben vom äußeren Unterarm, der eigentlich immer der Sonne ausgesetzt ist, mit Hautproben vom inneren Oberarm, der praktisch immer im Schatten liegt, verglichen", erläutert Lyko. Zwei Gründe gäbe es, warum die Wissenschaftler ausgerechnet Hautproben untersuchten. Die Haut sei zum einen besonders gut für die Erforschung von altersbedingten, epigenetischen Veränderungen geeignet, da man ihr auf den ersten Blick das Alter ansehe. Zum anderen bestehe die Haut aus scharf voneinander abgegrenzten Zellschichten, die in sich wiederum sehr einheitlich aufgebaut seien. "Die Epigenetik hat in der Vergangenheit immer darunter gelitten, dass man Gemische von Zelltypen untersucht hat", meint Frank Lyko, "eine Blutprobe zum Beispiel besteht aus vielen unterschiedlichen Zelltypen, die jeweils eigene Methylierungsmuster besitzen; dieses Problem ist bei Hautzellen nicht so ausgeprägt." Dr. Marc Winnefeld, Forscher bei Beiersdorf, fügt hinzu: "Hautzellen eines bestimmten Typs sind bezüglich ihres Methylierungsmusters sehr einheitlich, also in Zellversuchen sehr gut miteinander vergleichbar."

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Erbmaterial alter Haut erheblich mehr Methylgruppen aufweist als das Erbmaterial junger Haut. Die Forscher bezeichnen das als Hypermethylierung ("hyper" ist griechisch und bedeutet "über"). "Von der Hypermethylierung in alter Haut sind vor allem solche Gene betroffen, bei denen man sich vorstellen kann, dass sie etwas mit dem Altern der Haut zu tun haben: Gene, die die Straffheit der Haut beeinflussen, oder Gene, die mit der Überlebensfähigkeit von Zellen in Verbindung stehen", beschreibt Lyko. Wichtig sei diese Entdeckung auch deshalb, weil die Methylierungsmuster von alten Hautzellen an jene Muster erinnerten, die man in den Zellen von Hautkrebspatienten fände. Lyko sieht hier eine mögliche Verbindung: "Untersuchungen an großen Patientengruppen haben gezeigt, dass das Alter ein Hauptrisikofaktor dafür ist, an Krebs zu erkranken - es ergibt also einen Sinn, die epigenetischen Veränderungen in alternden Hautzellen als mögliche Krebsvorstufen zu interpretieren."

Auch zu anderen wissenschaftlichen Ergebnissen scheinen Lykos Resultate zu passen: Junge Hautzellen sind wesentlich anpassungsfähiger und flexibler als alte. "In meinen Augen ist die Epigenetik ein Mechanismus, der es Zellen ermöglicht, flexibel mit den eigenen Erbanlagen umzugehen", sagt Lyko. Denn eine jede Zelle des Körpers trage alle Gene des menschlichen Erbguts in sich, viele dieser Gene würden aber epigenetisch abgestellt. Um auf Umwelteinflüsse reagieren zu können, behalte die Zelle trotzdem ein gewisses Maß an Anpassungsfähigkeit. "Mit dem Alter kommt die Hypermethylierung, mit der Hypermethylierung sind gewisse Dinge nicht mehr möglich, die zuvor noch möglich waren. Damit verliert die Zelle an Flexibilität." Lyko, Winnefeld und ihre Kollegen verglichen auch das Methylierungsmuster von gebräunter und nicht-gebräunter Haut. Diese Untersuchung stehe, so Lyko, in direktem Zusammenhang zur Analyse unterschiedlich alter Haut. "Es gibt viele Befunde, die zeigen, dass Hautalterung zumindest teilweise auf die Sonneneinstrahlung zurückgeht, etwa auf chronische Sonnenschäden. Ist das ein direkter Beitrag zur Hautalterung? Ein zusätzlicher Beitrag? Oder sind es zwei vollkommen verschiedene Wege?"


In der Sonne grillen: Immer noch keine gute Idee

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass auch Sonnenstrahlen sich auf das Methylierungsmuster von Hautzellen auswirken. Lyko beschreibt: "Die gebräunte Haut hatte, selbst wenn sie alt war, ein anderes Methylierungsmuster als die immer sonnengeschützte Haut." Stark gebräunte Haut habe sich durch auffallend wenige Methylgruppen an der DNA ausgezeichnet, eine so genannte Hypomethylierung (das griechische "hypo" bedeutet "unter"). Übermäßige Methylierung in Zellen von Hautkrebspatienten, spärliche Methylierung in sonnengebräunter Haut - bedeutet das, die Sonne wirkt vorbeugend gegen Krebs? Nein, denn beide Phänomene treten an unterschiedlichen Genen auf und kompensieren sich daher nicht. "Deshalb verursachen Bräunungscremes keinen Krebs und deshalb schützt Sonnenbaden nicht vor Hautalterung", mahnt Lyko.

Wenn die Sonne auch nicht zur Krebsvorsorge taugt, so hofft Lyko trotzdem, auf epigenetischer Grundlage gegen Krebs vorgehen zu können. "Wir suchen in unserer Abteilung nach Hemmstoffen, die ein Zuviel an Methylierung wieder rückgängig machen - so genannte DNA-Methyltransferase-Inhibitoren." Solche Hemmstoffe stellen laut Lyko einen wichtigen Ansatz in der Krebstherapie dar. Auch die Firma Beiersdorf möchte auf der Grundlage der Epigenetik neue Wirkstoffe entwickeln. "Unser Ziel besteht darin, die Haut vor epigenetischen Veränderungen zu schützen", sagt Marc Winnefeld. "Da diese häufig schädliche Umwelteinflüsse zurückgehen, besteht hier eine gute Möglichkeit, die Hautalterung zu verlangsamen." Weil epigenetische Veränderungen zudem umkehrbar seien, habe man einen Ansatzpunkt für Wirkstoffe gefunden, die Alterserscheinungen möglicherweise rückgängig machen könnten. "Ob und wie das jedoch in der Haut zu leisten ist, muss in langwierigen Studien geklärt werden, die weit über den Rahmen unserer bisherigen Untersuchungen hinausgehen", sagt Winnefeld.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 16:
Weinbauer in Peru mit sonnenverbrannter Haut.

Abb. S. 17:
In stark gebräunter Haut weist das Erbmaterial auffallend wenige Methylgruppen auf. In Zellen von Hautkrebspatienten dagegen enthält das Erbmaterial übermäßig viele Methylgruppen - auf den ersten Blick das Gegenteil. Beide Effekte treten jedoch an unterschiedlichen Genen auf und kompensieren sich daher nicht - Sonnenbaden schützt nicht vor Krebs.

Abb. S. 18 oben:
Nach einem Sonnenbrand erholt sich die Haut zwar oberflächlich. Die Schäden haben sich jedoch ins Erbmaterial eingebrannt, was Ärzte mit dem Spruch "Die Haut vergisst nichts" umschreiben. Verschiedene Studien haben gezeigt: Die Haut altert umso schneller und entwickelt umso häufiger eine Krebserkrankung, je mehr Sonnenbrände sie abbekommt.

Abb. S. 18 unten:
Schema verschieden schwerer Stadien einer Hautverbrennung. Je höher der Grad der Verbrennung, desto schwerer sind die Schäden und umso tiefer reichen sie in die Haut hinein.


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Quelle:
"einblick" - die Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums
(DKFZ)
Ausgabe 3/2010, Seite 16 - 18
Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum in der
Helmholtz-Gemeinschaft
Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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E-Mail: einblick@dkfz.de
Internet: www.dkfz.de/einblick

"einblick" erscheint drei- bis viermal pro Jahr
und kann kostenlos abonniert werden


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2011