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FORSCHUNG/2510: Der Midbody - Zellen am seidenen Faden (idw)


Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 19.10.2011

Der Midbody - Zellen am seidenen Faden

Max-Planck-Forscher in Dresden zeigen, dass Stammzellen bei der Teilung mit ihrem letzten Verbindungsstück anders umgehen als Krebszellen


Wann immer sich Zellen teilen, bildet sich am Ende des Vorgangs vorübergehend zwischen den entstehenden Tochterzellen ein letztes Verbindungsstück - der Midbody: Wie an einem seidenen Faden hängen die Zellen der neuen Generation noch aneinander. Interessant ist die Frage, wie die Zelle danach mit dieser Übergangsstruktur umgeht; wird sie an eine der beiden Tochterzellen vererbt oder einfach abgetrennt und der Umgebung überlassen? Dresdner Max-Planck-Forscher um Wieland Huttner haben nun einen Zusammenhang herstellen können zwischen dem Abstoßen des Midbody und der Fähigkeit von Zellen, sich auszudifferenzen: Stammzellen werfen im Gegensatz zu Krebszellen öfter ihren Midbody einfach ab.

Dieses letzte Verbindungsstück zwischen zwei entstehenden Zellen, ist es Trash oder Treasure - abgeworfener Müll oder ein Schlüssel, um von Zellwachstum auf Zelldifferenzierung schalten zu können? Bisher ging man immer davon aus, dass der Midbody an eine der beiden Tochterzellen mitgegeben und dort langsam abgebaut wird.

Das Team von Wieland Huttner, Gruppenleiter und Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, konnte schon vor einigen Jahren zeigen, dass den Midbody auch ein ganz anderes Schicksal ereilen kann: Studien am sich entwickelnden Gehirn zeigten, dass bestimmte Zellen das filigrane Verbindungsstück einfach komplett an beiden Seiten abschneiden und in die Zellperipherie abstoßen. Die nächsten Fragen schlossen sich nun sofort an: Welche Konsequenzen hat dieser alternative Vorgang für das gesamte Schicksal der Zelle - was ist also seine Bedeutung? Und in welchen Zelltypen geschieht dieser Vorgang?

In Zellkultur-Experimenten sollte das Phänomen der kompletten Midbody-Abnabelung genauer untersucht werden. Das Seltsame: In den zunächst untersuchten Zellkulturen war der Vorgang nicht zu beobachten. Erst als die Forscher ratlos auf neurale Stammzellen umstiegen, wurden sie fündig. Das Umschwenken lieferte sogleich die Erkenntnis und Erkärung: Stammzellen weisen viel häufiger die Fähigkeit auf, den seidenen Faden nach der Zellteilung komplett abzuwerfen; Krebszellen oder für die Zellkultur unsterblich gemachte Zellen hingegen deutlich weniger. Das können die Forscher nun genau quantifizieren. Dreht man das um, bedeutet es, dass die Fähigkeit zum Midbody-Abstoßen auch einherzugehen scheint mit der Fähigkeit, sich auszudifferenzen.

Für die weit entfernte Zukunft öffnen diese neuen Erkenntnisse - zumindest einen Spalt weit - die Tür zu einer möglichen medizinischen Anwendung: Vielleicht kann man eines Tages Krebszellen so manipulieren, dass sie wie Stammzellen ihren Midbody abgeben und ausdifferenzieren - und so ihr unreguliertes Wachstum einstellen.


Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wieland B. Huttner
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden
E-Mail: huttner@mpi-cbg.de

Originalveröffentlichung:
Andreas W. Ettinger, Michaela Wilsch-Bräuninger, Anne-Marie Marzesco, Marc Bickle, Annett Lohmann, Zoltan Maliga, Jana Karbanova, Denis Corbeil, Anthony A. Hyman & Wieland B. Huttner
Proliferating versus differentiating stem and cancer cells exhibit distinct midbody-release behaviour
Nature Communications, 18. Oktober 2011

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image153820
Neuronale Stammzelle in der letzten Phase der Zellteilung: Der Midbody ist mit Hilfe eines Fusionsproteins als grüne Punkte zu sehen. Die Zellkerne wurden blau angefärbt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution207


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Dr. Harald Rösch, 19.10.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011