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MELDUNG/105: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 21.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Beförderung von Proteinen mit dem Gen-Taxi
→  Mit dem Goldkatheter auf der Spur von Herzrhythmusstörungen   
→  Wie Nervenzellen Geruchsreize unterscheiden

Raute

Medizinische Hochschule Hannover - 20.04.2010

MHH-Forscher befördern Proteine mit dem Gen-Taxi

- REBIRTH entwickelt neue zellbiologische Methode
- Virale Nanopartikel transportieren Proteine in induzierte pluripotente Stammzellen

Viren haben sich im der Laufe der Evolution optimal an ihre Wirtszellen angepasst und sind so ideale Überträger für Gene. Forscher und Ärzte setzen virale Nanopartikel als Gen-Taxi ein - zum Beispiel in der Gentherapie oder zur Reprogrammierung von Körperzellen in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS). Die von Dr. Dr. Axel Schambach geleitete Arbeitsgruppe "Hematopoetic Cell Therapy" in der Abteilung für Experimentelle Hämatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im Exzellenzcluster REBIRTH (From Regenerative Biology to Reconstructive Therapy) konnte nun mit viralen Nanopartikeln gezielt und dosiert Proteine in Zellen einschleusen. "Mit der Methode können wir kurzfristig das Zellverhalten steuern, ohne die Erbinformation der Zelle zu verändern", erklärt Professor Dr. Christopher Baum, Leiter der Abteilung für Experimentelle Hämatologie. So konnten die Forscher um Professor Baum mit einem eingebrachten Schneide-Enzym die viralen Reprogrammierungsgene aus iPS-Zellen entfernen. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Für die neue Technik verwenden die Forscher virale Nanopartikel - eine stark veränderte Form des murinen Leukemia-Virus (MLV) -, die keine Erbinformation mehr übertragen. Die Forscher züchten in Petrischalen die viralen Nanopartikel in Produzentenzellen heran. Dazu nutzen sie den natürlichen Produktionsweg der Viren. "Damit keine vermehrungsfähigen Viren entstehen, bringen wir die viralen Gene für die Hülle, die Strukturproteine und optional auch das RNA-Genom getrennt auf drei Plasmiden in die Produzentenzellen ein. Das Plasmid für die Strukturproteine haben wir so modifiziert, dass die Zellen die fremden Proteine in die Partikel einbauen", erklärt die Erstautorin Christine Völkel, Doktorandin des REBIRTH-Graduiertenprogramms "Regenerative Sciences".

Anschließend "ernten" die Wissenschaftler die Partikel aus den Produzentenzellen und reinigen sie auf. "Vor dem Eintritt in die Zelle setzen virale Enzyme die fremden Proteine im Viruspartikel frei. Die aufgereinigten Partikel können gezielt an die gewünschte Zelle andocken. Die Partikel zerfallen dort und die Proteine können somit ihr Ziel finden", erklärt Dr. Schambach. "Wir können mit dieser Technik größere Mengen Proteine gezielt in die Zelle schleusen, ohne hierfür das virale Genom zu benötigen. Wir können also das Zellverhalten steuern, ohne dort Erbinformation einzubringen", erklärt der Arbeitsgruppenleiter. Zudem können die Forscher beeinflussen, in welchen Zelltyp die Partikel ihre Proteine einschleusen.

"Diese Methode ist auch ein neuer Ansatz zur Herstellung von iPS-Zellen. Denn so konnten wir die zuvor mit dem Gen-Taxi für die Reprogrammierung künstlich eingebrachten Gene aus den Stammzellen wieder entfernen. Dazu schleusten wir mit den Protein-Nanopartikeln ein DNA-Schneide-Enzym in den Zellkern. Dort schnitt das Enzym die Reprogrammierungsgene aus der DNA. Dies erhöht die Qualität der iPS-Zellen für Anwendungen in der Grundlagen- und Therapieforschung", sagt Professor Baum.

Weitere Informationen
erhalten Sie bei Professor Dr. Christopher Baum
E-Mail: baum.christopher@mh-hannover

Die Originalarbeit finden Sie unter
http://www.pnas.org/content/early/2010/04/05/0914517107.abstract.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image113903
Blick durch ein Fluoreszenzmikroskop auf Zellen. Die Zellkerne sind rotgefärbt. Mit viralen Nanopartikel haben die Forscher das grünfluoreszierende Protein (GFP) in die Zellen eingebracht.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 20.04.2010

Raute

Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum / Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen - 20.04.2010

Mit dem Goldkatheter auf der Spur von Herzrhythmusstörungen

Mit einer weltweit neuen Methode unter Einsatz eines mit purem Gold beschichteten Herzkatheters werden Patienten, die unter Vorhofflimmern leiden, in der Kardiologischen Klinik des Herz- und Diabeteszentrums Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Horstkotte erfolgreich behandelt. Das HDZ NRW ist Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.

Das Vorhofflimmern ist die häufigste bedeutsame Herzrhythmusstörung, allein in Deutschland leiden darunter etwa eine Million Menschen. Bei einem Großteil der Betroffenen äußert sich die Erkrankung durch Herzrasen, verursacht durch zu schnelle und ungeordnete Bewegungen der Herzkammerwände, die durch ungerichtete elektrische Erregungen des Herzens entstehen. Unspezifische Beschwerden wie unzureichende Belastbarkeit, Müdigkeit oder Schlafstörungen kommen hinzu. Vorhofflimmern ist zwar grundsätzlich nicht lebensbedrohlich, aber mit einem erhöhten Risiko verbunden, einen Schlaganfall zu erleiden

Wenn eine medikamentöse Therapie nicht erfolgreich ist, kann die Ursache der Rhythmusstörungen im HDZ NRW durch eine magnetisch gesteuerte Katheterbehandlung der Herzinnenhaut behoben werden. Dieses Verödungsverfahren nennt man Ablation. Der dabei eingesetzte, an der Spitze mit Gold beschichtete Katheter gewährleistet eine hohe, punktgenaue Energieübertragung und vermindert das Risiko der Gerinnselbildung erheblich.

Insgesamt 90 Patienten mit zumeist anhaltendem Vorhofflimmern wurden bisher am HDZ NRW mit der neuen Methode behandelt. Während bisher nur von Hand gesteuerte Ablationen möglich waren, bietet die durch große Magneten gesteuerte Ablation viele Vorteile. So ist durch die Kraft der Magneten ein ständiger zuverlässiger Kontakt zwischen dem Behandlungskatheter und dem zu verödenden Gewebe im linken Herz-Vorhof zu erreichen. Dadurch werden nicht nur deutlich verbesserte Ergebnisse bei komplizierten Behandlungen erzielt. Auch treten weniger Komplikationen durch zu starkes Andrücken der Katheter an die Herzwand auf, da der Magnet den Kontakt auf das genau nötige Maß begrenzt. Der mit der Goldspitze ausgestatte Herzkatheter gewährleistet dabei eine hohe Energieübertragung, ohne gefährliche Blutgerinnsel zu erzeugen. So konnten die Behandlungen der Patienten ohne Auftreten von Schlaganfällen durchgeführt werden.

Die Kardiologische Klinik bildet Rhythmusspezialisten aus ganz Deutschland in diesem magnetisch ferngesteuerten Katheterverfahren zur Behandlung von Vorhofflimmern aus. Ein erstes Arbeitstreffen zu der neuen Technik fand bereits in Bad Oeynhausen statt. Über die außergewöhnlich guten Ergebnisse der neuen Methode werden die Spezialisten des HDZ NRW weltweit auf Kongressen berichten.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.hdz-nrw.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/pages/de/image113926
Der neue Goldkatheter, mit dem Patienten im HDZ NRW bei Vorhofflimmern behandelt werden

http://idw-online.de/pages/de/image113927
Oberarzt Dr. Georg Nölker (Kardiologische Klinik, HDZ NRW) bei der magnetisch gesteuerten Behandlung eines Patienten mit Vorhofflimmern

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/pages/de/attachment2965
Volltext Pressemitteilung HDZ NRW vom 20.04.2010

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1268

Quelle: Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen, Anna Reiss, 20.04.2010

Raute

Universitätsklinikum Heidelberg - 20.04.2010

Wie Nervenzellen Geruchsreize unterscheiden

- Heidelberger Neurowissenschaftler weisen erstmals die Funktion hemmender Kommunikation nach
- Veröffentlichung in "Neuron"

Ob verschiedene Gerüche schnell unterschieden werden können, hängt von bestimmten Synapsen im Gehirn ab, die die Nervenerregung hemmen. Wissenschaftler um Professor Dr. Thomas Kuner am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Fakultät Heidelberg und Dr. Andreas Schäfer am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung haben gezeigt, dass Mäuse, denen ein bestimmter Rezeptor im Riechhirn fehlt, ähnliche Gerüche schneller auseinander halten können, als Mäuse ohne genetische Manipulation. Dieses Verhalten ließ sich direkt auf Hemmschleifen zwischen benachbarten Nervenzellen zurückführen.

Die Entdeckung des Verschaltungsprinzips der "lateralen Hemmung" im Auge wurde vor 43 Jahren mit dem Nobelpreis an Haldan K. Hartline, George Wald und Ragnar Granit gewürdigt. Die Heidelberger Wissenschaftler haben das gleiche Prinzip jetzt erstmals für das Riechsystem, von der Ebene der Moleküle bis zum Verhalten, nachweisen können. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der renommierten Zeitschrift "Neuron" veröffentlicht.

Geruchsstoffe binden in der Nasenschleimhaut an Rezeptoren der Riechzellen und lösen dort Nervensignale aus. Diese werden im sogenannten Riechkolben, einem Teil des Gehirns, weiterverarbeitet. In dem Nervennetzwerk findet die Umwandlung des ankommenden Signals in ein spezifisches elektrisches Muster statt, das an die Großhirnrinde und andere Hirnareale weitergeleitet und dort erkannt wird.

Lokale Hemmschleifen präzisieren Geruchserkennung

Professor Kuner und seine Mitarbeiter haben zum ersten Mal zeigen können, wie sich die neuronale Verarbeitung von Geruchsreizen direkt auf das Verhalten von Versuchstieren auswirkt. "Wir haben die Informationsverarbeitung im Riechkolben ganz spezifisch manipuliert und dann die Auswirkungen dieser genetischen Manipulation anhand der Reaktionszeit gemessen. So konnten wir nachweisen, dass die Versuchstiere aufgrund lokaler Hemmschleifen einander sehr ähnliche Duftstoffmischungen schneller, aber trotzdem zuverlässig unterscheiden können", erklärt Professor Kuner.

Die Hemmung über zwischengeschaltete Nervenzellen wirkt wie eine Art Filter, indem starke Reize verstärkt und schwache Reize weiter abgeschwächt werden. So wird die wesentliche Information besser erkennbar. Die Reaktionszeit bei den Versuchstieren wurde um etwa 50 ms verkürzt. Die Zeit, die die Versuchstiere zum Erlernen der verschiedenen Gerüche benötigten, und die Erinnerungsfähigkeit blieben dabei unbeeinflusst. Auch die Erkennung einfacher Duftstoffe veränderte sich nicht.

Die Wissenschaftler schleusten über eine virale Genfähre ein bestimmtes Enzym, die Cre-Rekombinase, direkt in die Nervenzellen des Riechkolbens junger Mäuse ein. Im Genom dieser Mäuse wurden über gentechnisch eingeführte Erkennungsstellen dieser Enzyme ein bestimmter Genabschnitt entfernt. Dies führte zur Ausschaltung eines Rezeptors auf den zwischengeschalteten Nervenzellen. Durch diese gezielte Manipulation wurden die Hemmschleifen besonders aktiv. Mit den sonst üblichen "Knock-out" Modellen, bei denen das Gen gleich im gesamten Körper ausgeschaltet wird, wäre die nachfolgende, selektive Verhaltensbeobachtung nicht möglich gewesen. In einer ausgeklügelten Versuchsanordnung mussten die Mäuse dann lernen, einfache und komplizierte, aus mehreren Duftstoffen zusammengesetzte Gerüche zu erkennen. Mit elektrophysiologischen Messungen, bildgebenden Verfahren und anatomischen Techniken wurde schließlich eine Verbindung vom Molekül zum Verhalten hergestellt.

Weitere Informationen im Internet:
www.ana.uni-heidelberg.de/english/resarch-groups/medical-cell-biology/kuner-group.html

Literatur:
NM Abraham, V Egger, DR Shimshek, R Renden, I Fukunaga, R Sprengel, PH Seeburg, M Klugmann, TW Margrie, AT Schaefer, T Kuner.
Synaptic inhibition in the olfactory bulb accelerates odor discrimination in mice.
Neuron, 2010, 65: 399-411
DOI 10.1016/j.neuron.2010.01.009

Ansprechpartner:
Professor Dr. Thomas Kuner
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 307, 69120 Heidelberg
E-Mail: kuner@uni-heidelberg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image113936
Genetisch modifizierte Körnerzellen des Riechkolbens der Maus. Die Zellkerne der Körnerzellen wurden immunhistochemisch rot markiert. Zellen, die durch viralen Gentransfer ein zusätzliches Protein exprimieren sind grün oder gelb (z.B. Pfeile). Die viral exprimierte Cre-Rekombinase kann in genetisch entsprechend veränderten Mäusen das Erbgut hochspezifisch verändern. Im vorliegenden Fall wurde dadurch in einem Großteil der Körnerzellen ein bestimmter Glutamatrezeptor entfernt, was eine verstärkte Hemmung der Ausgabezellen des Riechkolbens zur Folge hatte und zu einer beschleunigten Geruchsunterscheidung führte.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 20.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2010